Protokoll der Sitzung vom 22.01.2009

In der Vergangenheit hatten wir bei der Heimaufsicht zu wenig Personal. Darüber haben wir hier schon diskutiert. Die Problemlösung hat schon Helma Orosz angegangen, wofür wir ihr dankbar sind. Christine Clauß hat diesen Weg fortgesetzt. Wir wollen an dem Punkt natürlich arbeiten. Deswegen finden Sie auch in dem Gesetzentwurf eine leichte Stellenaufstockung, die notwendig ist, damit die Heimaufsicht ordentlich funktioniert.

Herr Krauß, bitte zum Schluss kommen. Die Redezeit ist um.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch Transparenz wird der Qualitätswettbewerb verstärkt. Das ist der richtige Weg. Wir finden, dass dies die Altenheime fähig macht, ihre Arbeit deutlich zu verbessern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsministerin Christine Clauß)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort; Herr Gerlach, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute keinen negativen Anlass für das Pflegethema. Den Koalitions

fraktionen war es wichtig, das Thema auch einmal im positiven Kontext vorzustellen.

Mehr Transparenz in der Pflege ist eine wichtige Forderung aller, die sich mit Pflege in Deutschland beschäftigen. Im Juli 2008 trat die Pflegereform in Kraft und forderte von der Pflegeselbstverwaltung Folgendes: bundesweite Qualitätsstandards, jährliche unangemeldete Qualitätsprüfungen, transparente Prüfberichte und ein einheitliches und anschauliches Bewertungssystem.

Den Kern der Pflegereform, die Prüfvorschriften für alle zugelassenen Pflegeeinrichtungen bis 2011, hat mein Kollege Krauß bereits ausführlich dargestellt. Diese Vorschriften werden für die so oft geforderte Transparenz in der Pflege sorgen. Ich hoffe, dass nicht wieder „fleißige Helfer“ den Prozess so verkomplizieren, dass wir noch mehr Papier beschreiben müssen, als wir dies heute schon tun.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind in Deutschland. Deshalb sind auch schon die ersten Kritiker unterwegs. Die kritisieren die Kriterien und das Bewertungssystem. Da auch die Vertragspartner in der Pflege wissen, dass sie in Deutschland wohnen, haben sie sich darauf verständigt, diese Vereinbarungen mit den ersten Erfahrungen zu prüfen und gegebenenfalls zu verändern. Das begrüßen wir ausdrücklich. So kann auch dieses System weiterentwickelt werden, ohne dass ständig in den Grundstrukturen geändert werden muss.

Auch wenn sich einige Kritikpunkte als zutreffend herausstellen sollten, stellen die einheitlichen Heimbewertungen und deren Veröffentlichung einen Fortschritt dar; auch für die Betreiber und die Beschäftigten. Sie erreichen einen Abbau von Vorurteilen gegenüber dem ganzen Pflegesystem, und sie erreichen gute Chancen, ihre Einrichtungen den Bedürftigen positiv darzustellen. Auch darauf ist mein Kollege schon eingegangen.

Aus den Berichten des MDK Sachsen der letzten Jahre lässt sich mehr als nur ein positiver Trend ablesen. Auch wenn der neueste Bericht noch nicht vorliegt, hoffe ich doch, dass sich dieser Trend fortsetzt.

Die Koalition hat gestern das Heimgesetz auf den Weg gebracht. Das wurde bereits genannt. Auch hiervon erhoffen wir uns genau in diese Richtung positive Impulse.

Die Pflege der Zukunft erhält klare Anforderungen von denen, die das durch ihre Beiträge bezahlen. Das ist wichtig.

Wir von der politischen Ebene haben sicherzustellen, dass Qualität und Transparenz immer gewährleistet sind, ohne dass das Pflegepersonal nur noch die Aktenordner pflegt. Auf diesem Weg sind wir durch die Neuordnung der Pflegereform ein ganzes Stück weitergekommen; nicht mehr, aber – bitte schön! – auch nicht weniger.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Ich erteile der Linksfraktion das Wort; Herr Dr. Pellmann, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte, bevor ich zu einigen eher kritischen Fragen komme, mich zunächst – meine Vorredner haben das nicht getan, ich mache es ganz bewusst – bei den vielen tausend vor allem Frauen bedanken, die unsere älteren Menschen mit großer Aufopferung pflegen. Ich denke, das gehört hier deutlich ausgesprochen.

(Beifall bei der Linksfraktion und vereinzelt bei der NPD)

Allerdings, muss ich sagen, hat mich das Thema, das die Fraktionen hier als Aktuelle Debatte gestellt haben, doch etwas überrascht. Ich habe den Eindruck, dass Sie eine Art Torschlusspanik befallen hat. Denn wenn wir uns anschauen, was in den letzten viereinhalb Jahren von Ihrer Seite auf diesem Gebiet initiiert worden ist, dann ist das herzlich wenig. Wir haben – das will ich deutlich sagen – jetzt sozusagen im Schweinsgalopp am Ende der Legislaturperiode noch ein Gesetz zu verabschieden, auf das wir sehr lange gewartet haben.

Ich sage Ihnen auch, wir werden Ihnen im März – eine Aktuelle Debatte eignet sich dafür nämlich nicht –mit der Behandlung unserer Großen Anfrage noch einmal die Gelegenheit geben, sehr umfassend zum Thema zu sprechen. Wir haben sie bewusst nicht dieses Mal auf die Tagesordnung gesetzt, weil wir seriöserweise erst einmal dieses sehr umfangreiche Gesetz zu prüfen haben. Wir wollen uns hier keines schnellen Urteils bedienen.

Lassen Sie mich die Aktuelle Debatte nutzen, um auf wirkliche Probleme, die wir gemeinsam zu bewältigen haben, aufmerksam zu machen. Ich muss der Staatsregierung vorwerfen und insbesondere auch der Vorgängerin unserer heutigen Sozialministerin, dass sie vornehmlich Verantwortung dafür trägt, dass immer mehr Aufgaben gerade im Pflegebereich auf die Kommunen abgewälzt worden sind. Das wurde verschleiert unter dem Nebelvorhang sogenannter kommunaler Selbstverwaltung. Wer wünschte sich nicht kommunale Selbstverwaltung? Aber sie darf nicht zum Schein werden. Denn wir müssen in der Tat erheblich darauf achten, dass wir einheitliche Pflegeniveaustandards in ganz Sachsen haben und nicht nach Kassenlage der jeweiligen Kommune.

Ein Zweites, was ich deutlich machen muss: Wir fordern seit Langem, Herr Krauß und Herr Gerlach, ein Landespflegegesetz. Die Staatsregierung hat uns nunmehr mitgeteilt, ein Landespflegegesetz wolle sie nicht auf den Weg bringen.

Eines will ich sagen: Dazu gehört eben nicht nur die Situation und Kontrolle in Heimen. Dazu gehört auch nicht nur die Frage, ob wir etwa ein Investitionsprogramm haben. Ich merke hier einmal am Rande an: Es wäre durchaus zu überlegen, ob von dem großen Konjunkturprogramm vielleicht manches auch in Krankenhäuser und Pflegeheime zu investieren wäre.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

Aber ich sage Ihnen, wir haben einen umfassenden Pflegebereich zu betrachten. Es geht um Qualitätssituation und Qualitätskontrolle. Was da unter der Ägide von Frau Orosz hier abgelaufen ist, ist ein Skandal, Herr Krauß. Ich wollte Sie vorhin fragen. Es ist doch völlig klar: Unter Frau Orosz ist die Zahl der besetzten Planstellen in den drei Heimaufsichtsbehörden zurückgegangen und Sie sagen hier, sie hat etwas Gutes auf den Weg gebracht. Den Weg kann ich beim besten Willen nicht erkennen.

Ich meine, wir sollten deutlich machen, dass wir in einem Heimgesetz klarere Kriterien über Personalausstattung brauchen. Sie sind gegenwärtig vernebelt.

Eines will ich auch deutlich sagen: Wir sollten endlich dazu kommen, dass wir eine bestimmte staatliche Verantwortung für ambulante Pflege haben. Die haben Sie heute völlig ausgeblendet. Auch das, denke ich, reicht nicht aus.

Das Nächste: Ja, wir brauchen – Sie lehnen das ab – endlich eine Landesbedarfsplanung in der Pflege. Wir fordern das seit Jahren, und wir sind nicht die Einzigen, die das fordern. Wenn Sie dann sagen, es gebe ja genügend demografische Analysen – gestern wurde auch sehr verdienstvoll über eine berichtet –, entlastet das doch die Staatsregierung nicht davon, deutlich für Sachsen und insgesamt auszuweisen, wohin die Reise gehen muss. Dabei kann man die Analyse zur Grundlage nehmen, aber die Schlussfolgerungen müssen Sie bitte selbst ziehen.

In meinem zweiten Beitrag werde ich auf einige weitere Aspekte eingehen, aber insgesamt will ich jetzt schon sagen: Aktuelle Debatte schön und gut, es gibt genügend aktuelle Anlässe dafür; aber das, was bisher vorgetragen wurde, nämlich eine Nabelschau, brauchen wir in der Aktuellen Debatte nicht.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich erteile das Wort der Fraktion der NPD; Herr Dr. Müller, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Transparenz und Qualitätssicherung in der sächsischen Pflege“ lautet das Thema der Koalitionsfraktionen für diese Aktuelle Stunde. Die Christ- und Sozialdemokraten nutzten erwartungsgemäß dieses Podium, um vorrangig die Auswirkungen der Pflegereform und die bereits erreichten hohen Standards in der – ich sage das bewusst – Fremdpflege als Erfolg zur Verminderung des Pflegeproblems zu verkaufen, während DIE LINKE ebenso erwartungsgemäß eine Mängeldebatte betrieb. Die FDP sonderte bereits im Vorfeld dieser Debatte über diverse Tageszeitungen abstruse Vorwürfe insbesondere über Mängel in der stationären Pflege in Sachsens Heimen ab, die angeblich nur durch eine Aufstockung des Kontrollpersonals und unangemeldete Kontrollen beseitigt werden könnten. An eine Aufstockung des Fachpersonals in Pflegeeinrichtungen wurde dabei allerdings zuletzt gedacht.

Keiner hat allerdings bisher angesprochen, was die Ursache der Problematik an sich ist, nämlich die Erosion der traditionellen Strukturen unserer Gesellschaft. Beginnen wir hier zunächst einmal bei den Familien, und zwar in ihrer ursprünglichen, will heißen konservativen Definition. Früher spielte sich der Lebenskreis von der Geburt bis zum Tod in den meisten Fällen in der Familie ab. Es war normal, dass sich die Eltern um die Kinder in deren Kindheit und Jugend kümmerten, und ebenso war es normal, dass sich die Kinder um ihre Eltern in deren Alter sorgten. Normal war es auch, dass sich in die oft nicht einfache Aufgabe der Pflege und Betreuung der Seniorengeneration mehrere Kinder teilen konnten. Externe Hilfe und Betreuung waren die Ausnahme. Der Hausarzt betreute bedarfsweise medizinisch sowie pflegerisch beratend vor Ort und kannte meist alle Generationen im Haus.

Wo stehen wir jetzt? Nicht nur der Familienbegriff, der manche grotesken Definitionsversuche von dunkelrot bis grün ertragen musste, ist ramponiert, nein, auch die Familien selbst haben in dieser Gesellschaft immensen Schaden erlitten. Die Werteverlagerung vom Wir zum Ich, das propagierte „Ich lebe jetzt!“ und das damit verbundene „Jetzt auch alles (nur) für mich!“ haben nicht nur zu einer Individualisierung der Gesellschaft beigetragen, nein, sie führen geradezu zu deren Atomisierung, also zu einer Zerlegung der Gesellschaft in Einzelindividuen, die mehr oder minder feste bzw. lose, zeitlich befristete Bindungen eingehen, deren Stabilität zumeist dort endet, wo die Arbeit beginnt.

Außerhalb des gerade Genannten führt aber auch die völlig verkehrte Raumordnungspolitik dieses Staates – dabei meine ich die Bundesrepublik Deutschland im Allgemeinen und unseren Freistaat im Speziellen – zur Zerstörung der gewachsenen Strukturen. Wer nur auf Leuchttürme setzt und die Jugend durch die dort noch vorhandene soziokulturelle Infrastruktur in die verbliebenen urbanen Zentren lockt oder durch den Arbeitsmarkt zwingt, hinterlässt in weiten Teilen des Landes sterbende Strukturen. Dies bezieht sich dann aber nicht nur auf die kommunale und Verwaltungsinfrastruktur, wo die Herren und Damen Regierenden glauben, durch die eine oder andere sogenannte Reform Heilung erreichen zu können, sondern auch auf die tradierten familiären Strukturen, welche bisher sich selbst tragende Einheiten darstellten.

Um es zusammenzufassen: Nur durch den gesellschaftlichen Niedergang kommen wir überhaupt zu dem Dilemma im Pflegebereich, dessen Leistungen nun auch ambulant zunehmend von gegenüber den Betreuungsbedürftigen Fremden erbracht werden müssen. Nur dadurch ist die Pflege mehr oder minder zu einem Wirtschaftsbereich im Sozialen geworden. Wo die Familien nicht mehr funktionieren, soll und muss die Gesellschaft Ersatz liefern. Diese macht dies natürlicherweise nicht zum Nulltarif. Bei zunehmender Zahl Bedürftiger, aber auch bei ständig zunehmenden technischen pflegerischen Möglichkeiten wird auch der Bedarf an Finanzen stetig steigen. Diese sind aber nicht in unbegrenzter Höhe

beliebig verfügbar, zumal auch die Zahl der Beitrags- und Steuerzahler eher sinkt als steigt.

Also werden die Leistungserbringer bei fehlendem finanziellem Spielraum sparen. Und wo können sie das am ehesten? Am Personal, an dessen Qualifizierung und Weiterbildung und an der Zeit der Betreuung, die dann zuerst für manches wichtige liebe Wort am Pflegebett fehlt. Man möchte es denen, die diese Gesellschaft in diese Situation getrieben haben – wobei eigentlich Zwischenmenschliches zum Wirtschaftsgut verkommt –, noch nicht einmal wünschen, dass sie selbst in den Genuss dieser Früchte kommen müssen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile das Wort der Fraktion der FDP; Frau Schütz, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Pflege und Betreuung alter Menschen ist wohl eine der größten Herausforderungen unserer Gesellschaft nicht nur heute, nein, vor allem in nächster Zukunft. Immer weniger Familien haben selbst die Möglichkeit; ihre Angehörigen zu pflegen, sei es wegen beruflicher Verpflichtungen oder weil sie sich diese schwierige Aufgabe psychisch und physisch selbst nicht mehr zutrauen.

Viele Sachsen werden daher schon heute in stationären Pflegeeinrichtungen betreut. Die meisten dieser Einrichtungen sind erst in den letzten 15 Jahren errichtet worden, und sie sind optisch in einem guten Zustand und ermöglichen zumindest objektiv eine qualitativ gute Pflege.

Die Qualität in diesen Pflegeeinrichtungen hat jedoch vor allem etwas mit motiviertem Pflegepersonal zu tun. Hier ist die Staatsregierung gefragt, die Qualität der Betreuung nicht nur zu halten, sondern auch zu verbessern. Viele Pflegekräfte haben heute kaum noch Zeit, sich ausreichend mit den Bewohnern zu beschäftigen: windeln, waschen, Essen reichen – all dies im Akkord. Für ein persönliches Gespräch fehlt häufig die Zeit, aber gerade das ist für unsere älteren Menschen so wichtig. Überbordende Bürokratie und eine angespannte Personalsituation machen den Pflegekräften zu schaffen und wirken sich somit auch auf die Qualität der Betreuung aus. Ich persönlich erachte fünf Minuten Zeit für ein Gespräch als wichtiger als das Ausfüllen eines Lagerungsprotokolls, einer Getränkebilanz, eines Sturzprophylaxeprotokolls und, und, und.

Von Gesetzes wegen sind in Sachsen die Landesdirektionen verpflichtet, einmal im Jahr jede Pflegeeinrichtung hinsichtlich Betreuung und Versorgung der Bewohner, der Personalstärke sowie der baulichen und hygienischen Situation zu überprüfen. Die Realität sieht aber leider anders aus. Im Jahr 2006 wurden in Sachsen gerade einmal 142 Einrichtungen kontrolliert. Dies entspricht einem Anteil an der Gesamtzahl der Heime von 23 %. Im

Jahr 2007 hat sich diese Zahl sogar noch verringert. Es wurden nur noch 20 % aller Pflegeheime kontrolliert.

Wie war die Reaktion der Staatsregierung? Im Jahr 2008, also ein weiteres Jahr später, wurde eine Unternehmensberatung beauftragt, die Situation der Heimaufsicht in den Landesdirektionen zu untersuchen und Lösungen aufzuzeigen. Mein sofortiger und kostenloser Rat: Die Heimaufsicht benötigt mehr Mitarbeiter.

Im Pflege- und Weiterentwicklungsgesetz wurde im Mai 2008 vereinbart, dass die Ergebnisse der Qualitätsprüfung zukünftig für Laien verständlich veröffentlicht werden. Deshalb ist auch in dem gerade in 1. Lesung behandelten BeWoG, Betreuungs- und Wohnqualitätsgesetz, festgelegt, dass ab 1. Januar 2011 Berichte über die in stationären Pflegeinrichtungen durchgeführten Prüfungen veröffentlicht werden sollen. Dies wird ohne Zweifel zu einem Mehr an Transparenz in der Pflege führen. Aber wenn die Pflegeeinrichtungen gar nicht überprüft werden, kann nun einmal auch kein Pflegebericht überprüft, geschweige denn in den Einrichtungen ausgehängt werden.