Meine Damen und Herren! Schon vor beinahe drei Jahren, nämlich im April 2006, hat meine Fraktion einen Antrag auf Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von 7 % auf arbeitsintensive und konsumnahe Dienstleistungen gestellt. In diesem Zusammenhang erhielten wir von der Staatsregierung eine schriftliche Stellungnahme, in der im Wesentlichen festgestellt wurde, dass das Umsatzsteuerrecht der Bundesrepublik Deutschland an die Vorgabe der 6. EG-Richtlinie gebunden sei. Dementsprechend fiel auch die Debatte hier im Plenum über den damaligen Antrag aus. Neben Hinweisen auf die vermeintliche Wirkungslosigkeit von ermäßigten Mehrwertsteuersätzen wurde hauptsächlich auf diese Bindung an das sogenannte EU-Recht verwiesen.
Die Fragen, die wir damals stellten, sind heute wegen der Weltwirtschaftskrise und des abzusehenden Paradigmenwechsels in der Wirtschaftspolitik allerdings noch wichtiger als vor drei Jahren.
Erstens. Wie ist es möglich, dass die neben der Lohnsteuer mit großem Abstand gegenüber allen anderen Steuerar
ten wichtigste Steuerart mit einem Aufkommensanteil von fast 25 % an die Vorgaben einer Richtlinie gebunden ist, die weder überwiegend im Interesse der deutschen Volkswirtschaft abgefasst noch nach den im Artikel 20 Grundgesetz festgelegten demokratischen Regeln beschlossen worden ist? Wie ist diese grundgesetzwidrige Fremdbestimmung ausgerechnet bei derjenigen Steuer möglich, die durch eine weit überproportionale Belastung die einkommensschwächsten Bevölkerungsschichten am stärksten benachteiligt und besonders starke soziale sowie wirtschafts- und strukturpolitische Folgen hat?
Zweitens. Wie soll es möglich sein, dass ausgerechnet bei einer Änderung einer Verbrauchssteuer, die, wie gesagt, einen großen Teil des Gesamtsteueraufkommens ausmacht, die Konjunktur, die Preise und der Arbeitsmarkt angeblich kaum beeinflusst werden sollen?
Zum Thema Fremdbestimmung möchte ich heute nur Folgendes sagen: Wenn in diesem Landtag über Fragen diskutiert wird, die Sachsen oder auch ganz Deutschland existenziell betreffen, hört die Diskussion immer dann sehr schnell auf, sobald festgestellt wird, dass die betreffende Sache durch eine EU-Richtlinie geregelt ist.
Für die NPD-Fraktion möchte ich hier allerdings sagen, dass wir uns derartigen Denkblockaden nicht unterwerfen werden, und zwar auch nicht in Sachen Mehrwertsteuer. Was diese betrifft, ist zunächst festzustellen, dass die Steuerpolitik generell unter anderem das Ziel hat, staatlicherseits steuernd oder stützend in die Wirtschaft einzugreifen, zum Beispiel durch eine Mehrwertsteuersenkung, von der man zusätzliche Kaufkraft und damit zusätzliche Aufträge für die heimische Wirtschaft erwarten könnte. Da die Mehrwertsteuer, wie gesagt, einen großen Anteil am Steueraufkommen und außerdem einen direkten und somit sofort wirkenden Einfluss auf die Kaufkraft hat, bietet sie sich dafür besonders gut an.
Wie groß aber könnte dieser Einfluss auf die Kaufkraft tatsächlich sein? Um dies genau auszurechnen, bräuchte man Faktoren wie die Grenzsparquote in verschiedenen Einkommensgruppen, Konsumimportquote, Investitionsimportquote etc. Einige dieser Daten, zum Beispiel die Investitionsimportquote, sind in Deutschland aber nicht einmal verfügbar. Aber es gibt verschiedene Studien, die die Faktoren und ihren Einfluss abschätzen.
So fließen zum Beispiel nach einer Studie der schweizerischen Finanzverwaltung circa 35 % der durch eine Mehrwertsteuersenkung entstehenden zusätzlichen Nachfrage in den heimischen Wirtschaftskreislauf. Nach anderen Studien sind es bis zu 50 %. Das sind eigentlich erstaunlich niedrige Werte, die mit dem Einfluss von Importen zu tun haben.
Um diesen Einfluss trotz der fehlenden Datenlage einigermaßen abschätzen zu können, kann man zum Beispiel folgende grobe Überschlagsrechnungen anstellen: Im Jahr 2007 betrugen die um die exportinduzierten Importe bereinigen Importe circa 500 Milliarden Euro. Das war also in Preisen von 2007 der Wert der tatsächlich im Inland konsumierten Importe. Geht man davon aus, dass die entsprechenden Konsumausgaben, die an diesen Importen beteiligt waren, im Wesentlichen aus dem privaten Konsum und den Ausrüstungsinvestitionen bestanden, so erhält man für 2007 eine Gesamtsumme für den importrelevanten Konsum von circa 1 560 Milliarden Euro. Der Importanteil an dieser Gesamtsumme ist grob ein Drittel.
Wenn nun der Staat zur Belebung des nationalen Wirtschaftskreislaufes auf einen Teil der Mehrwertsteuer verzichtet und dabei die Ermäßigung gleichmäßig über alle Waren und Dienstleistungen durchführt, dient also rund ein Drittel der Mindereinnahmen der Förderung von Importen. Würde man hingegen die Mehrwertsteuersenkung auf einheimische Produkte beschränken, so könnte für diese die Absenkung wesentlich höher, theoretisch bis zu 50 % höher, ausfallen, ohne dabei höhere Einnahmenausfälle zu haben als bei einer gleichmäßigen Absenkung. Es wäre also so, dass eine selektive Mehrwertsteuersenkung, wie sie die NPD-Fraktion fordert, den inländischen Wirtschaftskreislauf wesentlich stärker beleben würde als eine gleichmäßige. Da dies zum Teil zulasten der Importe gehen würde, würde es natürlich zu Konflikten mit der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie und dem sogenannten EUWettbewerbsrecht kommen.
Aber, meine Damen und Herren, warum soll eine Bundesratsinitiative der Staatsregierung nicht auch die Forderung nach Verhandlungen mit der EU zum Gegenstand haben? Warum soll ein Bundesland, in dem Fall Sachsen, das die heimischen Wirtschaftskreisläufe gegenüber den globalen Netzwerken gestärkt sehen möchte, dies nicht im Rahmen des föderalen Systems der Bundesrepublik Deutschland zur Diskussion stellen und eine neue EU-Politik anmahnen?
Ich sehe keinen Grund, der dagegen spricht. Gerade die derzeitige Weltwirtschaftskrise dürfte dafür eine wohl selten günstige Gelegenheit bieten.
Bevor Sie jetzt wieder die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, möchte ich zum Schluss darauf aufmerksam machen, dass wir mit dieser Vorstellung nicht allein dastehen. So hat auch der SPD-Bundestagsabgeordnete und Vize-Bundesvorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, Andreas Steppuhn, einen fast gleichlautenden Antrag veröffentlicht, den er laut „Magdeburger Volksstimme“ Mitte Januar, also jetzt, in diesen Tagen, in die SPD-Bundestagsfraktion einbringen möchte. Sollte diese sich für diesen Vorschlag aussprechen oder schon ausgesprochen haben, so könnte und müsste natürlich die hiesige SPD-Landtagsfraktion unserem Antrag zustimmen können.
Das war die einreichende Fraktion. Es folgt Herr Patt von der CDUFraktion. Er spricht für die Koalition.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst störe ich mich an den Begriffen „deutsch“, „deutsche Produkte“, „deutsche Dienstleistungen“ und bringe das in Zusammenhang mit dem Einreicher dieser Drucksache. Was ist ein deutsches Produkt oder eine deutsche Dienstleistung?
Sind das Firmen, die in Deutschland ihren Firmensitz haben? Darf es ausländische Betriebsstätten geben? Dürfen es nur Fleischklopse aus deutschem Fleisch sein oder kann man auch argentinisches Rindfleisch verarbeiten? Was ist, wenn das von einem von Ihnen nicht gelittenen, nicht deutschen Packer oder Mitarbeiter verarbeitet und eingepackt wurde?
Was ist mit Verkäufern in Betriebsstätten, die vielleicht von ausländischen Betrieben sind, oder wenn Betriebe ausländische Namen haben oder all das, wogegen Sie sich so wehren? Ich kann überhaupt nicht erkennen, wo dieser Antrag konsistent sein soll.
Sie mögen das als polemisch ansehen, aber die Polemik tragen Sie hier nach vorn. Ich frage einfach: Wo ist die Wertschöpfungskette, die das ausreichend zum Ausdruck bringt? Was ist mit Mischprodukten? In einem Nebensatz sind Sie kurz darauf eingegangen. Was ist mit den vielen Wertschöpfungsketten, bei denen wir ausländische Zulieferer einbinden? Das alles können wir nicht gutheißen.
Gut wäre es gewesen, wenn man mal über die Ungleichheit von Mehrwertsteuersätzen gesprochen hätte, den Unterschied zwischen Kinderprodukten, Lebensmitteln
oder Kinderbekleidung, die mit 19 % oder 7 % besteuert werden, oder den Mehrwertsteuersatz auf Zubehör, welcher für Haustiere gilt. Darüber hätte man sprechen können. Oder man hätte über die Mehrwertsteuer auf Handwerksdienstleistungen sprechen können, die häufig zu Schwarzarbeit führen, weil die Leute das umgehen wollen.
(Alexander Delle, NPD: Das haben wir gefordert und Sie haben es abgelehnt! – Jürgen Gansel, NPD: 2006!)
All das steht in Ihrem Antrag nicht drin. Deshalb können wir das wirklich nur als untauglichen Versuch Ihrer nationalen Politik erkennen und lehnen es deutlich ab.
Meine Damen und Herren, es ist kein anderer Redner gemeldet. Ich frage die NPD-Fraktion, ob Sie im Rahmen der Redezeit sprechen oder das Schlusswort halten möchte. – Im Rahmen der Redezeit; Herr Gansel, bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Patt, vielleicht ist es im Jahr 2006 an Ihnen vorbeigegangen, dass wir den von meinem Kollegen Delle schon erwähnten Antrag eingebracht haben, die Mehrwertsteuer auf konsumnahe Dienstleistungen, was Handwerksleistungen ausdrücklich einbezieht, deutlich zu senken.
Den Antrag haben wir bereits 2006 eingebracht. Entweder hatten Sie eine Fehlzeit im Parlament oder Sie haben den Antrag nicht verstanden.
Meine Damen und Herren! Nach Überzeugung der NPD ist Steuerpolitik ein wichtiges Steuerungsinstrument, um breite Volksschichten mit Kaufkraft auszustatten und über diese Nachfragefunktion die heimische Wirtschaft zu stärken. Insofern sind wir von der NPD rechte Keynesianisten, weil wir mit einer Steuerpolitik für kleine und mittlere Einkommen statt für Großverdiener die Massenkaufkraft heben und soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftsförderung so in Einklang bringen wollen.
In diesem Haus haben wir schon unzählige Male auf die schweren sozialen Verwerfungen in der Bundesrepublik hingewiesen und eine radikale Kurskorrektur gefordert, um die Verarmung von immer mehr Deutschen und die Abwanderung unserer Arbeitsplätze ins Ausland zu stoppen. Die Fakten liegen doch auf dem Tisch.
Selbst der Armutsbericht der Bundesregierung zeichnet das Bild eines reichen Landes mit immer mehr armen Menschen. Danach gelten bereits heute 13 % der Deutschen als arm und weitere 13 % als armutsgefährdet. Das heißt nach Adam Ries, dass mittlerweile jeder vierte
Deutsche arm oder armutsgefährdet ist. Dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden, belegt überdies eine Studie des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung. Danach besitzen die reichsten 10 % der Bevölkerung zwei Drittel des gesamten Volksvermögens, während die unteren Einkommensschichten wenig bis gar nichts haben. Diese Wohlstandsspaltung ist die zwangsläufige Folge einer sozial ungerechten und überdies volkswirtschaftlich dummen Steuerpolitik, die mehr der Reichtumspflege einiger Weniger dient als der Massenkaufkraft zur Stärkung kleiner und mittlerer Betriebe.
Deshalb fordert die NPD ganz grundsätzlich Steuerentlastungen für kleine und mittlere Einkommensbezieher statt für Großverdiener und eine Steuerpolitik zugunsten kleiner und mittlerer Betriebe statt für internationale Konzerne.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass die schwarz-rote Bundesregierung mit ihrer unseligen Unternehmensteuerreform die internationalen Kapitalgesellschaften um glatte 5 Milliarden Euro entlastet hat, und das, obwohl gerade diese Konzerne in Deutschland gar keine Arbeitsplätze mehr schaffen, sondern nur noch Arbeitsplätze abbauen und die steuerlich weniger begünstigten kleinen und mittleren Betriebe unter einen enormen Konkurrenzdruck setzen.
Angesichts der größten Wirtschaftskrise seit Bestehen der Bundesrepublik muss die Steuerpolitik endlich zum Förder- und Ankurbelungsinstrument der heimischen Wirtschaft werden. Deshalb fordert die NPD die Staatsregierung hier und heute auf, eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel zu ergreifen, für deutsche Produkte und Dienstleistungen den Mehrwertsteuersatz bis Ende 2010 auf 7 % zu senken und die Mehrwertsteuer für inländisch produzierte Grundnahrungsmittel vorübergehend ganz auszusetzen.
Herr Patt ist bezeichnenderweise wieder nicht anwesend. Man versucht, dem Herrn Auskunft zu geben, und er hört nicht zu. Aber das ist sein parlamentarisches Verständnis.
Wir haben in unserem Antrag klargestellt, dass in den Genuss dieser Steuererleichterung all die Produkte und Dienstleistungen kommen sollen, deren Produktionswert sich zu mindestens 50 % aus inländischen Arbeitskosten zusammensetzt. Damit wären wir bei einem weiteren Aspekt der deutschen Wirtschaftskrise, der in der Debatte meistens unterschlagen wird, dem Verlust von Arbeitsplätzen durch eine immer größere Importdurchdringung.
Während die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal des letzten Jahres um einen halben Prozentpunkt schrumpfte, nahmen die Importe um 3,8 % zu. Im Konsumgüterbereich werden immer mehr inländische Produkte von Importgütern verdrängt. Deutschland importiert mittlerweile zu großen Teilen Güter, die es früher selbst exportierte, darunter auch solche der Informationstechnologie, Unterhaltungselektronik sowie hochwertige Auto- und Maschinenteile. Und bei dem, was Deutschland noch
exportiert, sinkt die Fertigungstiefe, weil immer mehr Vorprodukte aus dem Ausland kommen. Da der Importanteil der deutschen Exporte ständig steigt, werden auch die deutschen Exporterfolge übrigens mit dem Abbau inländischer Beschäftigung erkauft. Selbst der Ifo-Chef HansWerner Sinn bezeichnet dies als „Basarökonomie“ und meint damit eine Wirtschaft, der ihre inländische Wertschöpfungskompetenz zu verlieren droht und die auf dem Weg zu einer reinen Handelsagentur ist.
Der Verlust inländischer Industriekapazität, meine Damen und Herren, wird sich unter den obwaltenden wirtschaftspolitischen Verhältnissen weiter fortsetzen.
So geht der Spiegel-Autor Gabor Steingart in seinem überaus lesenwerten Buch mit dem Titel „Weltkrieg und Wohlstand“ davon aus, dass bis zum Jahr 2015 weitere zwei Millionen deutsche Industriearbeitsplätze verloren gehen und sich gleichzeitig die Importe aus den Ländern verdoppeln werden, in die die Produktion zuvor verlagert wurde. Dieser arbeitsplatzvernichtenden und ruinösen Globalwirtschaft setzt die NPD ihre Idee einer raumorientierten Volkswirtschaft entgegen, um Kaufkraft und Arbeit
im Land zu halten. Ein praktischer Schritt in diese Richtung ist die von uns vorgeschlagene Mehrwertsteuerreform. Ich bitte in diesem Sinne um Zustimmung zu unserem Antrag.