Protokoll der Sitzung vom 12.03.2009

Die Chance zum Handeln wurde vertan. Schlimmer noch: Die Regierung hat diesbezüglich nicht einmal ansatzweise über eine staatliche Einflussnahme nachgedacht.

Beides, meine Damen und Herren, ist verwerflich und Ausdruck einer volksfernen Politik. Denn aus unserer Sicht ist es ureigenste Aufgabe der Politik, in Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge wie etwa im Energiesektor oder in Schlüsselindustrien einzugreifen, wenn der Markt versagt oder weil er durch Kartelle gekennzeichnet und faktisch – wie eben im Energiesektor – gar nicht vorhanden ist.

Die NPD-Fraktion steht damit im absoluten Gegensatz zur vorherrschenden Marktgläubigkeit der etablierten Parteien, die einen staatlichen Eingriff in die Wirtschaft mehr scheuen als der Teufel das Weihwasser.

Für uns ist aber klar, dass es angesichts der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise zwingend notwendig ist, sich endlich vom Manchesterkapitalismus und dem neoliberalen Zeitgeist zu verabschieden und dem massiven Vermögensentzug der Nationalstaaten durch internationale Großkonzerne mit der Etablierung starker Staatsunternehmen zu begegnen, so wie es uns einige andere europäische und außereuropäische Nachbarn vorgemacht haben, Nachbarn wie die Tschechen, die eben mit dem Konzern CEZ ein Staatsunternehmen aufgebaut haben, das für den tschechischen Staat beachtliche Gewinne erzielt und sich inzwischen europaweit ausbreitet. Meine Fraktion sieht im Kauf der MIBRAG durch CEZ und den damit beginnenden Einfluss dieses Konzerns auf den deutschen Energiemarkt erhebliche Risiken für unsere Energiewirtschaft, Risiken, die mit einer staatlichen

Übernahme der MIBRAG oder einer Beteiligung hätten verhindert werden können.

Zu den Risiken selbst und der Frage, warum Staatsunternehmen in anderen Staaten – offensichtlich aber nicht in Deutschland oder in Sachsen – möglich sind, wird mein Fraktionskollege Dr. Müller in einem zweiten Beitrag noch einmal Stellung nehmen.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Die CDUFraktion, bitte.

(Heinz Lehmann, CDU: Kein Koalitionsredner!)

Ein Koalitionsredner, oder?

Gut, ich frage jetzt einmal: Wer möchte gern sprechen? Gibt es von den weiteren Fraktionen noch Redner? – Das ist nicht der Fall. Dann können Sie, Herr Dr. Müller, gleich fortsetzen.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Wir wollen keine Zeit verschwenden!)

Eine rege Debatte im Haus, das ist ja klasse!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Verkauf der MIBRAG ist vollzogen. Wie es der Titel unseres Antrags bereits sagt, ist das Ergebnis die Stärkung eines Monopolisten, der sich nun auch in Deutschland an der Preistreiberei im Energiebereich beteiligen wird.

Das SPD-geführte Wirtschaftsministerium hat dabei – wie so oft – tatenlos zugeschaut. Mein Fraktionskollege Delle hatte es bereits im vorangegangenen Beitrag angedeutet: Meine Fraktion sieht in der Übernahme der MIBRAG durch das von CEZ beherrschte tschechisch-slowakische Konsortium erhebliche Gefahren für den deutschen Energiemarkt und langfristig nicht zuletzt die Gefahr erheblicher Preissteigerungen beim Strom.

Als bekannt wurde, dass die beiden amerikanischen Eigentümer der MIBRAG einen Verkauf beabsichtigten, hatte sich meine Fraktion deshalb dafür eingesetzt, dass der Freistaat Sachsen gemeinsam mit den beiden anderen mitteldeutschen Ländern, dem Freistaat Thüringen und Sachsen-Anhalt, die MIBRAG erwerben und als Staatsunternehmen weiterführen sollte. Nur ein Unternehmen in Staatshand hätte mittelfristig die Strompreise aller Anbieter wieder auf ein Normalmaß bringen können. Unser Ruf blieb leider erwartungsgemäß ungehört.

Die einzige Stimme zum anstehenden Verkauf der MIBRAG kam seitens der Staatsregierung von Sachsens Wirtschaftsminister Thomas Jurk, der sich zwar medienwirksam um die 2 500 Arbeitsplätze bei der MIBRAG sorgte und auf zahlreiche Arbeitsplätze im Umfeld hinwies, aber außer der Sorge um die Arbeitsplätze konnte man eben nichts vernehmen.

Diese alleinige Sorge um die Arbeitsplätze war und ist aus unserer Sicht in diesem konkreten Fall eher unbegründet. Denn die MIBRAG selbst ist ein solide wirtschaftendes Unternehmen, das lediglich aufgrund der anstehenden Kosten für die Emissionszertifikate für die Amerikaner nicht mehr lukrativ genug war. Es war eben keine schwindelerregende Rendite zu erwarten. Die Gewinne des Unternehmens sind aber seit Langem stabil. Ein Indiz dafür ist nicht zuletzt die große Zahl von Kaufinteressenten.

Was Wirtschaftsminister Jurk aber völlig ausgeblendet hat, ist die Tatsache, dass mit einem anderen Eigentümer der MIBRAG auch negative Folgen für die sächsische Energiewirtschaft verbunden sein können. Man kann sich freilich auf den Standpunkt stellen, dass es doch kein Problem ist, wenn sich ein neues Unternehmen am deutschen Energiemarkt beteiligen will, weil das die Konkurrenz beleben könnte.

Wer aber heute angesichts ständig steigender Strompreise immer noch an einen echten Energiemarkt glaubt, der leidet sicherlich an Realitätsverlust. Meine Fraktion sieht in der Übernahme der MIBRAG durch CEZ eine ganze Reihe von Risiken.

Die tschechische CEZ gehört inzwischen zu den zehn größten Energiekonzernen Europas. Der Konzern hat damit bereits eine Monopolstellung erreicht und erwirtschaftet wie andere Staatsunternehmen Jahr für Jahr Gewinne in schwindelerregender Höhe. Ob ein solcher Konzern den ohnehin nicht vorhandenen deutschen Energiemarkt als Konkurrent bereichern kann, möchte ich deshalb hier stark bezweifeln.

Aufgrund der Monopolstellung, die CEZ bereits heute im europäischen Energiegeschäft einnimmt und stetig weiter ausbaut, wird sich der Käufer der MIBRAG früher oder später als neuer Zombie auf dem Energiemarkt erweisen, der seine marktbeherrschende Stellung gnadenlos auskosten wird.

Fakt ist, dass bereits jetzt ein erheblicher Teil des tschechischen Stroms nach Deutschland importiert wird. Zwar hat Deutschland derzeit insgesamt noch einen jährlichen Exportüberschuss bei Strom. Die Tschechische Republik und damit mehrheitlich der CEZ-Konzern liefert aber pro Jahr etwa 13 000 Gigawattstunden Strom nach Deutschland und ist dabei neben Frankreich der Hauptlieferant für Strom in die Bundesrepublik.

Wenn CEZ als Hauptlieferant auch noch Teile der inländischen Stromerzeugung unterhält, dürfte jedem Kind klar werden, dass der Konzern bereits jetzt mehr als eine marktrelevante Stellung eingenommen hat, zumal die Tschechen bereits angekündigt haben, ihren Strom zukünftig auch nach Osten zu exportieren. Dann ist Schluss mit billigem Strom aus Tschechien, und der Rubel rollt für das tschechische Staatsunternehmen auf deutschem Boden, weil das Unternehmen dazu in der Lage ist, das Angebot in Deutschland selbst zu verknappen. Ein weiterer Anstieg der Energiepreise und eine weitere Belastung der Verbraucher werden die Folge sein, und der viel

gepriesene Stromhandel in Deutschland gerät weiter zur Farce.

Die Frage, die sich stellt, ist also nicht nur eine Frage der Sicherung der Arbeitsplätze bei der MIBRAG, sondern vielmehr eine energiepolitische Frage, auf die unsere Regierung bisher keine Antwort gegeben hat. Die Tatsache, dass mit Vattenfall und CEZ inzwischen zwei ausländische Staatsunternehmen auf sächsischem Boden Kohle abbauen und damit Millionengewinne erzielen, ist für Sachsen und ganz Deutschland beschämend und lässt Jahr für Jahr Millionen Euro aus Deutschland abfließen.

Die Frage, warum die erfolgreiche Etablierung von Staatsunternehmen in anderen Staaten möglich ist, Deutschland und Sachsen dazu jedoch offensichtlich nicht in der Lage sind und obendrein noch die Kohlenvorräte von ausländischen Unternehmen auf deren Rechnung verstromen lassen, konnte uns im Laufe der Debatte, die es ja nicht gegeben hat, aber auch im Laufe der Vordebatten bisher noch niemand erklären. Auch die Frage, warum die Staatsregierung nicht eingreift, um die Gewinne für Sachsen und Deutschland zu erwirtschaften, konnte uns keiner erklären. Ich muss gestehen, dass wir eine Erklärung jedoch auch nicht erwartet haben. Ich kann aber versichern, dass wir die Menschen im Land über die Folgen Ihrer verfehlten Politik und Ihre Verantwortung für die ständig steigenden Strompreise informieren werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Herr Staatsminister Jurk, möchten Sie sprechen? – Bitte.

(Gitta Schüßler, NPD: Jetzt kommt die Erklärung!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Grundprinzip einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung ist, dass private Unternehmen aus eigenem Gewinnstreben heraus auf dem Markt möglichst effizient konkurrieren. Diese unternehmerische Motivation, in neue Felder zu investieren, um Gewinne zu realisieren, kann nicht durch staatliche Planungsprozesse ersetzt werden. Ich denke, dies hat unsere eigene Vergangenheit eindrucksvoll gelehrt.

Die derzeitigen Bemühungen des Bundes und der Länder zur Unterstützung von strategisch wichtigen Unternehmen sind auf Unternehmen gerichtet, die sich im weitesten Sinne in Schwierigkeiten befinden. Hieraus eine mehr als populistische Forderung abzuleiten, dass man dann doch auch gleich noch mehr, also auch die gesunden Unternehmen wie die MIBRAG, verstaatlichen könnte, zeigt, dass der Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen wirklich nicht funktioniert.

Die öffentliche Verantwortung für die hier in Rede stehende Daseinsvorsorge beschränkt sich nach Ansicht der Staatsregierung auf die Gewährleistung einer sicheren und

bezahlbaren Energieversorgung für Haushalte und Unternehmen. Die Staatsregierung sieht die Energieversorgung in Sachsen nicht als gefährdet an. Daher besteht kein Anlass für eine staatliche Intervention, schon gar nicht mit solch schweren Markteingriffen wie der Verstaatlichung von Unternehmen.

Es ist gerade umgekehrt: Hier in Sachsen haben wir Rahmenbedingungen geschaffen, die geeignet sind, unseren heimischen Rohstoff Braunkohle für die Energieversorgung auch weiterhin zu nutzen. Wenn diese Rahmenbedingungen Anreiz für Investoren und Investitionen in Sachsen sind, so freut uns das natürlich. Wir wären sehr froh, wenn es gelingen würde, auch für die Unternehmen in Schwierigkeiten Investoren zu finden, um so staatliche Interventionen zu vermeiden.

Auch bei den Unternehmen in Schwierigkeiten bemühen wir uns zunächst, die Rahmenbedingungen entsprechend anzupassen. Wir bemühen uns mit Sicherheit nicht, diese Unternehmen mit öffentlichen Mitteln zu kaufen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich habe schon darauf gewartet.

Herr Dr. Müller, bitte.

Herr Staatsminister Jurk, für mich stellt sich wirklich die Frage: Wieso können andere Staaten – wie Schweden oder die Tschechische Republik – staatliche Unternehmen so führen, dass sie Gewinne erwirtschaften und damit die Staatskasse bereichern, dies jedoch in Sachsen und Deutschland nicht möglich erscheint? Diese Frage haben Sie bis jetzt nicht beantwortet.

Dann hören Sie mal noch ein wenig zu.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Es ist durchaus nicht so, dass die Staatsregierung im konkreten Falle der Veräußerung der MIBRAG untätig die Entwicklung abgewartet hat. Die MIBRAG hat die betroffenen Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt zeitnah im notwendigen Umfang über die Verkaufsverhandlungen informiert. Noch vor dem Vertragsabschluss hat sich der neue Eigentümer in meinem Hause vorgestellt und seine Ziele erläutert. Wir freuen uns, dass es gelungen ist, einen finanzstarken neuen Eigentümer für die MIBRAG zu finden. Das war der Anlass, der auch die amerikanischen Eigentümer dazu bewegt hat, sich auf den Märkten umzuschauen, wer die Anteile erwerben kann.

Für uns jedoch lag das Ganze im eigenen Interesse; denn wir haben eher ein gutes Gefühl, sowohl für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der MIBRAG als auch für die Zukunft des mitteldeutschen Energiewirtschaftsstandortes, und ich möchte deutlich sagen: Sie haben die Probleme mit dem Zertifikathandel angesprochen. Ich denke, dass sie manchmal etwas überbetont werden, allerdings

steht eines fest: Geld verdienen Sie im Moment mit der Erzeugung von Strom nicht im Tagebau; das muss man wissen. Insofern ist der Einstieg in einen Tagebau etwas anderes als direkt in die Energieversorgung, und wir sind deshalb froh, dass der Abbauprozess in Sachsen durch ein namhaftes Unternehmen gewährleistet wird, allerdings mit dem Know-how und der Kompetenz der Beschäftigten in der MIBRAG.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sehen für Ihren Antrag kein Erfordernis.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Das Schlusswort, bitte, Herr Dr. Müller. – Kein Bedarf mehr? – Gut. Somit lasse ich nun über die Drucksache 4/14824 abstimmen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei wenigen Stimmen dafür wurde der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt und rufe auf

Tagesordnungspunkt 6