Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall. Herr Staatsminister Jurk, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach einer für Sachsen guten Beschäftigungsentwicklung in den letzten beiden Jahren sind die Auswirkungen der globalen Finanzkrise nunmehr auch bei uns deutlich zu spüren. Gab es in Sachsen im
Oktober 2008 nur knapp 3 000 Kurzarbeiter aus wirtschaftlichen Gründen, waren es im Dezember 2008 bereits 11 095 Personen. Um die Zahlen richtig einzuordnen: Wir sprechen natürlich über Kurzarbeit aus wirtschaftlichen Gründen; die Zahlen habe ich genannt. Es gibt aber auch saisonbedingte Kurzarbeit; ich denke dabei insbesondere an die Bauwirtschaft. Dies muss man gesondert betrachten. Ich warne davor, die Zahlen zu sehr pauschal anzuschauen.
Bekannt ist Ihnen sicher, dass die Anzahl der Anzeigen – damit hat Herr Morlok recht; es geht um Anzeigen – über Kurzarbeit im Februar 2009 erneut sprunghaft angestiegen ist. So wurde im Februar für rund 34 761 Personen Kurzarbeit aus wirtschaftlichen Gründen angezeigt. Als Vergleichszahlen: Im Januar waren es 17 499 und im Dezember 12 422 Anzeigen.
Täglich erreichen uns neue Nachrichten über die Auswirkungen der Finanzkrise. Sie machen vielen Bürgern Angst. Nachrichten über Rettungsschirme mit riesigen Geldsummen werden hinterfragt. Dazwischen gibt es aber auch Meldungen, dass Unternehmen neue Arbeitsplätze schaffen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe mich in den letzten Wochen auf Messen wie der intec in Leipzig, der Cebit in Hannover und gerade gestern der ITB in Berlin mit Unternehmerinnen und Unternehmern unterhalten, und es gibt viele, die durchaus optimistisch in die Zukunft blicken. Dies sollten wir auch in Zeiten einer Krise nicht übersehen und uns kein falsches und verzerrtes Bild glauben machen lassen; denn ich habe insbesondere auf der intec in Leipzig mitbekommen, dass nicht nur die Messe anhand der Aussteller und Besucher gewachsen ist, sondern es gab dort Unternehmer, die mehrfach betont haben: Wenn wir nicht täglich Zeitung lesen und fernsehen würden, dann hätten wir auf der Messe nicht das Gefühl gehabt, dass wir eine Krise haben.
Ich will das jetzt nicht beschönigen, aber auch dieses Bild gehört zur gesamten Wahrheit der Stimmung in der Wirtschaft. Genauso wichtig ist aber, dass die Politik den Menschen im Land genau erklärt, was warum geschehen ist und vor allem warum und wie die Politik handeln will.
Die Realität hat längst alle eingeholt. Deshalb müssen wir das vorhandene Vertrauen in unser Wirtschafts- und Sozialsystem, das heißt auch in unsere Demokratie, stärken. Nur durch Vertrauen lässt sich die Wirtschaftskrise überwinden. Das Zelebrieren von Untergangsszenarien ist eine zeitgemäße Form des Aberglaubens.
Im Mittelalter hieß es dann: Tue Buße! Ein Journalist hat das kürzlich übersetzt in: Her mit der Kohle!
Mit dem Konjunkturpaket I sollen die Stabilisierung des Finanzsystems erreicht und die Auswirkungen der Erweiterung der Krise der Finanzmärkte auf die Realwirtschaft
so weit wie möglich verhindert werden. Mit dem Konjunkturpaket II haben wir die Chance, die Wirtschaftskrise nicht zu einer Beschäftigungskrise werden zu lassen. Im Vordergrund stehen dabei nicht nur der Erhalt von Arbeitsplätzen, sondern vor allem die wirtschaftliche Zukunft und die Innovationsfähigkeit unserer Unternehmen.
Mit dem „Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland“, wie es amtlich heißt, steht ein handfestes Mittel bereit, um der drohenden Gefahr von Arbeitslosigkeit entgegenzutreten und die Grundlage für eine erfolgreiche Entwicklung zu schaffen. Insbesondere die neuen Qualifizierungs- und Kurzarbeiterregelungen stellen Möglichkeiten dar, die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf den Arbeitsmarkt und für die auf diesem Markt beschäftigten Personen abzufedern. Die Vereinfachung und die Entbürokratisierung der Verfahren bei Kurzarbeit und die finanziellen Entlastungen machen Kurzarbeit sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer attraktiver.
Wesentliche Änderungen bei der Kurzarbeit sind: Die Arbeitsagenturen erstatten die Hälfte der Beiträge zur Sozialversicherung, die auf Kurzarbeit entfallen. Bei Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter während der Kurzarbeit können es sogar bis zu 100 % sein. Um für einen oder mehrere Beschäftigte Kurzarbeitergeld zu beantragen, reicht ab sofort der Nachweis eines Entgeltausfalls von mehr als 10 %. Die Bedingung, dass mindestens ein Drittel der Belegschaft von einem Entgeltausfall betroffen sein muss, wird ausgesetzt. Arbeitszeitkonten müssen vor Bezug des Kurzarbeitergeldes nicht ins Minus gebracht werden. Ab dem 1. Januar 2008 durchgeführte vorübergehende Änderungen der Arbeitszeit aufgrund von Beschäftigungssicherungsvereinbarungen wirken sich nicht negativ auf die Höhe des Kurzarbeitergeldes aus. Kurzarbeitergeld kann nun auch uneingeschränkt für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer sowie für befristet Beschäftigte beantragt werden. Die Antragstellung und das Verfahren zum Kurzarbeitergeld werden vereinfacht. Weiterbildungsmaßnahmen für Beschäftigte während der Kurzarbeit werden umfangreich gefördert.
Für besonders wichtig halte ich dabei die Regelungen für die Leiharbeitnehmer. So werden sowohl die Regelungen zum Kurzarbeitergeld als auch jene zum Saisonkurzarbeitergeld auf die Leiharbeiter übertragen. Dadurch wird verhindert, dass Leiharbeitnehmer, deren Beschäftigungsverhältnisse ohnehin ein geringes Sicherungsniveau aufweisen, in der Arbeitsförderung benachteiligt werden. Darüber hinaus profitieren Leiharbeitnehmer sowohl von den erweiterten Möglichkeiten der Qualifizierung im Programm „Wegebau“ als auch von der Förderung der beruflichen Weiterbildung, die bei Leiharbeitnehmern auch dann möglich ist, wenn sie von dem Zeitarbeitsunternehmen wieder eingestellt werden, für das sie zuletzt tätig waren.
Die befristete Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitgebers für den Kurzarbeitergeldanteil entlastet
besonders die Arbeitgeber. Von den Qualifizierungsmaßnahmen profitieren jedoch alle. „Kurzarbeiten – lange profitieren“ – dieser Slogan, mit dem die Arbeitsagenturen in Sachsen gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen für die Inanspruchnahme der neuen Regelungen zur Kurzarbeit werben, bringt unser Anliegen in kürzester Form zum Ausdruck.
Die Möglichkeiten der Qualifizierung während der Kurzarbeit wurden allerdings bis jetzt zu wenig genutzt. Nach Angaben des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) geschieht die Koppelung der Kurzarbeit im Moment in nur etwa 5 % der Fälle. Wir alle wissen, dass Deutschland im internationalen Vergleich bei der betrieblichen Weiterbildung nur Mittelmaß ist. Umso wichtiger ist es, Kurzarbeit auch als Chance für Bildung zu begreifen. Qualifizierung schützt vor Arbeitslosigkeit und bringt uns Produktionsvorteile. Sie stärkt sowohl die Beschäftigungsfähigkeit unserer Arbeitnehmer als auch die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen.
Die Redlichkeit gebietet es, darauf hinzuweisen, dass die Ausweitung der Kurzarbeit auch Risiken mit sich bringt. So hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung kürzlich darauf hingewiesen, dass die neuen Regeln zu verstärktem Missbrauch der Kurzarbeit, vor allem aber zu Mitnahmeeffekten führen können. Es kann in einigen Fällen sogar dazu kommen, dass Kurzarbeit im Endeffekt nicht günstiger ist als Arbeitslosigkeit. Dennoch resümiert das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: „Mit Blick auf die derzeitige Sondersituation wird man solche Mitnahmeeffekte aber in Kauf nehmen müssen, da man sich von den Regelungen ein Abbremsen des Beschäftigungsabbaues versprechen kann.“
Ich halte es zum jetzigen Zeitpunkt jedoch für müßig, darüber zu diskutieren. In wenigen Wochen wissen wir mehr darüber. Entscheidend ist für mich die Ausgewogenheit der Regelungen. Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber profitieren von den neuen Regelungen. Arbeitnehmer behalten insbesondere ihren Arbeitsplatz. Allerdings reduziert sich das verfügbare Einkommen, das muss man schon in Rede stellen.
Bei Betriebsbesuchen habe ich mich häufig darüber informiert, in welcher Weise Kurzarbeit durchgeführt wird. Ganz im Gegensatz zu der Zeit Anfang der Neunzigerjahre – Sie wissen: Treuhand, Kurzarbeit Null – wird
in vielen Betrieben nur ein geringer Anteil der Arbeitszeit als Kurzarbeit gefahren. Das heißt, die Leute fallen nicht automatisch auf Kurzarbeit Null und damit auf das entsprechende Niveau von Arbeitslosengeld I. Die Unternehmen wiederum können wichtige Fachkräfte und ihr Know-how halten, sparen damit Transaktionskosten, erhalten ihre Beschäftigungsstruktur und sind damit gut für den mit Sicherheit kommenden konjunkturellen Aufschwung gerüstet.
Insofern können wir feststellen, dass die Kurzarbeit von den Unternehmen als ernst zu nehmende Alternative zur betriebsbedingten Kündigung bereits jetzt gut angenommen wird. Damit keine Missverständnisse auftreten: Hohe Werte für Kurzarbeit sind keine Erfolgsmeldung. Aber jede Anzeige von Kurzarbeit bedeutet eben auch, dass eine Kündigung abgewendet werden konnte.
In der Debatte habe ich festgestellt, dass man gegen das Instrument der Kurzarbeit eigentlich nichts einzuwenden hatte. Gemeinsam sollten wir aufklären und informieren. Wir machen das im Ministerium, auch mithilfe der Kammern. Bitte tun Sie als Abgeordnete das auch. Informieren Sie über die Möglichkeiten der Kurzarbeit, damit die Unternehmen nicht wirklich kündigen! Bevor es zu spät ist, sollte informiert werden.
Für die ausführliche Debatte bedanke ich mich. Ich sage zu, dass der Hinweis zur Frage der Beteiligung der Unternehmen an entsprechenden Programmen geprüft wird. Allerdings sollten Sie bedenken, dass die Programme der Europäischen Union immer den beihilferechtlichen Tatbestand zu berücksichtigen haben. Das heißt, wir können keine 100-%-Förderung vornehmen; denn sonst hätten wir ein Beihilfeproblem. Aber ich lasse das noch einmal prüfen.
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die 1. Aktuelle Debatte, beantragt von den Fraktionen der CDU und der SPD zum Thema „Mit Qualifizierungs- und Kurzarbeitsregelungen dem nachfragebedingten Personalabbau in der sächsischen Wirtschaft wirkungsvoll zu begegnen“, beendet.
Zunächst spricht die Linksfraktion. Danach folgen CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung. Die Debatte ist eröffnet. Das Wort hat die Linksfraktion; Frau Falken, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Stimmung an den sächsischen Schulen unter den Lehrerinnen und Lehrern ist sehr schlecht. Die Forderung der demokratischen Oppositionsfraktionen, der Gewerkschaften und der
Eltern nach einem Gesamtkonzept zur Personalentwicklung im Schulbereich wurde bereits mehrfach gestellt. Bis heute liegt ein solches Konzept nicht vor, auch nicht unter der Mitregierung der SPD.
Ich bin mir sicher, dass auch die Kollegen der SPD – und ich glaube sogar die Kollegen der CDU – in den Fraktionen ein solches Konzept wollen. Demzufolge sollten sie es endlich fordern.
Die hohe Streikbereitschaft der sächsischen Lehrerinnen und Lehrer ist ein Zeichen der hohen Unzufriedenheit mit dieser Situation. Diese bezieht sich auf die Arbeits- und Einkommenssituation und die Benachteiligung der Kolleginnen und Kollegen im Verhältnis zu den anderen Bundesländern.
Ich kann hier und heute nur einige Beispiele der Probleme an sächsischen Schulen, bezogen auf die Lehrerinnen und Lehrer, darstellen. Wenn wir alle aufzeigen wollten, würden wir mehrere Tage brauchen, und dafür habe ich heute leider nicht genügend Zeit.
Das alles sind Probleme, die in Sachsen gelöst werden können und müssen. Es sind Probleme, die an sächsischen Schulen für Lehrerinnen und Lehrer auftreten. Wir müssen sie sofort anpacken. Natürlich geht es dabei auch um das Geld. Ich möchte Ihnen einige Beispiele nennen, wie sächsische Lehrerinnen und Lehrer im Freistaat Sachsen bezahlt werden, und das seit nunmehr 20 Jahren.
Knapp 50 % der Grundschullehrer haben eine Eingruppierung, die nur für Hilfspädagogen zutrifft - übrigens, Herr Herbst, egal, welche Leistungen sie bringen. Sie haben ja dazu hier im Landtag Anträge eingebracht. Für einen Hilfspädagogen, gleich, welche Leistung er bringt, ist eine Höhergruppierung, eine Eingruppierung als Grundschullehrer im Freistaat Sachsen zurzeit überhaupt nicht möglich.
Beim sogenannten Kernstück, den Mittelschulen – nehmen wir es besonders heraus – werden 35 % der Lehrer als Realschullehrer eingruppiert. 65 % – ich wiederhole die Zahl: 65 % – der Mittelschullehrer im Freistaat Sachsen werden wie Grundschul- oder Hauptschullehrer eingruppiert, obwohl es ja die Hauptschullehrer in Sachsen überhaupt nicht gibt.
Diese Lehrer sind erfolgreich in ihrer Tätigkeit, und Leistung spielt hierbei überhaupt keine Rolle. Sie arbeiten sowohl in Realschulklassen und -gruppen wie auch in Hauptschulklassen und -gruppen ab Klasse 7. An berufsbildenden Schulen und Förderschulen steht die notwendige Höhergruppierung nach Qualifikation seit Jahren aus. Diese wird nicht vorgenommen.
Ein Highlight, weil es ganz aktuell ist, muss ich Ihnen hier noch erzählen. Fachberater, die seit 20 bis 30 Jahren erfolgreich als Lehrer arbeiten, die ein Bewerbungsverfahren durchlaufen haben, die durch den Freistaat Sachsen ausgewählt worden sind, werden bei der Bestellung nicht mehr höhergruppiert, weil sie sich erst einmal bewähren
Neu eingestellte Kollegen erhalten im Osten eine Vergütung von netto 1 400 Euro, und dies nach mindestens siebenjährigem Studium, im Westen dagegen von 2200 Euro. Nein, dass Sie mich nicht falsch verstehen, eine Verbeamtung der Lehrer möchte ich nicht, und nicht nur, weil man dann nicht mehr streiken kann, sondern hier muss es in Sachsen Regelungen geben, die in den Bezügebereichen möglich und auch notwendig sind. Sie glauben doch nicht wirklich, Herr Wöller, dass bei Studienbeginn eine Zusage für Mangelfächer als Einstellungsgarantie ausreicht! Ich würde sogar bezweifeln, ob das geht. Da müssen bessere Arbeits- und Einkommensbedingungen her. Personalräte kämpfen bei Einstellungen von jungen Kollegen um eine höhere Eingruppierung als die, die der Freistaat vorsieht. Hier kämpfen die Personalräte und nicht der Arbeitgeber.
Was sind denn außerdem Mangelfächer? Mangelfächer kann man doch sehr differenziert betrachten und auch entsprechend darstellen. Was Sie unter Mangelfächern verstehen, werde ich dann in der zweiten Debatte erläutern.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wie können gute Lehrer ausgebildet, gewonnen und gehalten werden?
Bildung und Qualifizierung sind die Voraussetzungen für individuelle Lebenschancen und gesellschaftliche Teilhabe. Was das sächsische Bildungssystem angeht, haben wir gezeigt, wie es gehen kann. Ich erinnere nur an Platz 1 bei PISA 2006 im deutschlandweiten Vergleich und Platz 1 beim Bildungsmonitorranking 2008. Damit hat Sachsen seinen Ruf als Vorzeigebildungsland verteidigt.