Protokoll der Sitzung vom 14.11.2008

Hat die Staatsregierung für den jetzt vorliegenden Haushaltsentwurf diese seit der Festlegung der Haushaltseckwerte eingetretenen Veränderungen des wirtschaftlichen Umfeldes berücksichtigt? Ich denke, das ist nicht der Fall. Sie hat gegenüber dem Stand vom Februar das Haushaltsvolumen nicht entsprechend der sinkenden Einnahmenerwartungen zurückgenommen, sondern erhöht, und zwar um 2,5 % für 2009 und um 5 % für 2010. Allein diese

Tatsache zeigt, dass die Linksfraktion durchaus recht haben könnte, wenn sie den vorliegenden Haushalt als Makulatur bezeichnet.

Um es noch einmal zu verdeutlichen: Die noch gültigen Eckwerte des Haushaltes wurden lange vor den derzeitigen extremen Rezessionssignalen unter völlig anderen Bedingungen festgelegt. Die Zunahme des Haushaltsvolumens um 2,5 bzw. 5 % in Bezug auf die ursprüngliche Planung in Verbindung mit der inzwischen tatsächlich zu erwartenden Abnahme der Wirtschaftsleistung von mindestens 2,2 % im Jahr 2009 lässt aus unserer Sicht eine Größenordnung von circa 5 % weniger Steuereinnahmen im kommenden Jahr für durchaus möglich erscheinen. Da die im Haushaltsentwurf eingeplanten Einnahmen aus Steuern und steuerähnlichen Abgaben, Kapitel 1501, sich auf etwas über 9 Milliarden Euro belaufen, also circa 7 % mehr als der voraussichtliche Istwert 2008, ergäbe sich hieraus gegenüber den geplanten Steuereinnahmen circa eine Minderung von über 11 %, mehr als eine Milliarde Euro.

Nun ein paar Worte zur Kleinen Steuerschätzung. Selbstverständlich ist mir bekannt, dass diese gegen jede Evidenz keinen wesentlichen Steuerrückgang für die Länder und Gemeinden vorhersagt, während für den Bund sogar ein Steuerplus vorausgesehen wird. Man sollte aber wissen, meine Damen und Herren, dass die Schätzung auf einer positiven Wachstumsprognose der Bundesregierung von 0,2 % basiert. Damit dürfte sie – ähnlich wie der sächsische Haushalt – tatsächlich Makulatur sein. Denn wir müssen ja, wie schon gesagt, inzwischen von einem ganzen Prozentpunkt weniger Wachstum ausgehen als in der Steuerschätzung angenommen, nämlich von minus 0,8 %.

Aber auch ohne diese veränderte Wachstumserwartung ist mir das Ergebnis der Steuerschätzung etwas suspekt, denn die hier zugrunde gelegten 0,2 % Wachstum für 2009 sind immer noch 1,5 Prozentpunkte weniger als die für 2008 prognostizierten 1,7 %. Nach der Faustregel „Sechs Milliarden weniger Steuereinnahmen pro Prozentpunkt weniger Wachstum“ würde diese Differenz von 1,5 Prozentpunkten 9 Milliarden weniger Steuereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen bedeuten. Die Steuerschätzer haben aber nicht 9 Milliarden Euro weniger, sondern circa 9 Milliarden Euro mehr vorhergesagt. Es sieht beinahe so aus, als hätten sie die Vorzeichen vertauscht.

Meines Erachtens muss irgendwo in dieser Steuerschätzung ein Wurm drin sein. Das sage ich bei allem gebührenden Respekt vor den Steuerschätzern und wohl wissend, dass ich mich natürlich auch irren kann. Kaum irren kann ich mich allerdings bei der Feststellung, dass die Steuerschätzer von einer zu erwartenden Wachstumsrate für 2009 von 0,2 % ausgegangen sind, obwohl inzwischen die Spatzen von den Dächern pfeifen, dass wir ein Minuswachstum haben werden und es bereits haben.

Das ist Schönfärberei und macht aus meiner Sicht die Steuerschätzung als Grundlage für die Planung der öffentlichen Haushalte beinahe völlig unbrauchbar.

Meine Damen und Herren! Ich habe bis jetzt von den voraussichtlich rückläufigen Steuereinnahmen gesprochen, es gibt aber bekanntlich noch andere Risiken. Ich nenne die Länderbeteiligung am Konjunkturpaket des Bundes und die Beteiligung der Länder an dem skandalösen sogenannten Bankenrettungspaket. In diesem Wahnsinnspaket des 1,7-Fachen des Bundeshaushaltes stellt der Staat im Prinzip seine Existenz aufs Spiel. Die Folgen sind unabsehbar. Sie können für die Realwirtschaft katastrophal werden. Entsprechend warm müssen sich insbesondere die Bundesländer anziehen und ihre Haushaltspolitik streng nach zwei Kriterien ausrichten: Ehrlichkeit und Orientierung an den eigenen sozioökonomischen Lebensgrundlagen.

Ich bitte Sie deshalb angesichts dieser Umstände um Ihre Unterstützung zu unserem Antrag und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Das war die einreichende Fraktion, meine Damen und Herren. Es folgt Herr Abg. Patt von der CDU; er spricht für die Koalition.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von der NPD! Es ist November 2008, alles ist bekannt. Nun fällt Ihnen ein, wir müssten vielleicht einmal etwas tun und sollen kurz vor Jahresschluss, da wir vor der Verabschiedung eines Doppelhaushalt stehen, den gesamten Haushalt der Staatsregierung zur Überarbeitung zurückgeben. Solch einen Schwachsinn erlebe ich selten, wenngleich der Anlass nicht verkehrt ist, über den Sie sprechen. Ich glaube aber, das Verfahren ist von Ihnen nicht begriffen worden.

Stand des Verfahrens ist doch, dass wir als Gesetzgeber das Haushaltsrecht ausüben und in den nächsten Tagen zur Haushaltsklausur zusammenkommen. Ich glaube nicht, dass es notwendig ist, mit Ihrem Antrag den Haushalt jetzt noch auf einen Verschiebebahnhof zur Staatsregierung zu schicken. Es ist unsere Aufgabe, die vorliegenden Einnahmenerwartungen realistisch und prognostisch einzuschätzen. Das Schlimme an diesen Prognosen ist, dass sie sich ständig ändern. Es liegt am Parlament, vernünftig und treusorgend mit den Einnahmen umzugehen, dass die Ausgaben nicht davonlaufen. Die wichtigste Rahmenbedingung dabei ist der Verzicht auf weitere Schulden und der Abbau der bisherigen Schulden. Uns ist es nicht entgangen – vielleicht Ihnen –, dass wir es seit dem Jahre 2006 im Freistaat sehr ernst nehmen und keine Schulden mehr aufnehmen – das möchte ich für das Protokoll einfach noch einmal festhalten –

(Alexander Delle, NPD: Was hat das damit zu tun?)

und in den ganzen Jahren pro Jahr 75 Millionen Euro getilgt haben, sodass derzeit noch 12 Milliarden Euro Schulden explizit bleiben, 10 bis 12 Milliarden Euro implizite Verschuldung und vielleicht noch einmal 10 Milliarden Euro Ansprüche aus Renten- und Zusatzversorgungssystemen, die wir abzubauen haben.

Sachsen braucht bislang keine Nachtragshaushalte. Die Staatsregierung arbeitet aus meiner Sicht ausreichend professionell, und das Finanzministerium steuert kräftig mit, dass man mit den Einnahmen auskommt. Das haben wir in all den Jahren, in denen Sie uns Gott sei Dank mit Ihrer Anwesenheit verschont haben, ausgezeichnet bewiesen bekommen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Ich gehe davon aus, dass das weiterhin so sein wird.

(Beifall der Abg. Volker Bandmann, CDU, und Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Wir arbeiten nach einer doppelten Subtraktionsmethode: Wir nehmen die Steuerschätzungen, die uns aus welchen Bedingungen auch immer die Steuerschätzer vorgeben, und machen Abschläge, und zwar demografische Abschläge, Konjunkturabschläge, Vorsichtsabschläge etc. Wir kommen mit dem Geld aus und beschreiten dann die zweite Subtraktionsebene: Die Ausgaben werden abgezogen und nicht addiert, nicht nach zusätzlichen Einnahmen wird gesucht, sondern mit dem Bestehenden kommen wir aus. Das Ergebnis – vielleicht lassen Sie sich das gesagt sein – ist die zweitniedrigste Verschuldung und die höchste Investitionsquote. Wir haben erhebliche Haushaltspotenziale aus niedrigem Kapitaldienst. Dafür werden wir allenthalben gelobt: wir, das Finanzministerium, die Staatsregierung und die Koalitionsfraktionen.

(Alexander Delle, NPD: Ja, ja!)

Darauf ruhen wir uns aber nicht aus. Wir brauchen nicht Ihre Krisenszenarien, auch nicht als Belehrung. Ihr Reden- und Antragsschreiber hält sich zugegeben mit dem üblichen hetzerischen Gänseklein oder Apfelgriebschen etwas zurück und versucht einen sachlichen Ton, aber irgendeine Form von politischer Kompetenz nehme ich Ihnen nicht ab; denn Ihr negativer Einfluss ist es, der Investitionen in diesem Land verhindert.

(Lachen des Abg. Alexander Delle, NPD – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Es ist Ihr negativer Einfluss. Allein Ihre pure Anwesenheit im Parlament – –

(Lachen des Abg. Alexander Delle, NPD – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Jetzt bellen Sie nicht so laut! – führt bei vielen Bevölkerungsteilen zu einer großen Verunsicherung, zu einer Verärgerung und zu einer Ablehnung bezüglich der Fachkräfte, die Sie wegschicken wollen. Das lässt sich aber die Bevölkerung nicht weiter bieten. Die nächsten Wahlen werden es zeigen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Bei aller Vordergründigkeit und Sachlichkeit: Wofür steht Ihr Finanz- und Wirtschaftssystem? Das steht für eine nationale Kreislaufwirtschaft: Schranken zu, Schotten runter, Export raus, Arbeitskräfte raus,

(Jürgen Gansel, NPD: Mikrofon aus!)

die wir hier zusätzlich brauchen. So kann man Einnahmen tatsächlich nicht generieren, so können wir unser System nur ruinieren.

(Alexander Delle, NPD: Sie kapieren nichts, was wir hier sagen!)

Das hat Ihr System und das hat das nachfolgende System gezeigt, wie so etwas geht.

Abschließend noch einmal zum Verfahren. Wir sind Herr des Verfahrens. Eine Abschiebung auf die Staatsregierung ist nicht notwendig. Prof. Unland als heutiges Geburtstagskind

(Beifall bei der CDU)

sorgt sich als umsichtiger Kaufmann, glaube ich, schon ausreichend um die Auswirkungen der derzeitigen Konjunkturkrise. Die Steuerschätzung vom November ist angekommen und wird jetzt auf den Freistaat heruntergebrochen. Die üblichen sächsischen Abschläge werden vorgenommen und die Reserven für die Notzeiten gestärkt.

(Zuruf des Abg. Alexander Delle, NPD)

Über 600 Millionen Euro legen die Kommunen zurück, um ausreichend Ausfälle, die wir schon längst erwarten, ausgleichen zu können. Ob das reicht, werden wir in den nächsten Wochen miteinander verhandeln. Auch mit der Staatsregierung werden wir das ausgiebig in unserer Haushaltsklausur besprechen. Vorsorgende erfolgreiche Finanzpolitik, die Sie hier anmahnen, sieht aber in der Realität anders aus, als Sie es vorschlagen. Ich lade Sie und alle anderen Fraktionen ein zu einer Politik der Mäßigung und nicht der Anmaßung, wenn wir demnächst unseren Haushalt hier verabschieden werden, der – da bin ich ganz sicher – auch stabil durchgehen wird.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staats- regierung – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Danke schön. – Meine Damen und Herren, in meinen Unterlagen steht kein weiterer Redner. Habe ich etwas übersehen oder ist es an dem? – Dann bitte Herr Dr. Müller im Rahmen Ihrer Redezeit.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Patt, ich denke, es sind unterschiedliche Herangehensweisen, die man wählen kann. Wir sind der Meinung, wenn sich die Rahmendaten deutlich geändert haben, dass es dann schon legitim wäre, dass die Staatsregierung als Exekutive den Haushalt so

überarbeitet, dass er den aktuellen Rahmendaten entspricht. Wenn Sie das nicht wollen und unseren Antrag ablehnen werden, sind wir gespannt, wo Sie Ihren vorausschauenden Finanzkrisenabschlag hernehmen. Das war nun wirklich eine Sache, die nicht vorhersehbar war.

Es ist im Übrigen Ihr neoliberalistisches Wirtschafts- und Finanzsystem,

(Zuruf des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

das derzeit am Zusammenbrechen ist.

(Beifall bei der NPD)

Wissen Sie, der dramatische Niedergang der globalen Wirtschaft, an die wir uns auf Gedeih und Verderb angekettet haben, und die nun eingeleiteten ruinösen finanzpolitischen Wahnsinnsaktionen zugunsten der Rettung der internationalen Hochfinanz stellen nach meiner Überzeugung zwingende Gründe dar, eine fundamentale Kehrtwende in der regionalen und nationalen Finanzpolitik einzuleiten.

In der ersten Rede hat mein Kollege Delle festgestellt, dass sich der Haushalt nach zwei zentralen Kriterien ausrichten sollte, nämlich nach Ehrlichkeit und Orientierung an sozioökonomischen Lebensgrundlagen des Landes. Die Ehrlichkeit betrifft vor allem die Haushaltsklarheit und die Zuverlässigkeit der Einnahmenseite. Dazu hat sich Herr Delle schon ausführlich geäußert. Ich kann nur die Bitte an die Staatsregierung wiederholen, revidierte Einnahmendaten vorzulegen, auf deren Grundlage der Haushaltsentwurf realistisch beraten werden kann.

Aber Haushaltsklarheit allein reicht nicht. Sie ist eine unverzichtbare Grundlage für einen soliden Haushalt, aber kein Selbstzweck. Der Haushalt selbst ist ebenfalls kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um Land und Volk zu erhalten. Wir haben in den Jahren seit der Wiedervereinigung erlebt, wie bedeutende Regionen Sachsens gewissermaßen erodieren durch den Wegfall der wirtschaftlichen Aktivitäten, zum Beispiel der Textilindustrie in der Oberlausitz, den Bevölkerungsrückgang und den Verfall in der Infrastruktur. Das ist nicht akzeptabel, denn die Erhaltung von Land und Volk ist der einzig legitime Maßstab für die Politik.

Aber die verantwortlichen Politiker haben sich mit dem Gedanken getröstet, das Beste aus dem Umstand zu machen, dass wir in einer globalisierten Welt leben. Die Globalisierung erlaubt eben nur Schwerpunkte in einem überregionalen und globalen Netzwerk aus Industrie und Finanzzentren.

Auf den Aufbau solcher Leuchttürme hat sich die sächsische Wirtschafts- und Haushaltspolitik konzentriert. Andere Regionen müssen dafür allmählich rückgebaut werden. Das glaubt aber die etablierte Politik verkraften zu können, da ja intensiv daran gearbeitet wird, Sachsen – das heißt seine Leuchttürme – zu leistungsfähigen Knotenpunkten in einem globalen Leistungsnetzwerk auszubauen.

Wegen des extremen Geburtendefizits braucht man sogar die aus den Entleerungsgebieten abgewanderten jungen Menschen als Arbeitskräfte in den Metropolen. Früher waren die Städte mit ihrem Umland vernetzt. Heute ist es fast zum politischen Konsens geworden, dass die ländlichen Gebiete am langen Arm des herrschenden Wirtschafts- und Finanzsystems verhungern dürfen. Der Staat spielt mit seiner Wirtschafts- und Finanzpolitik dieses Spiel mit, weil er glaubt, nur durch die Vernetzung seiner Metropolen mit der globalen Wirtschaft eine Existenzgrundlage zu haben.