Protokoll der Sitzung vom 14.11.2008

Die Schließung der Sorbischen Mittelschulen Crostwitz und Panschwitz-Kuckau haben das sorbische Schulnetz ausgedünnt. Seit etwa zwei Jahren sind der Presse immer wieder Meldungen über Schülerabwanderungen aus dem zweisprachigen deutsch-sorbischen Bildungsgang zu entnehmen. Auf meine in der 118. Sitzung des Sächsischen Landtages am 12.09.2008 gestellte mündliche

Anfrage nach den Schülerwanderungen in den sorbischen Schulen (damals Frage Nr. 14) wurde durch den Staatsminister für Kultus mitgeteilt, dass die Auswertung der entsprechenden Analysen der Herkunftsgrundschulen für die Schüler der Klassenstufe 5 der Mittelschulen und Gymnasien erst Mitte Oktober im Sächsischen Staatsministerium für Kultus vorliegen würde.

Ich frage die Staatsregierung:

1. Welche konkreten Schülerabwanderungen aus dem zweisprachigen deutsch-sorbischen Bildungsgang ergeben sich aus der Auswertung der oben genannten Analysen für die einzelnen Schulstandorte sorbischer Grundschulen?

2. Welche konkreten Maßnahmen hat die Staatsregierung aus der Auswertung der oben genannten Analysen zur Erfüllung ihres Verfassungsauftrages aus Artikel 6 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen bereits eingeleitet bzw. in der nächsten Zeit geplant?

Es antwortet Staatsminister Prof. Wöller.

Herr Abgeordneter, ich beantworte Ihre Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Folgende Anzahl von Schülern aus den sorbischen Grundschulen führt ihre Ausbildung nicht an einer sorbischen Mittelschule oder am Sorbischen Gymnasium Bautzen fort – die nachfolgenden Angaben beziehen sich auf das Schuljahr 2008/2009 –: fünf Schüler der Sorbischen Grundschule Bautzen, acht Schüler der Sorbischen Grundschule Panschwitz-Kuckau, drei Schüler der Sorbischen Grundschule Radibor, fünf Schüler der Sorbischen Grundschule Ralbitz, drei Schüler der Sorbischen Grundschule Räckelwitz. Nur an der Sorbischen Grundschule Crostwitz wechseln alle Viertklässler an eine sorbische Mittelschule oder an das Sorbische Gymnasium in Bautzen.

Zu Frage 2: Es bleibt das erklärte Ziel der Staatsregierung, möglichst viele Schüler in der zweisprachigen Lausitz auch zweisprachig auszubilden. Wir sind daher auf einem guten Weg. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die sorbischen Mittelschulen am Ort oder in unmittelbarer Umgebung fortgeführt werden. Schulschließungen tragen daher kaum zu den veränderten Schülerströmen bei. Vielmehr scheinen individuelle Gründe die Eltern zu veranlassen, ihre Kinder trotz längerer Schulwege auf weiterführende Schulen zu schicken, bei denen es kein sorbisches Sprachangebot gibt.

Wir wollen möglichst viele Schüler für die sorbische Sprache begeistern, daher bereiten wir gegenwärtig die Umsetzung des Konzeptes „2plus“ in die Praxis vor. Es beinhaltet unter anderem

erstens – die Gewährung von Anrechnungsstunden für die Koordinierung der beteiligten Einzelschulen,

zweitens – das Zwei-Lehrer-Prinzip, um auf unterschiedliche sprachliche Voraussetzungen der Kinder reagieren zu können, und

drittens – Zusatzstunden zur Absicherung von Fachunterricht in sorbischer Sprache.

Die Sächsische Staatsregierung ermutigt ausdrücklich dazu, die sorbische Sprache zu erlernen. Hierfür haben wir günstige Rahmenbedingungen geschaffen, und wir gestalten diese auch weiter aus.

Ich selbst werde am 26. Februar nächsten Jahres das Sorbische Gymnasium in Bautzen besuchen. Gemeinsam mit dem Sorbischen Schulverein und der Domowina e. V. werde ich dort die Schülerinnen und Schüler über die Lehrerausbildung und den Lehrerberuf informieren. Mit meiner persönlichen Anwesenheit möchte ich eines ganz deutlich machen: Die Lehrergewinnung für sorbische Schulen war, ist und bleibt ein vorrangiges Anliegen sächsischer Bildungspolitik.

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Ich hätte noch eine Nachfrage, Frau Präsidentin, wenn Sie gestatten?

Bitte.

Die von Ihnen genannten Schülerzahlen stellen, wenn man sie auf die Gesamtzahl der Schüler bzw. Absolventen sorbischer Grundschulen herunterrechnet, prozentual doch eine beträchtliche Größe dar.

Meine Frage: Ist es nicht an der Zeit, sich dennoch – außer dem, was Sie hier dankenswerterweise vorgetragen haben – über Strategien Gedanken zu machen, mit denen gegengesteuert werden kann?

Ich beantworte die Nachfrage gern, Herr Kollege Kosel. Über diese bereits von mir genannten Maßnahmen hinaus arbeiten wir an einer Strategie, die unter anderem folgende Maßnahmen beinhaltet, um den Sorbischunterricht attraktiv zu gestalten:

Anrechnungsstunden für Unterricht von Seiteneinsteigern. Es ist eine Ausschreibung des SMK für eine neue berufsbegleitende Fortbildung für sorbische Sprache geplant. Außerdem erfolgt eine Ausschreibung einer weiterführenden Fortbildung für Lehrkräfte, die bereits an einer anderen Fortbildung teilgenommen haben, und wir führen einen zweijährigen Grundkurs „Sorbische Sprache für Lehrkräfte ohne Vorkenntnisse“ durch.

Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt der Maßnahmen, die wir ergreifen, um die Attraktivität der sorbischen Sprache noch weiter zu erhöhen. Ich habe bereits Gespräche mit den genannten Vertretern der Domowina und anderen geführt und werde auch weiterhin im nächsten Jahr intensive Gespräche mit der klaren Zielrichtung führen, hierbei zu weiteren Verbesserungen zu kommen.

Vielen Dank, Herr Staatsminister.

Ich bitte nun den Abg. Herrn Petzold, die Frage Nr. 1 zu stellen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es geht um die Kosten für arbeitsbedingte Frühverrentung im Freistaat Sachsen.

Nach aktuellen Angaben der Betriebskrankenkassen summieren sich die Kosten für arbeitsbedingte Frühverrentung in der Bundesrepublik pro Jahr auf rund 10 Milliarden Euro. Besonders problematisch ist die Situation für schwerbehinderte Arbeitslose, die oft wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Im August 2008 wurden 170 000 schwerbehinderte Arbeitnehmer als Arbeit suchend gezählt.

Fragen an die Staatsregierung:

1. Wie entwickelten sich im Freistaat Sachsen im Zeitraum von 2003 bis 2008 die Kosten für arbeitsbedingte Frühverrentung? (Bitte pro Jahr und Berufsgruppen auflisten.)

2. Wie entwickelte sich im Freistaat Sachsen im Zeitraum von 2003 bis 2008 die Anzahl der Arbeitsplätze für Schwerbehinderte und wie kann aus der Sicht der Staatsregierung eine Integration behinderter Menschen in den ersten Arbeitsmarkt effektiv gestaltet werden?

Für die Staatsregierung antwortet Frau Staatsministerin Clauß.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Zur ersten Frage nehme ich wie folgt Stellung:

Ich gehe davon aus, dass Ihre Frage auf die Bewilligung von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Altersrenten für schwerbehinderte Menschen abzielt. Im Zeitraum 2003 bis 2007 wurden in Sachsen jährlich – mit leichten Abweichungen nach unten und nach oben – rund 9 000 Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bewilligt. Der monatliche Auszahlungsbetrag lag dabei bei durchschnittlich 602 Euro – mit sinkender Tendenz. Im gleichen Zeitraum wurden jährlich circa 3 000 Altersrenten für schwerbehinderte Menschen bewilligt – Tendenz auch hier leicht sinkend. Der monatliche Zahlbetrag liegt bei durchschnittlich 844 Euro.

Für das Jahr 2008 liegen noch keine Zahlen vor. Soweit in der Frage um Auflistung der Berufsgruppen gebeten wird, deren Angehörige arbeitsbedingt frühverrentet werden, verweise ich auf die Auswertung des Statistischen Landesamtes des Freistaates Sachsen.

Zur zweiten Frage: Eine spezielle Ausweisung von Arbeitsplätzen für schwerbehinderte Menschen existiert nicht. Im Rahmen der Beschäftigungspflicht nach SGB IX waren von 2003 bis 2007 jeweils im Jahresdurchschnitt circa 30 000 schwerbehinderte Menschen in beschäftigungspflichtigen Betrieben und Dienststellen im Freistaat Sachsen beschäftigt.

Die Zahlen für 2008 werden erst zu Beginn des Jahres 2009 vorliegen. Zudem waren im vorgenannten Zeitraum durchschnittlich jeweils 10 440 Menschen mit Behinderung als Arbeit suchend gemeldet. Die aktuelle Zahl beläuft sich auf 9 692. Für die Integration schwerbehinderter Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt hat das Integrationsamt allein im Jahr 2007 12 Millionen Euro aus Mitteln der Schwerbehindertenausgleichsabgabe aufgebracht. Mit diesen Mitteln werden innerhalb eines breiten Leistungsspektrums unter anderem Arbeitgeber bei der Neuschaffung von Arbeitsplätzen für schwerbehinderte Menschen und bei deren Beschäftigung unterstützt.

Leistungen erhalten aber auch schwerbehinderte Menschen selbst, etwa wenn sie technische Arbeitshilfen oder eine Arbeitsassistenz benötigen. Darüber hinaus unterstützt der Kommunale Sozialverband mit einem Programm den Übergang von schwerbehinderten Menschen aus der Werkstatt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Das Integrationsamt hat im Rahmen des Bundesprogramms „Job 4000“ die hälftige Kofinanzierung übernommen und sichert damit die Integration besonders betroffener und schwerbehinderter Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Nicht zuletzt wurden den Arbeitsagenturen in Sachsen 2 Millionen Euro im Rahmen des sogenannten Sächsischen Arbeitsmarktprogramms zur Verfügung gestellt. Insgesamt ist damit nach Auffassung der Staatsregierung eine effektive Integration schwerbehinderter Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt gewährleistet.

Ich bedanke mich.

Ich bitte nun Frau Abg. Schütz, die Frage Nr. 7 zu stellen.

Es geht um den Antragsstau bei im Zuge der Verwaltungsreform übertragenen Aufgaben.

Pressemeldungen zufolge gibt es insbesondere im Sozialbereich einen Antragsstau bei Aufgaben, die im Zuge der Verwaltungsreform auf die Landkreise und kreisfreien Städte übertragen wurden. So hat der Kreis Görlitz allein im Bereich des Schwerbehindertenrechtes 6 000 offene Fälle vom Freistaat „geerbt“. Vonseiten der Landkreise wird kritisiert, dass teilweise seit Ende Mai die Anträge nicht mehr kontinuierlich vom Freistaat bearbeitet wurden und das übergegangene Personal nicht zur Bewältigung der Anträge ausreicht.

Fragen an die Staatsregierung:

1. Welche Maßnahmen hat der Freistaat Sachsen unternommen, um den vor Übergang der Aufgaben gekannten Antragsstau abzuarbeiten?

2. Mit welchen Maßnahmen will der Freistaat Sachsen die Landkreise und kreisfreien Städte und insbesondere den Landkreis Görlitz unterstützen, um den Antragsstau, insbesondere im Sozialbereich beim Landesblindengeld

und bei der Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft, abzuarbeiten?

Für die Staatsregierung antwortet nochmals Frau Staatsministerin Clauß.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Abg. Schütz! Zur ersten Frage nehme ich wie folgt Stellung:

Der Freistaat Sachsen hat seit Mitte 2007 erhebliche Anstrengungen unternommen, um die bei der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft und des Landesbehindertengeldes bestehenden Bearbeitungsüberhänge abbauen zu können.

Dazu zählen Nachjustierung des IT-Verfahrens, Abschluss eines Zusatzvertrages mit der Telekom zur Bereitstellung höherer Bandbreiten, der befristete Einsatz von über 30 externen Arbeitskräften, monatlich 400 bis 675 Überstunden in den Ämtern für Familie und Soziales, Überstundenvergütung für Angestellte und vertragliche Bindung von 26 zusätzlichen Außengutachtern hier durch das Sächsische Landesamt für Familie und Soziales.

Durch die notwendige mehrmonatige Einarbeitung der neuen Außengutachter kam deren Leistung bis zum 31. Juli 2008 leider nicht mehr voll zum Tragen. Ich freue mich aber, dass deren Arbeitskraft und Know-how nun den Landkreisen und kreisfreien Städten zur Verfügung steht.

Zur zweiten Frage. Im Ergebnis der Sozialauswahl zeichnete sich ab, dass im Falle einiger Landkreise nicht alle zu kommunalisierenden Stellen besetzt übergeben wurden. Das Sächsische Staatsministerium für Soziales hat frühzeitig Vorschläge unterbreitet, wie dieser Herausforderung begegnet werden kann. Dazu gehört beispielsweise die Übernahme von externen Mitarbeitern oder von Absolventen der Fachhochschule Meißen. Das Thema der Bearbeitungsüberhänge wurde mit Vertretern der kommunalen Seite sowohl vor dem 31. Juli 2008 als auch danach in einer Reihe von Beratungen diskutiert. Eine Anzahl der angesprochenen Vorschläge, die zu einem beschleunigten Abbau der Überhänge führen sollen, befindet sich noch in der Abstimmung. Ich gehe davon aus, dass die noch offenen Punkte auch rasch geklärt werden können.