Protokoll der Sitzung vom 11.03.2005

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Nolle.

Frau Kollegin, sind Sie mit mir der Meinung, dass die heutige Entscheidung der Parteien im Bundestag, eine Verschärfung des Strafrechts vorzunehmen, gerade rechtzeitig kommt, um dieser braunen Brut, die wir hier erlebt haben, auch im Sächsischen Landtag Einhalt zu gebieten? § 130 des Strafgesetzbuches soll heute so geändert werden – ich zitiere –: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.“

Herr Nolle, habe ich richtig gehört, dass Sie von „brauner Brut“ gesprochen haben?

Dass Sie von „brauner Brut“ gesprochen haben?

Ich habe von „brauner Brut“ gesprochen, ja.

Dann erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

(Beifall bei der NPD)

Aber ich antworte Ihnen gern auf Ihre Frage, Herr Nolle. Ich gebe Ihnen Recht und bin mit Ihnen einer Meinung. Es war notwendig, das Strafrecht in dieser Frage zu verschärfen. Wir haben selber in diesem Landtag mehrmals erleben müssen, dass ganz grenzwertig versucht worden ist, Geschichte umzuinterpretieren, um im Nachhinein Völkermord gutzuheißen und schönzureden. Ich glaube, es ist wichtig, dass diese Gesellschaft besser darauf aufpasst, dass die Regeln, die wir uns gemeinsam gegeben haben, auch eingehalten werden.

(Unruhe im Saal)

Wenn das so weitergeht, höre ich einfach auf zu reden.

(Beifall bei der NPD)

Auf Sie achte ich ja gar nicht. Das hatten wir ja schon.

Mir kommt es auf einen Punkt an. Ich möchte gern erreichen, dass wir weniger staatliche Demokratie brauchen und einen Staat, der gleich so hart auftritt, dass wir mehr Bürgerdemokratie in diesem Land haben. Wenn man sich so eine Bürgergesellschaft wünscht, würde das bedeuten, dass der Staat auch diejenigen unterstützt, die vor Ort aktiv versuchen, Toleranz auch wirklich durchzusetzen. Das sind Lehrer, Schüler, Studenten und staatsferne Initiativen, die alle versuchen, genau die Toleranz umzusetzen, die wir brauchen, um hier gemeinsam friedlich zu leben und uns unsere Zukunft zu erarbeiten. Deswegen arbeiten wir ganz gezielt darauf hin, die Bürgergesellschaft zu vergrößern und zu stärken, damit eben niemand mehr darauf angewiesen ist, weil er sich vor Ängstlichkeit krümmt, sich irgendeiner Horde von Menschen anzuschließen, die Autorität gutheißt. Deswegen glaube ich, dass wir darüber reden müssen, welche Initiativen in diesem Bereich zur Verfügung stehen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr Brangs.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst vorab eine Anmerkung: Wenn man hier natürlich stakkatohaft Hassreden vorträgt und gleichzeitig Zwischenfragen nicht zulässt, auf dem Parteitag die Öffentlichkeit ausschließt und Journalisten nicht hineinlässt, dann, denke ich, ist klar, dass Sie wirklich ein Demokratiedefizit haben.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der PDS, FDP und den GRÜNEN)

Ich glaube, dass das Thema Toleranz, Demokratie und Weltoffenheit natürlich historisch gesehen erst seit kurzer Zeit für die meisten Bürgerinnen und Bürger in Sachsen zur Lebensrealität gehört. Zu Weltoffenheit gehört aber auch die Möglichkeit zum direkten Austausch mit fremden Kulturen.

Für die Menschen in Sachsen hat das, wie wir wissen, sehr praktische Bezüge. Zum Beispiel sind sie für die notwendigen Reisefreiheiten, die wir jetzt haben, von einer überwältigenden Mehrheit vor der politischen Wende gefordert und erkämpft worden. Unser Leben ist bereits heute von einer multikulturellen Vielfalt bestimmt und es gibt keinen Lebensbereich, der davon ausgenommen ist, nicht im Sport, nicht in der Kultur und nicht in der Kunst, auch nicht in der Bildung und auch nicht im Arbeitsleben. Die Entwicklung macht also nirgendwo Halt, nicht an Grenzen, nicht an Sprachgebieten oder gar Nationen.

Grundlage des wirtschaftlichen Handelns ist der freie Verkehr und daraus schöpfen wir unseren Wohlstand und auch unsere Entwicklungspotenziale. Diese Vielfalt, in Freiheit erworben, wollen die Menschen in Sachsen.

Meine Damen und Herren, besonders die wirtschaftliche Entwicklung im Freistaat Sachsen ist von dieser international geprägten Vielfalt. Wir leben in einer immer enger werdenden wachsenden Europäischen Union und gerade

deshalb liegen unsere Entwicklungspotenziale in der stetig wachsenden globalen Vernetzung.

Weltoffenheit und Toleranz gegenüber anderen, gegenüber Fremden, sind folgerichtig die Voraussetzungen, um in dieser Welt klarzukommen. Interkulturelle Kompetenz, also auch die Frage und die Fähigkeit, sprachlich und sozial miteinander umzugehen, sind unabdingbar und zu einer Sekundärtugend geworden. Diese international und interkulturell bestimmte Entwicklung der Menschen müssen wir in allen Lebensbereichen fördern.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Sowohl in der Schule, in der Vorschule, in der beruflichen Entwicklung, aber auch in den Universitäten – dort überall findet das Leben statt und dort haben wir auch eine besondere Verantwortung.

Wir sollten aber auch dafür sorgen, dass diejenigen, die sich dieser Entwicklung stellen, mit ausreichenden Mitteln ausgestattet werden und dass sie auch ausreichende Freiräume haben. Positive Beispiele im Bereich der Tarifautonomie gibt es bereits. Es gibt Tarifverträge im Bereich der Telekom, im Bereich der Post, der Eco-Stahl, die sich in diesen tariflichen Regelungen klar dazu bekannt haben, rassistische Übergriffe in den Unternehmen nicht mehr zuzulassen und diese auch zu sanktionieren. Gleichzeitig haben wir eine solche Regelung in zahlreichen Betriebs- und Dienstvereinbarungen auch in Sachsen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

In Sachsen gibt es natürlich darüber hinaus auch Bestrebungen der Sozialpartner, in eine engere Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft „Schule und Wirtschaft“ zu treten. Gleichzeitig – das will ich an dieser Stelle auch erwähnen – gibt es zahlreiche Netzwerke, die sich mit Demokratie und Zivilcourage auseinander setzen, nicht nur in Pirna, nicht nur in Wurzen, sondern in vielen Städten in Sachsen, die sich gemeinsam in dem Projekt „Tolerantes Sachsen“ zusammengeschlossen haben. Aber auch das will ich sagen: Für dieses Thema trägt unsere gesamte Gesellschaft Verantwortung, die Unternehmen, die Wirtschaft ebenso wie die Familien und die kulturellen und sozialen Organisationen. Wir müssen nach meiner Auffassung wesentlich nachhaltiger für demokratische Grundrechte arbeiten und wir müssen vor allen Dingen dazu beitragen, dass demokratische Werte sich bilden und demokratische Werte auch gestärkt werden. Eine Möglichkeit ist das von meinem Fraktionskollegen Martin Dulig bereits genannte „Programm für Toleranz, Weltoffenheit und Demokratie“. In diesem Programm geht es uns genau darum, die Kräfte zu unterstützen, die sich dieses Themas annehmen.

Ich will es auf den Punkt bringen. Nach meiner Auffassung ist neben dem Aufstand der Anständigen ebenso ein Anstand der Zuständigen notwendig, so wie es der Politwissenschaftler Funke treffend formuliert hat.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Dies gilt für alle. Das gilt für die Politik, es gilt für Verwaltungen, Verbände, Organisationen und auch Unternehmen.

Meine Damen und Herren, zum Schluss: Mich und auch die SPD-Fraktion erfüllt es mit Zuversicht, dass der 13. Februar dieses Jahres gezeigt hat, dass die Dresdnerinnen und Dresdner sehr eindrucksvoll das Gedenken für Opfer im Krieg und von Rassismus mit ihrer Botschaft verbunden haben und diese Botschaft hieß: „Diese Stadt hat Nazis satt“.

(Beifall bei der SPD, der PDS und den GRÜNEN)

Mit diesen und anderen Symbolen wurde ganz klar eine friedliche und kritische Botschaft deutlich.

Noch eins: In diesen Tagen läuft in den Kinos ein neuer Film an – –

Bitte, Herr Brangs, zum Schluss kommen.

– über ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte, bei dem junge Menschen eindrucksvoll Zivilcourage und Demokratie bewiesen haben. Diese Menschen sollten wir ehren.

Herr Brangs, bitte zum Schluss kommen!

Wir sollten vor allen Dingen das Symbol, die „Weiße Rose“, auch für eine Botschaft deuten, die da heißt: Für die Überwindung von Krieg, Rassismus und Gewalt, gegen ideologische Versuche einiger Unbelehrbarer. Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD, der PDS und den GRÜNEN)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Eggert, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin mir gar nicht sicher, ob wir der richtige Personenkreis sind, der in Außenwirkung über Toleranz und Demokratie diskutieren sollte, weil – da nehme ich uns alle mit hinein – das zu einer Politikverdrossenheit und auch Demokratieverdrossenheit geführt hat und weil ich mir ganz sicher bin, dass diese Herren hier nicht sitzen würden, wenn wir als demokratische Parteien die richtigen Antworten für diese Probleme rechtzeitig gefunden hätten, die die Menschen in diesem Land bewegen.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage das deshalb so selbstkritisch, weil wir in Deutschland, glaube ich, inzwischen ein falsches Demokratieverständnis haben. Man glaubt, Demokratie wäre es, wenn das Bruttoinlandsprodukt, obwohl die wenigsten wissen, was das ist, steigt. Demokratie ist – das wissen besonders jene, die 1989 auf die Straße gegangen sind, um ein Regime abzuschaffen, und jetzt darauf achten, dass das nächste nicht wieder vorbereitet wird – etwas ganz anderes. Demokratie ist, dass unsere Kinder

eben nicht vom Studium ausgeschlossen werden, nur weil sie Fragen stellen, die politisch nicht opportun sind.

(Beifall bei der NPD)

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