Herr Zastrow, Sie haben kein Recht, diese Arbeit vieler Menschen im Freistaat kleinzureden. Das Recht spreche ich Ihnen schlichtweg ab!
(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei der SPD – Dr. Jürgen Martens, FDP: So ein Populismus!)
Es hat schnelle Entscheidungen gegeben. Der Wiederaufbau des Freistaates wäre unter den Voraussetzungen, die in anderen deutschen Ländern westlich der Elbe existieren, nie möglich gewesen. Das will ich deutlich sagen.
Hinzu kommt das besondere Engagement der Sachsen und der Menschen, die hier im Freistaat investiert haben.
98 % aller Entscheidungen gesetzgeberischer oder verwaltungsrechtlicher Art sind von EU- bzw. Bundesebene vorgegeben. Wir haben also nur einen Spielraum von diesen 2 %. Der Freistaat Sachsen zählt zu den drei Bundesländern, die die wenigsten Gesetze haben. Auch bei den Rechtsverordnungen sind wir auf einem Spitzenplatz. Verglichen mit anderen westlichen Ländern ist das überhaupt keine Belastung.
Der Staat wird durch Gesetze und Verordnungen zum Handeln aufgefordert. Das heißt, dass eine Selbstbeschränkung des Gesetzgebers an erster Stelle stehen muss. Sie haben es in der Hand, mit Ihren Gesetzentwürfen dazu beizutragen, Selbstbindung und klare Normensetzung für dieses Land zu erreichen.
Wenn man sich die Gesetze anschaut, die dieses Parlament passieren, glaube ich nicht, dass sich eine Fraktion damit hervortun kann, besonders wenig Probleme und Fehler bei der Gesetzgebung gemacht zu haben.
Wir brauchen einen starken Staat, der natürlich dafür sorgt, dass die Verwaltung, die Unternehmerschaft, aber auch die Bürger im Freistaat Sachsen weniger belastet werden. Aber wir brauchen eine klare Rechtssetzung. Wir brauchen Rechtsklarheit für alle Menschen, die hier wohnen oder sich in Unternehmen engagieren. Die Bundesebene hat sich in den letzten drei Jahren engagiert zur Frage der Überprüfung von Vorschriften. Eine Fülle von Statistikzwängen, Berichtspflichten, aber auch gesetzliche Grundlagen sind auf den Prüfstand gestellt und Änderungen herbeigeführt worden.
Das Reichsgericht Leipzig hat sich um das Jahr 1900 aufgrund der starken Flut der Veränderungen in der Geschäftsordnung einen Grundsatz auferlegt. Dieser Grundsatz sollte sowohl für uns als auch für die handelnden Personen in Verbänden, aber auch in der Staatsverwaltung und in der Kommunalverwaltung gelten. In § 18 der Geschäftsordnung des Reichsgerichts hieß es damals: „Die Entscheidungsgründe sind in bündiger Kürze, unter strenger Beschränkung auf den Gegenstand der Entscheidung und unter tunlichster Vermeidung fremdsprachlicher und nicht allgemeinverständlicher Ausdrücke abzufassen.“ – Das ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen.
Wird von der Linksfraktion noch das Wort gewünscht? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Ich frage die SPD? – Nein. Die NPD-Fraktion? – Auch nicht. Die GRÜNEN? – Ebenfalls nicht. Dann bitte Herr Zastrow.
Herr Schiemann, bitte verzeihen Sie, dass wir Sie beim Wort genommen haben. Verzeihen Sie, dass wir Sie auf die Einhaltung Ihres Wortes, auf das, was Sie im Wahlkampf 2004 gesagt haben, überprüfen. Das hat mit Populismus überhaupt nichts zu tun, sondern das ist die ureigenste Aufgabe der Opposition in diesem Landtag, und das werden wir auch weiterhin tun. Daran müssen Sie sich gewöhnen.
Es bleibt dabei, und das lasse ich Ihnen, wenn Sie in den nächsten Wahlkampf ziehen, mit Sicherheit nicht durchgehen. Erzählen Sie bitte niemandem in diesem Land, dass Sie Bürokratie abbauen können. Sie haben lange genug Zeit gehabt, zu beweisen, dass Sie es können. Sie können es schlichtweg nicht.
Man sieht eindeutig, dass bei Ihnen die Gedanken eines „Neuen Forums“ oder von „Demokratie jetzt!“ nicht mehr so verankert sind.
Noch ein Punkt zu dem, was Sie zu unserem „Geschäftsmodell“ gesagt haben. In meiner Branche nennt man das Alleinstellungsmerkmal. Machen Sie nur weiter in der linken Truppe mit, lassen Sie Ihr Profil verschwimmen! Wir haben ein klares Profil. Das wird uns bei den nächsten Wahlen helfen.
Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Innenminister Dr. Buttolo, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Kollege Mackenroth hat mich gebeten, den Redebeitrag für ihn zu übernehmen.
Es stimmt, die Staatsregierung hat sich dazu entschlossen, das Gesetzgebungs- und Verordnungsvorhaben zum
Paragrafenpranger in seiner bisherigen Form nicht weiter zu verfolgen. Dennoch kann von einem Scheitern der Aktion keine Rede sein. Auch wenn dieser Aktion ein öffentlichkeitswirksamer Abschluss durch ein umfassendes Regelwerk verwehrt bleibt, sind folgende Ergebnisse festzuhalten:
Die Aktion Paragrafenpranger hat zu einem deutlichen Abbau von Vorschriften geführt. Die noch offenen Vorschläge der Aktion Paragrafenpranger geraten nicht in Vergessenheit, sondern werden von den einzelnen Fachressorts auf ihre Umsetzung hin geprüft.
Die Aktion Paragrafenpranger hat für Deregulierung und Bürokratieabbau im Freistaat Sachsen wichtige Impulse gesetzt. Lassen Sie mich stellvertretend für meinen Kollegen einige Punkte in aller Kürze ausführen.
Erstens. Im Rahmen der im Februar 2003 gestarteten Aktion haben Bürger, Unternehmen, Gemeinden und Verbände die heute schon genannte Zahl von 1 877 Einzelvorschlägen unterbreitet. Von diesen betrafen viele Vorschläge europa- und bundesrechtliche Vorschriften, welche der Gesetzgebungskompetenz des Landes entzogen sind. Auch das wurde heute schon gesagt.
Zweitens. Eine Reihe der aus dem Paragrafenpranger hervorgegangenen und positiv bewerteten Vorschläge sind umgesetzt worden. Meine zwei Beispiele – Herr Zastrow, Sie haben sie auch genannt – sind die Vereinfachung des Bauordnungsrechts und die Neufassung der Sächsischen Kehr- und Überprüfungsverordnung.
Drittens. Darüber hinaus haben wir den Bestand an Verwaltungsvorschriften seit Beginn der Aktion Paragrafenpranger kontinuierlich und nachhaltig abgebaut. Existierten im Januar 2005 Freistaat Sachsen noch 4 491 Verwaltungsvorschriften, waren es im Januar 2008 nur noch 1 877 Verwaltungsvorschriften.
Ich wiederhole: 4 491 Verwaltungsvorschriften im Jahre 2005 und 1 877 Verwaltungsvorschriften im Jahre 2008, Herr Zastrow.
Die Idee des Paragrafenprangers ist also, anders als die Antragsteller das darzustellen versuchen, keineswegs gescheitert.
Weitere Empfehlungen der Kommission zum Vorschriftenabbau sollten in ein Paragrafenprangergesetz und eine zugehörige Verordnung einfließen. Nach Auswertung der hierzu durchgeführten Anhörungen und nach Diskussion der Ergebnisse mit den einzelnen Ressorts hat sich jedoch gezeigt, dass es wegen der Vielschichtigkeit nicht zielführend ist, die Einzelvorschläge in ein Mantelgesetz oder eine Mantelverordnung einmünden zu lassen. Da die einzelnen Regelungen in keinem sachlichen Zusammenhang zueinander stehen, darf ihre jeweilige Verwirklichung nicht daran scheitern oder dadurch verzögert
Um das Problem zu lösen, quasi den Gordischen Knoten durchzuschlagen, hat das Staatsministerium der Justiz die nunmehr verbliebenen Einzelvorschläge an die fachlich zuständigen Ressorts zurückgegeben. Dort werden sie noch einmal geprüft und zur Umsetzung freigegeben, wenn die Möglichkeiten bestehen.
Ich will gar nicht verhehlen, dass die Aktion Paragrafenpranger nicht alle Erwartungen erfüllt hat, die viele in sie gesetzt haben. Die Aktion Paragrafenpranger war ein bedeutender Schritt im Kampf gegen das Normendickicht. Nicht die Idee, nicht die Inhalte waren schlecht, sondern allenfalls das Verfahren hat sich in einigen Bereichen als nicht optimal, als nicht zielführend erwiesen. Die Widerstände der Fachbruderschaften hatten ein breites Ziel, sie konnten sich auf einen Gegner, eben den Paragrafenpranger, einschießen. Das haben wir verstanden und das werden wir ändern.