Protokoll der Sitzung vom 14.11.2008

Wegen des extremen Geburtendefizits braucht man sogar die aus den Entleerungsgebieten abgewanderten jungen Menschen als Arbeitskräfte in den Metropolen. Früher waren die Städte mit ihrem Umland vernetzt. Heute ist es fast zum politischen Konsens geworden, dass die ländlichen Gebiete am langen Arm des herrschenden Wirtschafts- und Finanzsystems verhungern dürfen. Der Staat spielt mit seiner Wirtschafts- und Finanzpolitik dieses Spiel mit, weil er glaubt, nur durch die Vernetzung seiner Metropolen mit der globalen Wirtschaft eine Existenzgrundlage zu haben.

Was aber passiert, wenn dieses globale Netzwerk nun zusammenbricht, wie es zurzeit erscheint, und wenn die Konzerne, die ihre Werkbänke hier in Sachsen hingestellt haben, diese allmählich oder sogar fluchtartig zurückziehen? Wird man sich dann darauf besinnen, dass wir in Sachsen, wie anderswo auch, vor allem wirtschaftliche Verflechtungen auf regionaler und Landesebene brauchen, dass es gerade auch für Krisenzeiten wichtig ist, dass es ausreichend viele wirtschaftliche Aktivitäten und Transaktionen gibt, die sich im Land selbst abspielen, sozusagen an den Graswurzeln?

Damit wir so etwas in Krisenzeiten haben, brauchen wir es aber auch in normalen Zeiten. Hierbei spielt der Landeshaushalt eine enorme Rolle, vor allem mit seinen Investitions- und Förderteilen. Es ist sicher nicht falsch, große Industrieansiedlungen, Technologienetzwerke und Hochschulen zu fördern. Aber es ist ebenso wichtig, für die Erhaltung des heimischen Handwerks und der kleinen, regionalen Gewerbebetriebe zu sorgen. Hier müssen nach unserer Auffassung neue Akzente im Haushalt gesetzt werden. Ich denke, dass uns schon die nahe Zukunft darin recht geben wird.

Eine der wichtigsten Aufgaben im Rahmen des Haushalts ist die Aufteilung der Finanzmittel auf die staatliche und kommunale Ebene. Meine Fraktion hat immer wieder den bemerkenswerten Umstand angesprochen, dass ausgerechnet diese Schlüsselgröße hier im Landtag überhaupt nicht diskutiert wird. Die auf uns zurollende Weltwirtschaftskrise wird uns aber – –

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion: Sie diskutieren im Haushalts- und Finanzausschuss überhaupt nicht!)

Ja, weil ich nicht dabei bin. Aber, ich denke, mein Kollege Delle schon.

(Alexander Delle, NPD: Sie verhandeln hinter verschlossenen Türen!)

Die auf uns zurollende Weltwirtschaftskrise wird uns nun vor die Entscheidung stellen, ob wir die von den Hauptwirtschaftsströmen abgehängten Regionen erhalten oder endgültig untergehen lassen wollen. Da wäre es sicherlich weise einzugestehen, dass der sogenannte vertikale Gleichmäßigkeitsgrundsatz nicht mehr zeitgemäß ist, sondern dass es höchste Zeit wird, nach ganz anderen Gesichtspunkten über die Aufteilung der Finanzmittel zu diskutieren. Wie dann entschieden wird, bleibt zunächst offen.

Meine Damen und Herren! Wir als NPD-Fraktion wünschen uns einen Haushalt mit finanzpolitischer und sozioökonomischer Nachhaltigkeit.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Deshalb bitte ich noch einmal um Unterstützung für unseren Antrag und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit, auch wenn DIE LINKE hier hineinspricht.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren, gibt es daraufhin noch einmal Aussprachebedarf? – Das ist nicht der Fall. Der Herr Staatsminister der Finanzen hat signalisiert, dass er nicht sprechen möchte. Dann kommt das Schlusswort der einreichenden Fraktion. – Das hat sich erledigt. Somit kommen wir zur Abstimmung.

Wir stimmen ab über die Drucksache 4/13696. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Die Gegenstimmen? – Die Stimmenthaltungen? – Bei einer Reihe von Zustimmungen und keinen Enthaltungen mit übergroßer Mehrheit abgelehnt. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Ein kurzer Blick auf die Uhr: Es ist 17:03 Uhr. Wir haben noch zwei Anträge vor uns, die im Normalfall zwei bis drei Stunden dauern. Ich bitte also um Konzentration.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 8

Tierschutz in Sachsen aufwerten – „Weiße Liste“ über die Erfolge im Tier- und Artenschutz vorlegen

Drucksache 4/13698, Antrag der Fraktion der FDP

Herr Günther, Spezialist für Bodenbrüter, Sie sind an der Reihe.

(Heiterkeit bei der FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In diesem Plenum haben wir schon über die Themen Biodiversität und Artenvielfalt und heute auch noch über die besonders nötigen Schutz

anstrengungen für Vogelarten der offenen Feldfluren gesprochen. Die Diskussionen hierzu waren wichtig.

Doch wir möchten hier und jetzt ein positives Signal vom Landtag aussenden und auch über die Erfolge im Tier- und Artenschutz in Sachsen sprechen.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte noch einmal ausdrücklich Minister Kupfer loben, der gestern während der Debatte zur Biodiversität ausführte: „Wir müssen unsere Erfolge herausstellen und uns bei den vielen ehrenamtlichen Helfern im Umweltschutz bedanken.“ Genau darum geht es heute, und ich freue mich, dass uns der Umweltminister aus dem Lebensministerium in unserem Grundanliegen unterstützt.

Zum Thema. Die besonderen Beziehungen, die den Menschen seit Jahrtausenden mit Tieren verbinden, haben nicht verhindern können, dass zahlreiche Arten bedroht oder ausgerottet wurden und weiterhin ausgerottet werden. Durch Ausweisung von Schutzgebieten, Sicherung wertvoller Brut- und Nahrungsflächen, Umsetzung spezieller Artenhilfsmaßnahmen sowie durch den Vertragsnaturschutz mit Landwirten und Verbänden ist es jedoch gelungen, die Lebensgrundlagen verschiedenster gefährdeter Arten zu erhalten, zu verbessern oder sogar wieder neu zu schaffen.

(Beifall bei der FDP)

Seit Jahrzehnten dokumentieren die Roten Listen den Gefährdungsgrad einzelner Arten und zeigen den Handlungsbedarf auf. Wir meinen, es ist Zeit, Bilanz zu ziehen. Die guten Nachrichten: Die stetigen und konsequenten Anstrengungen des vor allem ehrenamtlich durchgeführten Naturschutzes zeigen in vielen Fällen beeindruckende Erfolge. Bei etlichen Arten ist eine Stabilisierung oder positive Entwicklung zu verzeichnen, wie sie vor 20 Jahren als undenkbar galt.

Neben der natürlich notwendigen Fortschreibung der Roten Listen soll die „Weiße Liste“ die positiven Entwicklungen in Sachsen sichtbar machen.

(Beifall bei der FDP)

Der Fischotter zum Beispiel profitiert besonders von zielgerichteten Maßnahmen. Dazu gehören Gewässer- und Auenrenaturierungen und der Einsatz von Reusengittern in der Fischereiwirtschaft. In der Oberlausitz lebt derzeit die größte deutsche Fischotterpopulation. Der Bestand der heute noch gefährdeten Wildtiere ist dank der konsequenten Dokumentation neuer Ausbreitungsgebiete durch fachlich fundierte Informationen und Unterstützung aus der Jägerschaft erfreulich angestiegen. Jagdbare Arten wie Reh, Wildschwein, Fuchs, Dachs oder Steinmarder zeigen, wie flexibel manche Arten sich auf Veränderungen des Landschaftsraumes einstellen können. Viele Arten kehren teils spontan oder mithilfe der Menschen in ihre ursprünglichen Verbreitungsgebiete zurück.

Die Einrichtung des Biosphärenreservats in der Oberlausitz mit über 30 000 Hektar Fläche erwies sich an dieser

Stelle als Glücksfall für diverse gefährdete Arten. So erreicht die Große Rohrdommel mit 15 Brutpaaren hier eine der höchsten Brutdichten in Deutschland. Besonders erfreulich sind auch die mittlerweile 15 Brutpaare von Seeadlern. Neben dem Nationalpark Müritz gibt es hier die größte Dichte an Seeadlern in Deutschland.

Ursache für diesen hohen Brutbestand sind nicht nur die nahrungsreichen Gewässer, wo Karpfen, aber auch zahlreiche Wasservögel auf der Speiseliste stehen, sondern auch der intensive Schutz der Horste durch die ehrenamtlichen Naturschützer. Im Sommer halten sich hier regelmäßig bis zu 100 Seeadler im Biosphärenreservat auf.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Das sind ja mehr als die SPD-Wähler! – Heiterkeit im Saal – Beifall bei der FDP)

Die Bestände von Schellenten, Nachtschwalben oder – Herr Porsch! – die Rotbauchunken

(Beifall bei der FDP und der CDU – Heiterkeit bei der Linksfraktion und der SPD)

sind hier ebenfalls positiv angewachsen. Auch der Biber galt in Sachsen lange als ausgestorben. Ihm kamen Gewässerrenaturierungen an der Elbe und den Muldezuflüssen zugute, zusammen mit einer verpassten Durchgängigkeit von Gewässern im Zuge der Grenzöffnung.

Auch die Wasserqualität hat sich seit der Wende extrem verbessert. Die Elbe ist wieder der fischartenreichste Fluss in Europa geworden. Experten zählen inzwischen knapp 100 Arten. Sie alle aufzuzählen würde hier meine Redezeit sprengen, obwohl ich noch viel habe.

(Beifall bei der FDP)

Die Ursachen dafür sind neue Kläranlagen, deutlich weniger Abwassereinleitungen und ein steigender Fischbesatz.

Die wohl spektakulärste und von der Öffentlichkeit am intensivsten zur Kenntnis genommene Entwicklung ist die Rückkehr der Wölfe nach Sachsen.

Die dargestellten Beispiele für positive Bestandsentwicklung machen Mut, die Schutzanstrengungen weiterzuführen. Die Schutzmaßnahmen müssen dort ansetzen, wo Schutz geboten ist. Ziel dabei ist, die Lebensräume und eine Verbesserung der Fortpflanzungserfolge zu erhalten. Ohne die vertrauensvolle Zusammenarbeit und das große Engagement von ehrenamtlichen und hauptberuflichen Naturschützern, Förstern, Jägern und Landwirten wären solche Erfolge im Artenschutz nicht zustande gekommen.

(Beifall bei der FDP)

Viele, gerade auch kleine Projekte sind bemerkenswert und deshalb wert, öffentlichkeitswirksam dargestellt zu werden. So hat beispielsweise der Zweckverband Partenaue sein ehemaliges Trafohaus zu einem Artenschutz-Vogelhotel umgebaut. Zukünftig finden hier gefährdete Arten wie Fledermäuse, Mehlschwalben,

Mauersegler und Eulen Nistplätze und ein neues Zuhause. Auch dieses beispielhafte Engagement verdient, wie viele andere auch, unsere Anerkennung und sollte in einer „Weißen Liste“ dokumentiert werden.

Der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen ist eine dauerhafte Aufgabe, bei der die Politik immer wieder neue Antworten in sich verändernden Rahmenbedingungen finden muss. Der Umwelt- und Naturschutz und damit auch der Tier- und Artenschutz haben in der Vergangenheit viele Erfolge erzielt. Aufgrund einer den Menschen zu sehr ausgrenzenden Ausrichtung ist in den vergangenen Jahren allerdings die Akzeptanz bei der Bevölkerung zum Teil verloren gegangen. Wenn sich der Staat im Naturschutz mehr zurücknimmt, sich auf seine Kernaufgaben beschränkt, einen rechtlichen Rahmen abzustecken, bietet dies mehr Raum für bürgerliches Engagement. Hier denke ich natürlich an unsere ehrenamtlich tätigen Umwelt- und Naturschutzverbände, wie beispielsweise die Landschaftspflegeverbände, die in vielen Bereichen effektvoller und zielgerichteter als staatliche Institutionen für den Naturschutz wirken können.

Engagierte Bürger und Naturschutzverbände, Jäger, Fischer, Angler und Landwirte sind die unentbehrlichen Partner unseres Landes und der Kommunen, wenn es um die Verwirklichung von Vorhaben geht, die dem Natur- und Artenschutz und somit dem Allgemeinwohl dienen. Diese ehrenamtliche Arbeit ist aus unserer Gesellschaft nicht wegzudenken. Vieles würde nicht funktionieren, gäbe es nicht die vielen Menschen, die sich um die Aufgaben im Zusammenhang mit dem Erhalt der Natur und Tierwelt kümmern, ohne Bezahlung dafür zu verlangen. Unser Gemeinwesen wäre um diese Menschen ärmer.

Partnerschaft für den Umweltschutz ist somit ein Eckpfeiler der sächsischen Umweltpolitik. Die Erhaltung und der Schutz unserer vielfältigen Kulturlandschaften können langfristig nur gelingen, wenn man erkennt, dass die Menschen grundsätzlich ein Interesse an einer nachhaltigen Nutzung der Natur und der Bewahrung von Natur und Landschaft haben. Deshalb sind die Menschen, die die Natur nachhaltig nutzen, wie beispielsweise Landwirte, die Jägerschaft, Fischer oder auch Sportler sowie Touristen, wichtige Partner für den Naturschutz und keine Feinde oder Störenfriede,

(Beifall bei der FDP)