Protokoll der Sitzung vom 22.01.2009

Was wussten wir seit 2008? Die Datenerhebung des Bundesumweltamtes über die grenzüberschreitende Abfallverbringung weist für das Jahr 2007 nach, dass aus Italien 365 000 Tonnen Abfall nach Sachsen verbracht wurden, darunter 215 000 Tonnen als gefährlich eingestufte, teilweise stabilisierte Abfälle, zur Ablagerung; 70 000 Tonnen gemischte Abfälle, die wenigstens einen gefährlichen Abfall enthalten, zur Ablagerung; fast 16 000 Tonnen Boden und Steine, die gefährliche Stoffe enthalten, zur Ablagerung; 26 000 Tonnen asbesthaltige Bau- und Abbruchabfälle, zur Ablagerung. 365 000 Tonnen wurden abgelagert und keine einzige Tonne verwertet.

Was sagt die Staatsregierung? Staatsminister Wöller informierte vor einem Jahr im Landtag darüber, dass mit Ausnahme von knapp 1 000 Tonnen asbesthaltigem Dämmmaterial seit dem 01.01.2007 unmittelbar aus Italien keine Abfälle auf die Deponie Cröbern verbracht wurden. Wo sind denn dann 2007 die mehr als 300 000 Tonnen gefährliche Abfälle verblieben, die mit „D1“, das heißt Ablagerung, deklariert wurden? Die können sich doch nicht in Luft aufgelöst haben! Die Frage ist auch deshalb wichtig, da an den Bestimmungsorten Hamburg, Köln, Rüdersdorf und Jänschwalde Radioaktivität im Müll aus Italien gemessen wurde.

Aus der Antwort auf Frage 4.6 erfahren wir von Herrn Kupfer, dass die Landesdirektion Dresden allein bis September 2008 für 682 500 Tonnen gefährliche Abfälle aus Italien die Genehmigung zur grenzüberschreitenden Verbringung und Beseitigung in Sachsen erteilt hat. Damit wird klar: Im vergangenen Jahr haben sich die Müllimporte aus Italien nach Sachsen nochmals verdoppelt. Ich frage Sie: Wo sind diese riesigen Mengen gelandet?

Meine Damen und Herren! Ihnen ist bekannt, dass die kleinen sächsischen Recycling-Unternehmen einen unschätzbaren Beitrag zur Ressourcenschonung leisten.

(Einzelbeifall bei der Linksfraktion)

Sie könnten diesen Beitrag noch vergrößern, wenn nicht die Regierungspräsidien, jetzt Landesdirektionen, Hunderttausende Tonnen von verwertungsfähigen Abfällen auf Deponien lenken würden. Die Linksfraktion erneuert ihre Forderung nach einem Importmoratorium für gefährliche Abfälle, die auf Deponien landen sollen. Derartige Abfallverbringungen dürfen nicht mehr genehmigt werden.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Sachsen darf nicht zur Müllhalde Europas werden.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die Linksfraktion fordert, endlich die Öffentlichkeit über die Wege der Abfallströme, auch der krummen, illegalen Wege, und die zweifelhaften Zwischenlagerungen zu

informieren und damit Transparenz und Vertrauen zu schaffen. Nicht zuletzt gilt es, den Ruf der sächsischen Abfallwirtschaft nicht zu schädigen und den Recyclingunternehmen die Rohstoffe nicht zu entziehen, erst recht jetzt in der Zeit einer weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise.

Die kleinen sächsischen Unternehmen, die sich mit der Verwertung von Papier-, Kunststoff-, Metall- und anderen Abfällen befassen, sind mit dramatisch verfallenden Wertstoffpreisen konfrontiert. Die Unternehmen brauchen Hilfe, Herr Staatsminister Jurk, und sie brauchen recycelbare Abfälle, Herr Staatsminister Kupfer.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Der ist wenigstens da!)

Die Linksfraktion fordert von der Staatsregierung, aufmerksam darüber zu wachen, dass mit der sogenannten Verwaltungsreform nicht neue Lücken in das Kontroll- und Überwachungssystem von Abfällen gerissen werden, die dann gerissenen Müllspekulanten ihre kriminellen Machenschaften leicht machen zum Schaden von Umwelt und Natur und der sächsischen Verwertungsunternehmen.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Die CDUFraktion; Herr Prof. Mannsfeld, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach § 29 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes des Bundes ist auch der Freistaat verpflichtet, den Abfallwirtschaftsplan im fünfjährigen Turnus fortzuschreiben, ihn mit den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern und anderen Trägern öffentlicher Belange aufzustellen und abzustimmen und durch das Kabinett beschließen zu lassen.

Die einbringende Fraktion nennt als Begründung für ihre Große Anfrage die Gelegenheit für den Landtag, im Vorfeld des 2009 vorzulegenden Abfallwirtschaftsplanes zur Abfallpolitik im Freistaat Stellung zu nehmen. Wenn der Inhalt der Großen Anfrage dieser Aussage entspräche, meine Damen und Herren, wäre dem Anliegen durchaus zuzustimmen.

Betrachtet man sich aber die Fragenkomplexe und die daraus abgeleiteten Auskunftswünsche, dann wird schnell klar, dass die Drucksache 4/13253 alles andere als eine gute Grundlage für eine umfassende und vor allem seriöse Behandlung der Abfallwirtschaft in Sachsen ist, denn an einem allseitigen Bild zum Stand der Abfallwirtschaft in Sachsen – das wäre ja die Grundlage für den Landtag, im Vorfeld eines neuen Planes zu debattieren – ist man offensichtlich gar nicht interessiert. Es gibt nur eine erkennbare Grundlinie, und die heißt Misstrauen und Zweifel an der Arbeit unserer zuständigen Behörden; als da sind Bergämter, Landesdirektionen, untere und oberste Abfallbehörde,

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der FDP)

und damit verbunden eine Fülle von Behauptungen über Verletzungen einschlägiger Vorschriften und Standards bei der gefahrlosen und umweltgerechten Verwertung und Beseitigung von Abfällen, in Sonderheit der besonders überwachungspflichtigen, die im umgangssprachlichen Sinne ja als Sonderabfälle bezeichnet werden.

Nicht ohne Grund, meine Damen und Herren, sieht sich daher das Ministerium an zahlreichen Stellen gezwungen, die in den Fragen integrierten Unterstellungen zurückzuweisen. Natürlich ist und bleibt es das verbriefte Recht des Parlaments, die Regierung und das gesamte exekutive Handeln zu kontrollieren oder auf Missstände hinzuweisen. Ich füge hinzu: Im Falle von besonders überwachungspflichtigen Abfällen, unter denen übrigens die Bau- und Abbruchabfälle der mengenrelevanteste Teil sind, ist das Recht in besonderer Weise erforderlich, damit da keine Missverständnisse auftreten.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Aber eines muss man schon einleitend feststellen: Generelle Missstände im Vollzug des vielschichtigen Abfallrechtes gibt es in Sachsen nicht. Was nicht ausgeschlossen werden kann, sind durchaus Ordnungswidrigkeiten und vereinzelte Anzeichen für eine bewusste Umgehung rechtlicher Tatbestände, die aber angesichts der erheblichen Stoffströme, die im Lande bewegt werden, letztlich, so bedauerlich eine solche Einschätzung klingen mag, immer wieder vorkommen können. Man könnte sagen, jeder einzelne Verstoß, zum Beispiel ein fehlender Begleitschein, eine Abweichung von der Transportgenehmigung, eine unerlaubte Verbrennung von Altholz oder Ähnliches, ist einer zu viel. Genau das, meine Damen und Herren, ist es auch.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Aber wenn man ein Bild von der Abfallwirtschaft in Sachsen zeichnen will – das meint die einbringende Fraktion mit ihrer Großen Anfrage tun zu wollen –, dann muss man anders fragen und auch ausgewogen.

Insofern bin ich begleitenden oder fast synchronen Aktivitäten anderer Abgeordneter fast dankbar, dass sie bewusst oder unbewusst dafür gesorgt haben, dass der inquisitorische Duktus der meisten Fragen ad absurdum geführt werden kann, denn in zahlreichen Einzelfragen werden ja doch generell Zweifel an der Wirksamkeit des Kontroll- und Überwachungssystems in Sachsen formuliert.

So fragt – ich sagte es bereits – dankenswerterweise der Abg. Lichdi Ende Oktober/Anfang November 2008, welche Maßnahmen denn die Behörden zur Aufdeckung – ich würde ergänzen: zur Vermeidung – von Verstößen ergreifen. Die Antwort ist äußerst aufschlussreich: Seit 1996 haben die sächsischen Abfallbehörden 14 140 Überwachungen von Abfallerzeugern, von Entsorgungsfachbetrieben oder von Deponien vorgenommen. Das sind für den in der Kleinen Anfrage genannten Zeitraum von zwölf Jahren über drei Kontrollen pro Tag. Ich denke, angesichts solcher Zahlen kann man den

Behörden in Sachsen keine Untätigkeit oder Nachlässigkeit prinzipieller Art vorwerfen.

(Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Wie effizient schätzen Sie denn diese Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen ein, wenn Sie wissen, dass die Notifizierungen, die von der Landesdirektion Dresden, früher RP Dresden, allein ausgegeben werden, auf Anfrage erst einmal wochenlang aufwendig gesichtet werden müssen, weil kein Mensch einen Überblick hat über das, was in den Freistaat hineingeliefert wird, welche Merkmale diese Abfälle aufweisen und wohin sie über welche Wege gelangt sind?

Frau Kollegin, ich halte mich an die Beantwortung der Großen Anfrage und an die in der Sondersitzung des Landtagsausschusses vom Minister gegebenen Ausführungen.

Darauf beziehe ich mich.

Diese beiden Antworten zeichnen ein anderes Bild, als Sie hier eben beschrieben haben. Das ist meine Antwort auf Ihre Frage.

Das bestreite ich.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Aufregen können Sie sich dann später von hier vorn, Herr Kollege.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Ende der Ablagerung unbehandelter Abfälle im Sommer 2005 markierte einen Wendepunkt in der deutschen Abfallwirtschaft und somit auch in Sachsen. Kommenden Generationen bleiben damit neue ökologische Altlasten erspart. Im Verbund mit dem Programm zum Rückbau und zur Sanierung noch zahlreicher ungeeigneter Ablagerungsflächen – dieses Sanierungsrückbauprogramm für Deponien aus dem Jahr 2002 – haben wir gleichzeitig erhebliche Methangasemissionen reduziert. So hat Sachsen mit seinem Abfallwirtschaftskonzept auch einen konkret messbaren Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Als Beispiel nenne ich noch einmal nur den Regierungsbezirk Chemnitz, in dem 1994 noch 29 Deponien bestanden, von denen seit 2006 eine einzige übrig geblieben ist.

Fragen der Abfallvermeidung und -verwertung, der beschrittenen Wege von der Wegwerfgesellschaft zur Kreislaufwirtschaft, die Wertstoffrückgewinnung oder die verfeinerte Abfalltrennung – das, meine Damen und Herren, hätte ich mir als Gegenstand einer Großen Anfrage gewünscht, die ein Bild vom Stand der Abfallwirtschaft in Sachsen zeichnen will. Dass bei einer weitgehend geordneten und rechtskonformen Abfallentsorgung Einzelfälle illegaler Verfüllung oder Ablagerung, Umde

klarierung von Abfallchargen oder Ähnliches nicht auszuschließen sind, habe ich bereits eingeräumt. Ich erkläre dazu ausdrücklich, dass diese Einzelfälle konsequent und, wenn es sein muss, auch strafrechtlich zu verfolgen sind, und benenne die Hoffnung, dass solche Vorgänge immer weniger auftreten mögen.

(Beifall der Abg. Cornelia Falken und Andrea Roth, Linksfraktion)

Insofern leistet die Drucksache doch einen guten Dienst, weil nämlich mit den Antworten der Staatsregierung der Nachweis erbracht wird, dass wir ein funktionierendes Kontroll- und Überwachungssystem haben und man unerfreuliche Umstände – teilweise aus anderen Bundesländern – eben nicht einfach leichtfertig in Form von Fragevermutungen als gegebene Tatsache auf andere Regionen übertragen darf.

Noch zu einem Einzelkomplex, der bei meiner Vorrednerin eine Rolle gespielt hat. Elf Fragen widmet die Fragestellerin dem Entsorgungsfachbetrieb AMAND in Dresden-Lockwitz mit dem Verdacht illegaler Verbringung von Abfällen im Rückfüllungsbereich der ehemaligen Lehmgrube. Es ist angesprochen worden, warum es denn hätte sein können, dass nach dem Entzug der Ablagerungsgenehmigung im Jahre 1999 dort noch über anderthalb Jahre später solche Ablagerungen stattgefunden haben.

Die Regierung antwortet – und ich hoffe, Herr Kollege Lichdi, dass Sie als Jurist es als eine durchaus vernünftige Erklärung respektieren –, dass der Betreiber erst mit Ablauf der Klagefrist gegen den Widerspruchsbescheid des Gerichtes dazu gezwungen werden konnte. Es ist einfach unserem Rechtsstaat geschuldet, dass diese Dinge einzuschließen sind. Auch hier antwortet die Regierung auf zwei weitere Kleine Anfragen, die jünger sind als die Große Anfrage, Herr Kollege Lichdi, dass keinerlei Erkenntnisse über ein Fehlverhalten des Unternehmens vorliegen und dass unabhängig davon, dass auf eine Anzeige hin – das wollen wir gar nicht ausblenden – staatsanwaltschaftliche Ermittlungen aufgenommen wurden, zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt keine neuen Erkenntnisse vorliegen. Deshalb lege ich Wert auf die Aussage der Regierung zu diesem Fragekomplex, in dem es heißt – ich zitiere –: „Die Art und Weise der Verwertung von asbesthaltigen Abfällen im Lehmtagebau Dresden-Lockwitz entsprach insgesamt den Anforderungen der technischen Regeln für Gefahrstoffe, TRGS 519.“

Meine Damen und Herren! In dem gleichen Kontext befindet sich letztlich der eben von mir zitierte Satz aus der Frage 2.14 der Großen Anfrage.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Komplex 4 der Großen Anfrage befasst sich aus der Erkenntnislage vom September 2008 mit Importen von Sonderabfall aus Italien. Die Fragestellerin erhält alle zum Zeitpunkt der Beantwortung Ende November 2008 verfügbaren Aussagen und Auskünfte, aus denen klar hervorgeht, dass keine Versäumnisse oder Gefährdungen zu verzeichnen sind.

Inwieweit sich zwischenzeitlich neue und andere Erkenntnisse ergeben haben, ist selbst nach einer Sondersitzung des Landtagsausschusses Anfang Januar 2009 nicht abschließend zu beantworten.

Natürlich kann man aus verschiedenen Einzelquellen, deren Seriosität und Nachprüfbarkeit nicht allen zugänglich ist, ein Puzzle zusammensetzen und damit ein Bild zeichnen, das der Realität nicht entspricht, das aber durchaus auf Tatbestände hinweist, die vielleicht auch hätten vermieden werden können. Deswegen sollten wir diese Große Anfrage nicht dazu nutzen, Dinge zu erörtern, deren abschließende Sicherheit in der Aussage und in der Feststellung eventuell von Unzulänglichkeiten gekennzeichnet ist.

Der bestehende und der künftige Abfallwirtschaftsplan, meine Damen und Herren, bilden einen ausgezeichneten Rahmen für das Handeln der zuständigen Abfallbehörden sowie für das Handeln der Wirtschaft. Überblickt man die Entwicklung seit 1990 und den erreichten Stand in der Abfallwirtschaft, so zeigt sich – und das sollte die Botschaft dieser Großen Anfrage wenigstens im Sinne einer Ergänzung sein –, dass der von Sachsen eingeschlagene Weg zu einem hohen technologischen Standard der Abfallwirtschaft bei gleichzeitig effizienten Organisationsstrukturen auf diesem Sektor geführt hat.

Wenn auch im Fokus der einreichenden Fraktion nicht die Entwicklung und der erreichte Stand der Abfallwirtschaft gestanden hat, sondern Befürchtungen, das Kontroll- und Überwachungssystem sei mangelhaft – eine Vermutung, die durch die Antworten der Regierung so nicht bestätigt werden kann –, so kann doch festgestellt werden, dass die im bestehenden und sicherlich auch kommenden Abfallwirtschaftsplan genannten Ziele weiterhin dem Problem erfolgreich und angemessen weiterhelfen und deswegen die Abfallwirtschaftspolitik vom Grundsatz her in Sachsen so fortgesetzt werden sollte, wie sie sich nach 1990 erfolgreich herausgebildet hat.