Protokoll der Sitzung vom 14.11.2008

Fotovoltaik-Industrie und -Forschung in Sachsen

Drucksache 4/13643, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnen die einreichenden Fraktionen CDU und SPD. Danach folgen die Linksfraktion, NPD, FDP, GRÜNE und gegebenenfalls die Staatsregierung. Herr Rasch beginnt mit seinem Wortbeitrag.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht ist es mit dem Landtag wie mit einer Solaranlage: Die Uhr tickt, der Zähler dreht und das Konto füllt sich. Das passiert ganz ohne Zutun des Menschen, wenn es gut geht. Nun gut!

Es geht heute um Fotovoltaik. Der Begriff, der uns diesbezüglich nun schon geläufig ist: das „Solar Valley“. Das Zentrum des „Solar Valleys“ befindet sich offensichtlich dort, wo die Saale sich nicht allzu tief in die Erdoberfläche eingeschnitten hat. Im Unterschied dazu gibt es das „Silicon Valley“. Dort hinterlässt die Elbe eine deutliche Kontur. Die Namensverbindungen sind durchaus eine Verbindung, die einen Sachbezug repräsentiert. Wir sind gut beraten, wenn wir – ähnlich wie es uns mit dem „Silicon Valley“ gelungen ist – ein Technologiefeld in der Region fest verankern und die Fotovoltaik ernst nehmen. Insofern ist das Thema „Solar Valley“ – mit unserer Beteiligung – in besonderer Weise zu pflegen.

Um einem möglichen Missverständnis gleich entgegenzuwirken: Wir können zwar von Qimonda gegebenenfalls die Arbeitskräfte wegen vergleichbarer Anforderungen und Herausforderungen an das Arbeitsprofil im Solarbereich engagieren. Was aber nicht der Fall ist: Die Reinräume und die Produktionsanlagen können nicht quasi für die Produktion von Solarpaneelen umgenutzt werden. Das könnte sich höchstens rentieren, wenn man die Solarpaneele in Luxusuhren aus Glashütte oder Ähnlichem einsetzen würde. Das heißt, wir haben ganz andere technische Anforderungen und Kostenstrukturen. Das ist es nicht. Was verbindet die Technologien? Sie verbinden grundlegende Funktionsmechanismen, Herangehensweisen und nicht zuletzt das Personal mit ähnlichen Qualifikationen.

Ich habe bereits deutlich gemacht, dass ich es kritisch sehe, wenn es uns bisher nicht gelungen ist, auf diesem nicht minder interessanten Feld unsere sächsischen Möglichkeiten auszuspielen. Ich habe deutlich gemacht, dass es sich im Wesentlichen um den Raum Halle dreht – und zwar um das sich dort befindende Fraunhofer Institut für Silizium und Fotovoltaik in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Mikrophysik.

Es wird deutlich, dass – nicht nur – aus dem sächsischen Bereich fünf verschiedene Institute mitarbeiten: viermal das Fraunhofer- und einmal das Rossendorfer Institut. Das heißt: Wir haben gut aufgestellte Potenziale im Wissenschafts- und genauso im Hochschulbereich. Von vier beteiligten Hochschuleinrichtungen sind durch die TU Dresden und die Bergakademie Freiberg zwei sächsische Einrichtungen im Spiel. Das Spiel läuft garantiert nicht ohne uns. Es ist aber deutlich, dass sich im Bereich der daraus resultierenden Produktion und des Anlagenbaus bei uns weniger abzeichnet, als es mit großen Ansiedlungen in Thüringen und Sachsen-Anhalt gelungen ist.

Deshalb ist die berechtigte Frage: Wie sehen wir die weitere Perspektive dieses Clusters? Ich will Ihnen deutlich machen, dass das, was bisher mehrheitlich unter „Solar Valley“ zu verstehen ist, sich im Wesentlichen auf die Siliziumtechnologie bezieht. Andere Unternehmen sind dabei – sie hören und schauen mit. Aber im Wesentlichen geht es um Siliziumtechnologien.

Möglicherweise läuft die technologische Entwicklung aber auch in einer anderen Richtung ganz entscheidend weiter. Möglicherweise liegen dort unsere Chancen. Ich möchte nur einmal von dem „Solarserver“ die drei Headlines, die aktuell im Internet zu finden sind, nennen: „Weltgrößte Freiflächen-Solarstromanlage mit CIS-Technologie“ – Kupfer-Indium-Diselenid-Technologie, nicht Silizium. Die nächste Überschrift lautet: „Mit Dünnschicht-Fotovoltaik auf dem Weg zum weltgrößten Solarpark“. Das betrifft übrigens einen Solarpark in der Nähe von Leipzig – es ist eine sächsische Angelegenheit. Und die dritte Überschrift heißt: „Solar-Folien als Alternative für Dächer und Wiesen“. Damit möchte ich Ihnen deutlich machen, dass neben Siliziumtechnologien Dünnschichttechnologien auf unterschiedlichen Trägerfeldern besonders interessant werden. Dort sind kostengünstigere Produkte und multivalente Anwendungsmöglichkeiten zu erwarten.

Im Industrie- oder im Gesellschaftsbau – insbesondere dort, wo hohe Häuser mit Glasfassaden errichtet werden – ist jetzt schon Glas mit verschiedenen Beschichtungen absolut Trumpf. Wer hindert uns daran, diese Beschichtungen zugleich mit Hightech-Fotovoltaik-Technologien zu verbinden, die uns dort ganz en passant die Möglichkeit der Energiegewinnung schaffen.

Es besteht die Frage nach beschichteten Folien, die in den beliebigsten Kombinationen und Strukturen anwendbar sind. Inzwischen kommen längst auch Mehrschichtsyste

me infrage, die die unterschiedlichen Lichtfrequenzen ausnutzen und damit eine viel höhere Ausbeute – als bisher angenommen – im Unterschied zu den heutigen Technologien erreichen können. Von der technischen Seite her – von der Anwendungsseite – ist es ein äußerst interessantes Feld. Es ist eben auch deshalb interessant, weil wir im Bereich der Anlagenhersteller wesentliche Potenziale in Sachsen aufzuweisen haben. Ich nenne Ihnen nur drei Namen aus der Ardenne Anlagentechnik, Roth & Rau in Mittelsachsen, FHR Anlagenbau Ottendorf-Okrilla – das ist gleich um die Ecke. Es handelt sich um drei Anlagenbauer, die zum großen Teil die Weltspitze mitbestimmen.

(Beifall des Staatsministers Thomas Jurk)

Danke schön. – Ich erinnere mich daran: Als wir in der Heimat des ursprünglichen „Silicon Valleys“ – nämlich in Kalifornien – unter anderem Applied Materials besucht haben. Das sind die ganz Großen im Ausrüstungsgeschäft. Dort kam ganz nebenbei die deutliche Botschaft einer ungeheuren Hochachtung für unsere Experten, die sich mit der Anlagentechnik beschäftigen, rüber. Man kannte auch den Kleinen, der nur in einem schmalen Sektor mit den Großen konkurriert. Das macht er aber äußerst erfolgreich.

Meine Damen und Herren! Es sind zwei Aspekte zu beachten. Es geht zum einen darum, technische Möglichkeiten zu entdecken, die wirtschaftlich hochinteressant für Anwendungen werden, wenn sie eines Tages einmal nicht mehr hoch subventioniert sind. Darum geht es in der längerfristigen Perspektive. Zum anderen können sie hinsichtlich der Potenziale interessant sein, die in der Wissenschaft und Forschung, in der Ausbildung an den Hochschulen und für Anlagen bauende Unternehmen von Bedeutung sein können.

Ich bitte Sie, meine Damen und Herren: Tragen Sie mit uns diesen Antrag, der die Staatsregierung auffordert – das können Sie in unserem Antrag nachlesen –, Verschiedenes zu berichten und insbesondere auf dieser Strecke konzeptionell tätig zu werden.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Die SPD-Fraktion erhält das Wort; Herr Abg. Gerlach, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Rasch, Sie haben eine ganze Menge fundierter Aussagen zur Technik gemacht. Ich weiß Sie als fachkompetenten Kollegen auf diesem Gebiet sehr zu schätzen.

Ich werde versuchen, um die technischen Details einen kleinen Bogen zu machen, und möchte mehr auf die leichter verständlichen Dinge eingehen.

Von vielen bekämpft und lächerlich gemacht – auch von ehemaligen, inzwischen aufgestiegenen Landtagsabgeordneten –, hat sich die Fotovoltaik zu dem Erfolgsschla

ger des Freistaates Sachsen entwickelt. Im Wirtschaftsministerium hatte dieses Zukunftsthema bis Ende 2004 ein absolutes Schattendasein geführt und war nicht beliebt.

Wieso hat Sachsen die Entwicklung trotzdem so gut geschafft? Sachsen profitierte von dem ersten Bundesprogramm, dem sogenannten 1 000-Dächer-Programm von 1989 – wohlgemerkt! – bis 1994. Dann, von 1999 bis 2003, folgte das 100 000-Dächer-Programm. Letzteres war eigentlich gedacht als Turboprogramm zur Ankurbelung der Maßnahmen nach dem Erneuerbare-EnergienGesetz, das 2000 beschlossen wurde, und griff auf Erfahrungen mit dem 1 000-Dächer-Programm zurück.

Eine Studie der Agentur für erneuerbare Energien zur klimafreundlichen Energieversorgung, am 10.11. in Berlin vorgestellt, gibt Sachsen Platz 6 im Bundesländerranking und Platz 3 bei den Anstrengungen zur Nutzung der erneuerbaren Energien. Das ist nicht unwesentlich auf das Wirken eines sozialdemokratischen Ministers im Wirtschaftsministerium zurückzuführen, auch wenn ich ihn gern immer noch mehr antreiben möchte.

Einige Daten: Die Gesamtstromerzeugung in Sachsen – orientieren Sie sich bitte nicht allzu sehr an den absoluten Werten – lag bei 19 000 Terawattstunden im Jahr 2000 und stieg auf 20 000 Terawattstunden im Jahr 2007. Die Fotovoltaik erbrachte im Jahr 2000 0,2 Gigawattstunden. Das entsprach einem Hunderttausendstel dessen, was an Strom überhaupt in Sachsen verbraucht wurde. 2004 stieg der Anteil auf immerhin schon 0,033 %, 2005 auf 0,08 %. Im Jahr 2006 kam es noch einmal zu einer Erhöhung, und zwar um 280 %, im Jahr 2007 um 189 %. Von 2004 zu 2005 ergab sich eine Steigerung um 240 % – wir liegen im Moment immer noch im Bereich einer Steigerungsrate von circa 200 % –, obwohl es nur eine Stromverbrauchssteigerung um 1 % gab. Wir verzeichnen also eine gigantische Entwicklung, auch wenn das Ausgangsniveau extrem niedrig war.

Zum Vergleich: Weltweit ist die Fotovoltaik-Industrie in den vergangenen 30 Jahren um jährlich durchschnittlich 34 % gewachsen. Trotzdem beneiden andere Industriezweige die Fotovoltaik um diese Zahlen.

Es wird erwartet, dass im Jahr 2008 alle erneuerbaren Energien in Sachsen reichlich 2 Milliarden Euro Umsatz überschreiten. Ebenfalls 2008 werden von den erwarteten 7 820 Arbeitsplätzen im gesamten Bereich der erneuerbaren Energien mehr als 2 500 Solararbeitsplätze sein, davon 1 700 im Fertigungssektor. Bei gleichen Wachstumsraten rechnet der Bundesverband Solarwirtschaft bis 2010 mit einer Verdoppelung der Zahl der sächsischen Solararbeitsplätze in der Produktion. Das sind enorme Zahlen, die sich in Sachsen inzwischen auch wirtschaftlich sehr gut auswirken.

Ende 2006 wurden in Sachsen 13 Fotovoltaik-Kraftwerke mit einer Spitzenleistung von 25 Megawattpeak betrieben, zwei Anlagen sogar mit zweifacher Nachführung.

Auf dem ehemaligen Militärflughafen in Brandis östlich von Leipzig – der Herr Kollege hat schon darauf hinge

wiesen –, entsteht die weltweit größte FotovoltaikAnlage. Endausbau soll 2009 sein. 40 Millionen Kilowattstunden Strom sollen dort in immerhin 550 000 Dünnschichtmodulen erzeugt werden. Die Fläche ist 200 Fußballfelder groß. Vorgesehen sind Investitionen von 130 Millionen Euro.

2007 gaben die Unternehmen Arise Technologies, Signet Solar, Sunfilm und Advansis ihr Engagement in Sachsen bekannt, was diese Fotovoltaik-Technologien betrifft.

Mit Solarworld haben wir in Freiberg – auch wenn der Sitz Bonn ist, weil Herr Asbeck dort wohnen bleiben will

(Heiterkeit des Staatsministers Thomas Jurk)

das ist so – einen Global Player der Solarwirtschaft, der die gesamte Fertigungstiefe und -breite abdeckt. Damit hat Sachsen die komplette Wertschöpfungskette im eigenen Land. Das ist ein wichtiger ökonomischer und strategischer Vorteil, den es konzentriert auszubauen gilt. Daran arbeitet die EESA im Auftrag des Wirtschaftsministeriums. Wir als Koalition werden sie begleiten und fördern.

Was kostet uns das alles bei angenommenen 3 500 Kilowattstunden pro Jahr? Das ist die Zahl, die ich gefunden habe, wobei ich gleich hinzufügen muss, dass der sächsische Durchschnittswert bei 2 460 Kilowattstunden pro Jahr liegt und damit niedriger ist. – Pro Monat und Haushalt – wie gesagt, mit 3 500 Kilowattstunden – hat uns das 2007 3 Euro gekostet. Im Jahr 2010 erwartet man 4,40 Euro, im Jahr 2015 5 Euro und im Jahr 2020 – aufgrund der Degression, die wir mit dem neuen EEG eingeführt haben – wieder 4,50 Euro. Das entspricht 1, 1,5, 1,7 und wieder 1,5 Cent pro Kilowattstunde. Ich wiederhole: Das ist die Belastung pro Haushalt. Das ist ein auf alle aufgeteiltes Wirtschaftswachstumsprogramm – so sehe ich das –, das wir mit aufrechtem Haupt allen Menschen bei uns erklären können. Denn es schafft Arbeitsplätze und Wohlstand für uns alle.

Was kann der sogenannte kleine Mann tun? Ich bringe Ihnen ein Beispiel, stellvertretend für viele in Sachsen: Wir haben auf einer Schule in Altchemnitz ein sogenanntes Bürgersolarkraftwerk stehen. Die installierte Leistung beträgt 15,3 Kilowattpeak. Inbetriebnahme war am 25. September 2007. 107 Quadratmeter Dachfläche werden genutzt, 73 Module wurden installiert. Die Installation erfolgte durch eine Solarfirma aus Chemnitz. Eigentümer der Anlage ist die „Bürgersolaranlage Chemnitz“. Auch der Betrieb wird von einer Firma aus Chemnitz begleitet. Beteiligte Gesellschafter sind 36 Bürgerinnen und Bürger, ein Verein und auch einige Landtagsabgeordnete. Die Investitionssumme beläuft sich auf reichlich 70 000 Euro. Die spezifischen Kosten betragen 4 600 Euro pro Kilowattpeak. Als Anlagenertrag werden 13 800 Kilowattstunden pro Jahr erwartet.

Was sind die realen Erträge? Im ersten Betriebsjahr – bis September 2008 – gab es circa 930 Kilowattstunden pro Leistungseinheit Kilowattpeak; so gibt man das an. Das ist für unsere Verhältnisse ein relativ hoher Wert. Wir

haben im ersten Jahr 15 606 Kilowattstunden Strom produziert. Das sind immerhin 4,5 % mehr, als wir kalkuliert hatten. Wir haben bis Oktober 2008 bereits fast 14 000 Kilowattstunden erreicht.

Bei diesen Anlagen muss ich keine Bankenkrise befürchten und meinen Einlagen nicht nachtrauern. Aber ich kann auch meine Gier nicht befriedigen, die zweistellige Erträge meines eingesetzten Geldes erwartet.

Wir, die wir Eigentümer dieser Anlage sind, erwarten 4 bis 4,2 % Rendite und haben auch noch etwas Gutes für die Umwelt getan. Das reicht nicht zum Reichwerden, aber für ein gutes Lebensgefühl. Wenn das noch viele Menschen mehr tun, haben wir Wirtschaftsförderung von unten – eine sehr effektive lokale Initiative, die uns allen hilft und die ich nur zum Nachmachen empfehlen kann.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und vereinzelt bei der CDU sowie des Staatsministers Thomas Jurk)

Für die Linksfraktion Herr Hilker, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wozu ist der Sächsische Landtag, wozu ist das Plenum des Sächsischen Landtags da? Die Verfassung beschreibt es eindeutig: Der Landtag soll die Regierung kontrollieren. Er soll Stätte der Meinungs- und Willensbildung und der Gesetzgebung sein.

(Alexander Delle, NPD: Schöne Worte, nichts dahinter!)

Die Koalition lässt diesen Landtag zur Stätte der Berichterstattung verkommen. Sehen Sie sich den Antrag genau an! Wieso komme ich zu dieser Schlussfolgerung?

Der erste Punkt verlangt zehn Berichte, Dinge, die man natürlich auch in Kleinen Anfragen abhandeln könnte.

Unter dem zweiten Punkt soll die Staatsregierung Maßnahmen benennen, mit denen sie die Entwicklung der sächsischen Fotovoltaik-Industrie unterstützt. Wenn man sich ein wenig mit den bisher vorliegenden Dokumenten beschäftigt, kann man das alles nachlesen.

Als Drittes soll die Staatsregierung geeignete Maßnahmen prüfen, wie in Umsetzung des Aktionsplans „Klima und Energie“ künftig alle geeigneten Flächen öffentlicher Gebäude für Fotovoltaik- und Solarthermieanlagen genutzt werden können.