Cornelia Falken

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass dieses Thema wehtut – insbesondere der CDU und der SPD –, das ist ganz klar und war auch keine Frage. Dass dieses Thema der Opposition –
Jawohl, genau!
sehr wichtig und sehr entscheidend für die Entwicklung der Bildung in Sachsen und natürlich auch für die Entwicklung der Schüler ist, das ist, denke ich, keine Frage. Wir haben bereits im Mai zu diesem Thema diskutiert, weil wir als Linke damals der Auffassung waren, das Konjunkturpaket II muss endlich dafür verwandt werden, auch Schulen eine Chance zu geben, die die Zahlen, die in den entsprechenden Richtlinien festgehalten sind, nicht erfüllen können.
Aber jetzt doch noch ein paar Worte zu dem, was schon gesagt worden ist. Ich weiß nicht, ob alle Kolleginnen und Kollegen der CDU oder nur Herr Colditz oder eine kleine Gruppe der CDU hierzu einiges immer noch nicht verstanden haben.
Sie müssen sich perspektivisch von Ihrem alten Denken und Ihren Überlegungen der Gliedrigkeit des Schulsystems trennen.
Sie werden es früher oder später tun müssen, ob Sie es wollen oder nicht. Wenn Sie es nicht tun, dann wird der Wähler Ihnen erklären, dass Sie es zu tun haben, und wir werden dann andere Mehrheitsverhältnisse in diesem Landtag haben.
Herr Colditz, die Mindestschülerzahlen stehen im Schulgesetz. Das ist sehr gut. Aber was machen Sie in der CDU? Sie umgehen diese Mindestschülerzahlen, indem Sie in den Förderrichtlinien für die Grundschulen Festlegungen treffen, in denen zwar der Schulträger eine Schule mit 14 Schülern in einer Grundschulklasse errichten kann, in der die Schüler in dieser Schule auch unterrichtet werden können, für die sie aber keine Fördermittel bekommen, um diese Schule zu erhalten.
Na, dann wollen wir doch gleich mal schauen, Herr Colditz. Wie war das in Mügeln? Dort lassen Sie eine neugebaute Schule schließen und dafür eine neue Schule bauen.
Schauen Sie sich das an. Das alles soll mit Fördermitteln geschehen, die vom Freistaat vergeben werden. Was ist das für eine Praxis, die Sie umsetzen wollen?
Das Schulnetz in Sachsen ist kein flächendeckendes Schulnetz mehr. An den Förderschulen können Sie es sehr deutlich nachweisen, weil dort die Fahrtwege für die Schüler extrem sind, sich die Busse oftmals in einer Schleife bewegen und die Kinder an verschiedenen Standorten umsteigen müssen oder abgeholt werden.
Das nächste Problem betrifft die Mittelschulen. Das, was von Ihnen immer als besonderes Herzstück benannt wird, lassen Sie am Rande kläglich vergehen. Schauen Sie sich die Schülerzahlen der Anmeldungen von März 2009 an. Dazu gab es eine Kleine Anfrage, in der man sich das genau anschauen kann. Hier sind Sie gezwungen, perspektivisch einzügige Mittelschulen in Flächen und Größenordnungen zuzulassen,
weil Sie sonst in den Mittelschulen kein Schulnetz mehr haben, das flächendeckend sinnvoll für die Schüler zu erreichen ist.
Nehmen wir die Gymnasien. Sie haben von den durchschnittlichen Schülerzahlen gesprochen. Das ist alles sehr schön und gut. Nur, wenn ich mir die Gymnasien in Leipzig anschaue – die Stapel der Beschwerden von Eltern in meinem Büro häufen sich –, ist es so, dass die Eltern nicht einmal mehr ihren Erstwunsch erfüllt bekommen, auch nicht ihren Zweitwunsch, sondern sie werden jetzt schon auf den Drittwunsch abgeschoben, weil die Schule in ihrer Nähe, an die die Kinder gehen könnten, an denen sie möglicherweise auch die Klassenkameraden wiederfinden, überhaupt nicht mehr über die Kapazitäten verfügt, um diese Schüler aufnehmen,
und das obwohl in der Stadt Leipzig fast 50 % der Gymnasien geschlossen worden sind, und zwar auch über Mitwirkungsentzüge des Freistaates Sachsen, also auch von der CDU.
Herr Dulig ist gerade nicht im Saal, aber er hört mich sicherlich irgendwo: Ich finde es toll, dass Sie von Konzepten und von neuen Konzepten sprechen. Sie hatten jetzt fünf Jahre Zeit und haben bisher
acht Gemeinschaftsschulen auf den Weg gebracht. Es ist löblich, dass es das überhaupt gibt. Aber das Konzept, das Sie hier ansprechen, habe ich noch nicht gesehen. Darüber würde ich gern mit Ihnen in diesem Hohen Haus diskutieren. Wie viele Jahre brauchen Sie denn noch, um ein Konzept zu erarbeiten, in dem die Veränderung dieser Schullandschaft eindeutig enthalten ist und in dem Sie Ihre Überlegungen, die Sie dann haben, wenn Sie in der Regierung sind, darlegen?
Das waren jetzt fünf Jahre. Regiert haben Sie allerdings nicht wirklich, sondern Sie waren nur dabei. Sie haben das nicht durchsetzen können.
Deshalb ist dieses Thema für uns brisant, es ist notwendig, nicht zuletzt deshalb, weil wir heute den letzten Schultag haben.
Ich finde es sehr schön, dass Sie die Frage heute zulassen, denn ich war sehr
sauer, als Sie es gestern nicht getan haben. Das wollte ich nur anmerken.
Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, dass im Landkreis Leipzig die Schulschließungen im Berufsschulbereich, die gerade auf Kreisebene beschlossen worden sind, nur im Schnellschuss passiert sind, weil die Kreisräte das Geld aus dem Konjunkturpaket II für die Böhlener Berufsschule haben wollten? Ist Ihnen ferner bekannt, dass die drei Schulleiter, die jetzt ihre Schulen erhalten können, genau dieses Konzept erarbeitet haben?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr erstaunt, dass Herr Krauß heute nicht spricht. Denn vorgestern, am Mittwoch, bei den demonstrierenden und streikenden Erziehern hat er sehr intensiv gesprochen, und ich hatte eigentlich gedacht, dass er das heute an diesem Pult wiederholt.
Den Antrag der GRÜNEN werden wir als Linke voll unterstützen.
Wir werden ihn deshalb vollständig unterstützen,
genau – , weil Sie das von uns gar nicht anders erwartet hätten. Insofern überrascht das natürlich überhaupt nicht.
Die Verhältnisse bezogen auf den Personalschlüssel zu ändern ist zwingend notwendig. Im Übrigen gehe ich davon aus, dass die SPD insbesondere diesem Punkt zustimmen wird, damit sie dann wirklich in der Lage ist, ihr Wahlprogramm zu erfüllen.
Es wäre aber ein gutes Zeichen, ein guter Schritt. Da würden die Bürger wenigstens mal sehen, dass Sie nicht nur etwas ins Programm schreiben, sondern gleich vor Ort noch den entsprechenden Anträgen zustimmen.
Um den Bildungsplan umzusetzen, ist es zwingend notwendig, den Personalschlüssel zu ändern. Das ist sogar in diesem Hohen Hause von allen Fraktionen und Parteien, glaube ich, bereits so benannt worden. Selbst die CDU hat diese Notwendigkeit gesehen. Es fehlt lediglich der letzte Schritt: dies auch zu tun.
Man verlässt sich darauf – und das ist eigentlich das Traurige an dieser Geschichte –, dass das Ego von Erzieherinnen und Erziehern, wenn sie mit den Kindern arbeiten, so groß ist, dass sie sich, auch wenn sie keine Zeit haben, mit den Kindern sehr intensiv beschäftigen. Das kann und wird aber auf das gesundheitliche Wohlbefinden der Erzieherinnen und Erzieher gehen.
Ein zweiter Punkt, den dieser Antrag anspricht, ist die Entgeltordnung, das Eingruppieren von Erzieherinnen und Erziehern. Wenn Sie sich einmal vor Augen führen, dass ein frisch eingestellter Erzieher – in der Begründung des Antrages können Sie es noch einmal nachlesen – in die Entgeltgruppe 6, ein Grundschullehrer in die Entgeltgruppe 11 und ein Gymnasiallehrer in die Entgeltgruppe 13 eingruppiert wird, dann haben Sie den Vergleich, welche Wertstellung pädagogische Arbeit im vorschulischen oder auch im Kita-Bereich haben soll. Wenn das, was Herr Krauß vor den Streikenden am Mittwoch gesagt hat, der Fall ist, muss das dazu führen, dass Sie an diesem Punkt dem Antrag auch zustimmen. Denn sonst ist Ihr Gerede auf der Straße gar nichts wert.
Ein letzter Punkt, die Gesundheit der Erzieherinnen, wie es unter Punkt 3 beschrieben wird. Der Tarifvertrag zu diesem Bereich ist zurzeit in der Diskussion, er wird zurzeit beraten. Die Arbeitgeber sind offensichtlich nicht bereit, entsprechende Maßnahmen einzuleiten, und wir als Politik sind gefragt, die entsprechenden und notwendigen Schritte zu tun. Von diesem Landtag muss das Signal ausgehen, dass wir ganz deutlich sehen, dass für den Gesundheitsschutz der Erzieherinnen und Erzieher im Freistaat Sachsen etwas getan werden muss.
Ich könnte jetzt zahlreiche Einzelbeispiele darstellen, wie es in den Einrichtungen konkret aussieht. Das will ich mir ersparen. Aber vielleicht gelingt es uns mal, als Abgeordnete in einer Ausschusssitzung geschlossen in solch eine Einrichtung zu gehen, um uns wirklich einmal anzuschauen, was dort passiert. Denn dann würden wir, glaube ich, anders reden.
Ich möchte noch einmal die punktweise Abstimmung, die meine Kollegin gerade beantragt hat, bekräftigen. Denn ich gehe davon aus, dass Punkt 2 und Punkt 3 für alle zustimmungsfähig sind.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Sächsischen Verfassung ist der Anspruch auf unentgeltlichen Unterricht und auf unentgeltliche Lernmittel an allen Schulen in öffentlicher Trägerschaft formuliert. Unser Gesetzentwurf, den wir heute beschließen wollen – ich gehe davon aus, auch mit Ihren Stimmen –, will diesen Anspruch endlich erfüllen.
Die CDU hat diesen Anspruch im § 38 Sächsisches Schulgesetz auf ein Minimum reduziert. Damit muss endlich Schluss sein!
Den sächsischen Schülerinnen und Schülern muss nur dieses Minimum von Schulbüchern zur Verfügung gestellt werden, und das nicht einmal in vollem Umfang. Der Begriff der Lernmittel umfasst unserer Auffassung nach wesentlich mehr, nämlich alle Hilfsmittel, die für den Unterricht notwendig sind. Das ist nicht nur unsere Auffassung. Die Sachverständigen, die wir im Sächsischen Landtag zu diesem Gesetzentwurf bzw. zur Großen Anfrage der Linksfraktion zur Lernmittelfreiheit angehört haben, haben dies unterstützt. Wenn Sie draußen die Bürgerinnen und Bürger des Freistaates Sachsen fragen, werden Sie feststellen, dass niemand, aber auch gar niemand unter Lernmittelfreiheit oder diesem Anspruch unserer Sächsischen Verfassung nur das Ausleihen von
Schulbüchern verstehen würde. Hier das klare Bekenntnis dieses Hohen Hauses und seiner Abgeordneten, der Sächsischen Verfassung endlich Rechnung zu tragen!
Nach unserer Auffassung gehören zur Lernmittelfreiheit alle Lernmittel, die für die Schule notwendig sind, nicht nur die Lehrbücher – das hatte ich bereits gesagt –, sondern auch die Atlanten, die Kompendien, die Wörterbücher und vieles mehr, was an Büchern benötigt wird, aber auch der Taschenrechner, die Arbeitshefte, die Arbeitsblätter, die Kopien, die angefertigt werden, das Verbrauchsmaterial und die Schreibhefte.
Nach unserem Gesetzentwurf – das haben wir schon in den verschiedensten Bereichen in diesem Hohen Haus diskutiert – gehört auch dazu, dass die schulischen Veranstaltungen, die festgelegt werden, kostenfrei gestellt werden sollen und müssen. Das ist Anliegen unseres Gesetzentwurfes.
Im Landtag wurde das Thema Lernmittelfreiheit schon oft debattiert, insbesondere und ganz zielgerichtet immer dann, wenn wir Haushaltsdebatten haben. Sie werden sich alle erinnern. Die GRÜNEN und die SPD haben in diesen Diskussionen unterstützt, die Lernmittelfreiheit auf wirklich alle Lernmittel auszuweiten. Ich gehe davon aus, dass sie das auch heute tun werden. Ein ausreichendes Budget für die Lernmittel zur eigenverantwortlichen Verwendung der Schulen schließt unser Gesetzentwurf nicht aus. Das möchte ich ausdrücklich betonen. Natürlich wollen auch wir einen eigenverantwortlichen Bereich für die Schulen dabei haben.
In der Realität sieht es aber ganz anders aus. Die Realität sieht vor, dass der Schulträger den Schulen die notwendigen Mittel zur Verfügung stellt. Was sind notwendige Mittel? Wenn Sie sich einmal ganz genau anschauen, welche Mittel den Schulen im Freistaat Sachsen zur Verfügung gestellt werden, dann stellen Sie fest, dass dieses Budget extrem weit auseinandergeht. Es gibt Schulen, die von ihrem Schulträger 10 Euro pro Schüler bekommen, und es gibt Schulen, die von ihrem Schulträger 1 000 Euro und mehr pro Schüler bekommen. Das ist ein Zustand, der für uns nicht mehr haltbar ist.
Eine wirklich repräsentative Erhebung für den Bedarf an Lernmitteln hat diese Staatsregierung bisher nicht zuwege gebracht. Das wäre aber dringend notwendig, um eine realistische Größenordnung darzustellen. Werte Kollegen der SPD, hier stehen auch Sie in der Verantwortung; denn Sie haben in den letzten fünf Jahren, zumindest formal, mitregiert.
Oder vielleicht doch nicht? Denn auch in diesen fünf Jahren ist auf dem Gebiet der Erfassung, der repräsentativen Erhebung des Bedarfes an Lernmitteln nichts passiert. Das ist ein sehr negativer Punkt. Durch die Staatsregierung gibt es weder eine Vorgabe noch eine Empfehlung oder einen Richtwert für die Ausstattung der Schulen mit Lern- und Lehrmitteln.
Ja, wenn wir das nicht tun, müssen wir uns auch nicht darum kümmern, wie es aussieht. Realistisch ist – das werden Sie sehen, wenn Sie sich an den Schulen umschauen –, dass dort eine klassische Mangelwirtschaft herrscht, wenn es um die Lern- und Lehrmittel geht. Es gibt Schulen, die inzwischen bestimmte Sportunterrichtsbereiche gar nicht mehr ausführen können, weil sie die Materialien dafür nicht mehr zur Verfügung haben oder weil diese extrem veraltet sind. Herr Staatsminister, machen Sie endlich eine Bedarfserhebung, die realistische Größen darstellt!
Herr Staatsminister, orientieren Sie sich bei diesen Überlegungen ganz klar an Baden-Württemberg, wo ein solcher Gesetzentwurf bereits in Kraft ist. In Bayern hat es nicht funktioniert, obwohl die SPD einen solchen Gesetzentwurf eingebracht hat. Deshalb müsste das heute hier bei uns klappen. Schauen Sie bei dieser Überlegung ganz klar über den Tellerrand der Bundesrepublik Deutschland hinaus! Immer, wenn es für Sie positiv ist, tun Sie das ja auch. Es gibt zahlreiche Länder, in denen Schülerinnen und Schüler alles vorfinden, was sie für das Lernen brauchen, die frühmorgens nicht mit einem voll gepackten Ranzen in die Schule gehen und abends mit einem voll gepackten Ranzen wieder zurück. Hier haben wir ein sehr großes Defizit im Freistaat Sachsen, was zu verändern ist.
Lernmittelfreiheit ist ein wesentlicher Schlüssel zur Entkopplung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg
und damit eine Voraussetzung für gleiche Bildungschancen für alle Kinder und Jugendlichen.
Wenn Sie dieses Ziel auch vor Augen haben, dann müssen Sie heute unserem Gesetzentwurf zustimmen. Wir fordern Sie daher auf, dies hier und heute zu tun, um eine Chancengleichheit für Kinder und Jugendliche in Sachsen zu erreichen.
Danke.
Herr Dulig, trauen Sie den Lehrerinnen und Lehrern an den Schulen im Freistaat Sachsen nicht zu, verantwortungsvoll, wenn sie mehr Geld zur Verfügung haben, zu entscheiden, welche Lehr- und Lernmittel sie wirklich verwenden? Sie haben gerade von der Eigenverantwortung der Schule gesprochen. Ich habe bei Ihrem Redebeitrag das Gefühl, dass Sie es den Lehrerinnen und Lehrern gar nicht zutrauen, dass sie Eigenverantwortung tragen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch auf einige Äußerungen meiner Kollegen reagieren.
Herr Colditz ist nun leider nicht anwesend. Ich hoffe, er hört mich im Haus. Für mich ist nicht ganz klar, wie Herr Colditz lediglich mit der Schulbuchfreiheit – das auch noch eingeschränkt – eine verfassungsgerechte Umsetzung erkennen kann. In der Verfassung steht, dass es unentgeltliche Lehrmittel geben muss. Ich kann auch nicht nachvollziehen, wieso Herr Colditz uns erklärt, dass wir nicht noch einmal in diesen entsprechenden Bereich hineingehen können. Es gibt keinen Grund, das nicht zu tun. Ich denke, dass es gesetzlich klar und eindeutig geregelt ist, dass man so verfahren kann.
Ja.
Ja, ich teile Ihre Auffassung. Ich finde es ganz toll, dass Sie als Jurist das noch einmal klar und deutlich benannt haben. Das kann ein Jurist einfach besser als ein Pädagoge.
Insofern gibt es einen Grund, eine Veränderung vorzunehmen. Genau das haben wir heute vor.
Herr Dulig, für eine kostenfreie Schule mit kostenfreien Lernmitteln ist Voraussetzung, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen. Nur davon zu reden und ein Budget auszuteilen hat noch lange keinen Rechtsanspruch für die Schulen. Deshalb benötigen wir eine gesetzliche Grundlage für die Lernmittelfreiheit.
Daher fordere ich Sie auf, das hier mit uns zu tun.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Seidel, ich habe das Gefühl, dass wir in unterschiedlichen Ausschüssen gesessen und zum selben Thema gesprochen haben. Denn daran, dass wir es als Ausschuss in der Diskussion als nicht notwendig empfunden haben, ein derartiges Gesetz auf den Weg zu bringen, kann ich mich gar nicht erinnern. Aber dazu komme ich gleich noch in meinen Ausführungen.
Ich mache extra eine Pause; ja.
Frau Günther-Schmidt, das ist ein Part, den ich in meine heutige Rede eingebaut habe, weil ich es besonders toll fand, dass es uns im Ausschuss mal gelungen ist, grundsätzlich zu einer Problematik mit den demokratischen Fraktionen – die NPD diskutiert da im Ausschuss sowieso nicht mit – einen ähnlichen Standpunkt zu erreichen. Das fand ich einfach ganz toll. Aber da habe ich jetzt einen Teil meiner Rede schon angesprochen.
Wir als Linksfraktion unterstützen grundsätzlich einen gesetzlichen Anspruch der Schülerinnen und Schüler mit Teilleistungsstörungen beim Lesen und beim Rechtschreiben oder auch beim Rechnen. Grundsätzlich sind wir dafür, eine gesetzliche Grundlage darzustellen. Genau das war auch das Ergebnis der Ausschusssitzung, weil dort festgestellt worden ist, dass es Handlungsbedarf gibt, und zwar über die Grenzen der demokratischen Fraktionen hinaus.
Wir haben unser Problem an einer anderen Stelle. Wir als Linksfraktion sind der Auffassung, dass dieser Gesetzentwurf noch nicht so ausgereift ist, dass wir ihm heute zustimmen können. Wir müssen prüfen, dass mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf nicht Ansprüche, die Schülerinnen und Schüler haben, außer Kraft gesetzt werden. Das darf nicht passieren. Unser gut funktionierendes System der Lese-Rechtschreib-Klassen können wir aufgrund dieses Gesetzentwurfs nicht aushebeln.
Bezüglich einer Veränderung oder eines Streichens von Schulordnungen im Grundschulbereich haben wir also Bedenken. Hierzu sind wir auch der Auffassung – da stimme ich wirklich mit Herrn Colditz überein –, dass wir das noch einmal anschauen müssen, dass wir das in aller Ruhe beraten sollten und dass wir das ganz klar noch einmal prüfen müssen, damit nicht aufgrund dieses neuen Gesetzentwurfes, der richtig und gut gemeint ist, Schülerinnen und Schülern in anderen Bereichen eher ein Nachteil entsteht. Das ist für uns Anlass zu sagen, dass wir diesem Gesetzentwurf hier und heute noch nicht zustimmen können.
Wir möchten aber noch einen zweiten Punkt ansprechen, der sich in der Anhörung sehr klar ergeben hat und den wir in diesem Hohen Hause bereits häufig angesprochen haben, insbesondere seitens der Oppositionsfraktionen. Das ist die Erstellung von Gutachten, also die Betreuung durch Schulpsychologen oder auch durch geeignete Personen, die derartige Gutachten erstellen können. Auf diesem Gebiet haben wir ein riesiges Manko. Hier muss im Freistaat unbedingt etwas geschehen. Die Überlegung, von außen Psychologen hinzuzuziehen, ist eine Variante, aber ich glaube nicht, dass es die optimale ist. Wir hätten viel lieber, dass wir endlich im Freistaat Sachsen die notwendigen Schulpsychologen einstellen, um den Schülerinnen und Schülern eine optimale Unterstützung schon in der Diagnostik zu geben.
Qualifizierte Lehrer. Wir haben – die Fachberaterin aus Chemnitz hat das in der Anhörung sehr deutlich gesagt – qualifizierte Lehrer. Wir haben Lehrer, die ganz besonders ausgebildet worden sind, insbesondere in der LeseRechtschreib-Schwäche, aber auch in der Schwäche mit der Mathematik zu arbeiten. Hier fehlt es ganz klar an Folgendem:
Erstens. Diese Lehrer reichen nicht aus.
Zweitens. Die Anrechnungsstunden, die sie für diese Tätigkeit bekommen, reichen hinten und vorne nicht.
Hier muss ernsthaft etwas geschehen. Das möchte ich in meinem Redebeitrag noch einmal besonders benennen.
Frau Günther-Schmidt, lassen Sie uns in der nächsten Legislaturperiode gemeinsam einen derartigen Gesetzentwurf erarbeiten – vielleicht sogar mit der CDU, wir schauen mal – und dann stimmen wir gemeinsam zu.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da ich den Eindruck habe, dass die Konzentration bei uns Landtagsab
geordneten zunehmend problematisch wird, gebe ich meine Rede zu Protokoll.
Der Schulhausbau und die Schulhaussanierung sind keine Investitionen in die Qualität der Bildung.
Es wäre notwendig, ein Konjunkturpaket für die Bildung aufzulegen und mehr Geld und Personal in Lehrernachwuchs zu investieren. Die Sanierung von Schulgebäuden ist jedoch eine Voraussetzung für gute Bildung. Sie müsste selbstverständlich sein. Jedoch diese Selbstverständlichkeit sieht in Sachsen so aus, dass das SMK die Sanierung von Schulen benutzt, um die Schulschließung weiterzuführen. Das Verkünden von Herrn Flath als Kultusminister, keine Schulen mehr zu schließen, war ein Versprechen ohne Wert und nur eine Sonntagsrede. Denn in der Realität setzen Sie, Herr Staatsminister, die Schul
träger unter Druck, indem Sie die Fördermittel nicht ausreichen, wenn die Klassenstärken bei Grund- und Mittelschulen 25 Schülerinnen und Schüler, bei Gymnasien 25 bis 26 Schülerinnen und Schüler nicht erreichen. Diese Festlegung geht an der Realität vorbei, denn die Durchschnittsklassengrößen in Sachsen liegen in allen Schularten weit darunter und das geltende Schulgesetz geht davon aus, dass eine Grundschulklasse mit 15 Schülern und an Mittelschulen und Gymnasien eine Klasse mit 20 Schülern geführt werden kann.
In den Jahren 2007 und 2008 wurden insgesamt 293 Schulträgern keine Fördermittel gewährt. Dies geht aus meiner Kleinen Anfrage in der Drucksache 4/14799 hervor. Im Übrigen, Herr Wöller, haben Sie mir am
23. Januar 2009 zu meiner Mündlichen Anfrage diesbezüglich erklärt, dass es keine abgelehnten Anträge von Schulträgern gibt; dies ist für mich ein gravierender Widerspruch.
In der Kleinen Anfrage von Herrn Herbst in der Drucksache 4/15081 können wir lesen, dass Sie als SMK seit der neuen Schulhausbauförderrichtlinie seit Januar 2008 14 Anträge für nicht förderfähig hielten, weil der Standort Ihrer Meinung nach nicht sicher ist.
In Ihrer Presseerklärung vom 12.05.2009, also vom Dienstag dieser Woche, erklärten Sie, dass auch im Rahmen des Konjunkturpaktes II 27 Ablehnungen zur Schulhaussanierung vorgesehen sind.
Eine klare Aussage zum Konjunkturpaket II hat es in diesem Haus, von allen demokratischen Fraktionen gegeben, diese klare Ansage heißt: Eine schnelle und unbürokratische Umsetzung dieses Verfahrens.
Auch waren wir uns einig, sicher bis auf die Vertreter der CDU – allerdings nur, wenn Sie hier im Plenarsaal sitzen und nicht in Ihrem Wahlkreis, dass die Gelder für die Sanierung der Schulen nicht wieder nach den alten Kriterien vergeben werden, sondern die gewählten Vertreter in den Kommunen ihr Entscheidungsrecht wahrnehmen dürfen. Ich erinnere Sie an die Rede von Frau Weihnert, SPD, zum Konjunkturpaket.
Aber nein, auch in diesem Fall zwingen Sie die Schulträger, erst die Schulen zu schließen, dann gibt es Geld.
Benennen wir doch einige Beispiele. Sie kennen alle das Schreiben von der Oberbürgermeisterin Frau Ludwig, in dem sich die Stadträte einstimmig für die Sanierung von Grundschulen ausgesprochen haben. Dies wird offensichtlich durch das SMK nicht gewährt. Erst schließen, dann gibt es Geld. Oder der Oberbürgermeister aus Leipzig, Herr Jung, der keine schnelle und unbürokratische Umsetzung sieht, im Gegenteil.
Und ja natürlich, was ist in der Gemeinde Mülsen passiert? Sie werden sich erinnern, wir haben in diesem Hohen Hause bereits darüber gesprochen. Sie haben es geschafft, Herr Staatsminister Wöller, die Gemeindevertreter davon zu überzeugen, sie zu zwingen, einen Schließungsbeschluss für eine sanierte Schule herbeizuführen, und dafür dürfen sie mit diesen Fördermitteln eine neue Schule bauen. Dass Sie damit die Schülerzahlen in den Grundschulklassen von jetzt 20/21 Schülern auf über 25 Schüler erhöhen, nehmen Sie billigend in Kauf. Aber wer kann sich in diesen Zeiten schon einen Neubau leisten.
Ja, ich gehe sogar noch weiter. Denn es gibt auch Schulträger, die gar keinen Antrag auf Sanierung von Schulen gestellt haben, obwohl es bitter nötig wäre. Es gibt Schulen in Sachsen, die vor 30 Jahren gebaut und an denen seitdem gar nichts gemacht wurde, und das liegt im Übrigen nicht an der DDR. Sie haben sicher meinen Beitrag in unserer Fraktionszeitung gelesen?
Diese gewählten Vertreter der Kommunen haben Bedenken, Anträge zu stellen, die der CDU nicht genehm sind, sodass sie dann das Geld aus dem Konjunkturpakte II nicht bekommen.
Wir fordern Sie auf, Ihre Zusage der schnellen und unbürokratischen Vergabe von Fördermitteln umzusetzen und nicht weiter die Vergabe von Fördermitteln dafür zu verwenden, die Schulen im Freistaat Sachsen zu schließen.
Die Kommunen sind in der Lage zu entscheiden, welche Schulen sie sanieren wollen und welche nicht. Es geht um gute Voraussetzungen für die Qualität der Bildung.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Herbst, ich freue mich, dass Sie meine Überlegungen mit der Konzentration übernommen haben, und schließe mich an.
Sieht man sich das Internetportal „Sachsen macht Schule“ oder den Bildungsbericht 2008 an, dann scheint es keine Gewalt an Schulen in Sachsen zu geben. Noch nicht einmal als Problemstellung scheint diese Thematik dem Kultusministerium wichtig zu sein. Sehen wir uns die Lage an.
Grundsätzlich stellt der Forschungsbericht fest, dass für mehr als drei Viertel aller Jugendlichen in den zwölf Monaten vor der Befragung Gewalt nicht zum persönlichen Erfahrungsbereich gehörte. „Von den befragten Schülerinnen und Schülern sind 16,8 % im Befragungszeitraum mindestens einmal Opfer einer Gewalttat geworden. Bei 3,9 % sind es fünf oder mehr derartige Opfererfahrungen. Am häufigsten werden einfache Körperverletzungen berichtet (11,1 %). 4,8 % der Jugendlichen gaben an, mindestens einen Raub oder eine Erpressung erlebt zu haben, 3,2 % eine schwere Körperverletzung. Im Vergleich dazu fallen die innerfamiliären Opfererfahrungen relativ hoch aus.“
Allgemein ist in den Medien ja in den letzten Jahren immer mal das Schreckgespenst der ausufernden Jugendgewalt an die Wand gemalt worden; aber die vorliegende Studie stellt noch einmal fest, dass eine steigende Jugendgewalt nicht nachweisbar ist! Klar und deutlich heißt es: „Ein drastischer Anstieg der Jugendgewalt (...) kann nach den vorliegenden Befunden insgesamt nicht bestätigt werden.“
Wie vorsichtig man bei der Interpretation von Deliktzahlen sein muss, legt auch das veränderte Anzeigeverhalten nahe. Eine als positiv zu bewertende zunehmende Bereitschaft, Anzeige zu erstatten, heißt gleichzeitig, dass auch
mehr Fälle in die Polizeistatistiken eingehen. Ich zitiere erneut aus dem Forschungsbericht des BMI: „Die zunehmende Verlagerung der Fälle vom Dunkelfeld ins polizeistatistisch erfasste Hellfeld spricht dafür, dass der seit 1998 registrierte Anstieg der Jugendgewalt (...) in beachtlichem Maße auf ein geändertes Anzeigeverhalten der Opfer zurückzuführen ist.“ Hingegen ist die registrierte Zunahme im Bereich Körperverletzungsdelikte nicht allein mit der erhöhten Anzeigebereitschaft zu erklären – was wiederum dafür spricht, dass es zumindest in diesem Bereich einen realen Anstieg der Jugendgewalt gegeben hat. Kein Grund also, sich zurückzulehnen.
Hinsichtlich schulischer Gewalt zeigen die vorliegenden Untersuchungen folgendes Bild: „In der Sekundarstufe I sind etwa 7 bis 10 % der Mädchen und Jungen Opfer gewalttätiger Handlungen. 3 bis 4 % bilden die Tätergruppe. Bei bundesweit etwa 5 Millionen Schülern sind 425 000 Opfer und 175 000 Täter festzustellen“, wenn auch generell die Gewalt an Schulen eher rückläufig ist. „Die Befunde der Schülerbefragung stimmen damit weitgehend mit dem überein, was sich auf der Basis von Versicherungsdaten zur Häufigkeit der Gewalt an Schulen ergibt. Diese sogenannten meldepflichtigen „Raufunfälle“, bei denen ärztliche Hilfe in Anspruch genommen wurde, haben zwischen 1997 und 2007 pro 1 000 Schüler um 31,3 % abgenommen.“
Nach dem Forschungsbericht von 2009 ereignen sich schwere Delikte wie Raub und Erpressung nur selten an Schulen (1,6 %). Das heißt aber nicht, dass wir in Untätigkeit verharren dürfen, denn: „Davon, geschlagen oder getreten worden zu sein, berichten dagegen 20,9 % der Jugendlichen. Zugleich weisen die Ergebnisse darauf hin, dass Mobbing an Schulen in seinen unterschiedlichen Ausprägungen ein ernstzunehmendes Problem darstellt.“ Melzer und Schubarth führen dazu aus: „Die Untersuchungen haben ergeben, dass Beschimpfungen oder leichte körperliche Auseinandersetzungen an Schulen wesentlich häufiger auftreten als Tätlichkeiten mit einer Waffe. Schulische Gewaltformen treten dabei in einer klaren Rangfolge auf. Von verbaler Aggression, Spaßkampf, Aggression gegen Lehrer, Prügelei, Vandalismus bis hin zur sexuellen Belästigung, Erpressung und Angriff mit einer Waffe. Je härter die Gewaltformen sind, desto weniger häufig treten sie auf und umgekehrt.“ Weiter heißt es: „Hinsichtlich des Ost-West-Vergleiches zeigt sich, dass von Schülerinnen und Schülern im Bundesland Sachsen Gewalt weniger häufig wahrgenommen wird als von Schülern in Hessen. Einzige Ausnahme ist die Aggression gegenüber Lehrerinnen und Lehrern.“
Generell bleibt festzustellen, dass es immer noch vorwiegend die außerschulische Sozialisation ist, die Mädchen und Jungen hinsichtlich ihrer Persönlichkeit und ihrer Einstellung zu Gewalt in erster Linie prägt. Außerschulische Bereiche sind nicht nur die Familie, sondern auch Medien und Freundeskreise. Sozialstrukturelle Gegebenheiten, wie Schichtzugehörigkeit und die finanzielle Situation, haben einen geringeren Einfluss auf das Gewaltverhalten von Mädchen und Jungen. Einfluss hat
allerdings das Erziehungsmilieu, was wiederum indirekt mit der sozialen Verortung des Elternhauses zu tun hat.
Folgerichtig stellt der Forschungsbericht des BMI fest, dass der stärkste Einfluss auf Jugendgewalt von der Zahl der delinquenten Freunde, mit denen die betroffenen Jugendlichen in sozialen Netzwerken verbunden sind, ausgeht. Das wiederum heißt, da die sozialen Netzwerke der Jugendlichen in hohem Maße durch den Schulbesuch und die Freizeitaktivitäten aufgebaut werden, dass auch das schulische Umfeld eine Rolle spielt. Insbesondere die Konzentration sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher an Haupt- und Förderschulen bewirkt eine hohe Delinquenzbelastung, und damit wirkt der Besuch dieser Schultypen – wie es in der Studie heißt – als eigenständiger Verstärkungsfaktor der Jugendgewalt. Hier hat Bildungs- und Schulpolitik anzusetzen. Neben der Verminderung sozialer Auslesefaktoren durch den Systemwandel hin zu einer Schule für alle und dem Aufbau tatsächlicher Ganztagsschulen sollte endlich auch über das Förderschulproblem nachgedacht werden; denn der Umkehrschluss zur obigen Feststellung liegt auf der Hand: Weniger Förderschüler heißt auch weniger Jugendgewalt, und darum wird es auch in Sachsen endlich Zeit für einen flächendeckenden integrativen Unterricht, statt wie bisher Problemfälle in die Förderschulen abzuschieben.
Eine bessere sozialpsychologische Betreuung und ein besseres Vertrauen in die Schlichtungskompetenz der Lehrerschaft könnte außerdem zu einer höheren Eingriffsbereitschaft der Schüler selbst führen; denn nur eine Minderheit der SchülerInnen ist bisher bereit, bei gewalttätigen Konfliktsituationen einzuschreiten. „Dies sind etwa 15 bis 20 % der Schülerinnen und Schüler. Weitere 20 bis 30 % greifen gelegentlich und die Mehrheit gar nicht ein.“ Diesbezüglich zeigen sich auch nur geringe Unterschiede zwischen Ost und West, des Geschlechts oder der Schulform. Betrachtet man die Klassenstufe, lässt sich feststellen, dass Mädchen und Jungen der jüngeren Jahrgangsstufen weniger die Augen vor Gewalt verschließen und häufiger eingreifen als ältere Schüler. Das heißt, hier geht sogar Schlichtungskompetenz und -bereitschaft im Zuge der Schullaufbahn verloren.
Aber es geht auch darum, Gewalt zu verhindern, bevor sie überhaupt entsteht, und dabei spielt das Schulklima eine entscheidende Rolle. Auch das Verhalten der Lehrerinnen und Lehrer hat nachweisbare Auswirkungen auf das Gewaltverhalten von Schülerinnen und Schülern. Ein gutes Klassenklima und gegenseitiger Austausch vermindern Konfliktsituationen bzw. gewalttätige Handlungen als Folge von Konflikten. Die Schulkultur in Bezug auf den Umgang mit Gewalt beeinflusst vor allem das Täterverhalten. Das Risiko, Opfer einer Gewalthandlung zu werden, ist an Schulen mit Gewalt ablehnender Schulkultur geringer, heißt es bei Melzer und Schubarth.
Generell wirkt sich eine Verbesserung der Bildungschancen präventiv aus, und hier muss die Politik, die Schulpolitik ansetzen. Aber auch geschlechterspezifische Besonderheiten sind bei der schulischen Präventionsarbeit zu
beachten. Die Ergebnisse der Schülerbefragungen zeigen, dass sich die Einstellung zur Gewalt unterscheidet. Mädchen betrachten Gewalt weniger als gutes und notwendiges Verhalten. Viele Schülerinnen und Schüler sehen andererseits Gewalt als normales Entwicklungsverhalten von Jungen an. Mädchen hingegen nehmen, unabhängig von der Form der Gewalt, weniger Gewalt an Schulen wahr – eine Konsequenz ihrer geringeren Beteiligung und ihrer geringeren Gewaltbereitschaft. Mädchen sind aber keineswegs unbeteiligt, auch wenn die Fallzahlen geringer sind; denn die Schülerbefragungen zeigen, dass es keine Gewaltform gibt, die nicht auch von Mädchen begangen wurde. Dennoch muss der geschlechterspezifischen Präventionsarbeit in den Schulen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Schauen wir uns den statistischen Steckbrief des üblichen Täters schulischer Gewalt an, dann wird dieser Zusammenhang noch deutlicher – ich zitiere: „Fünf Sechstel der Täter sind männlich und überdurchschnittlich groß. Sie zeichnen sich durch hohe Aggressionsbereitschaft und positive Einstellung zur Gewalt aus. Unter ihnen ist Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus am häufigsten verbreitet. Täter fühlen sich im Gegensatz zu Opfern nicht als Außenseiter und haben kein Minderwertigkeitsgefühl. Sie zeigen häufig schlechte schulische Leistungen in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch. Ihr Interesse an Schule ist eher gering.“
Hier sind wir gleich bei der nächsten Problematik, dem Zusammenhang mit fremdenfeindlichen und nationalistischen Anschauungen. Zwar ist es auch in Sachsen eine Minderheit von jungen Menschen, deren Weltbild von Faschismus und Antisemitismus geprägt ist; aber es ist unübersehbar, dass hier ein Problem besteht, wenn 29,7 % der befragten Jugendlichen der Aussage zustimmen, dass es in Deutschland zu viele Ausländer gebe. Die Sympathiewerte für bestimmte Anschauungen sind sogar noch erschreckender: „zu viele Ausländer“, 34,8 %, Ausländerfeindlichkeit 26,2 %, Rechtsextremismus 11,5 %, Antisemitismus 8,4 %.
Wenn ostdeutsche SchülerInnen durch die höchste Quote beim Antisemitismus und Rechtsextremismus auffällig sind, dann müssen wir uns schon fragen, ob die vorgeblichen Mängel beim Wissen über die DDR wirklich unser Hauptproblem sind, auch wenn hier sicher noch andere Faktoren als der Schulunterricht meinungsprägend sind. Die gängige schulpolitische Praxis des Freistaates, Problemfälle in den Förderschulen zu entsorgen, um damit die schulische Leistungsbilanz zu schönen – ich sprach bereits darüber –, tut hier ein Übriges; denn laut Studie sind antisemitische und rechtsextreme Anschauungen an Förder- und Hauptschulen weit häufiger zu finden als an anderen Schultypen, wobei auch hier wiederum die Jungen dominieren.
Interessanterweise – das ist bei der Präventionsarbeit zu berücksichtigen – bildet den extremen Kern bei schulischen Gewalthandlungen jene Gruppe von Tätern, die selbst auch Opfer von Gewalthandlungen sind oder
waren. Diese sogenannten Täter-Opfer sind zu zwei Dritteln männlich. Für sie ist Gewalt ein legitimes Mittel und eine normale Verhaltensweise. Allerdings weisen sie zugleich ein geringes Selbstwertgefühl auf.
Lassen Sie mich kurz zusammenfassen: Gewaltprävention an Schulen heißt nicht nur, für eine Verbesserung der sozialpsychologischen und Pausenbetreuung zu sorgen, sondern es muss bei den Ursachen angesetzt werden. Dazu gehört eine generelle Verbesserung der Bildungschancen und eine Verminderung der sozialen Auslese durch eine „Schule für alle“. Eine wirkliche Ganztagsschule und die Integration verhaltensauffälliger SchülerInnen in den Regelunterricht könnten ebenso einen Beitrag leisten, um Schulgewalt wirksam zu bekämpfen.
Frau Günther-Schmidt, würden Sie mir recht geben, dass die Äußerung des Kultusministers Prof. Wöller, die er hier getroffen hat, er habe von Anfang an festgelegt, auch Förderschüler zu berücksichtigen, nicht korrekt war?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Stimmung an den sächsischen Schulen unter den Lehrerinnen und Lehrern ist sehr schlecht. Die Forderung der demokratischen Oppositionsfraktionen, der Gewerkschaften und der
Eltern nach einem Gesamtkonzept zur Personalentwicklung im Schulbereich wurde bereits mehrfach gestellt. Bis heute liegt ein solches Konzept nicht vor, auch nicht unter der Mitregierung der SPD.
Ich bin mir sicher, dass auch die Kollegen der SPD – und ich glaube sogar die Kollegen der CDU – in den Fraktionen ein solches Konzept wollen. Demzufolge sollten sie es endlich fordern.
Die hohe Streikbereitschaft der sächsischen Lehrerinnen und Lehrer ist ein Zeichen der hohen Unzufriedenheit mit dieser Situation. Diese bezieht sich auf die Arbeits- und Einkommenssituation und die Benachteiligung der Kolleginnen und Kollegen im Verhältnis zu den anderen Bundesländern.
Ich kann hier und heute nur einige Beispiele der Probleme an sächsischen Schulen, bezogen auf die Lehrerinnen und Lehrer, darstellen. Wenn wir alle aufzeigen wollten, würden wir mehrere Tage brauchen, und dafür habe ich heute leider nicht genügend Zeit.
Das alles sind Probleme, die in Sachsen gelöst werden können und müssen. Es sind Probleme, die an sächsischen Schulen für Lehrerinnen und Lehrer auftreten. Wir müssen sie sofort anpacken. Natürlich geht es dabei auch um das Geld. Ich möchte Ihnen einige Beispiele nennen, wie sächsische Lehrerinnen und Lehrer im Freistaat Sachsen bezahlt werden, und das seit nunmehr 20 Jahren.
Knapp 50 % der Grundschullehrer haben eine Eingruppierung, die nur für Hilfspädagogen zutrifft - übrigens, Herr Herbst, egal, welche Leistungen sie bringen. Sie haben ja dazu hier im Landtag Anträge eingebracht. Für einen Hilfspädagogen, gleich, welche Leistung er bringt, ist eine Höhergruppierung, eine Eingruppierung als Grundschullehrer im Freistaat Sachsen zurzeit überhaupt nicht möglich.
Beim sogenannten Kernstück, den Mittelschulen – nehmen wir es besonders heraus – werden 35 % der Lehrer als Realschullehrer eingruppiert. 65 % – ich wiederhole die Zahl: 65 % – der Mittelschullehrer im Freistaat Sachsen werden wie Grundschul- oder Hauptschullehrer eingruppiert, obwohl es ja die Hauptschullehrer in Sachsen überhaupt nicht gibt.
Diese Lehrer sind erfolgreich in ihrer Tätigkeit, und Leistung spielt hierbei überhaupt keine Rolle. Sie arbeiten sowohl in Realschulklassen und -gruppen wie auch in Hauptschulklassen und -gruppen ab Klasse 7. An berufsbildenden Schulen und Förderschulen steht die notwendige Höhergruppierung nach Qualifikation seit Jahren aus. Diese wird nicht vorgenommen.
Ein Highlight, weil es ganz aktuell ist, muss ich Ihnen hier noch erzählen. Fachberater, die seit 20 bis 30 Jahren erfolgreich als Lehrer arbeiten, die ein Bewerbungsverfahren durchlaufen haben, die durch den Freistaat Sachsen ausgewählt worden sind, werden bei der Bestellung nicht mehr höhergruppiert, weil sie sich erst einmal bewähren
müssen. Wer soll denn das im Lehrerbereich heute überhaupt noch verstehen?!
Neu eingestellte Kollegen erhalten im Osten eine Vergütung von netto 1 400 Euro, und dies nach mindestens siebenjährigem Studium, im Westen dagegen von 2200 Euro. Nein, dass Sie mich nicht falsch verstehen, eine Verbeamtung der Lehrer möchte ich nicht, und nicht nur, weil man dann nicht mehr streiken kann, sondern hier muss es in Sachsen Regelungen geben, die in den Bezügebereichen möglich und auch notwendig sind. Sie glauben doch nicht wirklich, Herr Wöller, dass bei Studienbeginn eine Zusage für Mangelfächer als Einstellungsgarantie ausreicht! Ich würde sogar bezweifeln, ob das geht. Da müssen bessere Arbeits- und Einkommensbedingungen her. Personalräte kämpfen bei Einstellungen von jungen Kollegen um eine höhere Eingruppierung als die, die der Freistaat vorsieht. Hier kämpfen die Personalräte und nicht der Arbeitgeber.
Was sind denn außerdem Mangelfächer? Mangelfächer kann man doch sehr differenziert betrachten und auch entsprechend darstellen. Was Sie unter Mangelfächern verstehen, werde ich dann in der zweiten Debatte erläutern.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es in einer Debatte um bessere Arbeitsbedingungen im Lehrerbereich geht, sollte und muss man die Zeit ausschöpfen, die man zur Verfügung hat. Sie haben sicherlich nichts anderes von mir erwartet.
Herr Rohwer, wenn Sie zu diesem Thema sprechen, dann erwarte ich von Ihnen – auch und gerade weil Sie Vorsitzender des Schulausschusses sind –, dass Sie sich mit dem Inhalt und der Materie ein wenig intensiver beschäftigen.
Es geht bei der Frage der Eingruppierung von Lehrern nicht um eine Neiddebatte, sondern es geht um Grund- und Mindestanforderungen an die Bezahlung von Lehrerinnen und Lehrern.
Ich möchte mich auch noch einmal zur Problematik der Einstellungen von Lehrerinnen und Lehrern äußern. Wir haben in Sachsen einen Einstellungskorridor. Ich weiß nicht, ob Sie sich das genau angeschaut haben. Dieser Einstellungskorridor ist für das laufende Schuljahr nicht einmal an Mittelschulen und Gymnasien ausgeschöpft. Das heißt, wir haben hier ein Potenzial, sogar einen vorgegebenen Rahmen mit den Gewerkschaften beschlossen, der nicht ausgeschöpft worden ist. Was will denn eigentlich das Kultusministerium? Wollen Sie die Einstellungen oder wollen Sie sie nicht?
Zu den Referendaren: Ich habe in den letzten Wochen sehr häufig mit Referendaren und Lehrern von Referendaren gesprochen und festgestellt, dass diese jungen Leute, die noch im Studium stehen und hier in Sachsen aufgewachsen sind und hier studiert haben, auch gern ihr Referendariat machen und auch in Sachsen bleiben wollen – allerdings nicht unter den Bedingungen, die wir hier in Sachsen sowohl in der Arbeit als auch in der Vergütung haben. Dieses Hin und Her, das wir in Sachsen bei der Entscheidung im Bildungsbereich haben, muss endlich ein Ende haben.
Kollege Dulig hat es schon angesprochen: In der Amtszeit von Herrn Rößler sind Entscheidungen getroffen worden, die einfach falsch waren, die dringend korrigiert werden müssen.
Die Entscheidung, dass in Dresden keine Grundschullehrerausbildung mehr durchgeführt wird, ist im Zeitraum der Amtszeit von Herrn Rößler getroffen werden.
Herr Colditz, ich muss Ihnen gleich noch etwas dazu sagen: Die Entscheidung, dass Sie Astronomie abgeschafft haben, ist auch im Zeitraum der Amtszeit von Herrn Rößler gefallen. Dass es Wahlmöglichkeiten für Geografie und Geschichte gibt, ist auch in der Zeit von Herrn Rößler gefallen. Das sind Entscheidungen, die wieder rückgängig gemacht werden müssen.
Ich bin sehr froh, dass die Wissenschaftsministerin Frau Stange jetzt den Weg geht und sagt, wir brauchen statistisch und objektiv mehr Grundschullehrer. Die Lehrerausbildung will sie wieder nach Dresden holen. Allerdings ist die Amtsperiode der SPD in dieser Legislaturperiode auch bald vorbei. Das hätte man viel früher machen können, denn seit 2007 gibt es keine Studenten mehr in Dresden. Ich hoffe nur, Eva, dass Du das in Deiner Amtszeit noch schaffst.
Ein weiteres Problem betrifft die Lehrerinnen und Lehrer, die zurzeit an den sächsischen Schulen tätig sind. 85 % aller sächsischen Lehrerinnen und Lehrer haben eine Ausbildung aus DDR-Zeiten. Das ist übrigens sehr gut so, sonst hätten wir die PISA-Ergebnisse nicht. Aber das heißt auch, dass sächsische Lehrerinnen und Lehrer entsprechend alt sind. Meine Kollegin Frau Bonk hat es bereits dargestellt: Sächsische Lehrerinnen und Lehrer machen sich beruflich und persönlich Sorgen, wie sie einmal in die Rente gehen können und ob und wie überhaupt, denn mit 68 Jahren vor einer Klasse zu stehen, das sollten wir weder den Lehrern noch den Schülern zumuten. Hier ist dringender Handlungsbedarf gegeben. Das alles ist möglichst in einem Personalentwicklungskonzept zu erfassen.
Viele Punkte, die noch zu benennen wären, kann ich nicht anführen. Dafür habe ich nicht mehr die Zeit. Ich will sie nur anreißen.
Das Thema „Pflichtstunden“ ist ein ganz wichtiges Thema an sächsischen Schulen. 28 Stunden für eine Grundschullehrerin in Vollbeschäftigung sind gar nicht möglich. Die Kontaktstunde steht im notwendigen Stundenbereich nicht zur Verfügung. Der hohe Wechsel von Schülerinnen und Schülern, von Klasse zu Klasse und von Schulart zu Schulart ist keine konstruktive Arbeit im Lehrerbereich. Die hohe Anzahl von Abordnungen muss ich benennen. Die fehlenden Unterstützungssysteme an sächsischen Schulen, die von den Lehrern kompensiert werden sollen, aber wirklich nicht funktionieren, liegen trotzdem auf dem Tisch der Lehrer. Solche Aufgabenfelder wie Sicher
heitsbeauftragter der Schule sollten keine Aufgabe eines Lehrers sein.
Danke.
Herr Wöller, wenn wir seit 20 Jahren mehr Lehrer im Freistaat Sachsen haben, als notwendig sind, warum wurden 1992, 1993 und 1994 die Pflichtstunden angehoben? Können Sie mir das erklären?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Wöller, ich würde mir auch mal wünschen, dass Sie etwas Konkretes sagen und nicht diese Allgemeinplätze benennen und darauf hoffen, dass es nicht mehr in der Tagesordnung steht und sich alle irgendwie beruhigen.
Ich denke, ich muss noch ein paar Klarstellungen zu Ihren Aussagen treffen, die aus meiner Sicht nicht richtig sind. Die Vollzeit der Grundschullehrer 2012 ist keine Gnade des Kultusministeriums, sondern ein Muss, weil der Bedarf an den Grundschulen inzwischen so hoch ist, dass die Vollzeit zwingend notwendig ist, eigentlich schon heute und vollständig. Es gibt immer noch und zunehmend – gerade jetzt nach dem Halbjahr – Unterrichtsstunden, die nicht gehalten werden können und gestrichen werden. Das sind Anrechnungsstunden von Lehrerinnen, die nicht mehr ausgereicht werden, weil sie für den Unterricht gebraucht werden. Ich könnte Ihnen hier wieder x Beispiele aufzählen. Ich lasse es, weil ich die Zeit für etwas anderes brauche.
Das Nächste ist eine gesunde Altersstruktur. Ich frage Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion – vielleicht kann das Herr Wöller auch nicht wissen: Wie lange sitzen Sie schon in diesem Landtag? Wie lange sitzen Sie schon in Regierungsverantwortung? Wie lange wissen Sie eigentlich schon, wie die Altersstruktur im Lehrerbereich in Sachsen aussieht? Da kommen Sie jetzt nach 20 Jahren und stellen fest – –
(Thomas Colditz, CDU: Was sollen wir mit den älteren Lehrern machen? Sollen wir sie entlassen, Frau Falken, oder was denn? Machen Sie doch mal einen Vorschlag!)
Oh! Aber ganz toll. Da habe ich ganz tolle Vorschläge. Schade, dass Sie mir vorhin nicht zugehört haben. Die Altersstruktur im Lehrerbereich – –
Herr Colditz, gehen Sie doch ans Mikrofon und stellen Sie eine Frage. Sie klauen mir die Redezeit. Das ist überhaupt nicht gut. Überhaupt nicht.
Herr Wöller, eine Rückkehrmöglichkeit für die jungen Lehrerinnen und Lehrer, die jetzt nach BadenWürttemberg gehen, ist zwar ein schönes Wort, aber formal brauchen sie die nicht. Die können in BadenWürttemberg kündigen und hier wieder anfangen. Formal müssen sie es sowieso so machen. Sie beginnen hier neu mit ihrer Tätigkeit und werden hier in die unteren Gehaltsgruppen eingruppiert. Schauen Sie sich doch einmal an, was konkret da ist. Erzählen Sie doch nicht, dass es noch etwas Besonderes wäre. Das ist nichts Besonderes. Das geht jederzeit und immerzu.
Nun zum Thema Stellen für Referendare. Das von Ihnen Gesagte kann ich hier nicht so stehen lassen. Ich habe mich in der Haushaltsdebatte schon mehrfach darüber aufgeregt. Sie legen als Koalition einen Haushaltsentwurf vor, in dem wesentlich weniger Stellen für Referendare enthalten sind als vorher, und feiern dann in Sachsen, dass Sie mit Änderungsanträgen noch zusätzliche Stellen als Referendare in den Haushalt bekommen haben. Unterm
Strich sind es weniger als in der langfristigen Prognose, die Sie vorher aufgestellt haben. Wir haben heute weniger Lehramtsanwärterstellen als vor diesem Haushalt. Das muss man deutlich sagen, sonst sieht es so aus, als wenn Sie hervorragend neue Stellen geschaffen haben, die nach unserer Ansicht sowieso nicht ausreichen.
Noch ein Satz zum Mangelfach. Herr Wöller, was sind denn Mangelfächer in Sachsen? Nach meinem Kenntnisstand wechseln die Mangelfächer in Sachsen von Jahr zu Jahr. Das geht so schnell, dass Sie bei einer Einstellungsgarantie nach sieben Jahren überhaupt nicht mehr wissen, welches Mangelfach Sie damals als Einstellungsgarantie gegeben haben.
Was ist ein Mangelfach? Ist es auch ein Mangelfach, wenn Lehrer fachfremd unterrichten? 60 % des Musikunterrichts im Grundschulbereich werden fachfremd unterrichtet. Ist das ein Mangelfach oder ist das kein Mangelfach für Sie? Also, hier muss man, denke ich, auch Begriffe klären, bevor man an die Öffentlichkeit geht.
Ich würde gern meiner Kollegin noch eine Frage gestatten.
Das ist mir sehr aufgefallen. Der planmäßige und der nicht planmäßige Unterrichtsausfall in Sachsen ist schon erheblich, und er wird steigen.
Dazu will ich Ihnen noch etwas sagen, wenn wir beim Unterrichtsausfall sind: Den Unterrichtsausfall, der durch den Streik der Lehrer angefallen ist, dürfen die Lehrer nicht in die Unterrichtsausfallstatistik hineinnehmen. Das finde ich ganz interessant. Wir sollten einmal schauen, was in der Statistik steht, die am Ende des Jahres herauskommt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist jetzt wirklich ein wenig schade, denn ich hatte mich schon auf den Redebeitrag der CDU gefreut.
Das wäre eine sehr interessante Geschichte geworden, auf die man noch einmal hätte einsteigen können. Aber gut, dann konzentrieren wir uns eben auf den Redebeitrag von Herrn Herbst und auf den Antrag.
Um es gleich vorwegzusagen – und darüber werden Sie sich nicht sehr wundern –: Meine Fraktion wird diesen Antrag ablehnen.
Herr Herbst, Sie werden sich hoffentlich daran erinnern: Bereits im September haben wir nach einem Antrag Ihrer
Fraktion über dieses Thema hier im Hohen Haus diskutiert und gesprochen. Dabei haben wir deutlich festgestellt, dass wir in diesem Punkt nicht auf einen Nenner kommen. Soweit ich mich erinnere, gab es auch andere Fraktionen, die das nicht unterstützt haben.
Schule, Unterricht, Lehrer und Schüler zu betrachten wie ein Unternehmen oder einen Betrieb ist etwas, was uns extrem widerstrebt. Ich hoffe, dass das in Sachsen und hoffentlich auch in Deutschland niemals passieren wird.
Herr Herbst, ich denke, sicher wird das ein wesentlicher Punkt sein, weshalb Sie nicht in die Regierung kommen werden. Aber falls doch, hoffe ich sehr, dass Sie genau die Punkte, die Sie in Ihrem Antrag gestellt haben, nicht umsetzen werden. Denn genau diese Punkte, die in dem Antrag stehen, wirken nicht motivierend, sondern eher demotivierend in den Schulen. Ich werde Ihnen das nachher an Beispielen darstellen.
Zunächst möchte ich wissen – ich hoffe, Sie gehen noch ein zweites Mal zum Pult oder beantworten das im Schlusswort –, was Sie eigentlich unter leistungs- und bedarfsgerechter Vergütung verstehen. Was sind denn für Sie Leistungen? Sie haben versucht, es kurz zu formulieren. Für die Feststellung der entsprechenden Leistungsgelder sind Leistungen für Sie Einsatz, Fleiß und Kreativität. Haben Sie sich einmal überlegt, wie man einen Lehrer im Schulbetrieb nach diesen drei Kriterien einschätzen kann und vor allem wer das tun soll?
Spitzenleistungen – was ist denn das? Wie schätzen Sie denn eine Spitzenleistung eines Lehrers an sächsischen Schulen ein?
Neulich las ich in der Zeitung von Herrn Wöller, was Leistungen eines Lehrers sind. Ich hoffe, dass die Journalisten das nicht richtig interpretiert haben. Man will die Leistungen eines Lehrers in Sachsen daran messen, welche Prüfungsergebnisse die Lehrer mit den Schülern erreicht haben oder welche tollen Bildungsempfehlungen fürs Gymnasium geschrieben worden sind. Das ist doch keine Ermittlung der Leistungen eines Lehrers!
Ich gehe davon aus, dass Sie das nicht wirklich wollen. Denn einen Schüler von der Note 4 auf eine 3 zu bringen ist keine Leistung eines einzelnen Lehrers, sondern immer eine Teamarbeit innerhalb der Schule. Eine einzelne Leistung ist überhaupt nicht messbar und gar nicht möglich.
Kommen wir zu einigen Fragen, die ich habe und die in dem Antrag überhaupt nicht beantwortet werden. Was verstehen Sie denn unter Bedarf an sächsischen Schulen? Wir haben vorhin schon einmal darüber gesprochen. Ich habe erklärt, wie Lehrer bezahlt werden. Ist der Bedarf für Sie der reine Unterricht oder gehört zum Bedarf im
Lehrerbereich wesentlich mehr? Der Lehrer hat extrem viele unteilbare Aufgaben. Diese unteilbaren Aufgaben werden ihm im Freistaat Sachsen nicht wirklich vergütet. Gehört das zur Prämie, zur Leistungsbezahlung, oder nicht? Das halten wir für nicht wirklich zu benennen und nicht wirklich zu erfassen.
Wie soll in den Schulen bewertet werden? Sie haben es schon dargestellt; das Kultusministerium soll nicht bewerten. Wer soll das tun? Soll das der Schulleiter machen?
Herr Dulig, vielleicht fährt die FDP herum. Das kann ja sein.
Soll das der Schulleiter machen? Sollen das die Schüler machen? Sollen das die Eltern machen? Sollen es alle gemeinsam machen? Welches Kriterium ist es dann? Die Beliebtheit des Lehrers beim Schulleiter oder die Beliebtheit des Lehrers bei den Schülern? Welche Form der Beliebtheit beim Schüler ist denn ein Lehrer wirklich wert? Welche Kriterien wollen Sie dafür ansetzen?
Zum Glück gibt es Schüler, die auch ein wenig gefordert werden wollen. Aber, genau – der eine Schüler ist so und der andere so. Ich denke, mit diesem Verfahren, das Sie sich überlegt haben, ist das in der Praxis nicht umzusetzen.
Ich möchte Ihnen erklären, was Bewertungsverfahren in der Praxis an sächsischen Schulen bedeuten.
Wir hatten an den sächsischen Schulen die Höhergruppierungsverfahren – im Grundschulbereich dreimal, im Mittelschulbereich einmal –, weil nicht genügend Haushaltsstellen zur Verfügung standen, um die Lehrer in die entsprechende Eingruppierung zu bringen. Diese Verfahren an den Schulen haben an vielen Stellen zur absoluten Demotivierung geführt. Was ist passiert? Das Kultusministerium hat vorgeschrieben, wie viel Höhergruppierungen möglich sind – das ist klar, das kann man aus dem Haushalt ausrechnen, kein Thema –, und den Schulen zugeordnet. Das heißt, es gab Schulleiter, die sich sehr intensiv damit beschäftigt haben, ihre Lehrer so objektiv, wie es geht, zu beurteilen. Danach haben sie ein Computerprogramm bekommen, in dem sie eingeben mussten, wie viele Lehrer übrig bleiben, und danach wurde mit dem Computerprogramm die entsprechende Bewertung durchgeführt. Das hat natürlich extrem zur Demotivierung geführt.
Wenn Sie von den Prämien sprechen, die derzeit oder wieder einmal nach Haushaltslage – insofern haben Sie schon recht; immer so, wie die Haushaltslage ist – ausgeteilt werden oder auch nicht, dann haben Sie einen Schlüssel, logisch, kein Thema. Aber wenn ich eine Schule habe, die weniger als 20 Lehrer hat, dann bekommen die gar keine Prämie, egal, wie gut diese sind oder auch nicht. Das sind doch alles Kriterien, die für eine Bewertung überhaupt nicht relevant sind.
Jetzt habe ich gezeigt, wie es wirklich nicht geht. Vielleicht erklären Sie uns, wenn Sie das vorhaben und machen möchten, wie es gehen könnte. Aber de facto ist es doch so, dass wir eine leistungsbezogene Bezahlung im Lehrerbereich nicht einführen sollen und nicht einführen dürfen. Nicht umsonst haben die Gewerkschaften, Herr Herbst, sich genau diesen Passus der leistungsbezogenen Prämie teuer, sehr teuer in diesem Tarifvertrag abkaufen lassen, weil genau diese Regelung nicht funktioniert.
Wir fordern deshalb, dass die Bedingungen an sächsischen Schulen, so wie wir es bereits heute früh in der 1. Debatte gemeinsam besprochen haben, verändert werden, sodass Arbeitsmöglichkeiten und Arbeitsbedingungen für Lehrer in Sachsen wieder erträglich und für die Arbeit mit den Schülern erfolgreich sein können. Motivierend ist das nicht.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Sächsische Verfassung garantiert im Artikel 102 Abs. 4 für alle Kinder und Jugendlichen kostenlose Teilnahme am Unterricht und kostenlose Bereitstellung von Lernmitteln an öffentlichen Schulen in Sachsen. Daraus ergibt sich ein Rechtsanspruch.
Ungeachtet dessen werden die Erziehungsberechtigten der Schülerinnen und Schüler an sächsischen Schulen regelmäßig zu Beginn des Schuljahres mit nicht unerheblichen Kostenerstattungsforderungen der Schulen für Gegenstände, Geräte, Instrumente und Sachmaterialien konfrontiert, wie zum Beispiel für Arbeits- und Schreibhefte, Zeichen- und Malmaterialien, Taschenrechner, Tafelwerk, Atlanten und andere Druckwerke sowie für im Unterricht bereitgestellte Literatur und Kopien. Das sind Materialien, die ausschließlich für den Unterricht benötigt werden, die in aller Regel nur zur Nutzung des Unterrichts bestimmt sind und die demzufolge zu den Lernmitteln im Sinne der obersten Verfassungsbestimmung gehören.
Nach dem geltenden Schulgesetz – § 38 Abs. 2 – werden lediglich die „notwendigen“ Schulbücher leihweise zur Verfügung gestellt, und dies nicht einmal in ausreichendem Maße. Letzteres gilt insbesondere für Tafelwerke, Atlanten, schöngeistige Literatur usw.; denn diese Materialien müssen die Schüler bzw. die Eltern trotzdem kaufen.
Das gegenwärtig geltende Recht erfüllt die Verfassungsgerechtheit der Lernmittelfreiheit im Freistaat Sachsen nicht und muss demzufolge, da es nicht rechtskonform mit der Verfassung ist, geändert werden.
Zu der Frage, was Lernmittel im Sinne dieser Verfassungsgarantie sind, kann man sich – ja, man könnte sich – am gesunden Menschenverstand orientieren oder an Handbüchern zur Schulrechtskunde oder auch an einschlägigen Urteilen, zum Beispiel dem Urteil des Verwaltungsgerichts Baden-Württemberg aus dem Jahre 2001. Darin heißt es beispielsweise:
„Lernmittel sind Gegenstände, die für den Unterricht notwendig sind und zur Nutzung durch den einzelnen Schüler bestimmt sind. Lernmittel sind damit nicht nur Schulbücher. Vielmehr können auch sonstige Druckwerke
wie Lern- und Arbeitsmaterialien Lernmittel sein, seien diese verbrauchbar oder nicht.“
In anderen Bundesländern, die in ihren Verfassungen ebenfalls Lernmittelfreiheit garantieren, gibt es folglich entsprechende Gesetze, die im Laufe der Jahre – also auch nicht sofort, aber im Laufe der Jahre – weiterentwickelt wurden, zum Beispiel, wie soeben zitiert, aus dem Land Baden-Württemberg.
In Bayern formulierte die SPD einen Gesetzentwurf zur umfassenden Lernmittelfreiheit, der zwar im Lande von der bekannten Mehrheitspartei abgelehnt wurde; jedoch zeigt das ganz deutlich, dass dieses Thema durchaus parteiübergreifend behandelt wird. Wir gehen davon aus, dass auch in Sachsen die SPD und andere demokratische Fraktionen das Ziel der umfassenden Lernmittelfreiheit unterstützen werden.
Unser Gesetzentwurf sieht eine Neufassung des § 38 vor. Zu unentgeltlichen Lernmitteln gehören demzufolge nach unserem Gesetzentwurf:
1. für die Hand der Schüler bestimmte Schulbücher und Druckerzeugnisse wie Tafelwerk und Atlas;
2. gedruckte Unterrichtsmaterialien von Schulbuchverlagen, zum Beispiel Arbeitshefte;
3. Lektüren- und Quellentexte, die für die Gestaltung des Unterrichts notwendig sind;
4. Kopien, die ein Schulbuch im Unterricht ergänzen oder ersetzen;
5. für den Unterricht benötigte und zur Nutzung durch den einzelnen Schüler im Unterricht bestimmte Gegenstände, Geräte, Instrumente und Sachmaterialien;
6. weitere aufgrund von Unterrichtsformen erforderliche Materialien;
7. weitere aufgrund von handlungsorientiertem Fachunterricht bestimmte Materialien, die auch möglicherweise zum Verbrauch bestimmt sind.
Die Kosten dafür werden über die Schulträger vom Freistaat Sachsen getragen.
Unser Gesetzentwurf regelt auch, dass für verbindliche Schulveranstaltungen – Sie werden sich erinnern, dass wir in diesem Hohen Hause schon sehr intensiv darüber diskutiert haben –, zum Beispiel Theater, Konzerte,
Exkursionen, den Schülern keine weiteren Kosten entstehen.
Zur Kostenermittlung stehen uns leider keine von der Staatsregierung erhobenen Zahlen zur Verfügung, sondern lediglich die Umfrage des Landeselternrates. Dafür an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank an die Eltern im Freistaat Sachsen!
Die Umfrage ergab – ich zitiere nur einige Beispiele, die für unseren Gesetzentwurf wesentlich sind – für Schulbücher 39 Euro, für Arbeitshefte 31 Euro, für Kopien 10 Euro, für Arbeitsmittel 37 Euro, für Exkursionen 30 Euro. Das ergibt eine Gesamtsumme von 147 Euro. Es gibt eine vergleichbare Erhebung und eine Untersuchung vom DGB, die auch auf eine Summe von circa 150 Euro für Lernmittel kommen. Diese Zahlen sind die Grundlage für die Berechnung der im Haushalt zur Verfügung zu stellenden Gelder.
Selbstverständlich beziehen wir die schon in den Haushalt eingestellten zusätzlichen Summen – für 2009 und 2010 jeweils 5 Millionen Euro – ein. So ergibt sich, dass für 2009 zusätzlich 16 Millionen Euro und für das Jahr 2010 zusätzlich 37 Millionen Euro einzustellen wären.
Jetzt ist Herr Unland nicht da. Ich dachte, er schreibt es sich gleich auf.
Schließlich gehört zur Verfassungsvorgabe des unentgeltlichen Unterrichts auch die unentgeltliche Beförderung der Schülerinnen und Schüler zu diesem Unterricht und zurück, und zwar unter Berücksichtigung von Ganztagsangeboten der Schulen im Freistaat Sachsen. Besondere Bedeutung hat dieser Aspekt auch, weil in den vergangenen Jahren durch Schulschließungen Schulwege, Schulzeiten und natürlich auch Schulwegkosten teilweise erheblich angestiegen sind. Die Regierung des Freistaates
Sachsen hat die Ausdünnung des Schulnetzes veranlasst. Die sich daraus ergebenden Verpflichtungen können nun nicht den Eltern einfach übergeholfen werden. Der Rechtsanspruch der Schüler auf unentgeltliche Bereitstellung des Unterrichts bedeutet nämlich, dass jedem Schüler an öffentlichen Schulen die Teilnahme am Unterricht kostenfrei ermöglicht wird. Dazu gehört zweifelsfrei der gebührenfreie Schülertransport.
Die jährlichen Kosten für die künftig entfallenden Elternanteile zur Schülerbeförderung beziffern sich auf 12,5 Millionen Euro, für das Jahr 2009 also auf 6,25 Millionen Euro. Uns ist bewusst, dass damit noch lange nicht alle Kosten, die die Eltern für die Schule aufbringen müssen, erstattet werden können. Aber wir denken, dass unser Gesetzentwurf endlich ein Schritt in die richtige Richtung ist.