Protokoll der Sitzung vom 23.01.2009

Großlimousinen als erste Amtshandlung im Herbst 2004 begonnen hatte. Die NPD ist auf das Mobilisierungspotenzial der Kameradschaftsszene und der sogenannten freien Kräfte angewiesen. Deshalb kann sie bei den kommenden Wahlen scheitern, wenn ihr dieses Potenzial nicht mehr zur Verfügung steht. Dieses Szenario ist angesichts der aktuellen Situation nicht unwahrscheinlich, denn das Verhältnis zwischen Kameraden und der NPD ist ohnehin immer ein Zweckbündnis gewesen denn eine Liebesbeziehung. Erst wenn es einigen Kadern allmählich dämmert, dass sie von der NPD ausgenutzt werden, ist die Zusammenarbeit schnell vorbei.

Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn die NPD in Sachsen gegenwärtig an Mitgliedern verliert, bleibt die rechtsextreme Szene insgesamt stabil. An Bedeutung verloren hätte nach der Antwort der Staatsregierung die Skinhead- und Kameradschaftsszene, dem steht aber ein kräftiges Anwachsen der sogenannten freien Kräfte gegenüber, die es noch mehr vermeiden, sich in festen Strukturen zu organisieren. Das ideologische Profil dieser freien Kräfte ist ein klar neonationalsozialistisches. Das Bild vom saufenden, glatzköpfigen Stiefelnazi, der lediglich in der Lage ist, dumpfe Parolen wiederzukäuen, stimmt nur noch teilweise. Insgesamt müssen wir eine Politisierung und ideologische Festigung innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums feststellen. Dieser Befund sollte uns zu denken geben.

Noch bedenklicher ist die Flexibilisierung innerhalb der Szene. Durch den Verzicht auf feste Organisation – –

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Herr Kollege Brangs, wollen Sie eine Zwischenfrage stellen?

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Vielen Dank! – Durch den Verzicht auf feste Organisation und den Übergang zu losen Strukturen entziehen sich ideologisch gefestigte Rechtsextremisten der öffentlichen Beobachtung und dem staatlichen Verfolgungsdruck. Man merkt den Antworten der Staatsregierung durchaus an, dass sich Phänomene wie freie Netze oder autonome Nationalisten der Beobachtungslobby des Verfassungsschutzes entziehen. Insofern ist das in den Antworten gezeichnete Bild des Rechtsextremismus durchaus lückenhaft.

Ebenso haben wir kein vollständiges Bild des rechtsextremistischen Gewaltpotenzials erhalten. Straftaten von Kameradschaftsangehörigen werden beispielsweise als solche nicht gesondert erfasst. Ich halte das für einen ausgemachten Skandal, denn so halten sich der Verfassungsschutz und die Staatsregierung beide Augen über die Verantwortung und das Gefahrenpotenzial dieser Kreise zu. Soll so etwa die Statistik über rechtsextremistische Straftaten geschönt werden, wie in Sachsen-Anhalt nachgewiesen und kürzlich in Thüringen vermutet wurde?

Vielleicht sind so die peinlichen Aussagen vieler Polizeidienststellen zu erklären, die oft zunächst keinen soge

nannten rechtsextremistischen Hintergrund von Gewalttaten zu erkennen vermögen. Auch die Aussage, dass das Potenzial der verbotenen Gruppe „Sturm 34“ noch fortbestehe, man aber keine Nachfolgeorganisation feststellen könne, empfinde ich alles andere als beruhigend.

Es gibt weitere Aspekte, die mit einer unbefriedigenden Antwort der Staatsregierung behandelt worden sind. Über intellektuelle Ströme oder Aktivitäten der neuen Rechten erfährt man nichts. Über die Unterwanderung bestimmter Strukturen oder Szenen, beispielsweise im Bereich des Fußballs, erfährt man nichts Konkretes. Unsere Große Anfrage wirft auch ein Licht auf die rege Demonstrationstätigkeit der extremen Rechten in Sachsen. Es wird sich zeigen, ob sich diese Aktivitäten auch 2009, wie im Wahljahr 2004, steigern werden. Auf jeden Fall müssen rechtsextreme Demonstrationen Anlass für Gegenaktionen der Zivilgesellschaft sein. Der zivilgesellschaftliche Widerstand kann die Nazis stoppen. Das hat das Beispiel Leipzig gezeigt.

(Beifall bei den GRÜNEN – Jürgen Gansel, NPD: Das ist der Aufruf zum Rechtsbruch!)

Bereits im kommenden Monat, am 14. Februar, werden wir anlässlich des Jahrestages der Luftangriffe auf Dresden wieder mit dem größten europäischen Naziaufmarsch konfrontiert werden. Die Antworten auf die Große Anfrage zeigen, dass eine verhältnismäßig kleine Organisation wie die sogenannte Junge Landsmannschaft Ostdeutschland in unserer Landeshauptstadt das mittlerweile wichtigste Treffen von Rechtsextremisten in Europa organisiert. Die NPD wird diesen Aufmarsch als Wahlkampfauftakt nutzen.

(René Despang, NPD: Das ist eine Lüge!)

Meine Damen und Herren! Wir erinnern uns alle an den Eklat, den der Abg. Gansel vor vier Jahren mit seiner Rede vom Dresdner „Bombenholocaust“, wie er sich auszudrücken pflegte, ausgelöst hat. Zahlreiche Dresdnerinnen und Dresdner wehren sich gegen den Missbrauch des Gedenkens an die Opfer des Luftkrieges. Ich beziehe mich bei dieser Feststellung nicht nur auf die überparteiliche Demonstration unter dem Motto „Geh denken!“, die wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützen, sondern ausdrücklich auch auf die Formen des stillen Protestes. Ich denke, dass wir Demokraten uns darin einig sind, die Naziaktivitäten in Dresden als eine widerwärtige Instrumentalisierung der Opfer des Krieges zu verurteilen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wir sollten die Dresdnerinnen und Dresdner und alle Bürgerinnen und Bürger des Freistaates Sachsen dazu ermutigen, sich gegen die Hetze und die Lügenpropaganda der Nazis zu wehren.

Meine Damen und Herren! Unsere Große Anfrage zeigt, dass es möglich ist, die NPD aus dem Landtag zu verdrängen und dass zum Rechtsextremismus immer noch viel zu tun bleibt. Dies ist nur durch eine langfristige

Stärkung der demokratischen Kultur und der Zivilgesellschaft zu erreichen, wie sie durch das Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen“ erfolgreich begonnen worden ist.

Meine Damen und Herren! Es geht aber auch um das Auftreten und die Gemeinsamkeit der Demokratinnen und Demokraten. Dazu wünsche ich uns auch und gerade in den anstehenden Wahlkampfzeiten Mut und Kraft. Ich danke auch der CDU-Fraktion, die meinen Ausführungen sicherlich sorgfältig gefolgt ist, und sie nicht mit Beifall unterbrochen hat, dazu vielleicht etwas mehr Mut zu gewinnen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und vereinzelt bei der CDU – Marko Schiemann, CDU: Das stimmt nicht! Das ist unanständig, das macht man nicht! – Zurufe von der SPD – Holger Apfel, NPD: Nun vertragt euch! Beim Kampf gegen Rechts müssen alle zusammenhalten!)

Die CDU-Fraktion erhält das Wort; Herr Bandmann, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Art und Weise, wie dieses Thema hier eröffnet wurde, konnte ich nicht den Eindruck gewinnen, dass es dem Abgeordneten ernst ist. In dieser schnoddrigen Weise runtergeleiert, war das offensichtlich eine Alibiposition. Ich hatte nicht den Eindruck, dass es dem Kollegen darum ging, dieses Thema angemessen zu behandeln.

(Beifall bei der CDU)

Die Verteidigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hat Verfassungsrang. Nach den Erfahrungen der Weimarer Republik ist eine wehrhafte Demokratie Grundvoraussetzung für ihre dauerhafte Existenz.

(Beifall bei der CDU)

Die Bekämpfung von Extremismus, insbesondere Rechtsextremismus, ist eine der wichtigsten Aufgaben des Staates und seiner Institutionen.

Aber es ist nicht allein seine Aufgabe. Alle Bürgerinnen und Bürger im Freistaat Sachsen und in der gesamten Bundesrepublik Deutschland sind gefragt. Aktives Handeln von Bürgerinnen und Bürgern ist notwendig, wenn es darum geht, extremistischen Äußerungen und Handlungen Einhalt zu gebieten. Wer Extremismus bekämpfen will, muss die Demokratie stärken. Demokratie lebt letztendlich vom Mitmachen aller. Daher gilt unser Dank als CDU-Fraktion und als Koalition allen Bürgerinnen und Bürgern, den Vereinen, Verbänden, Initiativen und Institutionen, die sich entschieden, vor allem unerschrocken und mit Nachdruck gegen Extremismus – Rechtsextremismus genauso wie Linksextremismus – engagieren.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Die Große Anfrage und die Antworten der Staatsregierung machen uns deutlich, dass man das Thema Rechtsextremismus im Freistaat Sachsen sehr ernst nehmen muss. Von den 3 000 Rechtsextremisten im Freistaat Sachsen, davon 15 % Frauen, sind mehr als ein Drittel gewaltbereit. Die Große Anfrage der GRÜNEN bestätigt aber auch, dass der Freistaat Sachsen auf dem richtigen Weg ist, Rechtsextremismus entschieden zu bekämpfen.

Der richtige Ansatz liegt zunächst in der Sensibilisierung und Aufklärung der Bevölkerung, insbesondere unserer jüngeren Menschen, die auf der Suche nach Orientierung sind. Der Bürger engagiert sich, wenn er die Unterstützung spürt, dass der Staat politisch motivierte Straftaten, egal welcher Couleur, zielgerichtet verfolgt.

Die Rechtsextremisten haben in den letzten Jahren in der Tat ihr Vorgehen geändert. Zielgerichtet werden jugendtypische Kommunikationswege, zum Beispiel das Internet und die Verbreitung von Musikkanälen und Musik genutzt. Sie erinnern sich sicher alle an die Diskussion um die sogenannte Schulhof-CD, eine gewaltverherrlichende Scheibe.

(Jürgen Gansel, NPD: Stimmt nicht, das wurde von mehreren Rechtsanwälten geprüft!)

Die Rechtsextremen änderten aber nicht nur die Kommunikationswege, sondern mitunter auch ihre gesamte äußere Erscheinungsform. Springerstiefel und Glatzen wichen pseudobürgerlichem Aussehen. Die Gedanken sind nach wie vor menschenverachtend und ausländerfeindlich geblieben, doch nach außen geben sich die Rechtsextremisten weichgespült. Nur wer genau hinsieht oder ihnen zur falschen Zeit im Weg steht, spürt die extremistische Radikalität und bekommt es mit ihnen unmittelbar zu tun.

Die Antworten zur Großen Anfrage zeigen, dass an Schulen gezielt Informations- und Aufklärungskampagnen gestartet werden. Wichtig sind Informationen über neue Erscheinungsformen des Rechtsextremismus und Aufklärung über typische, nicht immer leicht zu erkennende Verhaltensweisen rechtsextremistischer Kreise. Es gibt viele kreative Ideen, ob es Vorträge sind oder der Wettbewerb „Wölfe im Schafspelz“, bei dem Jugendliche aufgefordert waren, einen einminütigen TV-Spot zu drehen, der das Thema Rechtsextremismus und seine neuen Erscheinungsformen prägnant und kurz ins Bild setzt. Hier zahlt sich die Zusammenarbeit mit dem Bund und der Initiative „Schau hin!“ aus.

(Jürgen Gansel, NPD: Oder Kuchenbacken gegen Rechts!)

Das Landeskriminalamt hat eine Broschüre erarbeitet, die sich an Lehrer sowie Mitarbeiter der Präventionsprojekte wendet. Wissen ist wichtig. Auch das Wissen über Herrn Gansel ist wichtig. Es soll vermittelt werden, insbesondere Kennzeichen, Symbole, Organisationen oder Verhaltensweisen zu beurteilen.

Am 15. November 2007 fand in Riesa das Kommunalforum Sachsen „Kein Platz für Extremismus und Gewalt“ statt. Die Staatsregierung hatte eine Plattform für Projekte und vielfältige Maßnahmen gegen Extremismus angeboten. Über Tausend Menschen aus allen Kreisen der Bevölkerung, vor allem viele Jugendliche und Lehrer, waren gekommen. In seiner Ansprache hat der damalige Ministerpräsident Prof. Dr. Georg Milbradt dem Extremismus eine deutliche Kampfansage gemacht.

(Beifall bei der CDU)

Er hat die Bürgerinnen und Bürger aufgefordert, sich am Bürgereinsatz gegen Extremismus aktiv zu beteiligen.

Ein wichtiger Aspekt ist die entschiedene Bekämpfung extremistischer Straftaten. Das Staatsministerium des Innern hat zum 1. Oktober 2008 mit der personellen Verstärkung der Soko REX auf 30 Polizisten auf die zunehmende Anzahl von rechten Gewaltstraftaten reagiert und so ein öffentlichkeitswirksames Zeichen für ein energisches Vorgehen gegen Straftäter mit rechter Motivationslage geschaffen. Unsere volle Unterstützung hat diese Aufstockung der Soko auf 30 Beamte, die jetzt gegen Rechtsextremisten ermitteln. Und – das ist uns wichtig zu unterstreichen – es gibt viele Fahndungserfolge.

Ich kann die Beamten nur ermuntern, diesen entschiedenen und entschlossenen Kampf fortzusetzen. Der Soko REX ist es im Dezember 2008 gelungen, den Brandanschlag auf das Asylbewerberheim in Eilenburg aufzuklären. Immer wieder gelingen den Mitarbeitern des Landeskriminalamtes, der Bereitschaftspolizei in Verbindung mit der Soko REX erfolgreiche Einsätze, bei denen Computertechnik, Mobiltelefone, transparente Plakate, Springerstiefel mit Stahlkappen, Wurfmesser und Ähnliches beschlagnahmt werden.

Wichtig ist nicht nur, zu ermitteln und die Beweise beizubringen. Wichtig ist auch eine konsequente und zeitnahe Ahndung durch die Justiz.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jedes Engagement gegen Rechtsextremismus lohnt sich. Der Rechtsstaat lässt sich von denen nicht auf der Nase herumtanzen und die freiheitliche demokratische Grundordnung unterwandern.

(Beifall bei der CDU, des Abg. Martin Dulig, SPD, und des Staatsministers Geert Mackenroth)

Er setzt wirksame Mittel entgegen. Daher unterstützen wir die Beobachtung des Extremismus durch das Landesamt für Verfassungsschutz. Wir werden alles daransetzen,

(Zuruf der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

dass die politische Auseinandersetzung mit der NPD weiterhin deutlich geführt wird und ihre Praktiken und Methoden entlarvt werden.

Wenn allerdings von einem Abgeordneten der GRÜNEN der CDU hier in Sachsen eine fehlende klare Abgrenzung von der extremen NPD vorgeworfen wird, weise ich dies

mit aller Deutlichkeit und Klarheit hier im sächsischen Parlament zurück.