Protokoll der Sitzung vom 14.05.2009

Lassen Sie uns darüber ins Gespräch kommen. Jetzt ist erst einmal Wahlkampf, ganz klar. Aber die Fraktionen des 5. Sächsischen Landtages sollten sich mit entsprechenden Initiativen einbringen. Die SPD-Fraktion wird das Thema auf ihrer Agenda haben. Selbstverwaltung ist unser langfristiges Ziel.

In diesem Sinne vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Wird weiter das Wort gewünscht? – Dann bitte Herr Staatsminister.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf Antrag der Linksfraktion reden wir heute über die Unabhängigkeit der Justiz. Wie viel Respekt die Linksfraktion vor dieser Unabhängigkeit hat, zeigt der bereits erwähnte Fall eines Mitgliedes dieses Hohen Hauses. Der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion hat den Landtagspräsidenten mehr oder weniger unverblümt aufgefordert, einem Ermittlungsverfahren zu widersprechen, da es „einen anerkannten Kritiker der Ermittlungstätigkeit von Teilen der sächsischen Staatsanwaltschaften beim Umgang mit politischen Verantwortungsträgern mit einem ehrabschneidenden Verdacht in Verbindung“ bringe.

(Zurufe von der Linksfraktion)

Offenbar hatten Herr Bartl und sein Pressesprecher den Fall zu diesem Zeitpunkt bereits ausermittelt und wollten der Staatsanwaltschaft die Mühe der weiteren Verfahrensführung gleich abnehmen.

(Klaus Bartl, Linksfraktion, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Staatsminister?

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Beantworten Sie die Fragen! – Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion – Unruhe bei der Linksfraktion)

Ich darf doch um Respekt bitten!

Die Auffassung, die aus diesen Formulierungen zur Unabhängigkeit der Justiz herausklingt, ist eine Unabhängigkeit nach Gutsherrenart. Wenn es politisch in den Kram passt,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Sie enttäuschen mich!)

dann wird die Unabhängigkeit gerühmt, und wenn es gerade einmal nicht passt, dann ist die Justiz auf einmal inkompetent, parteiisch, ein Büttel der Obrigkeit usw.

Selbst mit der Unterstellung des Durchstechens des vorsätzlichen Geheimnisverrates ist man dann schnell bei der Hand.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Sie ermitteln doch selbst!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte bei dieser Gelegenheit – –

Ich möchte Sie bitten, sich doch zurückzuhalten. Es geht die ganze Zeit schon, dass Sie hier dazwischenreden. Herr Fraktionsvorsitzender, auch Sie möchte ich jetzt ermahnen, den Mund zu halten.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte bei dieser Gelegenheit ausdrücklich klarstellen, meine Damen und Herren: Wer konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass Informationen, die der Presse vorab über Ermittlungen gegen ein Mitglied dieses Hauses bekannt geworden sind, aus der Justiz oder sonst woher stammen, der soll Ross und Reiter nennen.

(Zuruf der Linksfraktion: Das müssten Sie wissen!)

Die Staatsanwaltschaft führt derzeit die notwendigen Ermittlungen. Das sollten wir sie in Ruhe tun lassen.

Zu Ihren Fragen, Herr Abg. Bartl. Das Justizministerium hat von dem gesamten Verfahren gegen den Abg. Nolle erstmals durch die Veröffentlichung in der „Freien Presse“ Kenntnis erhalten und durch nichts anderes vorher. Es hat keinen Bericht gegeben, und es gibt ohnehin keine Absichtsberichte im Freistaat Sachsen mehr. Diese haben wir im Vollzug der Praxis abgeschafft.

Jetzt schon einseitig aufgestellte Schuldzuweisungen in diesem Verfahren, die das Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Arbeit vorwegnehmen, sind unbewiesene Unterstellungen. Im Gegenteil, es ist mehr als deutlich geworden, dass die Vorabberichterstattung am allerwenigsten im Interesse der Justiz lag. Warum sollte also gerade sie dafür verantwortlich sein?

Aber natürlich, meine Damen und Herren, nichts ist so gut, als dass es nicht noch verbessert werden könnte. Ich halte den Ansatz des Abg. Bräunig für richtig, dass man sich einmal der Frage zuwendet, welche Lösungen wir eigentlich haben.

Ob das nun das dicke Brett der Selbstverwaltung sein kann oder sein muss, was wir auf Bundesebene zu entscheiden hätten, das ist eine wirklich sehr gründlich zu überlegende Frage. Entgegen der Schilderung gibt es im Bereich der Selbstverwaltung nämlich auch einige Dinge zu beachten, die eher gegen diese Geschichte sprechen.

Aber wir müssen uns natürlich darüber klar werden, ob nicht im Vollzug der Gesetze tatsächlich die eine oder andere Möglichkeit besteht, die Rechte von Abgeordneten oder Prominenten oder im politischen Leben Stehenden, die dem Verdacht von Ermittlungsverfahren ausgesetzt sind, was sozusagen bis hin zur beruflichen Existenzvernichtung gehen kann, zu stärken.

Wir haben uns deshalb gestern auf Einladung des Vorsitzenden des Immunitätsausschusses mit dem Präsidenten des Landtages zusammengesetzt und darüber nachgedacht, ob wir dieses Verfahren insgesamt optimieren können. Der Landtag wird seinerseits Vorschläge ausarbeiten, die in die Richtung des Artikels 55 gehen.

Auch die Justiz wird sich Gedanken machen, ob wir Vorermittlungsmitteilungen grundsätzlich nicht mehr an das Justizministerium gehen lassen, wenn es sie denn überhaupt gibt. Wir werden uns über die Strukturen innerhalb der Staatsanwaltschaft unterhalten, wollen schauen, ob künftig nur noch der Leitende Oberstaatsanwalt die Mitteilungen an den Landtagspräsidenten zeichnen kann. Wir werden uns Gedanken machen, ob wir die Presserichtlinien verändern müssen. Und wir werden vor allen Dingen darauf achten, dass Mitteilungen, Übermittlungen von Daten in diesen sensiblen Fällen künftig nicht mehr per Fax geschehen, meine Damen und Herren.

Ein Wort zu dem Vorwurf gegen den Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Dresden. Dessen Wortwahl im Vergleich mit dem sächsischen Parlament ist schlicht nicht hinnehmbar. Die Auffassung, der Justizminister sei untätig geblieben, ist falsch. Ich habe das Erforderliche veranlasst. Ich gehe davon aus, dass sich Herr Avenarius persönlich beim Präsidenten des Sächsischen Landtages für diesen nicht hinnehmbaren Missgriff entschuldigt hat.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Davon wissen wir nichts!)

Bitte?

(Dr. Jürgen Martens, FDP: Wer so etwas öffentlich sagt, kann sich auch öffentlich entschuldigen!)

Zurück zum Thema. Herr Abg. Bartl, ich frage Sie noch einmal mit allem Ernst: Was haben Sie für ein Bild von den Richterinnen und Richtern, von den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten im Freistaat, wenn Sie hier die Behauptung aufstellen, Teile der sächsischen Justiz ließen sich parteipolitisch einspannen?

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Jeder von ihnen, jeder dieser Mitarbeiter in der Justiz hat einen Eid geschworen, nach dem er die Verfassung und die Gesetze achten und bewahren wird.

Der mit Ihren ständigen Anwürfen unterschwellig verbundene Vorwurf, in der sächsischen Justiz wimmle es von voreingenommenen Rechtsbeugern und willfährigen Handlangern,

(Zuruf von der Linksfraktion: Das hat niemand gesagt!)

die im Falle eines Falles zu allem bereit seien, ist absurd.

(Zurufe von der Linksfraktion)

Und er ist – auch das ist schon angesprochen worden – eine Beleidigung für den 1989 vom Volk hart erkämpften Rechtsstaat und für die vielen Mitarbeiter, die täglich unter hohem Einsatz ihre Pflicht tun.

(Beifall des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Meine Damen und Herren! „Keine Eingriffe in die Unabhängigkeit der Justiz durch die Staatsregierung“ ist der Titel der heutigen Debatte. Das, was hier heute geäußert wurde, betraf alles Mögliche. Aber Belege für Eingriffe in die Unabhängigkeit der Justiz durch die Staatsregierung habe ich nicht gefunden.

(Zurufe und Lachen bei der Linksfraktion)

Die Unabhängigkeit der Justiz ist und bleibt wichtig, nicht nur für mich. Sie ist kein Privileg der Richterinnen und Richter, sondern dient dem Schutz der Bürgerinnen und Bürger und dem Recht. Dabei wird es auch im Freistaat bleiben. Dafür wird sich dieser Justizminister

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

weiter einsetzen, solange er dieses Amt ausübt.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Zurufe von der Linksfraktion)