Protokoll der Sitzung vom 13.03.2009

Herr Rohwer, bitte.

Frau Dr. Ernst, wenn Sie mich gerade ansprechen, dann möchte ich direkt zurückfragen: Wird DIE LINKE im nächsten Jahr wieder eine „Geh Denken“-Demo unterstützen und gleichzeitig zulassen, dass ihre Landtagsabgeordnete erneut eine eigene Demonstration beantragt, von der dann linksextremistische Gewalttaten ausgehen? Werden Sie dieses Doppelspiel wieder machen oder werden Sie dies im nächsten Jahr unterbinden?

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der Linksfraktion)

Herr Rohwer, was Sie als Doppelspiel bezeichnen, ist ein großer Irrtum. Es gab kein Doppelspiel. Es gibt immer verschiedene Varianten und Möglichkeiten, Antifaschismus zum Ausdruck zu bringen. Das soll es geben und das ist auch richtig. Das will ich Ihnen ganz klar sagen.

(Beifall bei der Linksfraktion – Zurufe von der CDU)

Wenn Sie mich persönlich fragen, dann sage ich Ihnen: Wissen Sie, was ich mir nächstes Jahr wünsche? – Dass es uns gelingt, eine Nazidemo zu verhindern, und dass wir gar nicht demonstrieren müssen, sondern tatsächlich gedenken können, und zwar der Opfer des Faschismus, und gemeinsam für den Frieden stehen können. Das wäre mir viel lieber.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! DIE LINKE distanziert sich von jedweder Gewalt,

(Gelächter bei der NPD)

von Anfang an. Das, was man anderen Demokraten zugesteht, muss man auch uns zugestehen. Das will ich Ihnen ehrlich sagen. Dass die Nazis natürlich eine andere Meinung haben, sei inbegriffen.

(Volker Bandmann, CDU: Ihre Partei ist eine einzige Gewalttat! – Beifall bei der NPD – Holger Apfel, NPD: Bravo, Herr Bandmann!)

Ja, wir wollen ein friedliches Gedenken und wir wollen ein Umdenken in Dresden. Wir wollen nicht nur eine Konzentration auf das eigene Opferdasein. Wir wollen weg von dem Mythos Dresden. Wir wollen tatsächlich, dass damit den Nazis der Boden entrissen wird. Diese Mythologie muss weg, und ich denke, dass es gilt, sich dafür starkzumachen.

(Lars Rohwer, CDU, steht am Mikrofon.)

Was wir brauchen, ist weniger die Auseinandersetzung zwischen CDU, Linken und anderen, sondern vielmehr ein runder Tisch, der alle zusammenführt, damit wir tatsächlich einen neuen Anfang im nächsten Jahr zustande bringen.

(Zurufe von der CDU)

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage von Herrn Rohwer?

Aber gern.

Herr Rohwer, bitte.

Frau Dr. Ernst, ich glaube, Sie haben sich soeben versprochen. Habe ich richtig gehört? Sie wollen weg vom Mythos Dresden? Habe ich das richtig verstanden?

Sie haben mich im Grunde richtig verstanden. Es gibt den Mythos Dresden, der sich damit verbindet, die Konzentration nur auf die eigenen Opfer in der eigenen Stadt zu lenken. Ich denke, dass das falsch ist und dass es den Nazis damit erleichtert wird, unter diesem Aspekt einen Trauermarsch zu veranstalten

(Thomas Colditz, CDU: Unverschämt!)

und sich in diese Reihe einzuordnen. Ich denke, dass es wichtig ist, dass sich Dresdner tatsächlich öffnen, ihren Blick öffnen und mitbekommen,

(Thomas Colditz, CDU: Frechheit!)

dass auch andere Städte bombardiert und zerstört wurden und dass es vielmehr darauf ankommt, das Datum 13./14. Februar zu nutzen, eine starke Aussage gegen Krieg und für Frieden zu machen. Das scheint mir der entscheidende Punkt zu sein.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Frau Ernst, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage von Herrn Rohwer?

Ja, natürlich.

In diesem Zusammenhang frage ich Sie: Wollen Sie, wenn Sie vom Mythos Dresden sprechen, wirklich die gemeinsamen Gedenkgottesdienste der Erinnerung, die in 64 Jahren entstanden sind, abschaffen?

(Empörung bei der Linksfraktion)

Das ist meine Frage, denn das ist für mich Teil der Dresdner Gedenkkultur.

Herr Rohwer, Gedenkgottesdienste haben doch nichts mit dem Mythos zu tun. Also, ich bitte Sie! An denen nehme ich im Übrigen selbst teil.

(Beifall bei der Linksfraktion – Gelächter bei der NPD)

Gibt es weiteren Aussprachebedarf der Fraktionen? – Dann haben Sie, Herr Staatsminister des Innern Dr. Buttolo, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Polizeieinsatz am 13. und 14. Februar war in der Tat eine große Herausforderung nicht nur für die sächsische Polizei, sondern auch für die unterstützenden Polizeien der anderen Länder der Bundesrepublik.

Wodurch war der Einsatz geprägt? Welches Ziel sollte er haben? Das vordringlichste Ziel war es, die auflagengerechte Durchführung der Demonstrationen, wie es die Verfassung verlangt, zu garantieren.

(Beifall bei der CDU)

Dabei ging es darum, das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Demonstrationen zu verhindern. Frau Bonk, wir brauchen keine Straßenschlachten. Wenn Sie anmahnen, dass bei den Demonstrationen das Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Demonstrationsrichtungen zulässig sein muss,

(Julia Bonk, Linksfraktion: Versammlungsgesetz!)

dann werden Sie aber die Auseinandersetzungen nicht nur verbal haben. Dann werden wir die Polizei zwischen diesen beiden Demonstrationen zerreiben. Das mache ich nicht mit!

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP – Caren Lay, Linksfraktion: Dann sorgen Sie mit uns gemeinsam dafür, dass die Nazis nicht marschieren!)

Frau Lay, Sie wissen, dass diese angemeldete Demonstration genehmigt wurde und dass sie dann von der Polizei als durchzuführend zu akzeptieren ist. Die Polizei – und hier möchte ich den Vorwurf, den Sie, Frau Bonk, geäußert haben, ganz klar zurückweisen – hat zu keinem Zeitpunkt, weder am 13. noch am 14. Februar, in irgendeiner Weise Partei für diese rechten Demonstranten ergriffen. Das war nie der Fall!

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Der Polizeieinsatz wird derzeit umfänglich durch die Polizeidirektion ausgewertet. Verständlicherweise ist diese Auswertung noch nicht abgeschlossen. Sie wird natürlich von meinem Haus begleitet. Es hat keinen Sinn, vor Abschluss dieser Maßnahmen irgendwelche Einzelaspekte dieses Einsatzes herauszugreifen und zu kommentieren. Im Gegenteil, durch die isolierte Betrachtung von Einzelaspekten kann das Gesamtbild nur verfälscht werden.

Übrigens liegen der Staatsregierung mit Stand vom 05.03.2009 insgesamt 35 Kleine Anfragen von Abgeordneten unterschiedlicher Fraktionen, auch der Fraktion der Linken, zum Demonstrationsgeschehen an diesen zwei Tagen vor. Es wird nachgefragt zu den in diesem Zusammenhang stehenden polizeilichen Maßnahmen. Einige Fragen in den Kleinen Anfragen sind ganz oder teilweise den Fragen aus dem vorliegenden Antrag der Linksfraktion ähnlich bzw. variieren nur in Nuancen.

Aus diesem Grund ist eine fachliche Befassung erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich. Ich denke, die Ansage im Innenausschuss war deutlich, dass wir, wenn die entsprechenden Auswertungen vorliegen, die Diskussion dort führen werden.

Lassen Sie mich unabhängig davon noch einige Worte zur Situation am 13. und 14. Februar sagen. An diesen beiden Tagen hatten wir in Dresden eine außerordentlich schwierige Situation. Es war einer der größten Polizeieinsätze in der sächsischen Geschichte. Er war erforderlich, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Landeshauptstadt zu gewähren. Dies ist uns gelungen. So setzte die Polizeidirektion Dresden am 13. Februar zur Bewältigung des Einsatzgeschehens 2 808 Einsatzkräfte ein, am 14.02. kamen 4 183 Einsatzkräfte zum Einsatz. Dieser hohe Personaleinsatz war aufgrund des Versammlungsgeschehens auch erforderlich. Die Schwerpunkte der einzelnen Tage kennen Sie.

Im Rahmen des Gesamteinsatzes erfolgten 97 Gewahrsamnahmen, drei vorläufige Festnahmen und 1 931 Platzverweise. Bislang wurden insgesamt 120 Ermittlungsverfahren wegen verschiedener Straftaten im Zusammenhang mit dem Versammlungsgeschehen eingeleitet. Es liegen darüber hinaus drei Anzeigen gegen Polizeibeamte wegen Körperverletzung im Amt vor. Aus diesen drei Anzeigen liegen auch Erkenntnisse zu insgesamt drei verletzten Versammlungsteilnehmern vor.

Es entstand eine Reihe von Sachschäden. Herausgreifen möchte ich nur zwei Vorfälle. Es wurden 32 Dienstkraftfahrzeuge der Polizei, davon zwölf sächsische, beschädigt. Am Porsche-Zentrum Dresden wurden sechs Sicherheitsglasscheiben eingeschlagen. Die vollständige Schadenshöhe aller Vorfälle ist aktuell noch nicht aufgelistet.

Das Ziel der polizeilichen Maßnahmen, den Schutz und die störungsfreie sowie auflagengemäße Durchführung aller Versammlungen und Veranstaltungen im Stadtgebiet zu gewährleisten, wurde an beiden Tagen erreicht. Größe

re Ausschreitungen konnten auch durch den konsequenten Einsatz der Polizei verhindert werden.

Traurig ist – das möchte ich im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Debatte hervorheben –, dass bei diesem Einsatz 42 Polizisten, wenn auch nur leicht, aber doch verletzt wurden.