Protokoll der Sitzung vom 15.05.2009

Eine Sache, die Sie gesagt haben, habe ich nicht verstanden. Sie haben, wenn ich es richtig mitbekommen habe, gesagt, 20 % der Alterseinkünfte hier im Osten liegen unter dem Durchschnitt. Das heißt für mich im Umkehrschluss: 80 % sind gleich oder liegen darüber. Ich bin mir nicht so richtig sicher, was Sie gemeint haben.

Unsere Aussage ist – dazu stehen wir auch –, dass die Rentner im Osten derzeit so schlecht nicht gestellt sind. Aber ich habe ganz klar und mit Betonung das formuliert, was im Lebenslagenbericht steht, nämlich dass die Gefahr besteht, dass hier etwas abrutscht.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion, steht am Mikrofon.)

Sie wollen mir eine Frage stellen?

Die gestatten Sie?

Ja, immer – oder meistens.

Bitte.

Schönen Dank, Herr Gerlach. – Ich könnte zunächst mit meiner ersten Frage zugleich Erklärungen liefern. Aber ich stelle selbstverständlich eine Frage.

Herr Gerlach, können Sie sich erinnern, dass ich gesagt habe, dass die Alterseinkünfte im Osten durchschnittlich bei 80 % der Alterseinkünfte im Westen liegen? Das hatte ich gesagt. Können Sie sich daran erinnern, dass ich das gesagt habe?

Die zweite Sache, die ich fragen wollte: Herr Gerlach, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, was die Position zur Angleichung der Rentenwerte betrifft, die Sie hier darstellen, dass Sie dann nicht in Übereinstimmung sind mit den Gewerkschaften und mit allen relevanten Sozialverbänden, die nämlich eine überschaubare Frist für die Rentenangleichung – da gibt es auch verschiedene Modelle – wollen?

Also zu dem Ersten: Glückwunsch, dass Sie eine Antwort in eine Frage gekleidet haben; das muss man ja auch schaffen.

Zu dem Zweiten, was Sie anfragen. Da bin ich mir nicht so sicher, Herr Dr. Pellmann, ob das erstens wirklich alle Gewerkschaften sind, wie Sie sagen – wenn ich es richtig in Erinnerung habe –, und zweitens ist es so: Ich habe die Aussage gemacht, wir wollen sie langsamer. Sie sprechen – wenn ich das nicht wieder falsch interpretiere – von 2010, die FDP spricht auch von 2010 Rentenangleichung.

Dann ist die Frage aus unserer Sicht: Ist das zu schnell, weil da an einer anderen Stelle etwas wegbricht, was wir nicht wegbrechen lassen wollen? Ich bin mir nicht sicher, ob das richtig ist, was Sie hier unterstellt haben, dass alle Gewerkschaften und alle wichtigen Sozialverbände – so sinngemäß haben Sie es gesagt – das genauso wollen wie Sie auch. Da habe ich meine Zweifel. Ich denke, dass sie dieses andere System auf keinen Fall gefährden wollen. Darauf berufe ich mich oder wir uns als SPD bei unserer Aussage.

Ein paar Worte noch zu Frau Schütz. Wir sind uns mit Ihnen, Frau Schütz, einig, dass wir die zukünftigen Generationen nicht über Gebühr belasten wollen. Das lässt sich so leicht dahersagen, weil es im Moment niemanden so richtig weh tut, weil wir heute leben und nicht in zehn Jahren.

Ich bin mir auch überhaupt nicht sicher, ob diese Prognose, die Dr. Pellmann mit den 30 % Altersarmut abgegeben hat, so eintritt. Ich weiß es nicht.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Das liegt an der Politik!)

Moment. Ja, Sie wollen die Politik eigentlich so ändern, dass Sie ein ganzes Stück zurück wollen und ein paar wenige Dinge mitnehmen.

(Beifall des Abg. Lars Rohwer, CDU)

Herr Dr. Pellmann, alles das, was Sie in Ihrem Entschließungsantrag an Abschaffungen wollen, würde ein Chaos hervorrufen. Das kann ich Ihnen sagen. Dann müssten Sie sich ein ganz neues System der Bezahlung einfallen lassen, wie Sie das machen wollen. Das bekommen Sie mit Ihrer Millionärssteuer nicht hin. Die Millionäre werden sich nicht jedes Jahr abschröpfen lassen. Das geht auch nicht, denn irgendwann sind dann die Millionen einmal alle. Das sage ich Ihnen einmal so. Die Renten müssen dauerhaft gezahlt werden und nicht als EinmalAbschlagszahlung.

Aber noch einmal zurück zu Frau Schütz. Ihr Schwerpunkt – das habe ich heute hier herausgehört – liegt nach wie vor auf dem kapitalgedeckten Aufbau einer parallelen Rente. Interessant ist, dass Ihr großer Chef – ich habe ihn heute nicht reden hören, ich weiß nicht, was er heute auf dem FDP-Parteitag gesagt hat, er muss ja wohl seine Rede gerade beendet haben –, neuerdings von einem MehrSäulen-Modell spricht. Ich habe Sie aber so verstanden, dass die tragende Säule Ihres Systems die kapitalgedeckte ist. Andere, die man sich dazu denken kann – Ihr JuLisChef spricht dann von sozialen Komponenten, die er nicht ausführt –, sollen dann noch dabei sein.

Wir sind darin anderer Meinung. Wir denken, dass das Umlageverfahren die zentrale Säule bleiben muss, weil das, was in letzter Zeit mit den Finanzen passiert ist, eine große Gefahr für diejenigen ist, die sich auf irgendwelche Fonds berufen bzw. auf Fonds verlassen, die sich auf irgendwelche kapitalgedeckten Einlagen, die irgendwo in der Welt herumschwirren, mit denen irgendwelche Ge

schäfte gemacht werden, verlassen, darauf, dass das immer genau die Prozente an Zinsen abwirft, die dann notwendig sind, um deren kapitalgedeckte Rente auch zu sichern. Ob das auf Dauer hält?

Dann ist uns ein Umsteuern in dem gegenwärtigen Verfahren, bei dem diejenigen, die heute arbeiten, in einen Topf einzahlen und das Geld praktisch gleich wieder herausgenommen und den Rentnern gegeben wird, natürlich mit einem – das hat Herr Krauß sehr deutlich gesagt – nicht unerheblichen Beitrag, den der Steuerzahler dazuschießt, lieber.

Wir halten dieses System für stabiler als das äußerst anfällige kapitalgedeckte System, das Sie wollen. Wir halten aus diesem Grunde unser System für solidarischer als Ihres.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Die Linksfraktion erhält noch einmal das Wort; Herr Wehner, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein spannendes Thema, zugegebenermaßen, aber ich glaube, dass die Aufgabe, so wie sie hier formuliert ist, in sich nicht ganz schlüssig ist.

Es ist einerseits die Rede davon „Solidarprinzip erhalten – Altersarmut in Sachsen verhindern“. Es wurde schon darüber gesprochen, dass wir es hier mit einem Bundesthema zu tun haben. Wir haben uns im Landtag bereits damit beschäftigt, dass Altersarmut eben nicht nur eine Einkommensseite hat.

Aber zunächst einmal will ich mich dennoch darauf einlassen, was das Rentensystem betrifft. Sie sagen, Solidarprinzip erhalten, also das Prinzip, das wir momentan hier entwickelt haben. Dieses System, so wie wir es in der gesetzlichen Rentenversicherung entwickelt haben – das wissen Sie auch aus den Berechnungen der Deutschen Rentenversicherung Bund oder Mitteldeutschland – mit genau der Rentenformel, die im Augenblick zugrunde liegt, ist es eben ein Programm für die Altersarmut. Das wollen Sie im Grunde genommen aufrechterhalten. Das ist für mich einfach nicht nachvollziehbar. Sie haben die Rentenanpassung aufgekündigt. Sie haben die Rentenformel mit Kürzungsfaktoren, die Herr Gerlach als „Stabilisierungsfaktoren“ bezeichnet, versehen. Ob RiesterFaktor, Nachhaltigkeitsfaktor oder Nachholfaktor – das sind alles Erfindungen von Ihnen, die nach und nach zur Rentenkürzung geführt haben.

Sie preisen das neue Projekt aus NRW an und vergessen dabei, dass Sie selber dieses System schon einmal abgeschafft haben, nämlich die Berechnung der Rente nach Mindesteinkommen für Beschäftigungszeiten mit niedrigen Löhnen. Das hat es schon einmal gegeben, das haben Sie aber wegrationalisiert.

Trotzdem ist das gut, und es soll auch eine Entwicklungschance haben.

(Kristin Schütz, FDP, tritt ans Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Wehner?

Nein, wirklich nicht.

Zum System der Erwerbsminderungsrenten, meine Damen und Herren: Armut – das haben wir gestern gehabt – macht krank, und zwar schon im Kindesalter. Wenn man im Alter krank wird, wird man eben auch arm, weil die Zuzahlungsleistungen für die Krankenversicherung enorm gestiegen sind, sodass man für bestimmte Leistungen wirklich seine Ersparnisse aufbrauchen muss und dann bettelarm wird. Denken Sie an die Fälle von Wachkoma, die wir in Dresden und überhaupt in Sachsen haben, wobei die Leute tatsächlich arm geworden sind, weil die Leistungen nicht finanziert waren. Dort müssen Sie ansetzen.

Wir müssen also über das System insgesamt reden. Solidarprinzip ist nicht nur das Solidarprinzip in der Rentenversicherung, sondern auch in der Krankenversicherung, in der Pflegeversicherung, in der Arbeitslosenversicherung. Das, was wir brauchen, ist ein Programm, das Beschäftigung auch möglich macht, und zwar in allen Bereichen des Erwerbslebens, um die Altersvorsorge gesichert zu haben, und zwar mit Einkommen, die die Existenz sichern und auch die Beiträge in die Altersvorsorge möglich machen. Darüber reden Sie überhaupt nicht. Insofern ist das alles scheinheilig, was Sie hier anbieten.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Möchte die NPDFraktion noch einmal sprechen? – Ich frage einfach in die Runde. – Frau Schütz noch einmal für die FDP.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Krauß, wir sind zwar im gleichen Jahr geboren, aber wissen Sie, was uns beide 20 Jahre nach der friedlichen Revolution unterscheidet? Sie schauen immer noch zurück, ich schaue nach vorn.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Dr. Volker Külow, Linksfraktion)

Wir stehen nämlich für ein einheitliches Rentenrecht in ganz Deutschland, das wir zum 1. Juli 2010 einführen wollen, mit einem einheitlichen Rentenwert, mit einheitlichen Entgeltpunkten und mit einheitlichen Beitragsbemessungsgrenzen. Denn die Unterschiede im Lohnniveau, die eigentlich Grundlage der Differenzierung bei der Ost- und Westrentenberechnung sind, werden zunehmend willkürlich. Sowohl in den neuen als auch in den alten Bundesländern gibt es eben Hoch- und Niedriglohngebiete, und damit ist die Differenzierung im Rentenrecht einfach nicht mehr nachvollziehbar, und 20 Jahre nach der

Einheit ist es Zeit, auch endlich das Rentenrecht anzugleichen.

Bei der Einführung des einheitlichen Rentenrechts sollen alle bisherigen Renten und Rentenanwartschaften in Ost und West in ihrem Wert voll erhalten bleiben. Der ausstehende künftige Prozess einer Angleichung des Rentenwertes Ost an den Rentenwert West wird somit einfach in die Gegenwart vorgezogen und mit einer Einmalzahlung abgefunden. Dabei soll ein Wahlrecht eingeräumt werden, das jeweils bis zum 60. Lebensjahr auszuüben ist. Das Wahlrecht stellt sicher, dass Bestandsrentner und Versicherte mit Entgeltpunkten nicht gegen ihren Willen abgefunden werden.

Um es kurz zu machen: Herr Gerlach, Sie sind, glaube ich, auch erst zufrieden, wenn jeder Arbeitnehmer seinen Rentner hat, wenn wir hier also im Umlageverfahren eins zu eins finanzieren müssen.

Herrn Wehner möchte ich noch Folgendes sagen: Der Riester-Faktor und auch der Nachhaltigkeitsfaktor sind einfach das Ergebnis sinkender Geburtenzahlen seit den 1970er–Jahren. Es muss zur Kenntnis genommen werden, dass ein „Weiter so!“ nach Adenauers Leitspruch „Kinder wird es immer geben“ einfach nicht mehr aktuell ist. Deshalb braucht man diese Faktoren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

Gibt es weiteren Redebedarf? – Von der Linksfraktion noch einmal Herr Dr. Pellmann, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte angekündigt, zu unseren Alternativpositionen noch einmal zusammenfassend Stellung zu nehmen.

Das Prinzip „Altersarmut bekämpfen“ heißt für die Linksfraktion erstens – auch wenn Ihnen, Herr Gerlach, dies nicht gefällt – Rücknahme aller Dämpfungsfaktoren, die vornehmlich unter der Schröder-Regierung seit 2001 eingeführt worden sind und die Rentenformel faktisch außer Kraft gesetzt haben. Es handelt sich dabei nicht, wie Sie sagen, um eine Stabilisierung, sondern es handelt sich schlicht und ergreifend um reale Rentenkürzungen, die damit bewirkt wurden; denn in den letzten sechs Jahren ist das reale Rentenniveau in Ostdeutschland um 10 % gesunken.