Protokoll der Sitzung vom 15.05.2009

Um Altersarmut zu verhindern, bedarf es im gegenwärtigen Rentensystem ausreichender Arbeitsplätze und Arbeit, meine Damen und Herren, von der man leben kann. Doch stattdessen forcieren Sie durch die ungehemmte Globalisierung die Lohnkonkurrenz. Wenn Ministerpräsident Tillich eine sofortige Arbeitnehmerfreizügigkeit für Osteuropäer, besonders für Polen, einfordert, dann stellt dies vor dem Hintergrund der immer geringer werdenden Einkommen der Sachsen und damit Verlusten bei der Rentenkasse eine politische, soziale und wirtschaftliche Ignoranz dar. Das Statistische Landesamt gibt für Sachsen für das Jahr 2007 13 % marginal Beschäftigte an. In Zahlen gesagt sind das über eine Viertelmillion Erwerbstätige, die keine oder kaum Beiträge in die Rentenversicherung einzahlen und selbst keine oder marginale Rentenansprüche erwerben. Somit produzieren Sie heute durch die Hartz-IV-Gesetze und mittels Zerschlagung

jeglicher Wirtschaftsbarrieren globalen Konkurrenzdruck und damit die Altersarmut von morgen.

Aus diesen Gründen ist diese Debatte nur eine Scheindebatte. Ändern wird sich damit überhaupt nichts. Sozial geht auch im Bereich der Renten nur national.

Danke sehr.

(Beifall bei der NPD)

Die FDP-Fraktion setzt die Debatte fort; Frau Schütz, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! An die Sprecher der Koalition gerichtet: Das Thema hat mehr versprochen als Sie jetzt in Ihrem ersten Redebeitrag gebracht haben. Letzten Endes kommen wir zum Thema Rente. Rente ist ein Bundesthema, sodass ich mich frage, wo hier der aktuelle Bezug zu Sachsen ist. Hätten Sie die Modelle von Nordrhein-Westfalen oder das Parteiprogramm zum Programm für Sachsen machen wollen, könnten Sie einfach einen Antrag stellen und im Ausschuss diskutieren, anstatt hier im Landtag eine Aktuelle Debatte über alles und nichts zu führen.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

„Die Renten sind sicher!“ Dieser Satz von Norbert Blüm kommt einem in den Sinn, wenn man derzeit CDU und SPD auf Bundesebene zuhört. Damals wie heute ist es nur Sand in die Augen der umworbenen Wählerschaft gestreut, denn die kürzliche Garantie der Höhe der Renten durch die schwarz-rote Bundesregierung und die Aussetzung des Nachhaltigkeitsfaktors ist vor allem eines: ein Wahlgeschenk auf Kosten der jüngeren Generation.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Ein wichtiger Aspekt ist dabei nicht zu vergessen. Es nützt gerade nicht den Altersrentnern unterhalb der Grundsicherung, denn sie haben überhaupt nichts davon, und es bedeutet nicht ein Stückchen Vorwärtskommen im Kampf gegen Altersarmut. Im Gegenteil, es ist und bleibt eine unzumutbare Belastung künftiger Generationen, die offenbar hier bewusst in Kauf genommen wird. Ich sage es deutlich für die FDP-Fraktion von dieser Stelle aus: Solidarität ja, aber die Politik hat die Aufgabe, das System bezahlbar zu machen, und ich sage bewusst bezahlbar zu machen, denn finanzierbar ist es eigentlich schon jetzt nicht mehr.

Wir vertreten einen präventiven Ansatz in der Altersvorsorge. Wir wollen Anreize setzen, damit Erwerbstätige schon in jungen Jahren mit dem Aufbau einer kapitalgedeckten Altersversorgung beginnen können – definitiv eine kapitalgedeckte, Herr Gerlach. Ich weigere mich, später selbst aus meinen eigenen Steuergeldern meine Rente zum Großteil finanzieren zu müssen, denn dieses System, so wie es jetzt aufgebaut ist, wird nicht mehr funktionieren. Sie wissen schon lange, wir sprechen nicht mehr von der Alterspyramide, es ist ein Baum, der letzten Endes auch nicht mehr diesen festen Stamm hat,

(Widerspruch bei der Linksfraktion und der SPD)

sondern leider diese Einschnitte bei den Geburten, sodass das fast schon wie ein Schaschlikspieß aussieht.

Vor allem für Geringverdiener und Solo-Selbstständige ist das jetzige System ein Weg in die Altersarmut. Wir wollen, dass die Vorteile der staatlich geförderten Altersvorsorge allen Bürgern zugute kommen. Außerdem soll das Einkommen aus der Altersvorsorge nicht voll auf die Grundsicherung im Alter angerechnet werden. Derjenige, der für das Alter vorgesorgt hat, muss im Alter besser dastehen als derjenige, der keine Vorsorge getroffen hat.

(Beifall bei der FDP)

Es ist natürlich klar, dass die jetzt nach gebrochener Erwerbsbiografie kommenden Bürgerinnen und Bürger nur eine geringe Rente zu erwarten haben. Aber die derzeitigen Vorschläge, die im Raum stehen, sind wirklich keine Option. Doch für diejenigen muss es eine solidarische Leistung geben. Das ist uns klar. Alle anderen Versprechen, die von Rot-Schwarz gemacht werden, können nicht gehalten werden und würden, so wie es aktuell auch schon ist, künftige Generationen nur über Gebühr belasten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die Fraktion GRÜNE erhält das Wort; Herr Weichert, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am Wochenende wird auch die CDU ihr Landtagswahlprogramm verabschieden. Suchen Sie dort nach Begriffen wie Rente, Alterssicherung, Armut oder gesetzliche Rentenversicherung, werden Sie nicht fündig. Das ist schon verwunderlich. Planen Sie nur Schönwetter-Sozialpolitik oder planen Sie überhaupt? Was ist mit den Menschen in Sachsen, die aus der Langzeitarbeitslosigkeit in die Rente gehen? Was ist mit den Menschen, die aufgrund zu niedriger Löhne keine oder nur geringe private Vorsorgemöglichkeit haben? Was ist mit den Menschen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien? Was ist mit der Gruppe der Selbstständigen, die nur ungenügend abgesichert sind? Ja, das ist heute Realität. Diese Menschen haben bzw. werden bedenklich geringe Alterseinkünfte haben. Schon jetzt wächst in Sachsen die Gruppe derjenigen, die Grundsicherung im Alter brauchen, jährlich um etwa 1 000 Menschen an.

Deutschland ist in den letzten 20 Jahren zum größten Niedriglohnland geworden. Mehr als 22 % der Erwerbstätigen sind Niedriglohnbeschäftigte. Wer schon im Erwerbsleben arm ist, wird es bei der Rente erst recht sein. Wir brauchen deshalb einen gesetzlichen Mindestlohn. Das wird aber nicht reichen, denn erst ab einem Mindestlohn von etwa 8,50 Euro würde ein Beschäftigter nach Versicherungsjahren eine Rente oberhalb der Grundsicherung erreichen. Wir müssen also auch bei der Rentenversicherung korrigieren.

Für meine Fraktion ist und bleibt die gesetzliche Rente mit ihrer Umlagefinanzierung das Kernstück der Sicherheit im Alter. Wir setzen auf ein Alterssicherungssystem, das nachhaltig finanziert wird und allen eine eigenständige und anständige Rente gewährt, die wirksam vor Armut schützt und nicht zusätzliche Grundsicherungsleistungen erfordert.

Wir wollen aber auch keine Generation einseitig belasten, weder die heutigen noch die künftigen Beitragszahler, noch die aktuellen und die künftigen Rentenbezieher.

Die Stabilität der gesetzlichen Rentenversicherung wurde auch über die Finanzkrise bestätigt. Das ist gut so. Gerade hier bei uns ist die Bevölkerung zu 99 % von der Entwicklung der Rentenversicherung abhängig.

Was wollen wir konkret? Eine solidarisch finanzierte Garantierente ab sofort, also auch für die, die schon in Rente sind. Die Garantierente soll auch die Älteren vor Armut schützen, die keine betriebliche oder private Vorsorge betreiben konnten. Sie muss demnach steuerfinanziert sein.

Die Renteneinzahlung für Langzeitarbeitslose muss in einem ersten Schritt wieder auf das frühere Niveau angehoben und in einem nächsten Schritt an den Satz der ALG-I-Bezieher angeglichen werden, damit auch in diesen Zeiten nennenswerte Rentenansprüche erworben werden.

Langzeitarbeitslose brauchen auch ein erheblich höheres Schonvermögen für Altersvorsorgeaufwendungen.

Frauen und Männer sollen eigene Rentenansprüche aufbauen. Ein Splitting soll schon in der Ehe obligatorisch werden und nicht erst mit dem Renteneintritt. Die Anwartschaften sollen monatlich je hälftig den Rentenkonten zugeschrieben werden.

Letztlich wollen wir langfristig die Rentenversicherung zu einer Bürgerversicherung für alle weiterentwickeln, in die alle Erwachsenen unabhängig vom Erwerbsstatus mit Beiträgen auf alle Einkommen einzahlen.

Meine Damen und Herren! Hatte ich eingangs ein paar Worte zur Schönwetter-Sozialpolitik der CDU verloren, so möchte ich zum Schluss verraten, was das Programm der FDP, die ja auch einen Bundesparteitag hat, zum Thema Altersarmut zu bieten hat: nichts, meine Damen und Herren, absolut nichts. Und da nichts und nichts addiert immer noch nichts ist, kann ich mir lebhaft vorstellen, wie die Sozialpolitik einer schwarz-gelben Koalition aussehen würde. Dabei wären beide Parteien gut beraten, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, schließlich sind die Parteimitglieder von CDU und FDP reichlich zehn Jahre älter als die von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Aber auch hier zeigt sich, dass wir einfach ein Stückchen weiterdenken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war die erste Runde der Aussprache. Wer möchte noch von der CDU sprechen? – Herr Krauß nimmt noch einmal das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Weichert, ich möchte kurz darauf eingehen. Wir als CDU haben eine klare Positionierung. Sie können das nicht wissen, weil Sie nicht im Sozialausschuss sind. Ansonsten wüssten Sie, dass wir dort einen Antrag verabschiedet haben, in dem wir uns mit der Rente beschäftigt haben und gerade mit den Rentnern, die ein geringes Einkommen haben. Das hat uns sehr bewegt. Wir haben auch eine Anhörung durchgeführt und der Staatsregierung einen Arbeitsauftrag erteilt, in welche Richtung wir gern arbeiten wollen. Warum sollen wir es noch einmal aufschreiben, wenn wir es im Landtag verabschiedet und den Auftrag erteilt haben. Das ist doch der Vorteil, wenn man regiert, dass man nicht nur Programme schreibt, sondern es auch umsetzt.

Lassen Sie mich zu den Linken kommen. Herr Dr. Pellmann hat wieder den alten Hut Angleichung Rentenwerte Ost und West ausgegraben.

(Zuruf des Abg. Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion)

Richtig ist, wenn das käme, hätte die jetzige Rentnergeneration mehr Geld. Da stimme ich Ihnen zu. Aber Sie müssen gleichzeitig auch sagen, wenn das Modell kommt, das Sie favorisieren, heißt das, dass die jetzigen Arbeitnehmer im Osten später eine deutlich niedrigere Rente haben; also die Gelackmeierten sind diejenigen, die arbeiten. Das ist Ihr Modell. Das müssen Sie dann auch so deutlich aussprechen. Wir haben nämlich einen Ausgleichsfaktor, der besagt, dass die Renteneinzahlungen, die ein Ost-Arbeitnehmer heute tätigt, aufgewertet werden, weil die Löhne noch niedriger sind. Das würde logischerweise wegfallen, wenn wir die Rentenwerte Ost und West gleichmachen. Insofern, das hat auch die Anhörung im Landtag gezeigt, ist dieser Weg irreführend. Er bringt uns nicht weiter.

Was uns weiterbringt, ist das Stufenmodell der Gewerkschaft ver.di, von dem wir auch gehört haben, und das man in Stufen verwirklichen kann. Das ist auch das, was der Ministerpräsident gemeint hat, dass man das nicht von heute auf morgen machen kann. Sonst wären diejenigen die Dummen, die heute arbeiten. Das wollen wir mit Sicherheit nicht. Die Problemlage ist etwas komplizierter. Ich habe versucht, das darzustellen.

Natürlich haben wir Unterschiede zwischen Ost und West, aber nicht, wenn wir uns die gesetzliche Rentenversicherung anschauen. In der Tat ist es so: Was jemand aus der gesetzlichen Rentenversicherung bekommt, ist ungefähr das Gleiche, egal ob Ost- oder Westrentner, die Männer etwas mehr, die Frauen mehr. Diese Betrachtung nützt aber nichts. Man muss die Gesamtbetrachtung anschauen: Wie hoch sind die Einkommen im Alter? Die Einkommen kommen im Osten zu 90 % und im Westen zu 57 % aus

der gesetzlichen Rentenversicherung. Das heißt, wenn man das unterm Strich zusammenrechnet – nur diese Zahl ist aussagekräftig –, dann hat ein West-Rentner im Durchschnitt 1 700 Euro und im Osten hat er 600 Euro weniger. Deswegen sagen wir auch, es muss eine Entwicklung der Angleichung geben, aber das kann nur in Stufen funktionieren. Auf keinen Fall dürfen die jetzigen Arbeitnehmer benachteiligt werden.

Lassen Sie mich, wenn sich Herr Pellmann so als sozialer Wohltäter aufgeführt, doch einmal daran erinnern, wie die Rente zu DDR-Zeiten war, weil das doch ganz interessant ist. Dort haben Sie regiert. Es besteht die Frage, wenn Sie sich heute als Inkarnation des Sozialen präsentieren, wie es denn damals gewesen ist. Wie hoch sind denn die Renten gewesen? Die Ostrente betrug durchschnittlich 312 Ostmark. Ein Stück Butter kostete 2,40 Mark. Der Liter Milch kostete 1,50 Mark. Der Farbfernseher hat 6 000 Mark gekostet. Man musste also 19mal seine Rente aufwenden, um sich einen Farbfernseher zu kaufen. Jeder, der sich noch ein bisschen erinnern kann, weiß, wie es den Rentnern damals ging, und wie es den Rentnern heute geht.

Wir wollen, dass dieser Sozialstaat, der funktioniert, erhalten bleibt. Wir wollen auch für die kommenden Generationen, dass zukünftig jeder im Alter ein auskömmliches Einkommen hat.

Dann will ich noch einmal kurz zur NPD schauen; das betrifft aber auch die Linksfraktion, weil sie die gleiche Argumentation hat. Wenn das Alter der Menschen steigt, wenn die Menschen immer länger Rente beziehen, wenn das heute 17 Jahre sind und 1960 waren es noch zehn Jahre, dann wird eben die Rente länger gezahlt. Wenn ich immer weniger Kinder habe und weniger Leute, die in die Rentenkasse einzahlen, dann habe ich weniger Geld in der Rentenkasse. Dann muss Ihnen doch aufgehen, dass dann das System nicht mehr funktionieren kann und ich nachsteuern muss. So einfach ist das doch.

Dafür haben Sie leider kein Konzept. Da kann man nicht sagen, man lässt alles beim Alten. Wir können auch nicht sagen, wir laden alle Lasten den jungen Leuten auf. Das geht auch nicht. Da müssen wir schon Gerechtigkeit walten lassen, dass wir der jungen Generation nicht nur sagen: Ihr zahlt in die Rentenkasse ein und sorgt selber privat vor, aber am Lebensende erhaltet ihr überhaupt keine Rente, maximal aus eurer privaten Vorsorge. – Das ist keine Antwort.

Das heißt, dass die jetzige Rentnergeneration natürlich auch ihren Beitrag leisten muss, damit wir ein stabiles System der Alterssicherung haben.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Herr Gerlach noch einmal für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Pellmann, wir

wollen – um das noch einmal ganz deutlich zu sagen – eine sehr viel langsamere Angleichung Ost-West haben aus genau den Gründen, die mein Kollege jetzt erläutert hat. Wir haben die Höherbewertung der Renten im Moment für die Leute hier im Osten. Wir möchten das ausdrücklich nicht gefährden. Das noch einmal zur Klarstellung.

Eine Sache, die Sie gesagt haben, habe ich nicht verstanden. Sie haben, wenn ich es richtig mitbekommen habe, gesagt, 20 % der Alterseinkünfte hier im Osten liegen unter dem Durchschnitt. Das heißt für mich im Umkehrschluss: 80 % sind gleich oder liegen darüber. Ich bin mir nicht so richtig sicher, was Sie gemeint haben.