Der Mikroelektronikstandort Sachsen, Silicon Saxony, ist nicht am Ende. Wir haben 1 200 Unternehmen mit 40 000 Beschäftigten – das ist weit mehr als Qimonda. Wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass Infineon nicht mehr wollte und nicht mehr konnte, und 75 Millionen Euro waren im Verhältnis wirklich nicht viel.
Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass Fehlentscheidungen im Management getroffen wurden. Es ist nämlich nicht richtig, dass Qimonda einfach durch eine weltweite Finanzkrise in Probleme gekommen ist und man ihnen jetzt helfen muss. Hier sind Fehler im Management gemacht worden und es ist die Frage, ob es Aufgabe des Staates ist, Managementfehler auszugleichen.
Wir dürfen jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen – ich sage das auch an die Adresse der Staatsregierung; ich habe das schon positiv vernommen, was Sie unternehmen wollen –, die Hände nicht in den Schoß legen. Ein Teil des Geldes, das wir für eine Unterstützung von Qimonda eingeplant haben, sollten wir jetzt verwenden, um zum Beispiel einen Technologiefonds aufzulegen. Wir haben ja in der Region wachstumsstarke und innovative mittelständische Unternehmen genau in dieser Branche. Die haben einen Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern, diese benötigen Kapital, um weiter wachsen zu können.
Unter Umständen ist es sogar möglich, mit ihnen gemeinsam einen Teil von Qimonda auszugründen und zu übernehmen, aber zumindest einer erheblichen Anzahl von Mitarbeitern von Qimonda, die ja hoch qualifiziert und hoch motiviert sind, in anderen, neuen Unternehmen eine neue Perspektive zu bieten. Ich denke, dass diese dann neu entstehenden Arbeitsplätze allemal krisen- und zukunftssicherer wären als die möglicherweise durch ein staatliches Engagement bei Qimonda geretteten.
Das sollte der Weg sein. Wir sollten trotz aller Probleme in die Zukunft blicken und die Dinge gemeinsam anpacken. Ich denke, wir sind nach wie vor in Dresden in der Mikroelektronikindustrie so schlecht nicht aufgestellt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Ich verstehe, dass der eine oder andere von Wut oder Trauer gepackt ist; aber, meine Herren, es ist wohl nicht wirklich der Ort und auch nicht die Zeit, um jetzt ideologisches Säbelgerassel voranzubringen; denn den Wahlkampf haben wir noch das ganze Jahr.
Wenn wir einmal trocken konstatieren – vielleicht auch ein bisschen heiser –: Sachsen hat gekämpft, Respekt, Herr Wirtschaftsminister! Sie haben ein ziemlich großes Rad zu drehen versucht, und das respektiere ich.
Aber es ist offenbar geworden, dass Qimonda eben nicht unter den Schutzschirm der Bundesregierung fällt; und da war Ihr Arm dann auch zu kurz; so ist das eben.
Ich glaube auch nicht, Herr Hahn, dass es allein gereicht hätte, das schlechte Management in die Wüste zu jagen und es über eine staatliche Beteiligung zu regeln. Wenn das so helfen würde, dann hätten alle Firmen aus der DDR überlebt, indem man einfach nur das schlechte Management herausgeschickt hätte.
Soweit die Diskussionen gezeigt haben, gibt es ja doch eine moderne Technologie, die in der Vorbereitung ist. Vielleicht hätte man diese an die Weltspitze zurückbringen können. Vielleicht geht es jetzt so, wie es mit den Faxgeräten und den MP3-Playern passiert ist: Die Deutschen haben sie erfunden und die Asiaten haben sie gebaut.
Aber vielleicht hat Sachsen auch die Kraft, dabei behilflich zu sein, eine technologische Ausgründung aus der Insolvenz zu machen und diesen technologischen Schritt zu gehen.
Herr Morlok, Sie von der FDP wollten ja Qimonda einfach so pleitegehen lassen, wie Sie es öffentlich verkündet haben.
Das ist genauso wenig wirtschaftspolitisch gedacht wie das, was ich gerade kritisiert habe. Ich finde, bei einer Nothilfe für die Hypo Real Estate von 92 Milliarden Euro – bei Qimonda wäre es, im Vergleich zu diesen vielen Milliarden, um ein paar Hundert Millionen Euro gegangen – muss man sehr genau überlegen, was eigentlich mit
Bei Opel Rüsselsheim wird noch geprüft; Qimonda steht offensichtlich bei der Bundesregierung nicht auf irgendwelchen Listen, auch nicht auf der Liste der kontinentalen Schlüsselindustrien; und ich bin auch wütend, weil ich nicht glaube, dass die Autos wichtiger sind als die Chipindustrie, um es einmal auf den Punkt zu bringen.
Vielleicht hätte eine staatliche Minderheitsbeteiligung dazu beigetragen, das Management in die Wüste zu schicken – das war offensichtlich nötig –, vielleicht hätte es dazu beigetragen, fähige Leute an Bord zu halten und die neue Technologie an die Weltspitze zu bringen. Wir wissen es nicht, wir werden das jetzt auch nicht mehr erfahren; es ist müßig, darüber zu diskutieren. Aber es gibt Aufgaben zu erledigen.
Der Standort Silicon Saxony ist größer als die Firma Qimonda, und natürlich ist jetzt die Frage, was in den nächsten Tagen und Wochen passiert, um den Standort zu stabilisieren, auch wenn diese Firma in Insolvenz geht. Ich halte es für wichtig, zum Beispiel die vielen qualifizierten Arbeitskräfte hier in der Region zu halten; man kann sich überlegen, wie man das macht. Es gab bereits eine Reihe auch öffentlicher Angebote von Firmen im Bereich der erneuerbaren Energien, die in Dresden und Umgebung ansässig sind und händeringend gut qualifiziertes Personal suchen. Das ist eine Option für solche Mitarbeiter von Qimonda, und das sollte man unterstützen.
Man sollte sogar überlegen, ob man einen Stellenpool bildet und das Personal sehr schnell weitervermittelt, damit diese eben keine Abwanderungsgedanken packen. Ich bin der Meinung, dass man für den IT-Standort Sachsen gründlich überlegen muss, welche Stabilisierungs- und Stützungsmaßnahmen man finden kann, um ihn über die Weltwirtschaftskrise hinwegzubringen, und dass man prüfen muss, Herr Wirtschaftsminister, inwieweit eine technologische Ausgründung aus der Insolvenz bei der neuen Spitzentechnologie möglich und denkbar ist und wie diese aussehen sollte.
Das sind die Schritte, die ich sehe. Sichern Sie den ITStandort jenseits der Insolvenz von Qimonda. Schauen Sie, ob es eine technologische Ausgründung mit der modernen Technik geben kann, und versuchen Sie die qualifizierten Fachleute in der Region zu halten, indem Sie dabei behilflich sind, woanders eine ebenfalls gute Stelle als qualifizierte Fachkraft zu finden.
Meine Damen und Herren! So weit zu der Information des Wirtschaftsministers und den Beiträgen aus den Fraktionen.
Wir kommen jetzt zurück zur 2. Aktuelle Debatte, dem Konjunkturpaket der Bundesregierung und seinen Auswirkungen auf Sachsen, einem Antrag der Fraktion GRÜNE. Es wird zuerst die Fraktion GRÜNE sprechen, Frau Hermenau, und danach die bekannte Reihenfolge. Bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Weniger spektakulär, aber dafür ein Thema, das Sachsen selbst in der Hand hat und das nicht davon abhängig ist, ob die Bundesregierung oder die EU-Ebene mitziehen, ist die Frage, die wir heute behandeln wollen, nämlich, welche Auswirkungen das Konjunkturpaket II, das die Bundesregierung in Aussicht gestellt hat, für Sachsen und vor allem für die sächsischen Kommunen haben wird. Das jedenfalls haben wir wenigstens in der Hand, und alle, die sich für die Debatte interessieren, stochern mit der Stange im Nebel.
Wir wissen zwar inzwischen medienöffentlich, dass ein Arbeitnehmer mit monatlich ungefähr 2 000 Euro Einkommen jetzt um circa 6 Euro entlastet wird und dass der Bundesregierung 25 Kinder ungefähr so viel wert sind wie ein Neuwagen. Zu diesem Ergebnis kommt man, wenn man sich vor Augen hält, dass ein Kind mit 100 Euro Zuschuss bedacht werden soll, der Kauf des Neuwagens aber mit 2 500 Euro.
Die Verhandlungen laufen noch; aber das Land soll ungefähr 600 Millionen Euro bekommen. Spannend ist die Frage: Wie wird das zwischen Land und Kommunen aufgeteilt? Spannend ist natürlich auch die Frage, woher die 200 Millionen Euro sächsische Eigenmittel kommen sollen. Ich bin der Auffassung, dass das einen Nachtragshaushalt erforderlich machen wird; wir werden uns ja hier im März wiedersehen. Da wird wahrscheinlich das Budgetrecht des Parlamentes erheblich berührt werden.
Das Kabinett – wenn man sich die medienöffentlichen Äußerungen anschaut – hat im Prinzip eine verlängerte Haushaltsdebatte geführt und, vielleicht auch nicht ganz willentlich, eine Geberkonferenz veranstaltet. Jedenfalls sind einige Minister vorgeprescht.
Ich bin der Meinung: Dieses besondere Geld zur Stabilisierung der Wirtschaftsleistung in Sachsen muss natürlich mit einer weitsichtigen Investitionspolitik verbunden werden. Man muss die Ressorts mit einer Leitlinie zusammenbinden und darf nicht zulassen, dass nach dem Motto verfahren wird: „Jeder macht hier sein Ding, nur weil gerade Wahlkampf ist“. Wir müssen das Land dauerhaft voranbringen.
Dieses Konjunkturpaket ist ein Wirtschaftspaket, kein Wahlkampfpaket. Diese Debatte würden wir hier gern führen. Herr Wöller wurde vor wenigen Tagen in der „Sächsischen Zeitung“ zitiert: „Wöller will 250 Millionen Euro für Sportstätten“. Klingt super! Eine ganz energische Schwerpunktsetzung in der Wirtschaft!
Der Verteilungskampf, der am Kabinettstisch eingeläutet worden ist, macht, wie ich finde, deutlich, dass es hier eben nicht darum gehen kann, Sportstättenvergoldung zu
betreiben; denn die Kommunen werden in den nächsten Jahren auf den Folgekosten sitzen bleiben. Wir haben vor zwei Tagen hier in diesem Landtag über Demografie debattiert. Es ist deutlich geworden, dass die Kommunen in Zukunft immer weniger Geld haben werden, um die Kosten tragen zu können, die anfallen würden, wenn sie jetzt riesengroße Sportstättenerneuerungen betrieben und nicht nur das täten, was nötig ist. Sie bürden den Kommunen auf Dauer Lasten auf, die diese vielleicht nicht zu tragen in der Lage sind.
Es wäre natürlich richtig und klug, die bauliche und energetische Sanierung der Sportstätten so voranzutreiben, dass das Wichtige getan wird. Natürlich bin ich für die Sanierung der Sanitärtrakte oder der Decken. Das ist doch gar keine Frage. Ich bin aber auch dafür, dass eine Dämmung dieser Gebäude vorgenommen wird, um die Heizkosten in Zukunft niedrig zu halten.
Die energetische Sanierung wäre eine solche Leitidee für das Ausgeben des Geldes, das wir bekommen werden, um die Konjunktur zu stabilisieren. Es gibt dort gewaltige Potenziale. Bisher sind nur 5 % der Probleme angepackt worden. Das heißt, eigentlich wurde nichts gemacht. Die Einsparmöglichkeiten bei den Heizkosten liegen je nach Gebäudezustand zwischen 20 und 90 %! Wenn man aber weiß, dass eine Kommune ungefähr 20 %, also jeden fünften Euro, ihres Geldes dafür ausgibt, die Heizkosten in öffentlichen Gebäuden zu bezahlen, ist es doch ganz klar, dass man den Kommunen sehr helfen würde, wenn sie auf Dauer ihre Heizkosten senken könnten.
Nun ist mir klar, dass nicht alle schon alles vorgeplant in der Schublade haben. Aber ich bin der Meinung, man kann hier eine schnelle Planung für eine energetische Grundsanierung ermöglichen sowie Energieberater einschalten, um die Qualität zu sichern. Wir müssen die Kosten der Zukunft erkennen, und wir müssen sie vermeiden. Die Energiepreise des Jahres 2008 waren ein Warnschuss. Das kann sich auf Dauer nicht mehr jede Kommune leisten. Vielleicht fehlt uns die Fantasie, uns vorzustellen, dass alle öffentlichen Gebäude 2016 nicht mehr beheizt werden, weil das Geld nicht da ist. Lassen Sie sich das einmal durch den Kopf gehen! Denken Sie einmal darüber nach, was das heißt!
Also: Energie und Klimaschutz ist die eine Leitidee. Die andere wäre der Rückbau der überdimensionierten Infrastruktur. Ich verweise auf die demografische Entwicklung. Viele Strukturen werden nicht mehr von so vielen Leuten genutzt. Wir haben schon jetzt zu große Abwasseranlagen. Die Kosten für den einzelnen Bürger steigen; dort wirken die Kostenremanenzen. Man muss die entsprechende Infrastruktur zurückbauen. Das wäre, wie ich glaube, ein wichtiger Punkt, eine Leitidee, die man verfolgen könnte, anstatt dieses Sammelsurium, dieses Schrotflintenschießen zu machen.
Die Kommunen müssen meiner Meinung nach stabil am Verfahren beteiligt werden. Es macht keinen Sinn, dass
wir in einem Wahlkampfjahr eine Landesregierung haben, die der Meinung ist, sie beglückt jetzt mal die Kommunen nach Gutdünken. Die Kommunen müssen vielmehr in die Diskussion eingebunden werden. Über welche Punkte wir noch diskutieren sollten und was zum Beispiel die Kommunen machen könnten, dazu mehr im zweiten Teil der Debatte.