Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es nach den Forderungen der Linken zum Thema Zeitarbeit geht, dann haben sich in der Tat alle Probleme erledigt; denn dann wird es keine Zeitarbeit mehr in Deutschland geben.
Ich bin gespannt, was Sie dann denjenigen sagen werden, die über die Zeitarbeit überhaupt erst eine Chance hatten, wieder am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, weil sie vorher beschäftigungslos waren.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie sind billiger als ihre fest angestellten Kollegen, bekommen meist weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld und sind in Krisenzeiten die Ersten, die gehen müssen. Kurzum: Die Arbeitsverhältnisse von Zeitarbeitern sind prekär.
Allein in den vergangenen vier Jahren hat sich die Anzahl der Leiharbeiter in Deutschland auf 750 000 verdoppelt. Laut DGB ist die Anzahl von Leiharbeitnehmern in sächsischen Betrieben seit 2004 um 87 % gestiegen. Mittlerweile gibt es Unternehmen, die deutlich mehr als 20 % Leiharbeiter einsetzen. Obwohl in der Zeitarbeit das Prinzip des Equal Pay – gleiche Bezahlung für Stamm- und Leihbeschäftigte – gilt, wurde Leiharbeit massiv zu Lohndumping und Spaltung von Belegschaften missbraucht. In manchen Betrieben haben Leiharbeiter und Stammbelegschaft sogar unterschiedliche Arbeitskleidung: blaue Kittel für die Stammbelegschaft und orangefarbene Kittel für die Leiharbeiter. Deutlicher kann Diskriminierung kaum zur Schau gestellt werden!
Meine Fraktion unterstützt deshalb diesen Antrag. Darüber hinaus fordern wir, auch die anderen Formen prekärer Beschäftigung, zum Beispiel befristete Arbeitsverhältnisse oder Minijobs, einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Unsichere, unstete Beschäftigungsverhältnisse breiten sich auch jenseits der Leiharbeit aus. Befristete Verträge sind heute weitgehend Alltag beim Berufseinstieg. Aus der Generation Praktikum wird die Generation Zeitvertrag.
Darum fordern wir erstens einen gesetzlichen Mindestlohn für alle Arbeitsverhältnisse, die nicht durch einen Branchentarifvertrag oberhalb der Mindestlohngrenze geregelt sind, zweitens gleichen Lohn für Frauen und Männer und drittens geringere Sozialabgaben für Beschäftigte mit niedrigem Einkommen.
Meine Damen und Herren! Wenn es in Krisenzeiten gilt, näher zusammenzurücken, die Gesellschaft solidarischer einzurichten, dann lassen Sie uns an dieser Stelle damit beginnen!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Parteivorstand der Linkspartei hat am 13. Oktober 2007 unter dem Titel „Leiharbeit begrenzen“ ein Sieben-Punkte-Programm beschlossen. Zunächst wird in der üblichen, apodiktischen Weise festgestellt, dass die Leiharbeit gegen die Würde des Menschen verstoße.
Sodann werden Regeln aufgestellt, die eigentlich überflüssig sind, weil man statt ihrer die Leiharbeit auch gleich verbieten könnte. Ein Verbot der Leiharbeit geht an der Wirklichkeit vorbei und würde weder die Situation der Gewerkschaften, der Zeitarbeitnehmer noch der Kernbelegschaften verbessern, ob wir es nun schön finden oder nicht. Viele Unternehmen sehen sich höheren Flexibilitätsanforderungen ausgesetzt, denen sie entsprechen müssen, wenn sie sich im Wettbewerb behaupten wollen. Wenn Unternehmen darauf nicht mit Zeitarbeit reagieren können, weiten sie Überstunden aus, weichen auf andere atypische Beschäftigungsformen aus oder gehen dort hin, wo ihnen mehr Flexibilität geboten wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den vorläufigen amtlichen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit vom 17. Dezember letzten Jahres gab es 2007 in Sachsen insgesamt 35 477 Zeitarbeitnehmer. Im Jahr 2008 stieg die Zahl der Zeitarbeitnehmer insgesamt auf 40 125 an. Gleichzeitig war der Bestand an offenen Stellen für Zeitarbeitnehmer zwischen Oktober 2007 und Oktober 2008 rückläufig. Waren im Oktober 2007 noch 6 759 Stellen für Zeitarbeitnehmer bei den sächsischen Arbeitsagenturen gemeldet, so waren es im Oktober 2008 nur noch 4 882. Auch der Anteil der offenen Stellen in der Zeitarbeit an allen gemeldeten offenen Stellen sank von 22,7 auf 18,9 %.
Diese Zahlen legen die Vermutung nahe, dass in wirtschaftlich schwieriger werdenden Zeiten die Nachfrage nach Zeitarbeitnehmern sinkt. Darüber hinaus spricht vieles für die Annahme, dass entleihende Unternehmen bei notwendigem Personalabbau zunächst Verträge mit Zeitarbeitsunternehmen kündigen und dadurch die Zahl der Zeitarbeitnehmer insgesamt stärker sinkt als die Zahl der Beschäftigten, die den Stammbelegschaften zuzurechnen sind. Genau wissen wir das aber nicht, denn wir haben zwar einige Meldungen von Kündigungen in kleineren Unternehmen gegenüber Zeitarbeitsunternehmen, aber noch keine aktuellen Zahlen, die diese Annahme tatsächlich belegen.
Rein rechtlich genießen Zeitarbeitnehmer keinen geringeren Kündigungsschutz als regulär Beschäftigte. Auch können Zeitarbeitsunternehmen die verbesserten Kurzarbeitsbedingungen in Anspruch nehmen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. Deshalb habe ich die Hoffnung, dass auch in der Zeitarbeit alles getan wird, damit die Arbeitnehmer bei kurzfristigen Auftragsrückgängen nicht in die Arbeitslosigkeit geschickt werden. Streng genommen kann auch noch nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass Zeitarbeitnehmer ein deutlich höheres Konjunkturrisiko tragen als andere sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Selbst wenn die Zahl der Zeitarbeitnehmer in der Krise stärker zurückgehen sollte als die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, könnten wir noch nicht automatisch von einem höheren Konjunkturrisiko der Zeitarbeit ausgehen.
Eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigt, dass sich die Struktur der Zeitar
beitnehmer relativ deutlich von der Struktur der übrigen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten unterscheidet. Zeitarbeitnehmer sind zu einem größeren Teil männlich, zu einem größeren Teil im gewerblichen Bereich beschäftigt, im Durchschnitt jünger und geringer qualifiziert als die übrigen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Die Untersuchung deutet auch darauf hin, dass insbesondere vormals Arbeitslose und Langzeitarbeitslose über die Zeitarbeit den Sprung in den Arbeitsmarkt schaffen. Insgesamt waren rund 73 % aller neu eingestellten Zeitarbeitnehmer in Sachsen zuvor ohne Beschäftigung. Davon waren 15,2 % sogar länger als ein Jahr arbeitslos. Das spricht für eine positive Wirkung der Zeitarbeit. Die Überlassungsdauer und die Chance, über Zeitarbeit in kleinen Unternehmen einen festen Arbeitsplatz zu finden, sind allerdings im Zeitverlauf gesunken. Das wiederum spricht dafür, dass wichtige Ziele, die mit der Liberalisierung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes verfolgt wurden, nicht erreicht werden.
Eine andere Frage ist, ob es einen Trend gibt, Stammbelegschaften durch Zeitarbeitskräfte zu ersetzen. Die Tatsache, dass sich im Zeitraum von 1992 bis 2007 die Zahl der Verleiher mehr als verdreifacht und die Zahl der Leiharbeiter mehr als versechsfacht hat, spricht zunächst für diese These. Dagegen spricht, dass der Anteil der Zeitarbeitskräfte an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Ende 2007 gerade einmal 2,6 % betrug und Deutschland damit im internationalen Vergleich im unteren Mittelfeld liegt. Dagegen spricht auch, dass mehr als die Hälfte der Zeitarbeitnehmer eine Beschäftigungsdauer von weniger als drei Monaten aufweist. Insoweit ist nur schwer zu beurteilen, inwieweit die Zunahme der Zeitarbeit eine Reaktion auf wachsende Flexibilitätsanforderungen war und in welchem Maße sie benutzt wurde, um Tarifverträge oder Kündigungsschutz und Mitbestimmungsregelungen zu unterlaufen.
Bei allen Unsicherheiten und allen positiven Wirkungen der Zeitarbeit gibt es zweifelsfrei Fehlentwicklungen, mit denen wir uns nicht abfinden sollten. Wenn zwei Leute am selben Band stehen und der eine nur halb so viel Geld für dieselbe Arbeit bekommt wie der andere, dann ist das nicht hinnehmbar. Wenn jemand den ganzen Tag über arbeitet, aber von seinem Lohn nicht leben kann, dann ist das ebenfalls nicht akzeptabel. Ich bin davon überzeugt, dass wir Maßnahmen ergreifen müssen, damit in der Zeitarbeit gerechte Löhne gezahlt werden.
Einen ersten Schritt dazu hat die Bundesregierung unternommen, indem sie die Einführung eines Mindestlohnes im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz beschlossen hat. Ein solcher Mindestlohn sorgt nicht nur dafür, dass Zeitarbeitnehmer nicht mehr auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen sind, sondern er schützt auch die vielen seriösen Zeitarbeitsunternehmen vor Lohn- und Sozialdumping und nimmt schwarzen Schafen der Branche die Chance, die Zeitarbeit immer wieder in Verruf bringen.
Meiner Auffassung nach ist aber noch ein zweiter Schritt erforderlich, der folgenden Hintergrund hat. Als mit den
Hartz-Gesetzen die Liberalisierung der Zeitarbeit auf den Weg gebracht wurde, ist das Gleichbehandlungsprinzip eingeführt worden. Zeitarbeitnehmer sollten genauso bezahlt werden wie vergleichbar Festangestellte des kleinen Unternehmens. Davon sollte abgewichen werden können, wenn ein eigenständiger Tarifvertrag zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeberverband abgeschlossen wird. Das war eigentlich als Ausnahme vorgesehen. Tatsächlich aber drängten die Verbände auf Abschluss eigener Tarifverträge, was durch das Auftreten kleinerer, in Konkurrenz zum Deutschen Gewerkschaftsbund stehender Gewerkschaften erleichtert wurde. Heute ist aus der Ausnahme die Regel geworden.
Mir steht es fern, in die Tarifautonomie eingreifen zu wollen. Grundsätzlich sollten Tarifverträge Vorfahrt vor staatlichen Eingriffen genießen. Mittlerweile aber sind Zweifel aufgetreten, ob denn alle, die Tarifverträge in der Zeitarbeitsbranche abgeschlossen haben, nach dem geltenden Tarifvertragsgesetz wirklich tariffähig sind. Zur Überprüfung dieser Frage sind nach meinen Informationen einige Verfahren anhängig. Unabhängig von deren Ausgang ist es meiner Meinung nach erforderlich, die Abweichung vom Prinzip des Equal Pay einzuschränken. Die Tarifautonomie muss dort ihre Grenzen finden, wo sie ihre eigenen Grundprinzipien – dazu gehört die Zahlung von gleichem Lohn für gleiche Arbeit in den Unternehmen – gefährdet. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass nach einer gewissen Einarbeitungszeit Zeitarbeitnehmer genauso bezahlt werden wie ihre festangestellten Kollegen.
Gestatten Sie mir abschließend noch einige Bemerkungen zur aktuellen Situation beim Speicherchiphersteller Qimonda. Ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich mit dem vom Amtsgericht München zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellten Rechtsanwalt, Herrn Jaffé, gerade telefoniert habe. Er wird das Wochenende über die Situation analysieren. Auch wir werden uns in Kürze treffen, um die Situation zu sondieren und über die Beschäftigungssicherung zu beraten. Mein Staatssekretär hat darüber hinaus Kontakt mit der Agentur für Arbeit hier in Dresden aufgenommen. Sie sehen, dass die Staatsregierung bemüht ist, den Beschäftigen unter die Arme zu greifen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle fest: Die CDU boykottiert faktisch diese Debatte, ebenso die FDP.
Von Letzterer haben wir alle nichts anderes erwartet, weil sie sich nicht für Arbeitnehmerinteressen, sondern für die Unternehmer einsetzt, und zwar einseitig. Deswegen muss Ihnen die Begrenzung der Leiharbeiter ein Dorn im Auge sein. Von der CDU bin ich hier enttäuscht; denn immerhin
Bei der SPD muss ich leider feststellen: Sie sagen das Richtige, vermögen aber nicht zu handeln. Was ich Ihnen hier auch wirklich nicht durchgehen lassen kann, ist, dass Sie auf der einen Seite die negativen Auswirkungen der Leiharbeit, die nun unumstritten sein müssen, beklagen und gleichzeitig weder im Bund noch in Sachsen in der Lage sind, rechtliche Regelungen durchzusetzen. Was wir Ihnen auch nicht durchgehen lassen können, ist hier ein doppeltes Spiel insofern, als im Zuge der Hartz-Gesetze die Deregulierung der Leiharbeit mit all ihren negativen Konsequenzen ja erst das Gesetzespaket war, das die rotgrüne Bundesregierung auf den Weg gebracht hat.
Insofern ist es unseriös, wenn die SPD diese Auswirkungen hier bedauert – Sie haben sie selbst mit zu verantworten.
Im Übrigen freue ich mich, dass wir als Linke es hinbekommen, die Beschlüsse unserer Partei parlamentarisch handhabbar zu machen und in rechtliche Schritte zu gießen versuchen. Sie hingegen fassen Parteitagsbeschlüsse, Sie formulieren Presseerklärungen, aber Sie sind nicht in der Lage, auch nur eine rechtliche Verbesserung im Interesse der Leiharbeiter durchzusetzen.
Meine Damen und Herren, insbesondere zu den Aussagen, die von der FDP gekommen sind, was ich zu meinem Erstaunen aber auch von Minister Jurk hören musste: Der Boom der Leiharbeitsbranche ist aus unserer Sicht in der Tat nicht toll, sondern es ist Teil des Problems, weil es aus unserer Sicht – und die Gewerkschaften haben dort auch mit Betriebsrätebefragungen entsprechende Statistiken und Einschätzungen vorgelegt – reguläre Beschäftigung verhindert und weil es verhindert, dass die Unternehmen in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs reguläre Beschäftigungsverhältnisse schaffen, sondern statt dessen diese Schleudersitze mit dem Namen Zeitarbeit oder Leiharbeit.
Das kann keine Lösung für eine nachhaltige Arbeitsmarktpolitik sein. Deswegen bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag.
Frau Lay, möchten Sie gleich noch den Änderungsantrag einbringen? – Gut, Herr Dr. Hahn übernimmt das.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich ein wenig gewundert über die Kollegin von der CDU, die sagte, angesichts der heute entstandenen Entwicklung gebe sie ihren Redebeitrag zu Protokoll.
Wir haben auf die heutige Entwicklung mit einem Änderungsantrag reagiert. Die ersten drei Punkte des Ur
sprungsantrages hat Kollegin Lay begründet. Aber wenn wir schon eine solch dramatische Situation, wie sie heute eingetreten ist, haben und uns als Parlament dazu positionieren können, dann sollten wir diese Gelegenheit auch nutzen.
Der Ministerpräsident hat heute mit Presseerklärung um 14:03 Uhr und mit Statement vor etlichen Kameras in der Lobby eine Erklärung abgegeben. Er hat gegenüber der Presse eine Erklärung abgegeben, die er dem Parlament einmal mehr verweigert hat. Dies ist aus unserer Sicht höchst kritikwürdig. Aber er hat in dieser schriftlichen Erklärung gesagt: Wir – die Staatsregierung – glauben an die Mitarbeiter und an die Technologie von Qimonda. Und er hat erklärt, dass alles getan werden müsse, den Mikroelektronikstandort Dresden zu erhalten.