Protokoll der Sitzung vom 15.05.2009

Erstens. Die gegenwärtige Unerfüllbarkeit einer hundertprozentigen Forderung nach Energieversorgung aus regenerativen Quellen ist von diesem Pult mehrfach dargestellt und diskutiert worden, auch wenn dieses Mal die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht – wie in früheren Anträgen – bestimmte Jahreszahlen damit verbindet, sondern das unverbindliche „es möge bald geschehen“ in den Antrag schreibt.

Dagegen ist die Zielstellung der Regierung, den gegenwärtig erreichten Wert bei der Bruttostromerzeugung aus erneuerbaren Energien von circa 13 % bis 2020 auf 24,3 % – mir wäre lieber, wir würden gleich 25 % sagen – zu steigern, ein sinnvolles und bei allen Anstrengungen sicher auch erreichbares Ziel. Es liegt übrigens noch mit

2 % über der Bundeszielstellung, wenn man das OffshoreProgramm herausnimmt und unberücksichtigt lässt.

Außerdem, meine Damen und Herren, sind 24,3 % ja erst das Ziel; denn wenn ich an das Geothermiepotenzial im Freistaat denke, das in der Prognose noch unberücksichtigt geblieben ist, dann können wir 2020 auch 26, 27 oder 28 % erreichen. Allerdings ist damit das Grundlastproblem immer noch nicht gelöst.

Im Punkt 2 wird gefordert, den Strombedarf von 100 % zu je 25 % aus fünf alternativen Quellen zu decken. Das ergibt natürlich keinen Sinn, denn 5 mal 25 ergibt 125. Was ist also gemeint? Und wer in Sachsen 25 % Energieerzeugung aus Wasserkraft fordert, der kennt die Realität in Sachsen nicht, die für den Strom bei 6 % und für die Gesamtenergie bei 1,4 % liegt.

(Beifall der Abg. Heinz Lehmann, Steffen Flath und Horst Rasch, CDU)

Die Instrumente Landesentwicklung und Regionalpläne werden in ihren Grundlagen für mein Empfinden völlig fehlinterpretiert. Wissen Sie überhaupt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der GRÜNEN-Fraktion, welcher Kraftakt notwendig ist, um Regionalpläne in einem circa sechs- bis achtjährigen Prozess fortzuschreiben? Da kann man nicht einfach mal so lässig sagen, da ändern wir mal die Pläne – die übrigens in kommunaler Zuständigkeit sind, sodass der Landtag ohnehin nur bedingte Einflussmöglichkeiten hat. Selbst wenn wir den Landesentwicklungsplan statt 2013 schon 2011 fortschreiben – wofür ich persönlich übrigens plädieren würde –, ist das kein Verordnungsinstrument. Warum fordern Sie zum Beispiel, Kreise und Gemeinden bei der Entwicklung zu energieautarken Regionen durch den Freistaat zu unterstützen, wenn doch im Aktionsplan von 2008 auf Seite 19 genau dieses Ziel formuliert und definiert ist?

Außerdem – um darauf einzugehen, was Sie da geschrieben haben – ist jetzt die Ersetzung vieler kleiner Windenergieanlagen durch höhere Anlagen in den Eignungsgebieten bei der geltenden Rechtslage möglich, und die Regionalpläne der neuesten Generation vom August vorigen Jahres enthalten Festlegungen zu Eigenschaften von Flächen, die für die Fotovoltaik genutzt oder auch von dieser Nutzung freigehalten werden sollen. Rechtlich muss aber bedacht werden, dass Fotovoltaikanlagen – anders als Windenergieanlagen – im Außenbereich nach dem berühmten § 35 Abs. 1 Baugesetzbuch nicht privilegiert sind und auch im Innenbereich errichtet werden können.

Kurzum: In der sehr ausufernden Begründung zu Ihrem Antrag – wenige Einzelfragen, aber viereinhalb Seiten Begründung; das ist ein Vortragsmanuskript, meine Damen und Herren, aber keine kurze politische Standortbestimmung – behaupten Sie, die Koalition werde den Anforderungen an die Klima- und Energiepolitik nicht gerecht.

Was bieten Sie uns als Beleg dafür an? Sie benennen eine vom DIW 2008 vorgelegte Studie, und abgesehen davon,

dass diese wiederum nur Zahlen von 2006 verwendet, zitieren Sie – ob nun bewusst oder unbewusst – die Ergebnisse für Sachsen völlig falsch. Nach Ihrem Antragstext liegt Sachsen auf Platz 11. Auf Platz 11 liegt aber Bremen. In Wirklichkeit liegt Sachsen im Bundesländerranking auf Platz 6, und bei dem Kriterium „Anstrengungen zur Nutzung erneuerbarer Energien“ liegt Sachsen auf Platz 3; ich darf das Diagramm ja nicht hochhalten. Warum also reden Sie unser Handeln im Land so schlecht? Oder haben Sie nur schlecht recherchiert?

Beides ist aber nicht hinnehmbar, und deshalb fasse ich zusammen: Wenn sich zwei politische Kräfte zum gleichen Anliegen äußern, ist das noch lange keine Entscheidung zwischen zwei gleich konstruktiven Ansätzen.

Mit der Drucksache der Koalition tragen wir dem Umstand Rechnung, dass zwar die Gleichrangigkeit von Energiefragen und Klimaveränderung zwangsläufig auch Zielkonflikte einschließt, die wir dann aber politisch durch vernünftige Kompromisse zwischen Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Sozialverträglichkeit – kurz zusammengefasst: durch nachhaltige Politik – lösen müssen. Die bisherigen und die geplanten Maßnahmen der Staatsregierung geben eine Gewähr dafür, dass eine erfolgreiche Politik fortgesetzt und weitergeführt wird, sodass wir um Zustimmung zu diesem Koalitionsantrag bitten.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Thomas Jurk)

Die SPD-Fraktion, bitte; Herr Abg. Gerlach.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke meinem Kollegen, dass er sehr speziell auf diese Dinge eingegangen ist. Das spart mir eine Menge Zeit, noch einmal auf den einen oder anderen Punkt einzugehen.

Im Klimamagazin März 2009 befindet sich ein ausführlicher Bericht über die Carteret-Inseln – ich hoffe, ich spreche den Namen richtig aus, es war ein englischer Seeforscher – vor Papua-Neuguinea. In fünf Jahren werden diese Pazifikinseln nicht mehr bewohnbar sein, weshalb man jetzt mit der zwangsweisen Umsiedlung der circa 2 200 Bewohner beginnt.

Aber, keine Angst, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Inseln liegen mehrere Tausend Kilometer entfernt, und die Wahrscheinlichkeit, dass diese ersten Klimaflüchtlinge in sächsischen Ausländerbehörden vorsprechen, ist ziemlich unwahrscheinlich.

(René Despang, NPD: Sehr schön!)

Auch die Gesamtfläche von Sachsen liegt so hoch, dass schon die gesamte Antarktis abschmelzen müsste, um Sachsen als Atlantikanrainer auszuweisen.

Aber ganz so einfach ist es eben nicht, wie ich das etwas überspitzt formuliert habe. Es ist inzwischen Allgemein

gut für die Bevölkerungsmehrheit geworden, dass wir uns auf Änderungen zubewegen, die wir zwar theoretisch überblicken, aber noch lange nicht verinnerlicht haben. Doch Politik kann nur das Mehrheitsfähige leisten und nicht das Wünschbare, das von einer Mehrheit nicht mitgetragen wird. Darunter leiden viele Aktivisten, egal in welchem Themenbereich.

Doch das demokratische System, zu dem ich ausdrücklich stehe und das ich nicht eintauschen möchte, ist sehr langsam, auch wenn es sich in letzter Zeit bei dem Thema Klima erstaunlich beschleunigt hat. Es gibt Gott sei Dank auch im politischen Raum Menschen, die weit über ihre Wahlperiode hinaus denken und sich den Zukunftsthemen stellen.

Um es vorwegzunehmen: Die Macht des Faktischen wird auch das sächsische Parlament mit seinen nächsten Regierungen zu Beschlüssen zwingen, die sich viele heute noch nicht einmal ansatzweise vorstellen können. Das macht es mir leichter, mit Optimismus aus diesem Parlament auszuscheiden.

Die Klimaziele der Staatsregierung vom 03.03.2009 liegen uns vor. Im Vorwort zu den Vorschlägen der interministeriellen Arbeitsgruppe Klima und Energie steht – ich zitiere –: „Die nachfolgend dargestellten Ziele wurden auf der Basis vorliegender Studien und Potenzialabschätzungen entwickelt und beruhen auf belastbaren Prognosen. Es wird davon ausgegangen, dass die Ziele durch die Umsetzung der im „Aktionsplan Klima und Energie“ enthaltenen Maßnahmen sowie der auf europäischer und deutscher Ebene eingeleiteten Initiativen erreichbar sind.“

Das heißt, es wird an dieser Stelle eine klare Randbedingung gestellt. Dann kommt man auch auf diese 24,3 %, und über diese 0,3 % kann man sich streiten, aber so sind die Randbedingungen nun einmal gegeben. Nur unter diesen Bedingungen ist diese Zahl erklärbar. Die deutschlandweite Zahl liegt, wenn man die Offshore-Bereiche herausnimmt, bei 22 %. Das nur als Vergleich.

Kommende Parlamente werden wahrscheinlich andere Maßnahmen beschließen, vielleicht auch deutlich höhere Ziele erreichen. Das wissen wir heute noch nicht. Dass es überhaupt diese Ziele gibt, ist der Zusammensetzung der Koalition geschuldet. Darüber sind wir nicht so sehr böse. Ich möchte zwei Maßnahmen kurz erläutern, denn Prof. Mannsfeld ist auf einen Punkt schon eingegangen, und das ist die Regionalplanung.

Das SMI als das zuständige Ministerium sollte so schnell wie möglich die Regionalplanungsstellen offiziell informieren, dass die Grundlage für zukünftige Entscheidungen nicht mehr das alte CDU-Regierungs-Energieprogramm von 2004 ist, sondern der neue Kabinettsbeschluss vom März 2009 mit seinen bereits genannten quantitativen Vorgaben für die erneuerbaren Energien.

Eigentlich müsste das eine Selbstverständlichkeit sein, aber es gibt Planungskolleginnen und -kollegen, die es noch nicht verinnerlicht haben. Natürlich müssen wir die Verfahren der Landesplanung und Landesentwicklung

einhalten, aber kein Mensch hindert uns, das schnell zu tun, damit sich die Entscheidungsgrundlage vor Ort schnell ändert. Ich freue mich, dass Prof. Mannsfeld es in dieser Weise angedeutet hat.

Ich möchte etwas zur Windkraft und deren Repowering sagen. In einem „SZ“-Artikel Ende April 2009 gegen den Windpark der Gemeinde Moldáva auf dem Osterzgebirgskamm auf tschechischer Seite kommt der Freiberger Landrat Volker Uhlig zu Wort, der nach „SZ“-Bericht „die Gefahr erkannt“ habe. Landrat Uhlig sagte wörtlich: „Der geplante Windkraftpark stellt eine Gefahr für die touristische und wirtschaftliche Entwicklung des Erzgebirges dar.“ Großzügig habe ich als Kreisrat des Erzgebirgskreises darüber hinweggesehen, dass er gleich für das gesamte Erzgebirge gesprochen hat. Aber ich habe ihn öffentlich aufgefordert, mir doch wenigstens zwei konkrete Beispiele zu nennen, bei denen durch Windkraftanlagen eine Gefahr für die sächsische Wirtschaft entstanden sei. Auf diese Antwort warte ich heute noch.

Weshalb erzähle ich Ihnen das? Weil bis heute durch Halb- oder Unwissen – manchmal ist es auch Überheblichkeit – ganze Bevölkerungsgruppen durcheinandergebracht werden, wenn dieses Halb- oder Unwissen nur von sogenannten berühmten Persönlichkeiten stammt.

Ich zitiere den ehemaligen Ministerpräsidenten Biedenkopf: „In Wirklichkeit handelt es sich bei den Windrädern um reine Gelddruckmaschinen. Sie sind ökologisch wie ökonomisch sinnlos.“ – Dieses Biedenkopf-Zitat hält sich bis heute zäh – besonders bei Entscheidern der kommunalen Ebene – und stellt Windräder ins gesellschaftliche Abseits, weil sie zu den „Abzockern“ unserer Gesellschaft gemacht werden. Geld zu verdienen ist keine Schande, aber es kommt darauf an, womit und wie man es verdient.

Wann werden die Menschen Windanlagen akzeptieren? Sie werden es dann tun, wenn sie damit in Lohn und Brot kommen. Mit demselben Motiv wurden die stinkenden Fabriken im schönen Erzgebirge, die vielen rauchenden Schlote und später die Strommasten akzeptiert, denn sie brachten Arbeit und Wohlstand ins Gebirge.

Ich weiß, dass dieser Vergleich hinkt, aber die Tatsache, dass die Menschen erkennen müssen bzw. erkennen sollen, dass diese Anlagen für sie auch Wohlstand bringen, ist mir eine sehr wichtige Botschaft. Man kann sie nicht einfach als störende Dinge abtun.

Mit zwei Schauermärchen über die Windanlagen möchte ich gern noch aufräumen: Erstens, mit dem „gefürchteten“ Schlagschatten. Hierzu gibt es sehr strenge Bestimmungen. Niemand braucht in den 8 760 Stunden des Jahres mehr als acht Stunden Schlagschatten zu erdulden. Das ist weniger als ein Zehntel Prozent der Jahresstunden. Länger als eine halbe Stunde hintereinander darf das ebenfalls nicht zugemutet werden. Die Windanlagen von heute sind mit einer Automatik ausgestattet, die bei Sonnenschein eine automatische Abschaltung der Anlage bewirkt, wenn ihr Schatten länger als zulässig auf ein bewohntes Gebäude fällt. Das ist in der Regel nicht bekannt.

Zweitens möchte ich mit dem Märchen von dem „unerträglichen“ Lärm aufräumen. In 500 Metern Entfernung hört man allenfalls ein schwaches Rauschen. Sie sind leiser als jede Autobahn oder Landstraße. Eines ist auch klar: Je größer die Anlagen werden, desto langsamer laufen sie und erzeugen damit weniger Rauschen.

Erfolgreiche Bürgermeister – auch in Sachsen – haben ihren Bürgerinnen und Bürgern Beteiligungen angeboten. Mir sind von dort keinerlei Beschwerden bekannt. Das sollte Schule machen – nicht das reflexartige Gebell von Windkraftgegnern, die sich nur oberflächlich mit den segensreichen ökonomischen Effekten dieser Anlagen beschäftigt haben.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Zurück zum Kabinettsbeschluss, dem auch unsere beiden SPD-Minister zugestimmt haben. Es ist das, was in der Koalition derzeit mehrheitsfähig ist.

Die SPD allein ist weitergegangen. Wir haben in unser Energieprogramm die Zielstellung aufgenommen, ab dem Jahre 2060 die komplette Stromversorgung sowie 80 % der Wärmeversorgung Sachsens aus erneuerbaren Energien sicherzustellen. Es gibt einige, für die das viel zu lasch ist; mindestens genauso viele halten es für utopisch. So entstehen Programme und politische Ziele. Das kann man beklagen oder beklatschen, je nachdem, auf welcher Seite man steht, aber eines ist wichtig: Bei diesen demokratischen Prozessen wird diskutiert und nicht mehr vom Politbüro ohne Gegenmeinung einfach durchgestellt.

Deshalb ist es wichtig und gut, dass es heute den GRÜNEN-Antrag gibt. Er ist ein Gegenstück, gelebte Demokratie, die Gegenmeinung braucht und aushält. Die Koalition wird allerdings nicht zustimmen.

Natürlich ist er in seiner Begründung „nur“ die Zusammenfassung der Grünen Ausbaustudie 2020. Diese Art der Veröffentlichung ist aus meiner Sicht legitim, mehr aber auch nicht. Er ist eine politische Botschaft der Auftraggeber für die Machbarkeit des deutlich schnelleren Ausbaus der erneuerbaren Energien.

Bei aller Klimadetaildiskussion dürfen wir eine Betrachtung nicht außer Acht lassen: Wir werden nicht umhin kommen, unseren Lebensstil als solchen auf den Prüfstand zu stellen und dazu eine breite Diskussion zu führen. Dazu gehört wesentlich die Art unserer Mobilität, die ich aus Zeitgründen heute nicht erwähnt habe.

Ich wiederhole, weil mir das hierzu gefallen hat, Worte der Fraktionschefin der GRÜNEN, Frau Hermenau, die sie am Mittwoch zur Wirtschaftsdebatte sagte: „Die zehnte Mallorca-Reise macht nicht wirklich noch zufriedener, noch glücklicher, als man sein könnte. Ein glückliches Familienleben, in dem jeder für den anderen Zeit hat, eine interessante Aufgabe, bei der man aber nicht das große Geld verdienen kann, können deutlich mehr Zufriedenheit und Glück bedeuten.“ Dem ist aus klimapolitischer Sicht wenig hinzuzufügen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Regina Schulz, Linksfraktion)

Danke schön. – Von der Fraktion der GRÜNEN spricht Herr Kollege Lichdi; bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Gerlach, ich bin ja froh, dass Sie zum Schluss noch einmal die Kurve gekriegt haben; denn sonst hätte ich Ihnen das Zitat meines Parlamentarischen Geschäftsführers, Dr. Gerstenberg, entgegengehalten, dass wir uns doch hoffentlich darüber einig sind, dass es Aufgabe der Opposition ist, die Staatsregierung zu kritisieren, weitergehende Wege aufzuzeigen und nicht die Politik der Staatsregierung zu unterstützen und zu stützen.

Meine Damen und Herren, das A und O der Energiepolitik ist der Klimaschutz. Seit Jahren treten wir GRÜNEN in diesem Haus dafür ein, die Energiepolitik unter das Primat des Klimaschutzes zu stellen. Dieser Erkenntnis haben sich die Staatsregierung wie auch meine beiden Vorredner bisher verweigert.