Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist unbestreitbar, die freien Wählergemeinschaften sind ein fester Bestandteil der kommunalen Demokratie. Gerade die jüngsten Kommunalwahlen haben das noch einmal eindrucksvoll bestätigt.
Damit stellt sich die Frage, ob nicht das, was auf der kommunalen Ebene – übrigens seit vielen Jahren – gut läuft und zu beobachten ist, nicht auch auf der Landesebene ermöglicht und erleichtert werden sollte, wie das der Gesetzentwurf der GRÜNEN Fraktion völlig zu Recht bezweckt.
Wir als Linke sagen: Ja, den Wählergemeinschaften sollte der Zugang zum Landtag deutlich erleichtert werden. Ja, denn politischer Wettbewerb belebt die Demokratie. Meine Fraktion hat bisher jede parlamentarische Aktivität unterstützt und allein in dieser Wahlperiode nicht weniger als sieben Gesetzentwürfe eingebracht, die darauf gerichtet sind, die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger zu unterstützen und politische Willensbildungsprozesse zu fördern sowie den demokratischen Willensbildungsprozess zu bereichern.
Für uns sind die verschiedenen Wählervereinigungen auf der kommunalen Ebene bereits jetzt geachtete und ernst zu nehmende Wettbewerber. Es gibt wirklich keinen Grund, auf der Landesebene eine andere Einschätzung zu treffen. Wir jedenfalls haben keine Angst vor politischem Wettbewerb. Das sage ich wegen der damit verbundenen Konkurrenz ganz deutlich, die zu den Landtagswahlen antreten wird, auch wenn wir selbstverständlich für die eigene Partei um das bestmögliche Ergebnis werben. Deshalb tragen meine Partei und meine Fraktion ohne Wenn und Aber die Zielstellung des Gesetzentwurfes der GRÜNEN mit,
(Beifall bei der Linksfraktion sowie der Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg und Michael Weichert, GRÜNE)
die notwendige gesetzgeberische Klarstellung vorzunehmen, wie das übrigens auch die deutliche Mehrzahl der Experten bei der Anhörung am 30. April 2009 festgestellt hat, darunter auch Prof. Dr. Werner Patzelt von der CDU, der nachgerade ein feuriges Plädoyer für diese gesetzliche Klarstellung gehalten hat.
Nun aber doch einige kritische Worte, zunächst zum Timing. Die Zeitabläufe zur Wahlvorbereitung haben Sie, Kollege Hamburger, erwähnt. Auch hier setzt eine Kritik meiner Fraktion an. Wenn man böswillig wäre – ich bin es nicht –, würde man zu der Feststellung kommen, dass die heutige Behandlung am 24. Juni 2009, also, etwas mehr als acht Wochen vor der Landtagswahl, eigentlich ein Anachronismus ist. Schließlich hat der Landeswahlausschuss vor nur wenigen Tagen auch ohne den Gesetzentwurf der GRÜNEN, das muss hier einmal gesagt werden, einem der drei landesweiten Zusammenschlüsse der Freien Wähler, nämlich den Freien Sachsen/Allianz unabhängiger Wähler den juristischen Status einer Partei zugestanden, womit die Teilnahme zumindest dieses Zusammenschlusses an der diesjährigen Landtagswahl problemlos möglich ist.
Kurz und gut: Freie Wählervereinigungen können bereits jetzt, wenn sie die notwendigen Voraussetzungen erfüllen, die im Landeswahlgesetz definiert sind, problemlos nicht nur Wahlkreiskandidat(inn)en stellen, sondern auch als Listenvereinigung an den Landtagswahlen teilnehmen. Auch das hat die Anhörung noch einmal überzeugend bestätigt.
Ein Ersuchen eines weiteren Zusammenschlusses Freier Wähler wurde abgelehnt, weil dieser Zusammenschluss nicht bereit war, sich auf den juristischen Status einer Partei einzulassen, und ein dritter Zusammenschluss verzichtet – zumindest in diesem Jahr – auf die Teilnahme an den Landtagswahlen. – So weit der mir bekannte Sachstand.
Nun haben Sie, Kollege Lichdi, natürlich recht, wenn Sie die CDU und die SPD dafür kritisieren, dass sie dieser von Ihnen angeregten vorgezogenen Sondersitzung des Innenausschusses zwecks Anhörung nicht zugestimmt haben. Wir als Linke wären dazu gern bereit gewesen, das wissen Sie auch. Die Mehrheiten waren andere. Aber das ist nur die halbe Wahrheit.
Ich verstehe nicht – Kollege Lichdi, auch Kollege Gerstenberg und vor allem Kollegin Hermenau –: Sie kennen doch die Terminstaffel der Wahlvorbereitung zum 5. Sächsischen Landtag seit anderthalb Jahren ganz genau. Warum lassen Sie sich auf solch ein wackliges Vorhaben ein? Warum liefern Sie sehenden Auges der CDU, die nicht das geringste Interesse hat, hier zu einer Gesetzesänderung zu kommen, und der SPD, die vielleicht Interesse hätte, aber nicht darf, eine regelrechte Steilvorlage, um Ihren Gesetzentwurf abzulehnen und ihn mit einem vorgeschobenen Argument ins Aus zu befördern? Ich verstehe das nicht. Wenn Ihnen, Kollege Lichdi, das Anliegen eine echte Herzensangelegenheit gewesen wäre, dann hätten Sie diesen Gesetzentwurf spätestens ein Jahr vor den Landtagswahlen einbringen müssen, damit eine gründliche Beratung möglich ist, –
– und Sie hätten sich nicht auf ein von vornherein aussichtsloses Unterfangen eingelassen, womit Sie zumindest den bösen Anschein erwecken, dass Sie billigend in Kauf nehmen, die Wählervereinigungen zu instrumentalisieren. – Bitte schön.
Sie waren die ganze Zeit im Innenausschuss anwesend und haben mitbekommen, mit welchen – ich muss es sagen – Tricks –
– die Koalition die Behandlung dieses Gesetzentwurfes und die Anhörung immer weiter hinausgezögert hat.
Haben Sie vergessen, dass es mehr als zehn Tage gebraucht hat, bis unser Antrag auf Sondersitzung überhaupt von der Vorsitzenden auf die Tagesordnung gesetzt und zur Behandlung gebracht wurde? Haben Sie das alles nicht mitbekommen?
Ich kann Ihnen die Geschichte noch einmal seitenweise erzählen, aber ich muss ein wenig auf meine Kolleginnen und Kollegen Rücksicht nehmen, die heute auch noch sprechen wollen. Selbstverständlich habe ich das mitbekommen. Meine entscheidende Aussage war: DIE LINKE war trotz immensen Arbeitspensums des Innenausschusses für eine zusätzliche Sondersitzung, um Ihren Gesetzentwurf im sitzungsfreien Monat April beraten zu können. Das hätte die Sache vorangebracht.
Ob Sie mir jetzt immer noch böse sind, weiß ich nicht. Ich will Sie gerade loben, denn Sie, Kollege Lichdi, haben immerhin veranlasst – auch auf unsere Kritik hin –, dass Ihr ursprünglicher Gesetzentwurf in zwei – oder sogar drei – wichtigen Punkten nachgebessert wird, auch heute mit dem Änderungsantrag. Das will ich gar nicht ver
schweigen. Ursprünglich haben Sie den Gesetzentwurf nach dem Motto geschrieben: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. Die Wählervereinigungen waren sozusagen etwas Edleres, etwas Besonderes, nicht so etwas Schlechtes wie die Parteien.
Sie haben jetzt explizit klargestellt, dass Wählervereinigungen, wenn sie an den Landtagswahlen teilnehmen wollen und können, den juristischen Status einer Partei erlangen. Ob das nun ihrem politischen Selbstverständnis entspricht oder nicht – also, dem Selbstverständnis der Wählervereinigungen –, das ist schnuppe. Sie haben diese Klarstellung vorgenommen und damit einen zentralen Kritikpunkt beseitigt.
Sie haben weiterhin den Unsinn beseitigt, dass die Wählervereinigungen hinsichtlich der Wahlkampfkostenrückerstattung gegenüber den Parteien privilegiert werden sollten. Ursprünglich sollten ja bekanntlich 2 Euro und für die Parteien nur 85 Cent pro Stimme gezahlt werden. Diesen Unsinn haben Sie wieder herausgenommen, auch wenn das in Rheinland-Pfalz Platz greift. Also, das war wirklich verkehrt.
Sie haben das beseitigt, und da Sie meine Rede schon vorher kannten: Kompliment, Kollege Lichdi, Sie haben den dritten und wesentlichen Kritikpunkt – nicht nur von mir, sondern zum Beispiel auch von der Sachverständigen Frau Dr. Heike Merten oder auch von Herrn Prof. Werner Patzelt – nicht beseitigt. Ich verstehe nicht, warum Sie nicht wenigstens Wahlprogramme für die Wählervereinigungen fordern, und diesen Unsinn, dass zumindest die theoretische Möglichkeit besteht, dass Personen konkurrierender Wählervereinigungen der lokalen Ebene nach Ihrer Konstruktion dann auf einmal in einer Fraktion im Landtag sitzen könnten, diese politische Schizophrenie haben Sie nicht beseitigt.
Genau das Letzte ist auch der zentrale Kritikpunkt, weshalb wir uns heute lediglich der Stimme enthalten werden. Wir plädieren dafür, dass sich der 5. Sächsische Landtag diesem Thema sehr bald wieder zuwendet, damit rechtzeitig und ohne Zeitdruck ein gut abgestimmtes und mit möglichst breiter Mehrheit verabschiedetes Gesetz dieses Hohe Haus verlässt.
Auch ich verlasse jetzt nach knapp 19-jähriger Landtagszugehörigkeit und ziemlich genau 250 Reden dieses Pult – ganz freiwillig. Ich wünsche Ihnen und allen, die künftig hier sitzen werden, vernunftbegabte Entscheidungen jenseits engstirniger Fraktionsvorgaben zum Wohle unseres Landes. Der 5. Sächsische Landtag wird sehr dicke Bretter zu bohren haben. Das wird keine Bequemlichkeit im Denken zulassen. Ich wünsche Ihnen für diese Entscheidungen Mut, Kreativität und das notwendige Augenmaß. Selbstverständlich wünsche ich Ihnen, meine
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich zu Beginn auf die Intentionen der Einreicherin dieses Gesetzentwurfes zu sprechen komme. Im Vorblatt zu diesem Gesetzentwurf unter Punkt a) – Zielsetzung – ist zu lesen – ich zitiere –: „Bürgerinnen und Bürger erhalten so die Gelegenheit, neben Parteien auch Wählervereinigungen, die sich bewusst nicht als Partei im Sinne des Parteiengesetzes konstituieren, in den Landtag zu wählen.“
Ich darf vielleicht an dieser Stelle noch einmal daran erinnern, dass es trotz intensiver Bemühungen in vielen Obleute-Runden, an denen ich selbst dabei war, nicht gelungen ist, einen gemeinsamen Termin für eine Sondersitzung zu finden. Das lag mit Sicherheit nicht an den Koalitionsfraktionen. Nunmehr haben wir in einem ziemlich hektischen Verfahren – die Vorredner haben darauf hingewiesen –, welches nichts mit einem geordneten Gesetzgebungsverfahren zu tun hatte, bis zur heutigen 2. Lesung vorgearbeitet. An diesem Punkt angelangt, muss man sich allerdings fragen: Was ist von der Zielsetzung, die ich soeben aus dem Vorblatt zum Gesetzentwurf zitiert habe, übrig geblieben?
Die Sachverständigenanhörung hat eine ganze Reihe von Erkenntnissen gebracht. Auch darauf sind die Kollegen Dr. Friedrich und Hamburger schon eingegangen. Mehrere Sachverständige haben festgestellt, dass sich mitgliedschaftlich organisierte Wählervereinigungen bereits nach geltendem Recht um die Teilnahme an Landtagswahlen bewerben könnten. Dazu müssten sie allerdings in Kauf nehmen, dass sie vom Landes- oder vom Bundeswahlleiter überprüft und als Partei eingestuft werden. Zahlreiche politische Vereinigungen haben diesen Weg gewählt, zumindest diejenigen – ich glaube, das darf man hier auch sagen –, die eher auf politische Inhalte setzen anstatt auf das vordergründige Image einer Nicht-Partei.
Aber das Parteiengesetz enthält neben zahlreichen Privilegien auch Pflichten, die in erster Linie dazu dienen, die Transparenz gegenüber den Wählerinnen und Wählern zu garantieren. Zu nennen wären hier die Rechenschaftspflicht, das Publizitätsgebot, das Spendenannahmeverbot und Beschränkungen bezüglich der Annahme von Bargeld.
Ich unterstelle – das sage ich bewusst – der Fraktion GRÜNE nicht, dass es beabsichtigt war, Wählervereinigungen die Teilnahme an Landtagswahlen zu ermöglichen, ohne dass auch für sie die für Parteien bestehenden
Pflichten gelten. Das wäre in der Tat eine fragwürdige Intention, allein schon im Lichte der Chancengleichheit.
Nun muss man den heute zu diskutierenden Gesetzentwurf zusammen mit dem vorliegenden Änderungsantrag sehen. Mit diesem Änderungsantrag stellen sie sich der Diskussion über die Chancengleichheit der verschiedenen Wahlbewerber. Das Problem ist aber, dass der Änderungsantrag in diesem Punkt zwar den Sachverständigen entgegenkommt, aber auch eine Reihe neuer Probleme aufwirft. Am Ende muss man sagen: Die im Gesetzentwurf formulierte Zielsetzung, die ich am Anfang zitiert hatte, dass eben gerade nicht als Parteien konstituierte Wählervereinigungen zu Landtagswahlen kandidieren können, ist schlichtweg nicht mehr erreichbar. Damit wäre die Frage, was von der Intention übrig bleibt, beantwortet.