Dietmar Pellmann
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal: Im Unterschied zu manchem anderen Tag war es doch eine sehr aufgeregte Debatte am Nachmittag. Es ist doch erst einmal schön, dass man sich nicht nur gegenseitig seine Manuskripte vorliest, sondern zur Sache kommt. Frau Hermenau, Sie haben sich hier besonders ins Zeug gelegt, auch das sind wir von Ihnen gewöhnt,
und das schätze ich an Ihnen, dass Sie für Ihre Sache streiten. Nur, Ihre Sache haben Sie nicht definiert, das ist das Problem.
Sie haben mit einem schwungvollen Holzhammer auf die Linken draufgedroschen, weil Sie meinten, dass wir das, was Sie in den letzten Jahren mit zuwege gebracht haben, vergessen hätten. Dass wir überhaupt über einen Mindestlohn reden müssen, dass wir über Hartz IV – was wirklich weg muss – reden müssen, Frau Hermenau, das werde ich Ihnen nicht ersparen. Dafür sind Sie mitverantwortlich, ob Sie das wollen oder nicht.
Sie stellen sich hin und versuchen, das eine gegen das andere aufzuwiegen. Sie meinen, wir merken nicht, dass Sie selbst keine Vorschläge haben.
Ich werde Ihnen sagen, warum das so ist – das ist Ihr ganzer Ärger im Wahlkampf –: Sie werden eigentlich gar nicht gebraucht, weder so richtig in der Opposition noch in der Regierung, obwohl Sie sich vielleicht anbiedern. Das ist Ihre gesamte Aufgeregtheit, die Sie hier zur Schau stellen.
Frau Herrmann, Sie haben schon Hartz IV abgeschworen, insofern sind Sie auf dem Weg der Besserung. Sie müssen sich doch gar nicht so echauffieren. Vielleicht sind Sie bereit, mit mir gemeinsam zur Kenntnis zu nehmen – Sie hatten über den Arbeitsmarkt gesprochen –, dass es, ob wir das wollen oder nicht – – Die OECD hat erst letztlich in Studien darauf hingewiesen, dass wir eine Arbeitslosigkeit in gewaltiger Dimension erleben werden. Das sollten wir den Wählerinnen und Wählern heute sagen, anstatt uns darüber zu freuen und große Sterne in den Himmel zu malen, dass die Menschen plötzlich angeblich mehr konsumieren. Warum konsumieren sie denn mehr? Ich sage Ihnen warum, weil sie nämlich kein Vertrauen mehr zum Sparen haben. Deswegen kaufen sie lieber etwas, als ihr Geld in einem System anzulegen, das nicht sicher ist. Das ist doch der Grund.
Noch eine Anmerkung, weil auch das zu den sozialen Auswirkungen gehört und heute wieder eine große Rolle, insbesondere bei Herrn Krauß von der CDU, gespielt hat, und zwar zur Generationsgerechtigkeit bzw. Generationsungerechtigkeit.
Ich sage Ihnen Folgendes: Natürlich gönne ich den Rentnerinnen und Rentnern die geringfügige Steigerung. Sie haben schließlich vorher 10 bis 12 % Rentenverlust in Kauf nehmen müssen. Aber ich sage im Unterschied zu anderen, die das als großes Geschenk abfeiern: Wir werden in den nächsten Jahren eine Nullrunde nach der anderen erleben.
Wer glaubt, dass wir nicht auf eine gewaltige Inflation zusteuern, der irrt. Wir wissen natürlich, wer im Endeffekt – das zeigt die Geschichte – die Zeche für die Inflation bezahlen wird. Die anderen, die wir gern zur Kasse bitten wollen, werden es nicht tun. Das ist völlig klar. Selbst wenn sich ihr Vermögen etwas reduziert, werden sie noch lange nicht zum Sozialamt gehen müssen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben mit diesen 500 Euro Regelsatz eine Forderung aufgestellt, die armutsfest wäre, einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung. Wir bleiben bei unserem Grundsatz, dass Hartz IV weg muss, weil es gescheitert ist. Aber was nützt uns diese reine Lehre? Wir müssen, bis wir dort angekommen sind und es auch der Letzte bei der CDU eingesehen hat – die GRÜNEN sind schon auf dem Weg dahin – es doch wenigstens versuchen, die Dinge so zu regeln, dass die Menschen nicht immer weiter in Armut geraten. Das ist doch der Ansatz.
Das Gleiche gilt für die 10 Euro Mindestlohn. Es ist ausgerechnet worden. Frau Hermenau, Sie sind im Saal sowieso die beste Rechnerin, rechnen Sie es nach. Dann werden Sie darauf kommen, dass langfristig nur ein Mindestlohn von 10 Euro in einer 35-Stunden-Woche ein Einkommen über der Armutsgrenze garantiert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin überrascht und gleichzeitig stolz darauf: Herr Krauß verfolgt den Parteitag der Linken. Herr Krauß, da können Sie noch etwas lernen. Das ist nicht schlecht. Aber dann hätten Sie auch lesen müssen, dass wir diese Forderungen in einem längeren Prozess durchsetzen wollen. Wenn es uns gelingt, zunächst nur 7,50 Euro gemeinsam mit der SPD, den Gewerkschaften und von mir aus seit heute auch mit den GRÜNEN durchzusetzen – –
Lesen ist die erste Bürgerpflicht! – Dort steht, dass wir es in einem längeren Prozess durchsetzen wollen. Ein längerer Prozess heißt, es kann darin auch Stufen geben. Wenn wir uns gemeinsam für eine erste Stufe entscheiden, dient es den Menschen, und es ist besser als nichts. Mittelfristig wollen wir selbstverständlich die 10 Euro Mindestlohn anstreben.
Ich weiß, Sie werden demnächst auch bei uns sein. Anders geht es gar nicht.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist für mich doch etwas überraschend, dass die Koalitionsfraktionen dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt haben. Sie springen sozusagen auf den bereits in Gang befindlichen Zug auf – man könnte sagen: lieber jetzt als überhaupt nicht.
Allerdings, verehrte Damen und Herren der Koalition, gibt mir das heutige Thema – auch anknüpfend an unsere gestrige Debatte – Gelegenheit, noch einmal im Zusammenhang auf den Dissens, den wir mit der Staatsregierung und damit auch mit der Koalition haben, thesenhaft einzugehen. Ich sage allerdings: Nach dem, was Sie bisher vorgetragen haben, hätten Sie das Thema ändern und sich auf Rente beziehen müssen. Für uns ist Altersarmut mehr als nur Rentenproblematik.
Erstens. Für uns ist Altersarmut – ich greife eine Debatte von gestern auf – nicht allein vom Einkommen abhängig. Aber das Einkommen ist in dieser Gesellschaft das Entscheidende; deshalb ist es für uns das maßgebliche Kriterium.
Zweitens. Soziale Leistungen in unserer Gesellschaft – auch Altersgrundsicherungen und ergänzende Leistungen – verhindern Armut nicht, wie die Staatsregierung behauptet; sie verschleiern sie nicht einmal.
Drittens. Wenn die Staatsregierung nicht bereit ist, die gegenwärtig gültigen Regelsätze anzuheben, weil sie diese für ausreichend hält, dann setzen wir dem entgegen, dass genau das eine Verfestigung von Altersarmut ist – ob Sie wollen oder nicht, es bleibt eine Tatsache.
Viertens. Es gebe – auch darüber haben wir gestern diskutiert; in der Zusammenfassung muss ich es allerdings noch einmal deutlich machen –, so wird behauptet, keine wesentlichen Unterschiede mehr zwischen den Lebensverhältnissen älterer Menschen in Ost und West. Ja, ich füge hinzu: Mindestens 20 % der gesamten Alterseinkünfte liegen im Osten unter denen im Westen; wir haben gestern ausführlich darüber diskutiert.
Fünftens. Die Staatsregierung mit ihrer Politik trägt selbst mit Verantwortung für Altersarmut und insbesondere für den Anstieg von Altersarmut, den wir leider zu erwarten haben. Wenn immer wieder von diesem Pult aus gepriesen wird, wir sind das Land – und das sei ein Vorteil – der Minijobs und des Niedriglohnes und das ein Standortvorteil sei, dann müssen wir uns nicht wundern, meine Damen und Herren, wenn genau das – nicht nur jetzt, sondern auch später, wenn die Menschen im Rentenalter und auf Rente angewiesen sind – regelrecht in die Altersarmut hineinführt. Hier trägt diese Staatsregierung eine Mitverantwortung, ob Sie es wollen oder nicht.
Sechstens. Der Herr Ministerpräsident hat erst vor einiger Zeit im Zusammenhang mit unserer – und beileibe nicht nur unserer – Forderung nach Angleichung des aktuellen Rentenwertes-Ost an den aktuellen Rentenwert West dazu gemahnt, man möge sich Zeit lassen. Ich frage Sie: Wie lange wollen wir uns denn noch Zeit lassen nach 20 Jahren, um endlich Gerechtigkeit walten zu lassen?! Das ist die Frage, die hier steht. Insofern vertritt der Ministerpräsident mit seiner eher abwartenden, zögerlichen Haltung eben nicht die Interessen der älteren Menschen im Lande.
Siebentens. Ja, die Staatsregierung meint, sie hätte keine unmittelbare Verantwortung für das Ansteigen von Altersarmut. Wir sind der Auffassung, die Staatsregierung muss sich in einem Land, das als Erstes von ansteigender Altersarmut in Deutschland betroffen sein wird, an die Spitze von Initiativen stellen, um ein Konzept zu entwickeln und es auch umzusetzen.
Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich werde im Verlauf der Debatte – nicht, dass Sie sagen, wir kritisieren nur die Staatsregierung – noch einmal unsere
alternativen Positionen darstellen. Herr Gerlach, ich sage es jetzt schon: Das sind keine Hirngespinste oder Wunschträume. Wenn wir nicht gründlich und endlich im politischen Kurs umsteuern, dann werden wir in Größenordnungen in Altersarmut hineinkommen, wie wir uns das bislang möglicherweise nicht vorstellen konnten.
Ich sage voraus: Wenn es keine politische Kursänderung gibt, dann werden wir 2020 in Sachsen 30 % der über 65-Jährigen in Altersarmut haben.
Schönen Dank, Herr Gerlach. – Ich könnte zunächst mit meiner ersten Frage zugleich Erklärungen liefern. Aber ich stelle selbstverständlich eine Frage.
Herr Gerlach, können Sie sich erinnern, dass ich gesagt habe, dass die Alterseinkünfte im Osten durchschnittlich bei 80 % der Alterseinkünfte im Westen liegen? Das hatte ich gesagt. Können Sie sich daran erinnern, dass ich das gesagt habe?
Die zweite Sache, die ich fragen wollte: Herr Gerlach, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, was die Position zur Angleichung der Rentenwerte betrifft, die Sie hier darstellen, dass Sie dann nicht in Übereinstimmung sind mit den Gewerkschaften und mit allen relevanten Sozialverbänden, die nämlich eine überschaubare Frist für die Rentenangleichung – da gibt es auch verschiedene Modelle – wollen?
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte angekündigt, zu unseren Alternativpositionen noch einmal zusammenfassend Stellung zu nehmen.
Das Prinzip „Altersarmut bekämpfen“ heißt für die Linksfraktion erstens – auch wenn Ihnen, Herr Gerlach, dies nicht gefällt – Rücknahme aller Dämpfungsfaktoren, die vornehmlich unter der Schröder-Regierung seit 2001 eingeführt worden sind und die Rentenformel faktisch außer Kraft gesetzt haben. Es handelt sich dabei nicht, wie Sie sagen, um eine Stabilisierung, sondern es handelt sich schlicht und ergreifend um reale Rentenkürzungen, die damit bewirkt wurden; denn in den letzten sechs Jahren ist das reale Rentenniveau in Ostdeutschland um 10 % gesunken.
Und noch etwas das will ich Ihnen sagen: Das, was Sie an Rentensteigerungen ab 1. Juli 2009 beschlossen haben, ist gut. Aber wenn Sie auch beschlossen hätten, dass das Ganze nicht wieder durch eine Fülle von Nullrunden, die wir künftig zu erwarten haben, aufgefressen wird, wäre ich zufrieden, vorher nicht.
Zweitens. Wir wollen schrittweise eine Erwerbstätigenversicherung einführen, in die alle einzahlen, verbunden – auch das sage ich – mit einer schrittweisen Aufhebung der
Beitragsbemessungsgrenze, aber mit einer Deckelung der späteren Rente nach oben hin.
Drittens, Rückkehr zum Renteneintrittsalter 65. Das ist eine Mindestforderung.
Viertens – darüber haben wir lange diskutiert, Frau Schütz – Angleichung des aktuellen Rentenwertes. Wir meinen, Herr Gerlach, das ist bis 2012 möglich. Dabei sage ich, weil das bislang hier keine Rolle gespielt hat: Natürlich müssen die 5 Milliarden Euro aus Steuermitteln finanziert werden. Wir reden hier an anderer Stelle über ganz andere Summen, also muss das auch möglich sein.
Fünftens, Überwindung der Benachteiligung von Frauen. All das haben wir hier gefordert. Ich will Sie nur an den Soziallastenausgleich erinnern, den wir für in der DDR Geschiedene haben wollen. Sie haben gesagt, das sei schlimm. Aber ich erwarte, nachdem Sie unseren Vorschlag abgelehnt haben, von Ihnen einen Vorschlag. Alles andere bringt uns nicht weiter.
Von Belang ist auch, dass wir endlich für alle Kinder Erziehungszeiten von drei Jahren für die spätere Rente anrechnen müssen, nicht nur für die Kinder, die unter BRD-Verhältnissen nach 1992 geboren worden sind.
Sechstens, höhere Einzahlbeträge in die Rentenkasse für Hartz-IV-Betroffene. Ansonsten heißt die Formel in Abwandlung: Hartz IV ist nicht nur Armut per Gesetz, sondern Hartz IV ist auch programmierte Altersarmut per Gesetz. Das muss sich ändern.
Siebentens. Ja, wir brauchen eine Mindestsicherung für alle Bedürftigen. Ich weiß, dass ich mich da von manchen anderen Positionen in meiner Partei unterscheide. Für mich geht es um eine bedarfsorientierte Mindestsicherung. Diese könnte nach Adam Ries gegenwärtig bei etwa 800 Euro im Monat liegen.
Achtens. Schließlich brauchen wir einen flächendeckenden Mindestlohn, der armutsfest sein muss. Das ist übrigens das, Herr Krauß, was die Rentenkassen hauptsächlich mit stabilisieren würde.
Ich füge hinzu: Dieser Mindestlohn muss bei 10 Euro pro Stunde in einer 30-Stunden-Woche liegen. Alles andere ist nicht armutsfest.
Aber wir halten das, was die Gewerkschaften und auch die SPD heute wieder gefordert haben, für einen allerersten richtigen Schritt. Dabei dürfen wir jedoch nicht stehen bleiben.
In diesem Sinne, meine Damen und Herren: Wir haben noch sehr viel zu tun, aber es ist nicht hoffnungslos. Wer Altersarmut verhindern will, muss einen Politikwechsel mit herbeiführen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Große Anfragen sollten eigentlich ein Highlight in der Parlamentsdebatte sein. Möglicherweise wird sich der Saal dann auch noch etwas füllen. Aber wir sind im Augenblick, zumindest was die Anwesenheit zu diesem Thema betrifft – das betrifft alle Fraktionen, auch meine –, noch ein ganzes Stück von dieser Highlightfunktion entfernt.
Ich habe das auch sehr selbstkritisch gesagt, Herr Kollege.
Wir haben, meine Damen und Herren – das merke ich auch an diesem Parlament in den letzten Tagen –, eine bestimmte Endzeitstimmung in dieser Legislaturperiode.
Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir Sie heute erneut mit einer wichtigen sozialpolitischen Thematik konfrontieren. Ich darf daran erinnern, dass wir in den letzten fünf Jahren zu wesentlichen Themenkomplexen Große Anfragen gestellt und hier auch sehr instruktiv und logischerweise auch kontrovers debattiert haben. Ich darf Sie an Große Anfragen zur sogenannten Gesundheitsreform und zu ihren Auswirkungen auf Sachsen erinnern. Ich darf Sie erinnern an von uns gestellte Große Anfragen zur Situation behinderter Menschen, zur Kinderarmut, zur Drogenproblematik und nicht zuletzt zur Pflegesituation in Sachsen.
Natürlich haben solche Großen Anfragen und insbesondere die Antworten der Staatsregierung den Charme, dass man neues Wissen erlangen kann. Da bin ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sozialministeriums für eine Reihe von Antworten – beileibe nicht für alle –
dankbar. Aber solche Großen Anfragen haben auch den Charme, dass man die Staatsregierung in die Pflicht nimmt – und dies insbesondere aus der Oppositionsrolle heraus –, über die Situation in einem bestimmten Bereich Bericht zu erstatten, ja Schlussfolgerungen zu ziehen und politische Handlungsfelder zu formulieren.
Ich möchte davon ausgehen, dass die Antworten seit über 2 1/2 Monaten vorliegen, dass es insbesondere zur Problematik Altersarmut in den letzten Wochen und Monaten eine Reihe von Debatten sowohl im Bereich der Wissenschaft als auch über die Medien gegeben hat, dass Sie also Gelegenheit hatten, die Antworten, die uns gegeben worden sind, zu studieren, sodass ich nicht alle Antworten einer kritischen Kommentierung unterziehen werde. Dafür haben Sie sicherlich Verständnis. Ich möchte lediglich vier Problemkreise herausgreifen und schon ankündigen, dass mein Kollege Horst Wehner dies in der nächsten Runde fortsetzen wird.
Zum ersten Problemkreis, zur Bevölkerungsentwicklung, insbesondere zur Altersstruktur in Sachsen: Für jemanden, der die Statistik verfolgt, war nicht alles, was uns geantwortet worden ist, neu, aber es ist zumindest anmerkenswert, dass Sachsen gemeinsam mit Sachsen-Anhalt nach wie vor das Bundesland mit dem höchsten Altersdurchschnitt der Bevölkerung in Gesamtdeutschland ist. Dieser Altersdurchschnitt hat sich – auch das sei hier angemerkt und ist wahrlich kein Ruhmesblatt für den Freistaat – in den letzten 20 Jahren um sechs Jahre erhöht. Diese Steigerung ist fast doppelt so hoch wie im gesamten Bundesgebiet. Dass das natürlich in erster Linie der geringeren Geburtenrate und vor allem auch der hohen Abwanderung geschuldet ist, wissen wir, aber wir wissen eben auch, dass in 15 Jahren 30 % unserer Bevölkerung älter als 65 Jahre, 36 % älter als 60 und fast 10 % älter als 80 Jahre sein werden. Ich könnte die Zahlenreihe fortsetzen und detaillierter darstellen. Das will ich mir aber ersparen. Ich möchte aber daraus schlussfolgern, dass wir insgesamt leider davon ausgehen müssen, dass wir uns
den damit verbundenen Herausforderungen – es gibt auch Chancen, von denen rede ich jetzt aber nicht – im Freistaat noch nicht ausreichend gestellt haben. Es wartet also Wesentliches auf uns, wenn wir uns auf die zunehmende Alterung in unserer Gesellschaft einstellen müssen.
Viel zu wenig, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird in diesem Zusammenhang gegenwärtig über Chancen geredet. Wenn ich hier insbesondere die Staatsregierung und die Koalitionsfraktionen anspreche, dann geschieht das deshalb, weil wir beispielsweise – die Debatten hatten wir hier – aus meiner Sicht nach wie vor wesentliche Defizite dabei haben, uns auf den zu erwartenden höheren Pflegebedarf einzustellen. Hier sind in der letzten Zeit eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen worden, die uns aber, wie Sie wissen, keinesfalls zufriedenstellen können.
Ich möchte Ihnen noch etwas – fast am Ende der Legislaturperiode – ins Stammbuch schreiben. Wir reden immer wieder und zu Recht über die Rahmenbedingungen für das bürgerschaftliche Engagement vor allem älterer Menschen, die verbessert und gestaltet werden sollen. Dass Sie hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, vor nun mehr als zwei Jahren unser Seniorenmitwirkungsgesetz abgelehnt haben, das genau diese Rahmenbedingungen verbessert hätte, kann ich aufgrund der Konstellation, wie sie hier im Haus herrscht, verstehen, aber dass Sie nicht in der Lage waren, ein eigenes Gesetz in dieser Richtung zustandezubringen, das nehme ich Ihnen übel.
Die zweite Problematik, die ich kurz ansprechen möchte, betrifft die Alterseinkünfte.
Wir lesen es jeden Tag in der Zeitung mit den großen Buchstaben, und natürlich wissen wir es auch: Die gesetzlichen Renten sind im Osten im Durchschnitt höher als im Westen. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird oft – und das ist das Problem – als das alleinige, entscheidende und ausschließliche Problem dargestellt. Ich denke, das geht so nicht.
Das Einzige, woran man einen Ost-West-Vergleich – und die Staatsregierung versucht das auch in den Antworten – festmachen kann, sind die gesamten Alterseinkünfte. Nur das ist entscheidend. Aber hier haben wir auch vor dem Hintergrund der verschiedenen Rentendebatten, die gegenwärtig geführt werden, nach wie vor im Osten einen Rückstand gegenüber den westdeutschen Bundesländern von etwa 20 %.
Ach, Herr Schowtka, stellen Sie eine Zwischenfrage, dann geht es nicht von meiner Redezeit ab, wenn ich Ihnen antworte.
Was sind die Gründe dafür? Ich will sie noch einmal zusammenfassen.
Wir haben im Osten kaum Pensionsberechtigte. Das hat Ursachen, die kennen wir. Wir wissen aber auch, dass Pensionsbezüge monatlich im Durchschnitt doppelt so hoch wie die Zahlungen aus der gesetzlichen Rente sind.
Wir haben hier kaum Betriebsrenten. Aber Betriebsrenten werden bekanntlich neben den gesetzlichen Renten zusätzlich gewährt.
Es gibt im Osten Deutschlands bei älteren Menschen wesentlich weniger Gewinne aus Kapital und Spareinlagen. Auch dazu gibt es entsprechende Zahlen.
Wir haben vor allem – und Sie preisen das zu Recht immer als eine besondere Form der Altersvorsorge an – eine wesentlich niedrigere Quote der über 65-Jährigen bei Wohneigentum. Das Wohneigentum der über 65-Jährigen liegt in Sachsen – hören Sie sich das an! – am niedrigsten in allen Flächenländern. Es ist nur halb so hoch wie der Bundesdurchschnitt.
(Alexander Krauß, CDU: Weil es zu den DDR- Zeiten nicht gewollt war, das ist doch bekannt! – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Wir haben 20 Jahre Bundesrepublik!)
Herr Krauß, wenn Sie über die DDR reden, ist es immer ganz eigenartig. Sie kennen sie doch eigentlich nur aus dem Geschichtsbuch. Halten Sie sich doch da wirklich mal raus.
Herr Krauß, halten Sie sich da raus und lassen Sie Erwachsene über das Thema reden.
Wir haben – damit komme ich zu meinem Ausgangspunkt zurück – nach wie vor wesentliche Unterschiede in den Lebensverhältnissen. Ob Sie es wollen oder nicht, aber diese Unterschiede sind in den letzten Jahren aufgrund der gegenwärtigen Politik – darauf werden wir morgen eingehen, das kündige ich hier schon einmal an – wieder gewachsen. Wenn es mit der Politik, wie sie im Augenblick gemacht wird, so weitergeht, werden Sie weiter wachsen. Das kann nicht in unserem Sinne sein.
Drittens. Die Staatsregierung verstrickt sich in ihren Antworten in Widersprüche, wenn es das Problem Altersarmut betrifft. Auf der einen Seite muss sie inzwischen – das war vor zehn Jahren noch anders – die seit 2001 in der EU gültigen Armutskriterien anerkennen. Danach – ich rufe das in Erinnerung – gilt jeder als arm, der weniger als 60 % des durchschnittlichen Einkommens in einem EULand hat. Dabei kommt auch die Staatsregierung zu der Erkenntnis – allerdings bezieht sie sich auf Daten aus der Mitte des gegenwärtigen Jahrzehnts –, dass danach in Sachsen ab der Altersstufe der über 65-Jährigen 18 % arm wären. Wenn man das fortsetzt – ich könnte das ausführlich begründen –, kann man sagen: Gegenwärtig ist ein
Fünftel der sächsischen Rentnerinnen und Rentner über 65 Jahre objektiv arm.
(Alexander Krauß, CDU: Wie war es zu DDR-Zeiten? Können Sie dazu etwas sagen? – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Wenn Sie es in der Schule nicht gelernt haben, dann nicht!)
Ich hatte doch schon versucht, es Ihnen deutlich zu machen.
Und dann – das ist der Widerspruch – sind Sie der Auffassung, dass die gewährte Altersgrundsicherung oder weitere soziale Leistungen Armut verhindern würden? Herr Krauß, Sie müssen mir ja nicht glauben. Gehen Sie zu den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrt in Sachsen. Gehen Sie zu den Ihnen näherstehenden Diakonien und zur Caritas und lesen Sie deren Wohlfahrtsbericht 2008. Da ist eine der Hauptkritiken, dass genau diese althergebrachte Einschätzung der Staatsregierung nichts, aber auch gar nichts mit der Realität zu tun hat.
Wer solche Leistungen erhält, gilt als arm, ob Sie wollen oder nicht. Das müssen wir deutlich sagen. Aber Sie haben ja dankenswerterweise – darauf kann ich Sie jetzt schon einstellen – morgen eine Aktuelle Debatte beantragt, zu besserer „Sendezeit“, da werden wir Ihnen das alles noch einmal um die Ohren hauen.
Viertens – zur Perspektive. Eine Reihe von Fragen und Aspekten sieht die Staatsregierung doch recht nebulös. Sie meint zum Beispiel, dass man bestenfalls in Zukunft mit Altersarmut rechnen müsse. Auch das ist bereits ein Fortschritt. Noch vor zehn Jahren kannten Sie dieses Wort höchstens aus den Geschichtsbüchern. Aber unser beharrliches Ringen um Weisheit in Ihre Köpfe hinterlässt langsam positive Spuren, dafür bin ich Ihnen sehr dankbar.
Allerdings ist vieles, was Sie dann an Handlungsempfehlungen ableiten, inkonsequent. Ja, Sie sagen, Altersarmut – Armut schlechthin – könne man von Sachsen aus gar nicht bekämpfen, das sei doch Angelegenheit des Bundes. – Natürlich ist es in der Hauptsache Angelegenheit des Bundes; aber wollen Sie sich hier hinstellen und behaupten, dass Sie allein vom Wohl und Wehe des Bundes abhängen und die eigenen Hausaufgaben unzureichend machen? Deshalb bedaure ich es außerordentlich, wenn Sie auf die Frage, ob die Staatsregierung über ein Konzept zur Bekämpfung von Altersarmut verfüge, antworten: Nein, darüber wird noch diskutiert. Ich sage Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, so geht das nicht.
So geht es nicht! Wenn Sie schon zu der Zeit auf unsere Warnsignale reagiert hätten, dass nicht nur Altersarmut droht, sondern dass sie bereits zu Teilen vorhanden ist, dann hätten Sie schon lange – von mir aus gemeinsam mit der Bundesregierung – ein Konzept erarbeiten können;
und da Altersarmut in Sachsen wahrscheinlich stärker steigen wird als in den anderen Bundesländern, ist die Sächsische Staatsregierung – welche auch immer das künftig sein wird – besonders herausgefordert, hier bundesweit initiativ zu werden. Denn unsere älteren Menschen in Sachsen – und wir steuern ja insgesamt auch langsam darauf hin – wird es eher als in anderen Bundesländern betreffen, und dieser Aufgabe muss man sich stellen. Die Staatsregierung ist allerdings noch sehr weit davon entfernt. Trotzdem nochmals Dank für das Bemühen, die Fragen zu beantworten.
Ich will Ihnen allerdings noch ankündigen: Wir werden in der nächsten Legislaturperiode – dies als „Warnung“, darauf kann man sich schon vorbereiten; ganz egal, wer dann die Staatsregierung stellt – auf jeden Fall einen wissenschaftlich untersetzten Lebenslagenreport älterer Menschen für Sachsen fordern, da das, was bis jetzt vorliegt, gut und schön ist, aber nicht ausreicht, um eine wirklich gründliche Analyse vorzulegen, und es ist auch kein Ersatz für den uns angekündigten und noch ausstehenden aktuellen Seniorenreport. Ich frage mich: Wenn er überhaupt in dieser Legislaturperiode noch kommt, wann will ihn der Landtag in dieser Legislatur noch diskutieren? So geht das auch nicht.
Frau Herrmann, vielen Dank, aber glauben Sie wirklich, dass, wenn wir danach fragen, was von den Vorstellungen, die Sie hier unterbreitet haben, die Menschen erreicht, uns die Staatsregierung dann eine Antwort geben könnte? Meinen Sie nicht auch wie ich, dass es an der Zeit ist, um dem, was Sie wollen, gerecht zu werden, dass wir dort wirklich einen wissenschaftlich untersetzten Lebenslagenreport brauchen, mit dem man dann auch solche Dinge, die Sie gerne hätten, erfragen könnte und untersuchen kann?
Ja, Frau Präsidentin. – Herr Dr. Jähnichen, wir machen solche Entschließungsanträge nicht zu unserem gemeinsamen Vergnügen, sondern alles, was hier geschieht, sollte in unser aller Interesse eine bestimmte Außenwirkung in Bezug auf die Wirksamkeit des Sächsischen Landtages in der Öffentlichkeit haben. Deswegen ist es bisher guter
Brauch in diesem Hause gewesen – es kann natürlich sein, dass Sie das jetzt ändern wollen –, dass man zunächst einmal in einem ersten Punkt die Fakten feststellt, die durchaus nicht unbekannt sind, um deutlich zu machen, ja, das ist die Situation, in einem zweiten Punkt – auch das ist durchaus üblich, wir schreiben nicht den ersten Antrag dieser Art – ist es sinnvoll, deutlich hervorzuheben: Das sind unsere Vorstellungen, wie wir sie der Staatsregierung konkret in Auftrag geben möchten. Dazu kann man sicher unterschiedlicher Meinung sein. Aber ich möchte Sie nicht zu weit belasten, sodass ich heute ausnahmsweise nicht für Einzelabstimmung plädiere. Das könnte die Sache erleichtern, da ich ja weiß, wie Sie abstimmen. Es wäre bestenfalls eine sportliche Übung. Diese will ich Ihnen ersparen.
Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Es ist wirklich manchmal gut, man hört sich erst die Standpunkte der Staatsregierung an. Das kann doch zu mehr Klarheit führen und erleichtert dann die Reaktion.
Ich möchte mich zunächst auch namens meiner Fraktion für die Debatte bedanken. Wir führen bekanntermaßen nicht zum ersten Mal solche Diskussionen. Das ist in der Tat wahr. Aber solche Debatten sind, wenn es um Problemlösungsansätze und Problemlösungsnotwendigkeiten geht, in jedem Fall nicht sinnlos.
Ich möchte auch anmerken, was in Krisensituationen notwendig ist. Unser Gesundheitsstruktursystem ist in einer Krise, davon gehe ich fest aus. Das hat erst einmal noch nichts mit einer Krise der Versorgung schlechthin zu tun, sondern wir haben eine Strukturkrise und nach wie vor auch einen Reformstau. Aber genau in solchen Situationen ist manchmal vielleicht auch etwas mehr Gelassenheit angezeigt und vor allem angezeigt, dass man nicht zu rasch zu Schnellschüssen neigt.
Denn an einem kranken alle Reförmchen und Reformen der letzten 30 Jahre im Gesundheitssektor der Bundesrepublik: Man war nie bereit – gleich unter welcher Regierung –, wirklich die Wurzeln im Gesundheitssystem mal anzuschauen, geschweige denn anzufassen. Das ist das Problem und das sind die Ursachen. Da werden wir, wenn das so weitergeht, in drei, vier, fünf Jahren das Gleiche – wenn auch möglicherweise mit anderen Details – erleben.
Genau deswegen, denke ich, geht es um mittelfristige Überlegungen. Frau Herrmann, Frau Schwarz und ich, wir sind uns sicher einig: Wir brauchen eine Bürgerversicherung, ganz gleich, wie wir sie nennen. Wir brauchen aus meiner Sicht auch eine Einheitskasse, ob Sie das wollen oder nicht.
Es ist doch in der Demokratie gut und richtig, da können sich Wähler entscheiden, wofür sie sind, wenn man nicht um den heißen Brei herumredet.
Man kann sich als Wähler entscheiden, ob man für ein solches System oder für das antiquierte System, das Sie fordern, ist. Das ist die Entscheidungsfrage, vor der man stehen kann.
Das Gleiche gilt für die Kassenärztlichen Vereinigungen. Da stimme ich Prof. Lauterbach zu. Wenn es eben nicht möglich ist, dass diese Institution, die im Übrigen auch erheblich historisch belastet ist – das nur am Rande –, in der Lage ist, den Sicherstellungsauftrag ordnungsgemäß zu erfüllen, dann muss man über ihre Existenz nachdenken. Das ist doch das Normalste der Welt. Es hat doch niemand Existenzberechtigung wie ein ehernes Gesetz.
Insofern muss man prüfen – das fordern wir auch –, was mit der Kassenärztlichen Vereinigung wird. Ist sie die Institution, die wirklich Interessen von Ärzten vertritt, oder ist sie das nicht? Wir wissen ja, dass wir genügend andere berufsständische Organisationen von Ärzten haben.
Es ist dann – darin gebe ich Ihnen recht, Herr Kupfer – die Frage zu stellen, wer den Sicherstellungsauftrag übernimmt. Dazu sage ich Ihnen: Zunächst einmal hat der Staat den Sicherstellungsauftrag nur weitergereicht. Das wollen wir doch einmal festhalten.
Denn der Staat hat eine Daseinsvorsorgeverpflichtung gegenüber allen. Er kann diese Verpflichtung delegieren. Aber wenn diese Delegierung dazu führt, dass das nicht mehr hinhaut, muss man sich überlegen, ob es noch wie bisher geht.
Eine letzte Bemerkung: Ja – und das gehört zum Anfassen der Wurzeln –, wir müssen in der Tat über die Doppelstruktur im Gesundheitswesen in Deutschland nachdenken. Das, was wir hier erleben, ist fast einzigartig in der Welt. Das führt unter anderem dazu – auch das haben Gesundheitsexperten ausgerechnet –, dass 30 bis 40 Milliarden Euro im Jahr sozusagen eingespart werden könnten, wenn wir zu einer anderen Struktur kämen.
Das geht nicht von heute auf morgen. Wir wollen auf keinen Fall Ärzte in ihrer Existenz bedrohen oder etwa die Abschaffung der niedergelassenen Ärzte fordern. Wir können nicht in jedem Dorf eine Poliklinik schaffen. Das wissen wir auch. Aber wir können uns sehr wohl vorstel
len, dass in jedem wichtigen Dorf mindestens ein Arzt vorhanden ist, sodass auch dort die medizinische Versorgung gewährleistet ist.
Deswegen komme ich zu meinem Ausgangspunkt zurück.
Lassen Sie uns endlich ernsthaft an die Sache herangehen, anstatt immer wieder Jahr für Jahr über neue kleine Reförmchen nachzudenken, die dann scheitern. Das erleben wir gegenwärtig.
Frau Herrmann, sehr nett, dass Sie diese gestatten.
Sie sprachen über Pflegestützpunkte und darüber, dass wir in Sachsen keine Anbindungsstrukturen hätten. Würden Sie dann dem von mir im Januar schon vorgetragenen Vorschlag zustimmen können, dass Pflegestützpunkte sehr wohl in Sachsen bei den Kommunen angebunden werden sollten, damit sie die notwendige Neutralität haben, und nicht bei Kostenträgern oder Leistungsanbietern?
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte, bevor ich es am Ende vergesse, mich bereits an dieser Stelle für die Debatte bedanken, weil ich denke, wir können in diesem Haus nicht genug über eines der wichtigsten Themen sprechen, das uns – sicher mit zeitlicher Verzögerung – dereinst vielleicht alle direkt betreffen könnte.
Lassen Sie mich, bevor ich noch einige zusammenfassende Bemerkungen mache, auf die Debatte selbst eingehen. „Debatte“ heißt, man soll sich auseinandersetzen; ansonsten liest man ja nur sein Manuskript vor.
Herr Jähnichen, gestatten Sie mir als Historiker einen kurzen historischen Exkurs. Das, was Sie hier zum Familienbild vorgetragen haben, kann man so sehen. Aber es ist das Familienbild des Feudalismus!
Ich sage Ihnen, warum.
Ich weiß, dass Sie – das machen Sie in anderen Debatten auch – völlig ahistorisch an die Dinge herangehen. Deswegen will ich Ihnen Nachhilfe erteilen. Das ist auch bitter nötig.
Ich sagen Ihnen Folgendes: Im Feudalismus war es im Interesse des Überlebens nötig, die Dorfgemeinschaft und die Gemeinschaft der Familie zusammenzuhalten; es ging gar nicht anders. Jetzt zu der Gesellschaft, in der wir leben – die Sie ja vielleicht eher wollten als ich; das gebe ich gern zu.
Ich bringe erst den Gedanken zu Ende. Dann gestatte ich auch eine Zwischenfrage.
Diese Gesellschaft zerstört Familien im traditionellen Sinne, wie sie Herr Jähnichen will. Denn diese Gesellschaft lebt von der Mobilität des Arbeitsmarktes, von der Abwanderung dorthin, wo Arbeitskräfte gebraucht werden. Das wissen Sie doch. Dann können Sie sich doch nicht hier hinstellen und ein derartiges Familienbild, das zu Zeiten von August vielleicht noch Gültigkeit hatte, aber heute lange überlebt ist, dartun.
Gern.
Herr Agrarexperte, das eint uns ja: Wir haben beide landwirtschaftliche Wurzeln. Insofern haben wir natürlich auch dazu Beziehungen. – Zu Ihrer Frage so viel: Selbstverständlich entwickelte sich in der Urgesellschaft ebenfalls schrittweise eine Familie. Wir unterscheiden zunächst das Matriarchat – das können Sie bei Engels nachlesen; das haben Sie sicherlich schon getan – und dann das Patriarchat. Es ist also ein längerer Familienentwicklungsprozess bis hin zum Feudalismus gewesen. Dann kam die sogenannte Akkumulation, die notwendig wurde, um den Kapitalismus aufzubauen.
Logischerweise kam es schon damals zu einem Auseinanderdriften traditioneller Familienbeziehungen.
So viel zum Exkurs.
Jetzt möchte ich doch auf die Große Anfrage zurückkommen und einige kurze Bemerkungen dazu machen, wo wir in der Tat Handlungsbedarf sehen.
Sie sehen, wie interessant historische Debatten sind.
Jetzt gibt es keine Zwischenfragen mehr; ich muss jetzt mal zu meinem Konzept kommen.
Im Unterschied zu dem, was Herr Jähnichen und auch andere angemerkt haben, halten wir die Datenbasis in der Antwort auf die Große Anfrage nicht nur für lückenhaft, sondern auch für nicht aktuell. Das will ich Ihnen an einer Reihe von Positionen nachweisen.
So fragt man sich: Wie will die Staatsregierung überhaupt einschätzen, wie die Qualität der Pflege insgesamt ist, wenn sie nicht über eine aktuelle Datenbasis verfügt oder wenn eine solche in wichtigen Positionen gar nicht vorhanden ist?
Als Erstes zur Situation der zu Hause zu Pflegenden. Der Hinweis auf das, was dort geleistet wird, ist richtig. Auch wir bedanken uns für das Engagement gerade dort. Aber die Staatsregierung weiß offenbar gar nicht so richtig, was dort vorgeht. Wir haben zu vielen weiteren Aspekten gefragt: Situation der Demenzkranken, Situation im ambulanten Pflegebereich, Kosten für die Verwaltung in den Pflegeeinrichtungen. Schließlich ging es uns um Probleme, die das Personal betreffen: Überstunden und ihre Ursachen, Fluktuation des Personals in den Pflegeheimen, Krankheiten. Das alles sind Dinge, die wir gern gewusst hätten, die uns aber die Staatsregierung nicht beantworten kann.
Zum Zweiten! Mit der Ablehnung des Landespflegegesetzes flieht die Staatsregierung aus der Verantwortung.
Frau Schwarz, Sie haben mich beim letzten Mal offenbar falsch verstanden oder falsch interpretiert: Wir haben mit der Forderung nach mehr Verantwortung der Staatsregierung nicht deutlich machen wollen, dass wir den Kommunen nichts zutrauen. Nein, wir wollen nicht, dass die Staatsregierung sich hier aus der Verantwortung nimmt und die Kommunen im Regen stehen lässt. Das ist der Punkt.
Das Dritte. Ja, wir brauchen endlich eine Landesbedarfsplanung. Das fordern wir seit Langem. Auch dazu: Fehlanzeige!
Viertens. Mangelhafte Aufsicht und Kontrolle – wir haben da sogar untertrieben. Wir bräuchten nicht zwölf aktuell besetzte Planstellen in den drei Aufsichtsbehörden, sondern wir bräuchten mindestens 60 – wo sind die? –,
damit man überhaupt den gesetzlichen Anforderungen gerecht werden kann.
Fünftens. Ich stimme Ihnen zu, Frau Herrmann, wir hätten möglicherweise intensiver danach fragen können. Aber man lässt sich manchmal in einer Abwehrreaktion zu etwas verleiten. Es ist eine Abwehrreaktion gegen das Problem, dass die Betonung zu sehr auf einem „Pflegemarkt“ liegt. Schauen Sie sich das an; die Zahlen sind interessant. Wir haben soeben über kommunale Verantwortung gesprochen. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass die Kommunen in diesem Lande kaum noch Pflegeheime in eigener Trägerschaft haben. Wie sollen sie dann aber ihrem Auftrag gerecht werden? Sie sind auf Gedeih und Verderb einem sogenannten Wettbewerb ausgeliefert, der sich sehr rasch in steigenden Ausgaben der Sozialhaushalte widerspiegeln wird. Das kann ich Ihnen voraussagen.
Sie verstehen das nicht. Dafür habe ich auch wieder Verständnis. Aber wenn man keine Ahnung hat, sollte man wenigstens den Mund halten.
Sechstens. Sie als Staatsregierung können natürlich sagen: Wir haben keine Verantwortung für Pflegesätze und Tarife. – Aber Sie haben eine Aufsichtspflicht; diese ist gesetzlich geregelt. Wenn es eben so ist, dass in diesem Lande viele Pflegekräfte weit unter einem angemessenen Tarif bezahlt werden, dann kann man das bedauern. Aber dann hat die Staatsregierung zumindest eine moderierende, ja, eine weiterführende Pflicht.
Das Gleiche gilt für Pflegesätze. Wenn diese nicht kostendeckend sind, dann muss die Staatsregierung eingreifen; anders geht es nicht.
Frau Schwarz, Sie haben recht: Es ist ein Fortschritt, dass es künftig einen Mindestlohn im Pflegebereich geben soll. Aber erstens muss er endlich eingeführt werden, und zwar in einer solchen Höhe, dass er armutsfest ist. Zweitens müssen wir auch kontrollieren, dass er eingehalten wird.
Insofern, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir gerade im Altenpflegebereich – da sind wir uns, denke ich, alle wieder einig – in den nächsten Jahren noch sehr viel zu tun. Die Herausforderungen werden zunehmen. Wir sind heute noch nicht ausreichend darauf eingestellt. Ich hoffe nur, dass eine künftige Staatsregierung als eine ihrer ersten Aufgaben ein tragfähiges Konzept entwickelt, wie wir uns diesen Herausforderungen angemessen und auf die Zukunft ausgerichtet stellen können.
Frau Präsidentin! Ja, auch wir – das stelle ich ausdrücklich voran – haben kein Misstrauen gegen die vielen engagierten Pflegekräfte, vornehmlich eben auch wieder Frauen, in unseren sächsischen Pflegeheimen. Man kann sich nicht oft genug für das Engagement und die Hingabe im humanistischen Sinne bedanken.
Misstrauen, wenn überhaupt, haben wir gegen den Kurs der Staatsregierung. Das will ich dann schon klarstellen. Deswegen gibt es unseren Entschließungsantrag, der im zweiten Teil auf eine Reihe von notwendigen Handlungsfeldern orientiert.
Ich will aber noch einmal auf eines aufmerksam machen, weil das hier nicht so stehen bleiben kann. Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe das von diesem Pult aus schon sehr oft getan. Die Pflegesituation in der DDR war wahrlich kein Ruhmesblatt. Das gebe ich zu. Wir werden uns auch zu keiner Zeit in irgendeiner Weise hinstellen und das etwas schönreden. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich mahne auch Differen
ziertheit an. Wir dürfen auch mit dem Blick 20 Jahre zurück nicht zulassen, dass das etwa das große Engagement der damals in den Pflegeheimen Tätigen einschließt. Das darf nie in Vergessenheit geraten. Manchmal wurden zum Teil katastrophale Zustände in den Heimen, für die man sich schämen muss, durch stärkeres Engagement und durch Hingabe der Pflegekräfte auszugleichen versucht. Man konnte es nicht, aber zumindest wurde versucht, die Situation etwas abzumildern. Das soll hier deutlich gesagt werden.
Zum Punkt 4 unter I eine Bemerkung, weil das vorhin nicht verstanden wurde, denn ich will ja, dass Sie zustimmen. Deshalb will ich es Ihnen erklären.
Wenn Sie die Frage stellen, weshalb die Kommunen künftig in Größenordnungen zusätzlich beim Sozialhaushalt belastet werden, kann ich Ihnen antworten. Das hängt damit zusammen, dass sie künftig aufgrund dessen, dass die Privatisierungsquote erheblich zugenommen hat, kaum noch Anteil am sogenannten Pflegemarkt haben. Es ist völlig klar, dass wegen des Wegfalls der Fördermittel, was wir bedauern, Pflegesätze und Mieten in den Heimen entstehen, die in Zukunft schon deshalb von den Kommunen übernommen werden müssen, weil die Altersarmut in Deutschland in hohem Maße zunehmen wird. Das wissen wir doch alle. So versteht sich Punkt I Nr. 4 unseres Entschließungsantrages.
Auf eines möchte ich noch aufmerksam machen, weil auch das bisher keine ausreichende Rolle gespielt hat. Wir brauchen nicht nur im stationären Bereich eine stärkere Kontrolle durch die staatliche Heimaufsicht. Es kann doch nicht angehen, dass im ambulanten Pflegebereich überhaupt keine Kontrollen stattfinden. Das geht nicht. Auch das müssen wir ändern.
Insofern kann ich Sie nur bitten, unserem Antrag heute zuzustimmen. Ich appelliere insbesondere an die SPDFraktion, weil ich aus dem Vortrag von Frau Dr. Schwarz herausgehört habe, dass Sie uns mit ihrer Programmatik in der Altenpflege näher steht als die CDU-Fraktion. Befreien Sie sich heute und stimmen auch Sie unserem Antrag zu, verehrte Freunde von der SPD-Fraktion!
Herr Krauß, Sie sprachen in Ihrem vorherigen Gedanken davon, dass aufgrund der Vereinfachung und des bürokratischen Zurückfahrens in erheblichem Maße Steuergelder eingespart worden seien. Würden Sie mir dann beantworten können, weshalb wir es regelrecht mit einer Explosion von Widersprüchen und Klagen vor den sächsischen und den übrigen bundesdeutschen Sozialgerichten zu tun haben, was ja nicht sein könnte, wenn Ihre These, die Sie soeben vorgetragen haben, zuträfe?
Sie hatten von der Einkommensstichprobe und von der Erhebung von 2003 gesprochen und dann begründet, dass das, was die 60 % bzw. 80 % des Regelsatzes für Kinder betrifft, sich aus den entsprechenden Stichproben ergeben habe. Da ich keine Erklärung abgeben darf, sondern Ihnen nur eine Frage stellen kann, muss ich das so formulieren:
Herr Kollege, woraus entnehmen Sie diese von Ihnen dargestellte These, wenn doch für jeden klar ist, dass genau diese Prozente willkürlich gegriffen sind und eben nicht einer wissenschaftlichen Prüfung standhalten, auch nicht wissenschaftlich geprüft sind, es dann heute darauf ankommt – das hat die Bundesregierung zugesagt –, dass man nunmehr endlich eine kindergerechte Prüfung des Bedarfs vornehmen will?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte, bevor ich zu einigen eher kritischen Fragen komme, mich zunächst – meine Vorredner haben das nicht getan, ich mache es ganz bewusst – bei den vielen tausend vor allem Frauen bedanken, die unsere älteren Menschen mit großer Aufopferung pflegen. Ich denke, das gehört hier deutlich ausgesprochen.
Allerdings, muss ich sagen, hat mich das Thema, das die Fraktionen hier als Aktuelle Debatte gestellt haben, doch etwas überrascht. Ich habe den Eindruck, dass Sie eine Art Torschlusspanik befallen hat. Denn wenn wir uns anschauen, was in den letzten viereinhalb Jahren von Ihrer Seite auf diesem Gebiet initiiert worden ist, dann ist das herzlich wenig. Wir haben – das will ich deutlich sagen – jetzt sozusagen im Schweinsgalopp am Ende der Legislaturperiode noch ein Gesetz zu verabschieden, auf das wir sehr lange gewartet haben.
Ich sage Ihnen auch, wir werden Ihnen im März – eine Aktuelle Debatte eignet sich dafür nämlich nicht –mit der Behandlung unserer Großen Anfrage noch einmal die Gelegenheit geben, sehr umfassend zum Thema zu sprechen. Wir haben sie bewusst nicht dieses Mal auf die Tagesordnung gesetzt, weil wir seriöserweise erst einmal dieses sehr umfangreiche Gesetz zu prüfen haben. Wir wollen uns hier keines schnellen Urteils bedienen.
Lassen Sie mich die Aktuelle Debatte nutzen, um auf wirkliche Probleme, die wir gemeinsam zu bewältigen haben, aufmerksam zu machen. Ich muss der Staatsregierung vorwerfen und insbesondere auch der Vorgängerin unserer heutigen Sozialministerin, dass sie vornehmlich Verantwortung dafür trägt, dass immer mehr Aufgaben gerade im Pflegebereich auf die Kommunen abgewälzt worden sind. Das wurde verschleiert unter dem Nebelvorhang sogenannter kommunaler Selbstverwaltung. Wer wünschte sich nicht kommunale Selbstverwaltung? Aber sie darf nicht zum Schein werden. Denn wir müssen in der Tat erheblich darauf achten, dass wir einheitliche Pflegeniveaustandards in ganz Sachsen haben und nicht nach Kassenlage der jeweiligen Kommune.
Ein Zweites, was ich deutlich machen muss: Wir fordern seit Langem, Herr Krauß und Herr Gerlach, ein Landespflegegesetz. Die Staatsregierung hat uns nunmehr mitgeteilt, ein Landespflegegesetz wolle sie nicht auf den Weg bringen.
Eines will ich sagen: Dazu gehört eben nicht nur die Situation und Kontrolle in Heimen. Dazu gehört auch nicht nur die Frage, ob wir etwa ein Investitionsprogramm haben. Ich merke hier einmal am Rande an: Es wäre durchaus zu überlegen, ob von dem großen Konjunkturprogramm vielleicht manches auch in Krankenhäuser und Pflegeheime zu investieren wäre.
Aber ich sage Ihnen, wir haben einen umfassenden Pflegebereich zu betrachten. Es geht um Qualitätssituation und Qualitätskontrolle. Was da unter der Ägide von Frau Orosz hier abgelaufen ist, ist ein Skandal, Herr Krauß. Ich wollte Sie vorhin fragen. Es ist doch völlig klar: Unter Frau Orosz ist die Zahl der besetzten Planstellen in den drei Heimaufsichtsbehörden zurückgegangen und Sie sagen hier, sie hat etwas Gutes auf den Weg gebracht. Den Weg kann ich beim besten Willen nicht erkennen.
Ich meine, wir sollten deutlich machen, dass wir in einem Heimgesetz klarere Kriterien über Personalausstattung brauchen. Sie sind gegenwärtig vernebelt.
Eines will ich auch deutlich sagen: Wir sollten endlich dazu kommen, dass wir eine bestimmte staatliche Verantwortung für ambulante Pflege haben. Die haben Sie heute völlig ausgeblendet. Auch das, denke ich, reicht nicht aus.
Das Nächste: Ja, wir brauchen – Sie lehnen das ab – endlich eine Landesbedarfsplanung in der Pflege. Wir fordern das seit Jahren, und wir sind nicht die Einzigen, die das fordern. Wenn Sie dann sagen, es gebe ja genügend demografische Analysen – gestern wurde auch sehr verdienstvoll über eine berichtet –, entlastet das doch die Staatsregierung nicht davon, deutlich für Sachsen und insgesamt auszuweisen, wohin die Reise gehen muss. Dabei kann man die Analyse zur Grundlage nehmen, aber die Schlussfolgerungen müssen Sie bitte selbst ziehen.
In meinem zweiten Beitrag werde ich auf einige weitere Aspekte eingehen, aber insgesamt will ich jetzt schon sagen: Aktuelle Debatte schön und gut, es gibt genügend aktuelle Anlässe dafür; aber das, was bisher vorgetragen wurde, nämlich eine Nabelschau, brauchen wir in der Aktuellen Debatte nicht.
Herr Krauß, Sie sprachen soeben über die Arbeitsgruppe. Meinen Sie wirklich, dass diese Arbeitsgruppe hinsichtlich ihrer Mitglieder repräsentativ zusammengesetzt war, wenn beispielsweise Vertreter von Sozialverbänden – ich meine nicht die Wohlfahrtsverbände –, von Behindertenverbänden, von anderen Seniorenorganisationen oder auch unmittelbare Repräsentanten von zu Pflegenden dort überhaupt nicht vertreten waren?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann unmittelbar anknüpfen an das Problem Pflegestützpunkte. Ich sage sehr deutlich: Meine Fraktion hat von Anfang an diese Möglichkeit, die der Bundesgesetzgeber einräumt, ausdrücklich begrüßt, und wir begrüßen sie nach wie vor.
Wir sind nämlich in Sachsen gegenwärtig dabei, uns zu isolieren. Ich habe mir das noch einmal genau angeschaut. Wir sind im Augenblick das einzige Bundesland, das deutlich gesagt hat, keine Pflegestützpunkte einrichten zu wollen.
Sind die anderen Bundesländer etwa dümmer als wir oder wie sollen wir das alles auffassen? Wir sollten noch einmal ernsthaft darüber nachdenken, ob das wirklich so geht.
Ich hatte mit der Zwischenfrage bereits darauf aufmerksam gemacht, dass ich die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe nicht für repräsentativ halte. Wir haben uns im Ausschuss ausführlich mit den Dingen befasst. Wir hatten erwartet, dass wenigstens der Ausschuss noch einmal konsultiert wird, bevor hier eine Entscheidung fällt. Das ist nicht passiert.
Ich muss aus Anlass unserer heutigen Aktuellen Debatte noch auf etwas aufmerksam machen. Ja, wir haben in Sachsen eine Tendenz, die ich nicht für gesund halte, nämlich dass immer mehr der sogenannte Markt die Trägerlandschaft regiert. Das heißt im Klartext: Wir haben kaum noch kommunale Pflegeeinrichtungen. Wenn ich den Angaben glauben soll, die uns übermittelt wurden, liegt der kommunale Anteil noch bei 6 %.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist ein Irrweg, der hier beschritten wird.
Selbst der Anteil der frei gemeinnützigen Träger, denen ich durchaus Sympathie entgegenbringe, ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Das kann nach meinem Dafürhalten so nicht weitergehen.
Jeder Kommune, die sicher auch aufgrund haushälterischer Zwangslagen Alten- und Pflegeheime verkauft hat, wird das noch einmal sehr leid tun. Heute haben wir erneut in der Presse eine ausführliche Berichterstattung über die zu erwartende Altersarmut. Ich sage Ihnen voraus: Wenn die Kommunen selbst keine Heime mehr
haben, dann werden sie auf Gedeih und Verderb dem Kostendruck, der dann über die Sozialhilfe abzurechnen ist, ausgesetzt sein. Das müssen wir verhindern.
Ich muss in dieser Aktuellen Debatte ein weiteres Problem ansprechen, das im Gegensatz zu den von Ihnen vorgetragenen wirklich aktuell ist. Die Staatsregierung ist ernsthaft der Meinung, dass sie die finanzielle Situation der gesetzlichen Pflegeversicherung verbessern könnte, indem eine zweite Säule, nämlich die private kapitalgestützte Pflegeversicherung, aufgebaut oder verstärkt wird. Dazu sage ich: Mir fehlen jegliche Worte, wenn jemand angesichts der Weltfinanzkrise solche Thesen verbreitet. Es ist doch gerade völlig klar und in den USA besonders deutlich sichtbar, dass viele aufgrund dieser Krisenerscheinungen um ihre Pensionen betrogen worden sind. Und da wollen wir uns hinstellen und darin einen Ausweg sehen?
Dazu sage ich: Wir als Linke sind auch und gerade bei der Pflegeversicherung für eine solidarische Pflegeversicherung, das heißt eine Pflegeversicherung für alle. Alle haben wie bei der Krankenkasse einzuzahlen. Dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, hätten wir mittel- und langfristig wirklich eine Stabilität, sowohl was die Versorgung als auch was die Einnahmesituation betrifft. Aber ich habe die Befürchtung, dass wir noch weit davon entfernt sind und sich erst einmal grundsätzlich politisch etwas ändern muss, bevor Vernunft einzieht.
Verehrter Herr Krauß, ich habe überhaupt nicht darüber gesprochen, dass die Qualität von Privaten schlechter sein könnte. Ich wollte lediglich andeuten – und würden Sie mir darin wenigstens recht geben? –, dass Kommunen dann, wenn sie keine eigenen Heime mehr haben, auch keinerlei soziale Steuerungsfunktion auf diesem Gebiet mehr haben, und dass das zu kritisieren ist.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, uns beschäftigt wahrlich nicht zum ersten Mal das Thema Gesundheitspolitik, Gesundheitsreform, Versorgung auf diesem Gebiet im Freistaat Sachsen, und ich denke, das wird sich auch in Zukunft nicht ändern.
Dabei ist völlig klar, und ich halte das auch durchaus nicht für kritikwürdig, dass sich die Auffassungen, die wir in diesem Bereich vertreten, möglicherweise besonders unterscheiden. Das ist überhaupt nichts Ehrenrühriges, und ich kann trotzdem der FDP morgen noch guten Tag sagen und ihr freundlich zunicken, ohne dass ich mit vielen ihrer Positionen einverstanden bin. Ich will das voranstellen und deutlich sagen.
Was die Große Anfrage selbst betrifft, meine ich, dass die Überschrift mehr verspricht, als der Inhalt der Fragestellungen ausmacht. Es geht im Gesundheitswesen zwar sehr wohl um Finanzierung; das ist ein Bereich, ein wichtiger Bereich, aber nicht der alleinige Bereich. In erster Linie geht es ganz konkret um die Auswirkungen auf die Lebenslagen, die die Patienten haben und die natürlich auch die Ärzte haben, die stark beansprucht sind. Wer wüsste das nicht?
Ich hätte mir gewünscht, verehrte Frau Schütz und meine Herren von der FDP, Sie hätten, wenn Sie denn schon zu diesem Zeitpunkt eine solche Große Anfrage formulieren, an unsere Große Anfrage angeknüpft, die wir hier behandelt haben und deren Antwort die Staatsregierung ebenfalls, wenngleich auch zur vorhergehenden sogenannten Gesundheitsreform, erarbeitet hat. Dann hätte man sogar ein Stück Kontinuität, ohne dass man gleich von Bündnispolitik zwischen uns reden müsste.
Lassen Sie mich aber noch einmal ganz ohne Aufregung deutlich machen, worin wir uns hier im Hause wirklich unterscheiden, wobei ich durchaus anerkenne, dass die Schnittmengen in Grundpositionen zu den GRÜNEN und zum Teil sogar zur SPD, wenn sie denn in Sachsen wieder befreit ist, durchaus größer sind.
Aber was ist? Wir waren von Anfang an gegen den Gesundheitsfonds. Wir haben das hier deutlich gemacht. Natürlich wissen wir, Frau Strempel, dass sich Sachsen im Bundesrat so verhalten hat, wie es sich verhalten hat. Aber warum hat Sachsen nicht prinzipiell gegen den gesamten Gesundheitsfonds geklagt? Das hätten Sie doch tun können. Wir haben das gefordert, es ist aber nicht erfolgt. Also, der Widerstand war doch recht lau, wenn er überhaupt vorhanden war.
Ich will auch Folgendes sagen: Dieser Gesundheitsfonds, Herr Zastrow, ist eben nicht die Vorstufe, das große Tor zur sogenannten Einheitskasse, wie Sie sagen. Ich würde mir das ja wünschen. Es ist nichts anderes als ein Sprungbrett zur Kopfpauschale. Wenn Sie den nächsten Antrag stellen, kann ich Ihnen diese These noch ausführlicher begründen.
Ja, Einheitskasse wäre gegen den Wettbewerb. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich brauche keinen Wettbewerb zwischen so und so vielen Kassen. Was soll denn das? Das ist Geldverschwendung.
Was ich brauche und was wir alle brauchen, Herr Zastrow – Sie sind ja nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, nehme ich an –, ist doch etwas ganz anderes. Wir brauchen angemessene Arbeitsbedingungen für Ärzte und andere Leistungsanbieter und nicht in erster Linie eine Konkurrenz. Das ist das Problem. Und was den Wettbewerb angeht: Bringen Sie doch nicht in eine humanistische Debatte ständig volkswirtschaftliche Sphären hinein! Was soll denn das?!
Das Nächste: Ja, wir wollen, dass alle in eine gesetzliche Krankenversicherung einzahlen. Alle! Wir wollen auch die Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze. Dann könnte ich Ihnen vorrechnen, was das an Beitragssenkungsmöglichkeiten beinhalten würde. Stellen Sie sich doch nicht hier hin und sagen, dass jemand, der entsprechend seinem Einkommen einen ordentlichen Beitrag bezahlt, morgen in Dresden zum Sozialamt geht und sich arm meldet! Das glauben Sie doch nicht ernsthaft. Wir brauchen mehr Solidarität auf diesem Gebiet.
Ja, wir brauchen endlich auch wieder die Einführung der vollen Parität in der Krankenversicherung. Was sollen denn diese 0,9 %, die ausschließlich die gesetzlich Krankenversicherten bezahlen müssen und die die Arbeitgeber eben nicht zahlen? Und was wird denn, wenn die Überforderungsklausel kommt? Dann bezahlen auch nur die gesetzlich Krankenversicherten diese Klausel. Wir haben in der gesetzlichen Krankenversicherung schon lange keine Parität mehr, was die Einzahlung betrifft.
Eines darf ich nicht vergessen, wenn ich hier schon einen Rundumschlag mache: Wir müssen endlich dieses Bürokratiemonster Praxisgebühr abschaffen. Die Praxisgebühr muss weg! Was soll denn das? Überlegen Sie doch ein
mal: Wir haben künftig noch einen Sonderbeitrag, und die Praxisgebühr ist nichts anderes als ein Sonderbeitrag. Im Übrigen bindet sie viele Kräfte bürokratisch.
Wir brauchen auch nicht die vielen Zuzahlungen. Gehen Sie doch einmal in die Apotheke. Manche machen das vielleicht nicht und reden dann trotzdem darüber. Gewöhnlich ist eine Apothekerin nicht so sehr mit der Beratung der Patienten beschäftigt, sondern viel mehr mit dem Computer, um die Rabatte und was weiß ich alles auszurechnen. Das ist doch nicht mehr irdisch!
Schließlich brauchen wir natürlich eine Gesamtkonzeption zur Beseitigung des Ärztemangels. Das haben wir, auch ich selbst, seit 2001 an diesem Pult immer wieder mit Vorschlägen gefordert. Es sind durchaus sinnvolle Vorschläge, über die auch heute berichtet wurde. Wir brauchen aber ein Gesamtherangehen. Dabei muss auch die Kassenärztliche Vereinigung ordentlich mitspielen. Wenn es jetzt ganz offensichtlich Ungerechtigkeiten bei der Honorarverteilung gibt, dann muss man eben auch die Kassenärztliche Vereinigung einmal evaluieren.
Ich will heute, obwohl ich es mir gut vorstellen könnte, nicht so weit gehen wie die Bundesgesundheitsministerin Frau Schmidt, die schon gelegentlich gesagt hat, sie könnte sich auch die Abschaffung dieses Gremiums vorstellen. So weit will ich heute noch nicht gehen, obwohl man darüber nachdenken muss, wenn die Ungerechtigkeit hier nicht aufhört.
Außerdem – das kann ich Ihnen auch nicht ersparen, und das würde wirklich Kosten senken – sollten wir endlich die von uns seit Langem geforderte Positivliste einführen. Und auch das sei noch einmal deutlich gesagt: Senken wir die Mehrwertsteuer für Medikamente zumindest um die Hälfte oder auf 7 %, wie auch immer! Das wäre eine erhebliche Einsparung, die wir im Gesundheitswesen auf jeden Fall hätten.
Noch eines kann ich Ihnen, Herr Zastrow, nicht ersparen. Sie sind ja der Meister der kurzen, plakativen Sätze, wie wir heute auch in verschiedenen Zeitungen lesen konnten. Deswegen sage ich Ihnen: Meine Partei und ich persönlich, wir sind für ein solidarisches Gesundheitswesen für alle statt für Marktliberalismus im Gesundheitswesen.
Frau Präsidentin! Was das Abstimmungsprozedere betrifft, beantragen wir punktweise Abstimmung auch innerhalb der arabischen Punkte. Das tut mir leid; wir können natürlich durchaus bestimmten Dingen zustimmen, aber anderen eben nicht. Das ist sehr unterschiedlich. Aber wir möchten vermeiden, das pauschal abzulehnen.
Ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, der es uns besonders schwer macht. Neben der Feststellung des Standes, wie ihn die FDP sieht und worin wir sehr unterschiedliche Wahrnehmungen haben, meine ich insbesondere den Punkt II. Dort finde ich keine wirklichen Vorschläge. Wenn man meint, dass es Vorschläge gibt, kann ich sie nicht akzeptieren. Das betrifft beispielsweise die Altersrückstellungen in der gesetzlichen Krankenversicherung. Was soll denn das? Ist damit etwa die vollständige Privatisierung auch der gesetzlichen Krankenversicherung gemeint? Sie wollen damit wahrscheinlich endgültig das Privatsystem auf das gesetzliche übertragen. Insofern bitten wir um Einzelabstimmung dieser arabischen Punkte auch innerhalb der römischen. Wenn das zu umständlich ist, müssen wir das Ganze ablehnen.
Nein, es tut mir leid, wir wollen das auch für den Punkt II, weil wir dem ersten Teilpunkt durchaus zustimmen können, dem dritten auch, aber den zweiten natürlich ablehnen müssen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es in diesem Herbst erneut mit Auseinandersetzungen um die Frage zu tun, wie hoch der Anteil des Bundes an den Kosten für die Unterkunft und Heizung sein wird. Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass wir es alljährlich mit Debatten darüber zu tun haben. Es mag daran liegen,
dass das Gesetz nicht nur generell – das Hartz-IV-Gesetz oder das SGB II – abzulehnen wäre, sondern dass insbesondere der § 46 erhebliche handwerkliche Schwächen aufweist. Das ist immer wieder das Problem.
Wir hatten die Situation, dass in diesem Jahr die Auseinandersetzungen weitgehend von der Öffentlichkeit nicht zur Kenntnis genommen werden konnten. Das ist angesichts der heranreifenden Weltwirtschaftskrise, der Weltfinanzkrise, die bereits im Gange ist oder auch gravierender sozial- und innenpolitischer Entscheidungen – wie der Einführung des Gesundheitsfonds – kein Wunder.
Das, was jetzt beschlossen werden soll, bittet die Kommunen, die sächsischen Landkreise und kreisfreien Städte erneut erheblich zur Kasse. Wir hatten – das wird Ihnen nicht entgangen sein – diesen auf der Tagesordnung stehenden Antrag bereits vor Jahresfrist gestellt. Damals begehrten wir eine Abstimmung über die Dringlichkeit dieses Antrages. Das Hohe Haus hatte diese Dringlichkeit abgelehnt. Der Landtag hatte somit vor Jahresfrist keine Chance, über die Frage zu debattieren, welche Möglichkeiten uns zur Verfügung stehen, um auf den Bundeszuschuss einzuwirken.
Wir haben uns also aufgrund der damaligen Mehrheitsentscheidung einer solchen Chance begeben.
In diesem Jahr hatten wir nicht einmal die Chance, im Landtag über einen Dringlichen Antrag zu beraten, weil hinter einem Vorhang des Verschweigens die Sache abgelaufen ist. Am 16. Oktober – öffentlich wurde es am 21. Oktober – wurde uns überhaupt erst bekannt, dass der Bund den Zuschuss erneut absenken wird. Für Sachsen bedeutet das für das nächste Jahr eine Absenkung des Anteils des Bundes an den Kosten der Unterkunft von den dieses Jahr noch gültigen 28,6 % auf dann 25,4 %.
Nun hätte man annehmen können, dass wenigstens die kommunalen Spitzenverbände, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist, in die Anhörung ausreichend einbezogen worden wären. Aber nein, auch insoweit wurden hier erneut demokratische Grundregeln verletzt. Bereits am 7. November hat der Bundesrat im Rahmen einer langen Tagesordnung dieses für unsere Kommunen wichtige und schmerzliche Gesetz ohne Aussprache durchgewinkt. Ich nehme an, dass die Staatsregierung – wir können sie dann noch um Aufklärung ersuchen – an jenem 7. November zugestimmt hat. Insofern sind die Messen auch für das nächste Jahr gelesen. Wir haben es erneut mit einem Schröpfen der Kommunen zu tun.
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir für die heutige Debatte zum gleichen Sachverhalt – das sage ich ausdrücklich – einen Änderungsantrag gestellt, um – in der Hoffnung, er wird angenommen – die Staatsregierung zu ersuchen, für künftige Debatten zu dieser Frage Vorleistungen zu schaffen, indem sie eine Bundesratsinitiative zur Novellierung des § 46 des Sozialgesetzbuches II ergreifen möge. Wir begehren die Änderung zumindest von vier Punkten.
Erstens. Es darf nicht dabei bleiben, dass lediglich die Zahl der Bedarfsgemeinschaften jeweils unter Rückgriff auf den Vorjahreszeitraum geprüft wird. Aufgrund der veränderten Bundesgesetzgebung ist es viel wichtiger zu wissen, wie viele Personen zu der Bedarfsgemeinschaft gehören. Sie wissen ja, dass seit einiger Zeit die Neuregelung gilt, dass Jugendliche unter 25 Jahren, wenn sie bis dahin nicht einen eigenen Hausstand hatten, keine eigene Bedarfsgemeinschaft mehr sein können und in die Bedarfsgemeinschaft der Eltern integriert werden.
Zweitens. Die Kosten der Unterkunft und Heizung pro Bedarfsgemeinschaft sind in den vergangenen Jahren, insbesondere in diesem Jahr, erheblich gestiegen. Ich erinnere nur an den Anstieg der Energiepreise, die dafür besonders maßgebend sind. Es ist ausgerechnet worden: Während die Zahl der Bedarfsgemeinschaften, die der Gesetzgeber jetzt auch in Anwendung gebracht hat, um reichlich 4 % gesunken ist, sind die Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft pro Bedarfsgemeinschaft um über 8 % gestiegen. Daraus ist zu schlussfolgern, dass endlich dazu übergegangen werden muss, die wirklichen Aufwendungen der Kommunen zugrunde zu legen und nicht lediglich eine fiktive Zahl von Bedarfsgemeinschaften zur Berechnung heranzuziehen.
Drittens. Wir sollten es nicht länger hinnehmen, dass es nach wie vor Sonderregelungen für Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gibt, die bekanntermaßen anteilig einen höheren Bundeszuschuss erhalten als alle anderen Bundesländer.
Ich will auch deutlich sagen: Diese beiden Bundesländer haben damals, als das Gesetz verabschiedet wurde, protestiert. Möglicherweise wäre es ohne deren Zustimmung nicht zustande gekommen. Die jetzige Scheinlösung können wir nicht länger hinnehmen.
Viertens. Wir brauchen endlich – auch vom Gesetzgeber festgelegt – eine klare Einhaltung der Zusicherung des Bundes an die Kommunen, dass sie mindestens eine Einsparung von 2,5 Milliarden Euro pro Jahr erzielen. Bislang wird dieses Ziel nicht erreicht. Sie wissen auch, dass der Bund, wenn das Gesetz umgesetzt wird, allein im Jahr 2009 von einer Reduzierung des Zuschusses in Höhe von 700 Millionen Euro ausgeht. Es ist dringend erforderlich sicherzustellen, dass wir nicht erneut in eine Situation geraten, in der wir überhaupt nicht über dieses wesentliche Problem für die Kommunen debattieren können.
Wir müssen jetzt beginnen. Jetzt muss eine Initiative ergriffen werden, damit insbesondere § 46, den ich schon genannt habe, in eine Richtung geändert wird, die tatsächlich eine Gleichbehandlung nach Maßgabe der Aufwendungen der Kommunen bedeutet. Denn eines können wir mit Sicherheit sagen: Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften von Personen, die auf Hartz IV angewiesen sind, wird gerade vor dem Hintergrund einer sich abzeichnenden Wirtschaftskrise im nächsten Jahr wieder steigen. Aber wir haben dann eine Situation, in der die Kommunen
erneut und sogar in höherem Maße als bisher die finanziellen Aufwendungen zu tragen haben. Das wollen wir verhindern. Deshalb bitten wir darum, dass jetzt gehandelt wird und die Staatsregierung einen entsprechenden Auftrag erhält.