während sich Rechtsextremisten bei diesen Gelegenheiten aus taktischen Gründen bewusst defensiv verhielten. Man wollte sich als wählbare Alternative im Kampf um die Parlamente präsentieren, aber hier erleben wir derzeit einen Strategiewechsel im Verhalten bei Demonstrationen. Nunmehr sind auch Akteure am Werk, die sich nicht mehr primär an möglichen Erfolgen bei anstehenden Wahlen orientieren.
Es sind auch Akteure am Werk, die ihren angeblichen reaktionären antikapitalistischen Antrieb mit Steinwürfen auf Polizisten als Vertreter des abgelehnten Systems unterstreichen wollen. Inzwischen haben wir im Zusammenhang mit dem Demonstrationsgeschehen ein vergleichbar aggressives Gewaltpotenzial links wie rechts.
Meine Damen und Herren! Wenn Polizisten unter Billigung schwerster Verletzungen angegriffen werden, ist dies nicht mehr länger hinnehmbar. Gewaltsamer Widerstand
und tätliche Angriffe gegen Polizisten dürfen nicht länger als Kavaliersdelikte bagatellisiert werden.
Sachsen macht sich auch und gerade deswegen für einen besseren Schutz von Polizisten stark. Bereits im April hat die Staatsregierung dazu eine Initiative im Bundesrat zur Veränderung des Strafgesetzbuches auf den Weg gebracht. Im Kern geht es um höhere Straftaten für Gewalttäter und um eine Bestrafung von Mitläufern bei Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.
Mein Satz, den ich damals bei der Vorstellung dieser Initiative prägte, hat unverändert Gültigkeit: Wer Polizisten angreift, greift die Gesellschaft und damit uns alle an.
Aber es geht uns nicht nur um einen besseren Schutz unserer Polizistinnen und Polizisten, sondern wir dürfen im Kampf gegen die Extremisten beider Lager grundsätzlich nicht nachlassen.
Extremisten betreiben die Polarisierung unseres Gemeinwesens. Gegen diese Entwicklung muss die Gesellschaft als Ganzes zusammenstehen. Als Beleg hierfür verweise ich auf die Zahl der politisch motivierten Straftaten. Im Jahre 2008 mussten wir einen deutlichen Anstieg der politisch motivierten Kriminalität feststellen. Im Bereich Links waren nach 373 Delikten im Vorjahr nunmehr 487 Fälle zu verzeichnen. Die Fallzahlen Rechts stiegen von 2 154 Fällen im Vorjahr auf 2 425 Fälle im Jahre 2008. Hier war auch eine erhebliche Steigerung der Gewaltdelikte von 90 auf 126 zu verzeichnen. Fremdenfeindliche Straftaten zeigten das mit einem Anstieg von 137 auf 214 ebenso wie der überproportionale Zuwachs der antisemitischen Delikte von 75 auf 141.
Politisch motivierte Straftaten haben mit knapp 1 % zwar nur einen geringen Anteil an der Gesamtkriminalität, stehen aber aufgrund ihrer nicht selten menschen- und demokratieverachtenden Energie besonders im Fokus der Politik, der Medien und der öffentlichen Wahrnehmung. Sie beeinträchtigen damit nicht nur das Sicherheitsgefühl der Menschen in unserem Land, sie schaden auch dem Ansehen des Freistaates in besonderer Weise. Auf diese Entwicklung hat die Staatsregierung reagiert und ein breit gefächertes Bündel aufeinander abgestimmter und miteinander vernetzter Maßnahmen entwickelt. Alle Maßnahmen sind am Grundgesetz ausgerichtet, bei besonders niedriger Einschreitschwelle alle rechtlichen und taktischen Möglichkeiten konsequent auszuschöpfen.
Darüber hinaus sind wir bestrebt, die Zusammenarbeit der Behörden im Bund und in den Ländern im Sinne einer ganzheitlichen Bekämpfungsstrategie zu intensivieren sowie den gesamtgesellschaftlichen Einsatz zu fördern und zu verstärken. Einige dieser Maßnahmen möchte ich beispielhaft nennen: Die Soko Rex wurde im letzten Jahr von 18 auf nunmehr 30 Beamte aufgestockt. Darüber hinaus wurde beim Landeskriminalamt ein Staatsschutz
MEK gebildet. Dieses ist speziell für den Kampf gegen Extremismus ausgebildet. Mit verstärkten Kontrollen durch mobile Einsatz- und Fahndungsgruppen ist die Polizei seit über einem Jahr landesweit an relevanten Treffpunkten präsent, um Störungen und Straftaten von vornherein zu verhindern und gleichzeitig der Szene deutlich zu machen, dass sie ständig unter Beobachtung ist.
Das Landesamt für Verfassungsschutz leistet seinen Beitrag durch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel. Hierbei wirkt es auch grenzüberschreitend. So wurde beispielsweise zusammen mit dem Verfassungsschutz Brandenburg ein grenzüberschreitendes Lagebild und eine Broschüre als Handreichung für die Kommunen erarbeitet.
Meine Damen und Herren! Wenn von Extremisten Straftaten begangen werden, muss sich der Staat als wehrhafte Demokratie zeigen, müssen Verfassungsschutz, Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte ihre gesetzlichen Befugnisse voll ausschöpfen. Der Kampf gegen den Extremismus braucht die Unterstützung aller demokratischer Parteien, der Medien, des Sports, der Wohlfahrtsverbände, der Kirchen und Religionsgemeinschaften, der Jugendverbände, der Wirtschaft, der Gewerkschaften, kurzum: aller gesellschaftlichen Gruppen.
Sachsen hat 2008 mit der Einrichtung des Landespräventionsrates wie mit dem bereits seit 2005 existierenden Programm „Weltoffenes Sachsen“ ein klares Unterstützungssignal gesendet.
Damit unterstützt der Freistaat eine Vielzahl von Initiativen und Projekten, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Hierdurch wird das Engagement der zivilen Bürgerschaft gegen Extremismus gefördert.
Meine Damen und Herren! Den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes, uns allen muss stets bewusst bleiben, dass Demokratie kein fertiges Produkt, keine Selbstverständlichkeit ist, sondern von allen Bürgern tagtäglich mit Leben zu erfüllen ist.
Die demokratischen Werte sind nur so stark, wie wir sie machen. Wir werden die zum Teil seit vielen Jahren laufenden Maßnahmen und Konzepte fortsetzen, die entscheidend dazu beigetragen haben, dass extremistisches Gedankengut in Sachsen bei der breiten Mehrheit der Bevölkerung in keiner Weise akzeptiert wird. Wir werden den Druck auf die Extremisten auf allen Feldern weiter hoch halten. Extremisten – ob von links oder rechts – sind eine Gefahr für unser demokratisches Gemeinwesen und das friedliche Zusammenleben aller Menschen in
(Beifall bei der Linksfraktion) unserem Land. Sie werden daher auch zukünftig mit null Toleranz von uns zu rechnen haben. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin heute hierher zu einer Debatte gekommen, die überschrieben ist mit „Null Toleranz gegenüber Extremismus“. Ich hatte befürchtet, dass Herr Bandmann in seiner berühmten Art gleichermaßen gegen Links und Rechts austeilen wird. Meine Befürchtungen sind bei Weitem übertroffen worden.
In seinem Redebeitrag hat er als Einstieg in diese Debatte ein reines linkes Feindbild gemalt, um dieses anzugreifen. Die Worte „Keine Gewalt!“ aus der friedlichen Revolution kann hier sicher jeder unterstützen. „Keine Gewalt!“ oder „Null Toleranz gegen Gewalttäter!“ über diese Debatte geschrieben – das hätte jeder Demokrat in diesem Saal sofort unterstützt, ohne jeden Zweifel.
Ich sage Ihnen, Kollege Bandmann, ich weiß nicht, wie viele Demonstrationen Sie bereits organisiert haben. Auch Organisatoren von Demonstrationen haben kein Interesse daran, dass am Rande oder nach ihrer Demonstration Gewalttaten ausgeübt werden.
Sie haben deshalb kein Interesse daran, weil selbst ein Bild eines umgestürzten Polizeiautos die Demonstration von Tausenden und Abertausenden Menschen in ihrer Wirkung konterkarieren kann.
Auch friedlicher Widerstand – zum Beispiel Blockaden, ziviler Ungehorsam – ist nur dann erfolgreich, wenn er völlig gewaltfrei ausgeübt wird. „Keine Gewalt!“ ist ein Motto, das wir alle unterstützen.
„Keine Gewalt!“ war auch das Motto der friedlichen Revolution. Die Menschen, die damals Freiheit und Demokratie erkämpft haben, stehen heute in der Verantwortung und haben die Kraft, Freiheit und Demokratie hier in Sachsen zu verteidigen. Aber die Gefährdung dieser Werte und unseres Systems kommt nicht von Linksextremisten.
Ich zitiere sinngemäß den heutigen Polizeipräsidenten Merbitz, damals noch Chef der Soko Rex, der in einem Gespräch damals sehr klar sagte: „Vom Linksextremismus geht in Sachsen keine Gefahr aus.“
Wenn Sie das nicht glauben, dann schauen Sie bitte in die Verfassungsschutzberichte, die seitdem erschienen sind, und analysieren Sie mal die Zahlen, anstatt Ihre ideologisch geprägten Feindbilder zu bedienen!
Die Gefahr, die wir hier in Sachsen haben, kommt von rechtsaußen. Die Gefahr sitzt auch hier im Landtag ganz rechts und trägt teilweise Schlips und Kragen.
Ich denke, es kommt darauf an, dieser Gefahr zu begegnen. Wenn wir das tun wollen, dann müssen wir damit beginnen, diesen formalen Gleichsetzungen von Linksextremisten und Rechtsextremisten zu widersprechen.
Wir sollten hier keine Reden halten, die Quellen sprudeln lassen, deren Wasser Herr Apfel anschließend auf seine rassistischen und ziseliert antisemitischen Mühlen leiten kann. Wichtig ist, klarzumachen, wer die Gefahr für Freiheit und Demokratie in Sachsen ist. Eine Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremisten ist dazu kein Beitrag, sondern wir sollten uns einig sein: Die Gefahr sitzt hier in Sachsen im Sächsischen Landtag,
Wird weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Meine Damen und Herren, damit ist die erste Aktuelle Debatte, beantragt von den Fraktionen der CDU und der SPD, zum Thema „Null Toleranz gegenüber Extremismus“ beendet.