Protokoll der Sitzung vom 13.05.2009

Denn der Gemeinderat kann dieselbe Angelegenheit auch nur einmal in sechs Monaten behandeln. Das ist eine Regelung, die jetzt schon in der Gemeindeordnung steht und die natürlich selbstverständlich für die Ortschaft gilt. Zu einer dauernden Blockade kommt es dadurch natürlich nicht. Daran ändert auch nichts, wenn man, wie es ein Sachverständiger in der Anhörung getan hat, das nebulöse Prinzip der Einheitsgemeinde ins Feld führt.

Nein, meine Damen und Herren, wir wollen tatsächlich die Rechte der örtlichen Ebene innerhalb einer Gemeinde stärken. Wenn Ihnen unsere Vorschläge, wie etwa das aufschiebende Widerspruchsrecht oder ein eigenes Budgetrecht für den Ortschaftsrat, nicht gefallen, dann bitte ich Sie darum, selbst eigene Vorschläge zu machen.

(Beifall der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Doch dazu habe ich von Ihnen nie irgendeinen Ton gehört. Ich habe immer nur Ausflüchte, falsche Rechtsargumente und die Aussage gehört, dass Sie überhaupt keine Lust haben, sich mit diesem Thema zu befassen.

(Volker Bandmann, CDU: Herr Lichdi, weil Sie immer nicht da sind, können Sie das nicht hören!)

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen: So werden Sie – selbst Sie, Herr Bandmann – Ihrer Verantwortung, die Sie als gewählte Vertreter im Landtag haben, nicht gerecht.

(Rolf Seidel, CDU: Denken Sie an Ihre Verantwortung für die Arbeitsplätze, Herr Lichdi!)

Wollen Sie eine Zwischenfrage stellen? Ich habe Sie nicht verstanden.

(Rolf Seidel, CDU: Das ist gut so!)

Es ist offensichtlich nicht so, dass der Kollege eine Zwischenfrage stellen wollte.

Nein, meine Damen und Herren, ich bin tatsächlich der Auffassung, dass wir uns alle insgesamt, weil wir Demokraten sind und die Demokratie verteidigen wollen, endlich dieser Frage ernsthaft zuwenden und nicht mit einer derartigen intellektuellen Blockadehaltung, wie sie uns hier immer wieder entgegengebracht wurde, dieses Problem aussitzen sollten.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die CDUFraktion, bitte; Herr Abg. Schowtka.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der uns von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegte Gesetzentwurf stellt meines Erachtens den Versuch dar, einen Teil unserer seit 15 Jahren bewährten Gemeindeordnung auf den Kopf zu stellen. Er bedeutet einen Systembruch. Das war auch wirklich die überwiegende Meinung der Sachverständigen, die am 8. Januar dieses Jahres an einer ausführlichen Anhörung teilnahmen.

Das angeblich große Bürgerinteresse an diesem Gesetzentwurf wurde durch die Präsenz von insgesamt zwei Personen auf der Besuchertribüne ad absurdum geführt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Um es auf den Punkt zu bringen: Der Gesetzentwurf strebt drei Ziele an: erstens die Festschreibung der Ortschaftsverfassung in allen Ortsteilen einer Gemeinde, zweitens die Übertragung der Entscheidung über die Mittelverteilung durch den Ortschaftsrat und drittens ein Widerspruchsrecht gegen Entscheidungen des Bürgermeisters und Beschlüsse des Gemeinderates.

Mit der vorgesehenen Änderung von § 65 Abs. 1 der Gemeindeordnung wird wieder einmal versucht, angebliche Probleme, für die die Landeshauptstadt Dresden zuständig ist, in den Landtag zu zerren. Die Waldschlößchenbrücke lässt grüßen.

Die geltende Formulierung in der Gemeindeordnung lässt durchaus die Einführung der Ortschaftsverfassung in allen Ortsteilen einer Gemeinde zu. Eine weitere Klarstellung ist überflüssig. Der gewählte Stadt- oder Gemeinderat muss es nur wollen und durch die Hauptsatzung beschließen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Wenn man die kommunale Selbstverwaltung will, muss man das auch akzeptieren. Aber einige in diesem Hohen Haus rufen nach Bürgerentscheiden und kommunaler Selbstbeteiligung nur dann, wenn ihnen die Ergebnisse in den Kram passen.

(Beifall bei der CDU – Volker Bandmann, CDU: Sehr richtig!)

Die zweite Regelung des Gesetzentwurfes sieht vor, dass der Gemeinderat dem Ortschaftsrat die Entscheidung über Haushaltsmittel im Rahmen einer Richtlinie übertragen kann. Auch das ist überflüssig. Bereits nach geltender Rechtslage sind dem Ortschaftsrat zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben angemessene Haushaltsmittel zur Verfügung zu stellen. Zur Aufgabenerledigung kann der Gemeinderat dem Ortschaftsrat Richtlinien vorgeben. Die Rechtslage ist eindeutig. Weiterer Klarstellungsbedarf besteht nicht.

Der dritte und letzte Änderungsvorschlag des Gesetzentwurfes fordert ein Widerspruchsrecht gegen Beschlüsse des Bürgermeisters oder des Gemeinderates. Diese Formulierung ist schlichtweg falsch. Ein Gemeinderat kann zwar Beschlüsse fassen, aber ein Bürgermeister allein kann das nicht, er handelt in Form von Entscheidungen. Damit wird die Umsetzung von Entscheidungen des Gemeinderates bzw. des Bürgermeisters um mindestens vier Wochen verzögert und der Gemeinderat gezwungen, nach vier Wochen erneut über dieselbe Angelegenheit zu entscheiden. Es ist davon auszugehen, dass er dann wieder die gleiche Entscheidung treffen wird. Ich frage mich: Wem nützt das?

Was wäre die Folge dieses Vetorechtes, auch wenn es sich nur auf Gemeinderatsbeschlüsse bezieht? Bisher besteht ein Anhörungsrecht der Ortschaftsräte. Dieses bezieht sich auf Angelegenheiten mit besonderer Bedeutung für die Ortsteile. Das vorgeschlagene Vetorecht soll sich demgegenüber auf alle ortsbezogenen Angelegenheiten beziehen. Ob eine große Bedeutung für den Ortsteil vorliegt, ist dabei völlig irrelevant. Das heißt, dieses Vetorecht würde plötzlich einen Großteil aller Gemeinderatsbeschlüsse betreffen. Es würde vor allen Dingen viel weiter gehen als das bisherige Anhörungsrecht. Das hätte zur Folge, dass der Ortschaftsrat zwar nicht angehört würde, aber ein Vetorecht ausüben könnte.

Meine Damen und Herren! Ein weiteres Problem besteht darin, dass innerhalb der großen Gemeinden, vor allem der kreisfreien Städte in Sachsen, ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen den Rechten der Ortschaftsräte und den Rechten der Stadtbezirksbeiräte bestehen würde. Das ist bisher schon problematisch. Nun wäre es so, dass die Stadtbezirksbeiräte allenfalls etwas sagen dürften, das nicht beachtet wird, aber die Ortschaftsräte könnten plötzlich ein Veto einlegen. Das würde ein Ungleichgewicht herbeiführen, das sicher nicht im Interesse der Akzeptanz von Entscheidungen durch die Bürger ist.

Alles in allem ist der uns vorliegende Gesetzentwurf verfassungsrechtlich bedenklich, da er die Rechte des gewählten Stadt- und Gemeinderates einschränkt. Er enthält unklare Formulierungen und verzögert das Verwaltungshandeln unnötig. Er ist einfach überflüssig und wird deshalb von den Koalitionsfraktionen abgelehnt.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung – Caren Lay, Linksfraktion: Von Ihnen ist auch keine bürgernahe Politik zu erwarten!)

Die Linksfraktion, bitte; Herr Dr. Friedrich.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Anders als mein Vorredner sehen wir den Gesetzentwurf ganz und gar nicht als überflüssig an. Ich denke, es ist alles zu unterstützen, was die Stellung der Ortschaftsräte, im Übrigen auch der Stadtbezirksbeiräte, verbessert und damit eine Stärkung der bürgerschaftlichen Mitwirkung der Einwohner in den jeweiligen Ortsteilen erreicht.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Das ist ein unterstützenswertes politisches Ziel. Insofern ist die Initiative, die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestartet haben, zeitgemäß und unterstützenswert. Das sage ich gerade vor dem Hintergrund – und das ist mehr als eine Fußnote –, dass das Innenministerium gerade dabei ist, durch eine sehr problematische und, wie ich meine, auch sehr engstirnige Auslegung des Kommunalwahlgesetzes eine Vielzahl von Bewerberinnen und Bewerbern für die neuen Ortschaftsräte aus dem Feld zu schlagen,

weil sie, anders als es bisher Usus war und in den Jahren 1999 und 2004 unbeanstandet geblieben ist, nicht mehr auf der Kreisebene durch ihre Parteien bestätigt werden können. In vielen Orten – das dürfte auch die CDU selbst betreffen – gibt es in den kleinen Ortschaften keine entsprechenden Gruppen, die diese Kandidatinnen und Kandidaten aufstellen könnten. Das ist eine Ohrfeige für die, die bereit sind, sich ehrenamtlich in ihren Ortsteilen zu engagieren.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Ich darf hier bereits versprechen, dass sich DIE LINKE dagegen mit allen, auch rechtlichen Mitteln zur Wehr setzen wird.

Zurück zum Gesetzentwurf.

Ich darf daran erinnern, dass DIE LINKE, damals noch die PDS, in der 3. Wahlperiode eine ziemlich ähnliche Initiative wie jetzt die GRÜNEN gestartet hat. Ich unterstelle Ihnen, Kollege Lichdi, nicht, dass Sie das abgeschrieben haben, aber vielleicht ist Ihnen das bekannt. Damals haben wir ein ziemlich umfassendes Artikelgesetz mit 58 Änderungen von fünf oder sechs sächsischen Kommunalgesetzen vorgelegt. Das war vielleicht etwas unverdaulich und etwas viel auf einmal. Auf alle Fälle haben wir dabei auch an die Ortschafts- und Stadtbezirksbeiräte gedacht.

Zum einen wollten wir – genau wie Sie – eine garantierte minimale Finanzausstattung der Ortschaftsräte. Ich denke, dass es auch in der Anhörung deutlich wurde, dass es einfach nicht sein kann, dass manche Ortsvorsteher wegen ein paar hundert Euro wie ein abgehärmter Bittsteller vor die Bürgermeister treten und um dieses Geld betteln müssen. Das ist zugegebenermaßen nicht überall der Fall, aber eben doch an zu vielen Orten. Ich denke, das kann nicht sein. Wenn man die Ortschaftsverfassung per Hauptsatzung einführt, muss man auch für eine minimale Finanzausstattung mit entsprechenden Richtlinien sorgen. Das ist zu unterstützen.

Das bedingte Vetorecht, Kollege Schowtka, das in dem Gesetzentwurf der GRÜNEN steht, haben Sie gar nicht richtig verstanden. Dort wird von einem bedingten und keinem absoluten Vetorecht gesprochen. Das führt im schlimmsten Fall zu einer weiteren Beschlussschleife, damit man noch einmal gründlich nachdenkt, ob man den Beschluss nicht noch abändern sollte.

(Volker Bandmann, CDU: Was ist denn eine Beschlussschleife?)

Dass irgendetwas blockiert wird, kann ich in diesem Fall nicht erkennen. Diese Konstruktion der Kettenblockade ist eine mehr theoretische Konstruktion. Man hätte das seitens der GRÜNEN noch einmal klarstellen können. Sie haben das nicht getan. Vielleicht hätte das die letzten theoretischen Bedenken ausgeräumt.

Trotz dieser theoretischen Bedenken, die praktisch nie eintreten werden, werden wir diesem Gesetzentwurf zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Möchte die SPDFraktion sprechen, oder war das vorhin der Koalitionsredner? – Okay. Weil hier zwei Namen stehen, muss ich nachfragen. – Dr. Müller, NPD-Fraktion, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es vorwegzunehmen: Auch die NPD-Fraktion wird diesem Gesetzentwurf zustimmen. Es ist ein Grundanliegen der NPD, dass die Mitbestimmung der Einwohner vor Ort gestärkt wird. Das Grundanliegen der allgemeinen Einführung der Ortschaftsverfassung ist auch zu unterstützen.

Mit Details dieses Gesetzentwurfs haben auch wir Bauchschmerzen, sprich mit dem Vetorecht der Ortschaftsräte. Da wäre vielleicht weiterer Gestaltungsbedarf nötig gewesen. Die eingeschränkte Budgethoheit, die die Ortschaftsräte bekommen sollen, ist aus unserer Sicht ein Anliegen, welches auf alle Fälle unterstützenswert ist.

Um es klar zu sagen: Der Systembruch besteht aus unserer Sicht weniger im Anliegen dieses Gesetzentwurfs, sondern er besteht eigentlich in der Eingemeindungsrealität der letzten 15 Jahre. Viele jahrhundertelang selbstständige Gemeinden sind plötzlich nicht mehr eigenständig handlungsfähig. Das schafft bei den Einwohnern vor Ort Frustration, die dazu führt, dass auch nur noch ein begrenztes Interesse an der Mitarbeit in den Ortschaftsräten vorhanden ist.

Dem Ganzen setzt die Richtlinie des SMI vom 22. April 2009 noch die Krone auf. Ich halte es für absolut problematisch, dass Mitgliederversammlungen auf Kreisebene nicht mehr dazu dienen dürfen, Kandidaten für Ortschaftsräte aufzustellen. Sollte dies vom Gesetzgeber damals so gewollt gewesen sein, dann – das muss ich sagen – halte ich das für verfassungswidrig. Auch wir als NPD sind davon in mehreren Ortschaften betroffen, wie es DIE LINKE für sich bereits angesprochen hat. Wir haben bereits Klage eingereicht, und wir sehen dem Verfahren gelassen entgegen. Wir werden auf alle Fälle alle Mittel ausschöpfen, dass die Bürger, die sich vor Ort engagieren wollen, dies auch können.