Protokoll der Sitzung vom 12.03.2009

Herr Brangs, Sie haben verschiedene Sachen in einen Topf geworfen. Dieser Antrag bezieht sich auf eine Gruppe von Menschen, und zwar auf Kinder und Erwachsene, die ALG II beziehen. Die Kindergelderhöhung kommt diesen Menschen nicht zugute und verschiedene andere Dinge, die Sie hier angeführt haben, auch nicht, so wünschenswert das ist und so sehr sich alle Leute, die Arbeit haben, darüber freuen – vom Hartz-IV-Regelsatz wird es einfach mal abgezogen.

Ansonsten möchte ich Folgendes anregen: Sobald das Protokoll vorliegt, bitte ich das Präsidium zu prüfen, ob für den Debattenbeitrag, den Herr Apfel hier gehalten hat, nicht ein Ordnungsruf zu erteilen wäre.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Wird von den Fraktionen weiter das Wort gewünscht? – Dann frage ich die Staatsregierung. – Herr Minister Kupfer spricht für Frau Staatsministerin Clauß.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie verlangen in Ihrem Antrag eine Anhebung der Regelleistung für Kinder und Jugendliche nach SGB II. Die Regelleistung soll sofort und auf die Höhe des Regelsatzes für alleinstehende oder alleinerziehende Personen angehoben werden. Im Einzelfall soll auch auf weiteren Bedarf individuell reagiert werden. Diese Forderung ist pauschal und undifferenziert. Sie ignoriert, dass die Bundesländer und damit auch Sachsen in dieser Sache bereits aktiv geworden sind, und sie verkennt, dass HartzIV-Leistungen einer bestimmten Systematik folgen.

Wie Sie sehr gut wissen oder zumindest wissen sollten, hat die Arbeits- und Sozialministerkonferenz die Bundesregierung bereits aufgefordert zu überprüfen, ob die Leistungen für Kinder und Jugendliche nach den SGB II und SGB XII tatsächlich bedarfsgerecht sind. Damit sollen die besonderen Bedarfe von Kindern und Jugendlichen geprüft werden, die sich aus ihrer Entwicklung ergeben, also daraus, dass sie wachsen, dass sie zur

Schule gehen und vieles mehr. Parallel dazu gab es Vorstöße im Bundesrat. Leider gibt es bis jetzt keine Antwort von Herrn Bundesminister Scholz. Herr Krauß ist schon darauf eingegangen.

Aber unabhängig von diesen Vorstößen: Die Leistungen des SGB XII und des SGB II sind pauschalierte Leistungen. Ein zusätzlicher Bedarf kann nur in ganz wenigen und definierten Ausnahmefällen geltend gemacht werden. Die von Ihnen geforderte breite Ausweitung für tägliche Bedarfe würde die gesetzliche Leistung absolut unkalkulierbar machen.

Was Ihre zweite Forderung betrifft: Die Bundesländer haben ganz nachdrücklich dafür gekämpft, dass die Kinderregelsätze neu abgestuft werden. Außerdem haben wir erreicht, dass der einmalige Kinderbonus und das Schulbedarfspaket eingeführt wurden. Damit ist ein Teil Ihrer Forderungen bereits erfüllt.

Aber ich möchte doch noch etwas zu bedenken geben: Wir sprechen hier von Kindern und Jugendlichen, die in Familien leben. Sie verlangen, dass diesen Kindern und Jugendlichen erhebliche Mittel regelmäßig zufließen und in Einzelfällen auch weitere Bedarfe geltend gemacht werden können. So eingängig diese Forderung nach mehr Geld für Kinder in Hartz-IV-Haushalten sein mag – Sie übersehen dabei etwas. Sie übersehen, dass es in Sachsen mehr als eine halbe Million Kinder gibt, die in den allermeisten Fällen von ihren Eltern ernährt, erhalten und finanziert werden, von Eltern, denen es oft auch nicht ganz leicht fällt, diese Mittel aufzubringen, von Eltern, die einer Arbeit nachgehen und Steuern zahlen, oder von Alleinerziehenden, deren Einkommen gerade so ausreicht, um sich und die Kinder zu versorgen. Ich halte es deshalb für unseriös, meine Damen und Herren, diese Menschen noch stärker zu belasten, denn das würde über die Steuergelder geschehen, und ich halte es für nicht gerechtfertigt, wenn zusätzliche Leistungen außerhalb der Regelleistungen im Einzelfall dazu führen würden, dass die Begünstigten im Ergebnis besser dastehen würden als Erwerbstätige knapp oberhalb der Bedürftigkeitsschwelle.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Das Schlusswort hat die Linksfraktion; Herr Neubert, bitte. – Es handelt sich noch um einen Redebeitrag.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe in meinem Eingangsredebeitrag schon gesagt, dass das Argument, dass kein Geld da sei, im Moment ein schwaches Argument ist. Wir reden über Milliarden, die zur Verfügung gestellt werden, wobei wir an bestimmten Stellen Fragezeichen setzen, wir aber auch in vielen Fällen dabei sind. Das Problem ist, dass dieses steuerfinanzierte Geld eben nicht für die Ärmsten der Armen eingesetzt wird. Das ist der Kritikpunkt.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Warum setzen wir das Geld denn nicht dort ein und können uns ganz sicher sein, dass es auch in den Kreislauf des Konsums hineinkommt?

Herr Krauß – wo sitzt er denn? –,

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion: Er sitzt in Ihrem Nacken! – Heiterkeit)

zu Ihrer Bemerkung, dass es widersprüchliche Forderungen sind: Dieser Antrag besteht aus zwei Punkten, die – ich habe das in einer Zwischenfrage im Grunde schon angedeutet – eine unterschiedliche Zeitperspektive bedienen. Der erste Punkt besagt, dass wir ein Gerichtsurteil haben. Das ist auch das Neue, Herr Brangs, was diese Diskussion von der zuletzt geführten unterscheidet. Wir haben ein Gerichtsurteil, das besagt: Diese Unterteilung seitens der Bundesregierung ist rechtswidrig. Wir sagen, dass wir das beheben möchten. Wir unterbreiten den Vorschlag, es dem Regelsatz der Erwachsenen anzugleichen. Man kann auch andere Vorschläge unterbreiten, wie man sozusagen diesem Richterspruch entgeht, und zwar bis zu dem Punkt, wo eine Expertenkommission einen Bedarf ermittelt.

Wenn der Bedarf jetzt schon vorliegen würde, wenn die in Berlin ihren Job gemacht und den Bedarf ermittelt hätten, dann hätte man den Satz auch jetzt schon genau auf diesen Bedarf heben können. Aber das ist nicht der Fall. Das heißt für uns, die Übergangsforderung zu stellen, die da lautet: Wir gehen auf den Regelsatz der Erwachsenen, und wenn dann der Bedarf ermittelt wird, nehmen wir diesen Bedarf.

Ich habe es angedeutet: Wir haben hier natürlich einen Beschluss gehabt, wir haben schon vielfältige Diskussionen geführt. Ich finde es schwierig, Frau Schütz, das als Schaufensterdiskussion zu diskreditieren. Der Punkt ist doch einfach folgender: Wenn sich etwas geändert hätte, seitdem wir die Beschlüsse hier gefasst und die Diskussion hier geführt haben, wäre das gut. Es hat sich aber nichts geändert.

Im Jahr 2007 bereits hat die Sozialministerkonferenz einstimmig erklärt, dass dieser Regelsatz neu entwickelt werden soll. Im Mai letzten Jahres hat der Bundesrat auf der Basis eines Landesantrages von Nordrhein-Westfalen den Beschluss gefasst, dass es eine neue Festsetzung geben soll. Das ist genau das, was wir in Punkt 2 noch einmal formuliert haben, nämlich eine eigene Festschreibung vorzunehmen. Das haben wir im Landtag zwar auch schon einmal in Gänze beschlossen, aber es tut sich ja nichts.

Ganz nebenbei gesagt: Der Antrag, der im Bundesrat beschlossen wurde – ich erspare es mir, ihn im Detail hier

vorzulesen, obwohl das sehr interessant wäre –, liest sich im Grunde wie ein Antrag der Linken. Dieser Antrag wurde im Bundesrat angenommen, aber es passiert einfach nichts. Nach dem Bundesgerichtsurteil sagt Herr Scholz, 2009 finde das nicht statt. Das halten wir für unerhört. Genau das ist der Grund, warum der Antrag heute auf der Tagesordnung steht.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wenn Sie sich den Beschluss des Bundesrates anschauen, werden Sie auch sehen, dass dort auch Optionen beispielsweise hinsichtlich zusätzlicher Leistungen oder Optionen von Sachleistungen, die kostenfrei zur Verfügung gestellt werden, etwa ein kostenloses Mittagessen, integriert sind. Das sind nicht irgendwelche Hirngespinste, die wir als Fraktion DIE LINKE hier einbringen, sondern das sind Dinge, die im Bundesrat diskutiert und beschlossen wurden.

Ein abschließendes Wort vielleicht noch zu Herrn Brangs – Sie brauchen nicht die Augen zu verdrehen, Entschuldigung, ich halte das für ein wichtiges Thema, Herr Brangs –: In dem Gerichtsurteil steht auch ganz klar, dass diese 60 und 80 % willkürlich festgelegt und nicht auf der Basis eines Warenkorbes, einer Expertenkommission etc. ermittelt wurden. Das ist doch der Punkt und die Wahrheit.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Herr Neubert, ich muss noch einmal fragen: Wollten Sie das Schlusswort noch halten?

Nein, aber ich möchte um getrennte Abstimmung bitten.

Dann lasse ich jetzt über den Antrag der Linksfraktion in der Drucksache 4/14586 abstimmen.

Ich beginne mit Punkt 1. Wer möchte seine Zustimmung geben? – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einer Reihe von Stimmen dafür ist Punkt 1 dennoch abgelehnt worden.

Ich rufe den Punkt 2 des Antrags auf. Wer gibt die Zustimmung? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Gleiches Abstimmungsverhalten.

Beide Punkte wurden abgelehnt. Damit ist eine Gesamtabstimmung nicht mehr erforderlich.

Meine Damen und Herren! Ich schließe den Tagesordnungspunkt 4 und rufe auf

Tagesordnungspunkt 5

Untätigkeit der Regierung fördert Monopolisten und Preistreiberei im Energiebereich – Staatlichen Einfluss auf dem Energiesektor stärken

Drucksache 4/14824, Antrag der Fraktion der NPD

Die einreichende Fraktion beginnt. Danach folgen CDU, Linksfraktion, SPD, FDP und die Fraktion GRÜNE sowie die Staatsregierung. Herr Abg. Delle, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unser vorliegender Antrag, der sich mit dem inzwischen besiegelten Verkauf der Mitteldeutschen Braunkohle AG an den tschechischen Konzern CEZ befasst, verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele.

Zum einen fordert unsere Fraktion Aufklärung über das Engagement und den Einfluss der Staatsregierung in der Verkaufsphase und eine Folgenabschätzung des Verkaufs der MIBRAG an CEZ hinsichtlich seiner wirtschaftspolitischen Auswirkungen auf das Land und die Verbraucher.

Zum Zweiten wollen wir die grundsätzliche Bereitschaft und die Möglichkeit des Freistaates Sachsen hinsichtlich eines staatlichen Engagements in Schlüsselindustrien wie etwa der Energieversorgung näher beleuchten.

Die Kernfrage dabei ist natürlich, warum andere Staaten in der Lage sind, mit Staatsunternehmen erfolgreich zu wirtschaften und Milliardengewinne zu erzielen, was in Deutschland wie auch im Freistaat Sachsen offensichtlich aber nicht möglich sein soll.

Meine Damen und Herren! Der heutige Antrag ist eine logische Folge unseres vorangegangenen Antrages vom September letzten Jahres, in dem wir beantragt hatten, den Erwerb der MIBRAG durch den Staat bzw. die öffentliche Hand prüfen zu lassen, um zumindest mithilfe eines staatlichen Energieunternehmens wieder etwas Einfluss auf den Energiesektor zurückzugewinnen. Der Antrag, der lediglich zuerst einmal den Vorschlag einer Prüfung beinhaltete, wurde wie üblich von Ihnen abgelehnt.

Inzwischen ist der Vertrag mit der CEZ unter Dach und Fach und meine Fraktion muss davon ausgehen, dass weder ein Eingreifen des Staates in Erwägung gezogen wurde, noch dass es bei der Staatsregierung überhaupt Überlegungen zu den möglichen Folgen der Investitionstätigkeit der Tschechen auf dem deutschen Energiemarkt gegeben hat.

Aus unserer Sicht ist deshalb zu klären, ob es am fehlenden Willen oder am fehlenden Können der Staatsregierung gelegen hat.

Ich möchte für meine Fraktion betonen, dass wir die vorherigen Eigentümer der MIBRAG, zwei amerikanische Investoren, auch nicht für das Gelbe vom Ei gehalten haben. Denn schließlich war für die Verkaufsentscheidung der MIBRAG nach deren Lesart einzig und allein die zu geringe Kapitalrendite ausschlaggebend.

Für die Amerikaner war das für Sachsen durchaus bedeutsame Unternehmen MIBRAG also ohnehin kein Wirtschaftsfaktor, sondern nur ein Instrument zur Gewinnmaximierung ihrer Aktionäre. Meine Fraktion weint deshalb den Amerikanern keine Träne nach. Wir sind vielmehr der Auffassung, dass bereits die vollständige Privatisierung, also der Ausverkauf der früher volkseigenen Braunkohlenindustrie der DDR, ein Fehler war. Der Staat hat sich damals selbst der letzten Einflussnahme auf dem Energiesektor beraubt und alles in die Hand der Großkonzerne gegeben, die nun schalten und walten können, wie sie wollen.

Die Chance, die sich mit dem anstehenden Verkauf der MIBRAG im letzten Herbst geboten hatte, war also eine einmalige Gelegenheit, nach langen Jahren des Ausverkaufs der energiepolitischen Daseinsvorsorge endlich eine Wende einzuleiten und mit dem Erwerb der MIBRAG einen Teil der staatlichen Kontrolle im Energiesektor zurückzugewinnen.

Die Chance zum Handeln wurde vertan. Schlimmer noch: Die Regierung hat diesbezüglich nicht einmal ansatzweise über eine staatliche Einflussnahme nachgedacht.