Protokoll der Sitzung vom 14.11.2008

Kiebitze vollführen im April lautstark ihre Flugkunststücke über den noch feuchten Senken, im Mai steigen frühmorgens Lerchen über den Äckern der Sonne entgegen und im Sommer stolzieren die Störche über die frisch gemähten Wiesen.

(Leichte Heiterkeit bei der CDU)

Solche Bilder, meine Damen und Herren, die wir alle kennen, gehören in vielen Gegenden Sachsens leider der Vergangenheit an. Dabei sprechen wir nicht von den Kindheitserinnerungen unserer Großeltern. Noch in der letzten Dekade hat ein drastischer Wandel stattgefunden. Um mit harten Zahlen zu sprechen: Im Zeitraum von Mitte der Neunzigerjahre bis 2007 haben sich die Bestände des einst weit verbreiteten Kiebitzes von circa 1 250 Brutpaaren auf circa 600 Paare mehr als halbiert. Beim Rebhuhn sind die Bestände im Zeitraum von 1990

bis 2007 von circa 2 500 auf circa 300 Tiere zurückgegangen. Auch die Bestände der noch vergleichsweise häufigen Feldlerche sind stark zurückgegangen. Die Zahl ihrer Brutpaare hat von circa 200 000 Mitte der Neunzigerjahre auf circa 70 000 abgenommen. Beim Weißstorch konnte auch das seit 1995 laufende Artenschutzprogramm den Rückgang nur verlangsamen, aber nicht stoppen. So ist die Anzahl der flügge gewordenen Jungvögel von 917 Tieren im Jahr 1998 auf 596 Tiere im Jahr 2007 zurückgegangen.

Eine wesentliche Ursache für den Rückgang liegt sicherlich im Nutzungswandel und im Strukturverlust in der Agrarlandschaft. Im Einzelfall können aber auch andere Faktoren wirksam werden, wie Verluste durch zunehmende Beutegreiferpopulationen beim Rebhuhn oder durch Freileitungen beim Weißstorch. Wir begrüßen in dieser Situation den Antrag der Fraktionen von CDU und SPD.

Ich stimme zu, dass es vorrangig um eine Verbesserung von Lebensräumen gehen muss. Dabei sind Projekte für Rebhuhn, Kiebitz, Feldlerche und Weißstorch mehr als bloße Schutzprojekte für einzelne Arten; denn diese vier Arten repräsentieren jeweils ganz unterschiedliche Lebensräume. Indem wir ihre Habitate optimieren, erzielen wir zugleich positive Effekte für eine Fülle anderer Arten. Von den Nahrungshabitaten des Weißstorches profitieren zum Beispiel Braunkehlchen, Grasfrösche und Sumpfschnecken. Von trockenwarmen Wegrainen, die dem Rebhuhn Nahrung und Schutz vor Feinden bieten, profitieren zum Beispiel Grauammer, Zauneidechse und gefährdete Ackerwildkräuter.

Es ist sinnvoll, einen gewissen Maßnahmenschwerpunkt auf die Vogelschutzgebiete des europäischen Netzwerkes „Natura 2000“ zu legen. Hier wie auch anderswo hat für uns die kooperative Umsetzung mit den Landschaftsnutzern oberste Priorität, schließlich geht es um Lebensräume, die ohne eine Nutzung nicht existieren könnten.

Dieser Aspekt, meine Damen und Herren der GRÜNENFraktion, bleibt in Ihrem ansonsten sehr ausführlichen Antrag unterbelichtet. Sie sprechen von der Einbeziehung der Naturschutzvereine. Aber was ist mit den Landnutzern? Nebenbei bemerkt, scheint Ihnen entgangen zu sein, dass der Kiebitz heute vor allem auf Äckern, die meist vernässt und daher erst später befahrbar sind, brütet. Gerade mit der Frühjahrsbestellung von Sommergetreide besteht aber die Gefahr, dass Gelege unwissentlich zerstört werden. Ihre Forderung ist deshalb zumindest in diesem Fall eher kontraproduktiv.

Meine Damen und Herren! Die Arten der Feldflur stehen nicht umsonst ganz weit oben auf der Roten Liste; denn ihr Schutz innerhalb der modernen Flächenbewirtschaftung stellt eine besondere Herausforderung dar. Nur mit einem aktiven Bündnis aus Behörden, Naturschutzverbänden und Ehrenamtlichen sowie Landwirten und Jägern können wir das Ziel erreichen. Es geht nicht nur um vier Vogelarten, sondern auch um die Erhaltung der Eigenart des ländlichen Raumes und unserer Heimat.

Wir wollen im Rahmen eines breiten Bündnisses den Herausforderungen der CDU- und SPD-Fraktion entsprechen. Ich plädiere für deren Annahme.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Die CDU-Fraktion hat auf das Schlusswort verzichtet. Ich frage Herrn Lichdi. – Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Günther, ich hatte mir eigentlich vorgenommen, dass ich nicht mehr zu Ihren Versuchen, sich zum Thema zu äußern, Stellung nehme. Aber ich tue es hier noch einmal. Ich denke, dass sich viele vielleicht von Ihrer wiederholten Tirade gegen Anlagen der erneuerbaren Energie beeindrucken lassen.

(Tino Günther, FDP: Vergeudung!)

Es ist tatsächlich so, dass es Todfunde von Fledermäusen und Vögeln an Windkraftanlagen gibt. Das ist richtig.

(Marko Schiemann, CDU: In Massen!)

Es ist aber genauso richtig, dass die Todfunde an Straßen durch den Straßenverkehr und die Todfunde an Freileitungen – ich darf mich hierbei auf unseren hoch geschätzten Herrn Staatsminister beziehen, er hat es ebenfalls gesagt – unvergleichlich zahlreicher sind und deswegen die Schwerpunktsetzungen, die Sie hier vornehmen, schlicht und ergreifend von Ihrer Unkenntnis in der Sache zeugen und ganz andere Hintergründe haben.

(Marko Schiemann, CDU: Fledermäuse!)

Nein, Fledermäuse sterben nicht an Freileitungen, sondern Vögel; aber davon hat er auch gesprochen.

Herr Prof. Mannsfeld, ich bin allmählich etwas negativ davon berührt, wie Sie immer wieder pseudofachliche Gründe suchen, um einen Anlass zu haben, unsere Anträge abzulehnen. Wenn Sie nun auf den Gedanken kommen, dass unser Antrag deswegen sinnlos sei, weil wir jetzt ganz Sachsen neu kartieren wollen, dann zeigt mir das nur, dass Sie den Sinngehalt unseres Antrages nicht zur Kenntnis genommen haben. Der Sinngehalt unseres Antrages und der neue Ansatz beim Artenschutz ist der, dass wir, ausgehend von den jetzt noch vorhandenen Bestandsschwerpunkten – diese sind örtlich eingrenzbar –, gezielt Ausbreitungs- bzw. Fördermaßnahmen starten wollen.

Nun können Sie mir gern vorwerfen, dass ich möglicherweise im Punkt 1 vergessen habe, Schwerpunkte des Vorkommens aufzuführen. Dafür möchte ich mich bei Ihnen herzlich entschuldigen; aber ich denke, wenn Sie unseren Antrag ehrlich gelesen hätten, hätte Ihnen das klarwerden können.

Zum Dritten muss ich Sie darauf hinweisen, dass wir – im Gegensatz zum Koalitionsantrag – in unseren Beschlusspunkten 3 und 4 völlig neue und notwendige Punkte

aufrufen. Im Punkt 3 fordern wir nämlich die Erfolgsbindung. Wir wollen, dass AUM, Agrarumweltmaßnahmen, an Erfolge im Artenschutz gebunden werden, und im Punkt 4 – vielleicht ist Ihnen das in Ihrer schnellen Gegenrede auch entgangen – wollen wir einen jährlichen Bericht über die Maßnahmen im Umweltausschuss.

Daher, denke ich, geht unser Antrag deutlich über den Ihren hinaus; und Herr Staatsminister Kupfer, wir haben gestern und heute bereits anlässlich der Biodiversitätsdebatten festgestellt – genau das ist eben das Missverständnis, dem Sie erliegen und dem wir heftig widersprechen –, dass Sie alle Artenschutz- und Naturschutzmaßnahmen in Ihrem Kopf und Ihrem tatsächlichen Tun auf FFH- und SPA-Gebiete beschränken.

(Heinz Lehmann, CDU: Ja, ja!)

Das haben Sie jetzt gerade wieder ausgeführt, und Sie haben das als einen Vorteil des Koalitionsantrages bezeichnet; wobei ich überhaupt nicht lesen kann, dass es im Koalitionsantrag steht. Es ist einfach nicht zutreffend und der falsche Ansatz, die gesamten Naturschutzmaßnahmen des Freistaates Sachsen auf FFH- und SPA-Gebiete zu beschränken. Wir brauchen Naturschutz auf der gesamten Fläche. Wir brauchen sie gerade in der intensiv genutzten Agrarlandschaft. Ich dachte, inzwischen sei allen klar geworden, dass wir darüber reden und nicht über den FFH- und SPA-Schutz.

Wenn Sie sagen, Sie vermissen die Einbeziehung der Landnutzer, dann muss ich sagen: Sie haben meinem Redebeitrag nicht zugehört, in dem ich am Schluss ausdrücklich betont habe, dass das in Zusammenarbeit und im Konsens mit den Landwirten gemacht werden soll. Aber jeder in diesem Land weiß ganz genau, dass es nicht die Naturschützer sind, die eine zu große Lobby

haben. Es sind nicht die Naturschützer, die zu viel Einfluss haben, es sind die Landwirte, die weit überbordernden Einfluss gegenüber den Naturschützern haben. Von daher halte ich es durchaus für angemessen, dass wir in unserem Antrag die Einbeziehung der Naturschutzvereine explizit fordern und es uns einmal erspart haben, extra die Landwirte zu nennen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Wir beginnen bei der Abstimmung mit dem Antrag der Koalition. Dazu liegt ein Änderungsantrag des Herrn Abg. Schmidt vor. Gibt es dazu noch Diskussionsbedarf? – Das ist nicht der Fall.

Dann beginne ich die Abstimmung mit dem Änderungsantrag. Wer möchte diesem zustimmen? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einigen Stimmenthaltungen und einer Jastimme ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden.

Ich rufe jetzt auf den Koalitionsantrag, Drucksache 4/13679. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte! – Stimmenthaltungen? – Bei einer Reihe von Stimmenthaltungen ist der Antrag mit großer Mehrheit beschlossen.

Ich rufe den Antrag der Fraktion GRÜNE, Drucksache 4/13706, auf. Wer gibt die Zustimmung? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einer Reihe von Stimmen dafür ist dennoch der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden.

Ich beende den Tagesordnungspunkt und rufe auf

Tagesordnungspunkt 7

Nachhaltigkeit des Landeshaushalts sichern – Haushaltsentwurf der Staatsregierung an Auswirkungen der Finanzmarktkrise anpassen

Drucksache 4/13696, Antrag der Fraktion der NPD

Die Fraktionen können zu dem Antrag Stellung nehmen. Es beginnt die einreichende Fraktion. Danach folgen CDU, Linksfraktion, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Ich hatte vorhin vergessen, für das Protokoll deutlich zu artikulieren, dass Herr Gansel den Ordnungsruf wegen Beleidigung bekommen hat. Das bitte ich noch zu ergänzen.

Herr Abg. Delle, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion bittet um Zustimmung zum vorliegenden Antrag, der sinngemäß wie folgt lautet: Der Landtag möge die Staatsregierung ersuchen, vor dem Hintergrund der derzeitigen finanz- und wirtschaftspolitischen Lage den Doppelhaushaltsent

wurf 2009/2010 auf Nachhaltigkeit zu überprüfen und entweder einen revidierten Haushaltsentwurf vorzulegen oder aber dem Landtag zu erläutern, wie ein Etat, dessen Eckwerte vor vielen Monaten beschlossen wurden, heute bei geradezu dramatisch verschlechterten gesamtwirtschaftlichen Aussichten immer noch Bestand haben kann, ohne dass dabei die voraussichtlich sinkenden Einnahmen in irgendeiner Weise berücksichtigt sind.

Dass dieses Nachbesserungsprozedere je nach Prüfungsergebnis zu einer zeitlichen Verschiebung der parlamentarischen Beratung und Verabschiedung des Doppelhaushaltes führen könnte, halten meine Fraktion und ich für ein kleineres Übel als die mögliche Alternative, nämlich einen Haushalt zu beschließen, der auf erkennbar überholten und falschen Daten beruht. Wie ich noch genauer

ausführen werde, sehen wir diese Gefahr als durchaus real an.

Mit dieser Einschätzung stehen wir offenbar auch nicht allein da, meine Damen und Herren. Selbst Finanzminister Unland ließ letzte Woche folgende Erklärung über die Medien verbreiten – ich zitiere –: „Sollte die Konjunktur aufgrund der weltwirtschaftlichen Situation weiter einbrechen, wird dies mit Sicherheit zu erheblichen Steuermindereinnahmen führen.“ Weiter heißt es: „Wir werden nicht umhin kommen, unsere Erwartungen an die kommenden Jahre zurückzuschrauben und unsere Ausgaben genauestens zu überprüfen.“

Nach der Einbringung unseres Antrages in den Geschäftsgang des Landtages beeilte sich auch die Linksfraktion, auf Nachbesserung in der Regierungsvorlage zu drängen. Während der laufenden Sitzung des letzten Haushalts- und Finanzausschusses veröffentlichte sie eine Pressemitteilung, in der festgestellt wird, der Haushaltsentwurf sei Makulatur und der Finanzminister habe auf Druck der Linksfraktion eine Überarbeitung der Einnahmenseite zugesagt. Abgesehen vom Stil ist das so weit in Ordnung. Meine Fraktion hatte aber schon vorher um diese Aufklärung gebeten, und zwar durch den vorliegenden Antrag, in dem wir – wie gesagt – ebenfalls eine Klärung der Einnahmenseite einfordern, aber auch auf die Bedeutung sozioökonomischer Nachhaltigkeit des Haushaltes hinweisen, insbesondere im Hinblick auf die wahrscheinlich schwieriger werdende Situation der Gemeinden und der regionalen Wirtschaft.

Heute möchte ich mich aber im Wesentlichen mit dem akuten Problem der mangelnden Haushaltsklarheit beschäftigen.

Meine Damen und Herren! Bereits Anfang des Jahres legte das sächsische Kabinett auf einer Klausur in Bad Düben die Eckwerte des Doppelhaushaltes 2009/2010 fest. Zu diesem Zeitpunkt ging die Europäische Zentralbank von einem Wirtschaftswachstum im Euroraum von 1,8 % aus. Inzwischen prognostiziert der Internationale Währungsfonds für dieses Gebiet ein Minus von 0,5 %. Das sind 2,3 % Unterschied zur Situation vom Jahresanfang, und zwar ausgerechnet in jenen Ländern, in die zwei Drittel der deutschen Exporte gehen. Für Deutschland selbst prognostizierten die deutschen Wirtschaftsinstitute in ihrem Frühjahrsgutachten noch im April dieses Jahres ein Wirtschaftswachstum von 1,4 % für 2009. Inzwischen sagt der Internationale Währungsfonds IWF auch für Deutschland ein Minus voraus, und zwar von 0,8 %. Das sind 2,2 Prozentpunkte weniger als zum Zeitpunkt der Eckwertefestlegung für den Haushalt.

Hat die Staatsregierung für den jetzt vorliegenden Haushaltsentwurf diese seit der Festlegung der Haushaltseckwerte eingetretenen Veränderungen des wirtschaftlichen Umfeldes berücksichtigt? Ich denke, das ist nicht der Fall. Sie hat gegenüber dem Stand vom Februar das Haushaltsvolumen nicht entsprechend der sinkenden Einnahmenerwartungen zurückgenommen, sondern erhöht, und zwar um 2,5 % für 2009 und um 5 % für 2010. Allein diese