Protokoll der Sitzung vom 13.05.2009

Tagesordnungspunkt 7

2. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel im Freistaat Sachsen

Drucksache 4/8872, Gesetzentwurf der Linksfraktion

Drucksache 4/15373, Beschlussempfehlung des Innenausschusses

Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Es beginnt die Linksfraktion. Danach folgen CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Frau Abg. Lay, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! DIE LINKE hat ihren Gesetzentwurf zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle beim Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel zur Hochphase der Verfassungsschutz- und Aktenaffäre vor zwei Jahren eingebracht.

In der Parlamentarischen Kontrollkommission bestand damals Einigkeit – und das bei Vertretern der Linken, über die SPD bis hin zum Vorsitzenden, Herrn Teubner, und dem heutigen Landwirtschaftsminister, Herrn Kupfer, beide CDU – dahin gehend, dass wir festgestellt haben, dass wir als Mitglieder der PKK mehrfach nicht umfänglich informiert wurden – weder über die Weiterbeobachtung der Organisierten Kriminalität nach dem Urteil des Verfassungsgerichtes noch über die Brisanz der Inhalte.

Deshalb – das möchte ich noch einmal klarstellen, da es auch öffentlich eine Rolle gespielt hat – ist es geradezu abenteuerlich, wenn der damalige Innenminister, Herr de Maizière, im Untersuchungsausschuss gesagt hat, er sei nicht eingeladen gewesen. Dazu ist zu sagen: Der Minister wird immer, zu jeder Sitzung, eingeladen. Herr Teubner als Vorsitzender, den ich jetzt nicht entdecken kann,

(Gottfried Teubner, CDU – von den Plätzen der FDP rufend –: Hier bin ich!)

wird mir sicher recht geben. Selbst wenn er nicht eingeladen gewesen wäre, hätte er selbstverständlich die Initiative ergreifen können, ja, müssen angesichts der Schwere der Vorwürfe. Denn über die Vorgänge von zentraler Bedeutung muss schon bei der jetzigen Gesetzeslage zwingend unterrichtet werden, unabhängig davon, ob die Vorwürfe sich bewahrheitet haben oder nicht. Laut Aktenlage lauteten die Vorwürfe auf Kinderpornografie, Strafvereitelung im Amt, Korruption, Vorteilsnahme, Bestechlichkeit, Verrat von Dienstgeheimnissen etc.

Wir denken, dass es unabhängig davon, ob die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen dies am Ende bestätigt haben, zweifellos Vorgänge von zentraler Bedeutung waren. Vor allem die Entscheidung des damaligen Ministers de Maizière zur Weiterbeobachtung der Organisierten Kriminalität wäre von zentraler Bedeutung gewesen und hätte uns in jedem Fall transparent gemacht werden müssen.

Immerhin hatte es in dieser Frage ein Hü und Hott zwischen Landesamt und SMI gegeben. Entsprechend gab es unbeantwortete Fragen der Abgeordneten, beispielsweise von mir, und die Einschätzung des Vorsitzenden Teubner, hier sei rechtswidriges Verhalten festzustellen. Die PKK hätte davon informiert werden müssen. Darin waren wir uns alle einig, und deshalb haben wir einstimmig eine Rüge an das Landesamt für Verfassungsschutz ausgesprochen und ebenso einstimmig die Ausweitung unserer Rechte eingefordert.

Wir brauchen eine Stärkung der Rechte der Parlamentarischen Kontrollkommission. Das sehen im Grundsatz ja offensichtlich nicht nur die Koalitionsvertreter im Gremium, sondern das sieht auch die Koalition so. Diese haben ebenfalls einen Gesetzentwurf eingebracht, der allerdings nicht die Reichweite unseres Gesetzentwurfs hat und der vor allem auch seither auf Eis liegt, aus welchen Gründen auch immer.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Ja, wo ist er denn?)

Selbst als die Aktenaffäre schon bundesweit Wellen schlug, wurde gegenüber der PKK nicht mit offenen Karten gespielt. So peu á peu erfuhren wir lange, nachdem öffentlich diskutiert wurde, von der Existenz weiterer Unterlagen, weiterer Vorwürfe. Unter den gegenwärtigen Bedingungen muss ich feststellen, dass dieses Gremium mehr oder weniger einen Alibicharakter hat. Nicht umsonst ist die Debatte bundesweit in Gang gekommen, und es wird bundesweit über eine Ausweitung der Rechte der Kontrollgremien auch im Parlament diskutiert.

Meine Damen und Herren! Die Linksfraktion hat als erste Fraktion einen Gesetzentwurf zu diesem Thema erarbeitet. Wir fordern im Einzelnen eine deutliche Stärkung von Minderheitenrechten. Es kann nicht angehen, dass in der Zeit vor der Verfassungsschutzaffäre uns die meiste Zeit geraubt wurde, indem wir als Oppositionsvertreter jedes Mal darum kämpfen mussten, dass unserem Auskunftsersuchen entsprochen wird. Viel zu oft haben dann Landesamt und Innenministerium den Eindruck erweckt, als würde es quasi von ihrem Goodwill abhängen, welche Informationen uns gegeben werden können und welche sie uns vorenthalten – diese ganzen langen Debatten darüber, was berichtet werden muss, und auch das juristische Geplänkel darüber, ob ein Auskunftsanspruch jedem einzelnen Mitglied zusteht oder nur der Mehrheit des Gremiums.

Es kann nicht sein, dass sich die Abgeordneten mit den Mitarbeitern von Landesamt und Innenministerium hier

permanent um ihre Rechte streiten müssen. Deswegen legt unser Gesetzentwurf ganz klar fest, dass das Recht auf Auskunft jedem einzelnen Mitglied des parlamentarischen Gremiums zustehen muss.

Das Auskunftsrecht der PKK wird in unserem Gesetzentwurf klar definiert. Alles, worüber dem SMI berichtet wird, muss auch der PKK berichtet werden. Damit könnten die Abgeordneten endlich auf gleicher Augenhöhe mit dem SMI agieren. Wenn wir eine solche gesetzliche Regelung gehabt hätten, dann hätten wir uns vielleicht auch viele Debatten in den letzten Monaten, ja, Jahren ersparen können.

Bei der Ausweitung der Minderheitenrechte muss es aber nicht nur um Unterrichtung gehen. Es muss auch um das Recht auf Akteneinsicht gehen, auf Einsicht in Dateien und Unterlagen, was wir uneingeschränkt sicherstellen wollen. Es darf zukünftig nicht von einer mehr oder weniger zufälligen Prüfung des Datenschutzbeauftragten oder vom Gutdünken des Verfassungsschutzes abhängen.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Meine Damen und Herren! Wir haben im Laufe der Arbeit des Untersuchungsausschusses bereits erfahren, dass es zum Teil erhebliche Unterschiede der Einschätzung der Sachverhalte im Landesamt für Verfassungsschutz gibt. Es gibt dann auch Vorwürfe, dass einzelne Mitarbeiter der Auffassung waren, dass ihr Vorgehen von der Hausspitze nicht geteilt wurde und dass Dinge auch der PKK hätten vorenthalten werden sollen. Für solche Fälle wollen wir jedem Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz ermöglichen, sich mit Eingaben an die Kontrollkommission zu wenden, und das auch ohne die Zustimmung der Führungsspitze des Hauses. Das ist sicherlich eine bessere Variante als der Geheimnisverrat an Enthüllungsjournalisten.

Dass wir im Gremium komplett auf uns allein gestellt waren, ohne Mitarbeiter, ohne Juristen und technische Ausstattung, ist natürlich ein enormes Ungleichgewicht gegenüber der Behörde, die wir kontrollieren sollen, ein Ungleichgewicht, das wir uns hier im Landtag nie gefallen lassen würden. Deswegen legt unser Gesetzentwurf das Recht fest, einen Sachverständigen mit einer Untersuchung zu beauftragen. Ich möchte allerdings an diesem Punkt klarstellen, dass unsere Lesart nicht diejenige des Paul-Irrgang-Berichtes ist, in dem es so dargestellt wird, es sei jetzt der mangelnde juristische Sachverstand der PKK-Mitglieder, der sozusagen zu einer Fehleinschätzung gekommen sei. Das ist eine Begründung, die wir hier entschieden ablehnen. Im Gegenteil. Wir denken aber, dass ein Sachverständiger zur Unterstützung der Arbeit der Parlamentarischen Kontrollkommission gerade in solchen komplexen Fällen notwendig gewesen wäre.

Immer dann, wenn die PKK oder – ich betone es ausdrücklich – auch einzelne Mitglieder das Bedürfnis haben, den Landtag oder die Öffentlichkeit über bestimmte Vorgänge zu informieren, muss ein solches Recht auch

eingeräumt werden. Gegenwärtig ist es leider so, dass dieses Recht nur der Gesamtheit der PKK zusteht, nicht der Minderheit. Als Opposition können wir uns bislang nur dann zu Wort melden, wenn es die Mehrheit der PKK auch so sieht. Im Endeffekt konterkariert das den Kontrollauftrag und damit auch unsere Minderheitenrechte.

Quellenschutz und Dienstgeheimnisse müssen natürlich auch in einem solchen Verfahren ausdrücklich gewahrt bleiben. Das ist gar keine Frage. Aber ein solches Unterrichtungsrecht kann sich sowohl auf Meinungsverschiedenheiten mit dem Verfassungsschutz als auch dem SMI beziehen. Es muss sich insbesondere auch auf Vorgänge beziehen, wenn die PKK-Mitglieder der Ansicht sind, dass der Unterrichtungsanspruch ihnen gegenüber verweigert wurde. Wäre eine solche Regelung bereits jetzt verankert, meine Damen und Herren, hätten Sie sicherlich sehr viel häufiger etwas von der PKK erfahren.

Eine weitere Kernforderung besteht darin, dass die Möglichkeit, die Staatsanwaltschaft zu unterrichten, auch den Mitgliedern der PKK zustehen muss, natürlich immer dann, wenn das Landesamt selbst seiner Abgabepflicht nicht nachkommt. Auch diese Vorwürfe haben in der Diskussion um den Verfassungsschutz und die Aktenaffäre eine wichtige Rolle gespielt.

Meine Damen und Herren! Wir dürfen bei dieser Diskussion nicht vergessen, dass es neben der PKK auch andere Gremien gibt, die kontrollieren sollen, was im Geheimen passiert. Da gibt es die G-10-Kommission und das Parlamentarische Kontrollgremium. Deswegen wollen wir auch für diese Gremien eine bessere technische Ausstattung, die Stärkung von Minderheitenrechten und aus der Erfahrung der PKK auch die stärkere Einbeziehung des Datenschutzbeauftragten.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Das Kontrollgremiengesetz des Bundes und die Verfassungsschutzgesetze der meisten anderen Bundesländer räumen den Kontrollgremien bereits jetzt deutlich stärkere Rechte ein. Ich habe es erwähnt, nichtsdestotrotz oder darüber hinaus gibt es auch auf Bundesebene jetzt eine Diskussion zur Ausweitung der Rechte der Kontrollgremien auf Bundesebene. Das sollte uns auch in Sachsen zu denken geben. Das signalisiert aus unserer Sicht noch einmal ganz eindeutig den Nachbesserungsbedarf, der hier in Sachsen besteht.

Lassen Sie uns also diesen Beispielen folgen, damit wir Skandale wie den vergangenen besser aufklären oder, besser noch, in Zukunft verhindern können. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Für die Koalitionsfraktionen spricht der Abg. Stefan Brangs.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf ist im Juni 2008 gemeinsam mit dem Gesetzentwurf der Koali

tionsfraktionen beraten worden. Das ist zunächst einmal eine wichtige Anmerkung, denn daran wird deutlich, dass es bei diesem Thema zwei unterschiedliche Herangehensweisen gibt.

Als Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission in Sachsen sind mir natürlich viele dieser jetzt geschilderten Vorgänge bekannt, aber ich glaube nicht, dass das ausschließlich die Grundlage dafür sein dürfte, dass wir uns jetzt hier einer gesetzlichen Neuregelung unterziehen. Da müssen wir natürlich einige andere Dinge berücksichtigen – was der Bund plant, was der Bund auch bei den Kontrollrechten im Moment für einen Standard hat – und man sollte darauf drängen, dass wir, wenn wir überhaupt über eine Änderung nachdenken, auf jeden Fall sicherstellen, dass das, was der Bund uns in bestehenden gesetzlichen Regelungen vorgegeben hat, und das, was der Bund in neuen Regelungen nachvollziehen will, zu einer Ausbreitung der Rechte der Parlamentarischen Kontrollkommission – dort heißt sie Parlamentarisches Kontrollgremium – in Sachsen umgesetzt wird.

Wir haben im Gesetzentwurf der Koalition schon wesentliche Elemente aufgegriffen. Wir haben uns zum Beispiel damit auseinandergesetzt, dass wir natürlich mehr Personal als Beratungsleistung für die Parlamentarische Kontrollkommission brauchen. Wir haben uns darüber Gedanken gemacht, welche Befähigung diese Mitarbeiter haben sollten. Natürlich ist es so, dass wir mit Erfahrungen in der jüngsten Vergangenheit konfrontiert worden sind und wir deshalb darauf Wert gelegt haben, dass das Thema Zutritt zu den Amtsräumen und die Frage, die Bediensteten in eine Befragungsrunde einzubeziehen, eine wichtige Rolle spielt.

Vollkommen offen bleibt – sowohl bei dem Gesetzentwurf der Linken als auch bei der Diskussion innerhalb der Koalition –, welche Struktur wir zukünftig für den Verfassungsschutz in Sachsen wählen wollen. Ich wiederhole noch einmal von dieser Stelle aus: Wir müssen uns Gedanken darüber machen, ob wir ein Landesamt für Verfassungsschutz oder eine Abteilung beim zuständigen Innenministerium brauchen. Einige Länder gehen den einen und einige Länder den anderen Weg. Diese Diskussion sollten wir führen. DIE LINKE hat dazu keine Aussagen gemacht.

Wir müssen uns bei diesem Entwurf auch überlegen, ob er den geheimdienstlichen Erfordernissen gerecht wird.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Ja!)

Dabei geht es genau um die Frage der Geheimhaltungspflicht, zu der ich an die Anhörung von 8. Juni 2008 erinnere – deshalb, Kollege Hahn, kommt dieses „Ja“ verfrüht.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Nein!)

Das „Nein“ ist richtig, es kam nicht zu verfrüht, aber es ist verfrüht, denn es gab eine Reihe von Sachverständigen, die uns darauf aufmerksam gemacht haben, dass die Fülle von neuen Kompetenzen und die Ausweitung von

Kompetenzen auf eine Vielzahl von Personen genau diesem Geheimhaltungsaspekt entgegenstehen kann. Es ist schwierig, dies bei der Fülle der neuen Kompetenzen zu garantieren.

Außerdem wurde in der Anhörung deutlich, dass die Arbeitsfähigkeit der Parlamentarischen Kontrollkommission durch diesen Gesetzentwurf doch stark gefährdet ist.

Zusammenfassend: Wir sollten die Signale des Bundes abwarten und das, falls wir uns einer Neuregelung unterziehen, auf jeden Fall mit aufgreifen und dafür Sorge tragen, dass wir alle diese Rechte und Pflichten des Bundes mit übernehmen. Für mich ist die Perspektive, dass wir die PKK zukünftig zumindest auf die Ebene der Rechte des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundes heben sollten.

Herzlichen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und Beifall des Abg. Jürgen Petzold, CDU)

Die NPDFraktion, bitte; Herr Apfel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn der Verlauf des 2. Untersuchungsausschusses in den letzten beiden Jahren etwas bewiesen hat, dann sicher, dass dieser vor gut zwei Jahren eingebrachte Gesetzentwurf nichts von seiner Aktualität verloren hat. Die Auftritte der Verfassungsschützer, der Kontrollbeamten des Innenministeriums, wie auch so manche Aussage von geladenen Zeugen waren zum Teil so bizarr und unglaublich, dass mir scheint, die im Entwurf erhobenen Forderungen gehen nicht weit genug.

Was soll man etwa von einem ehemaligen Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz, Herrn Stock, halten, wenn dieser nach seinem Rausschmiss als Referent für den Einsatz verkehrspolizeilicher Aufgaben im SMI kaltgestellt wird? Was soll man davon halten, wenn der Chef einer solch sensiblen Behörde körperlich und geistig so zerrüttet sein muss, dass er nicht nur dem Amtsarzt, sondern auch noch dem Sozialpsychiatrischen Dienst vorgestellt werden muss, um auf seine Aussagefähigkeit überprüft zu werden?