Er schüttelt mit dem Kopf. Aber, Herr Jurk, das kann so nicht sein! Sachsen ist doch kein Paddelboot!
Sachsen reicht kein Hilfsmotor, der irgendwie auf dem Wasser ein wenig schwankt und ansonsten kaum die Kraft hat, irgendeine Form von Wasserverdrängung hinzubekommen. Was Sachsen braucht, wenn es nach vorn kommen will, ist etwas, das richtig Kraft hat. Diese Kraft hat mit Sicherheit nicht die SPD, meine Damen und Herren.
Sachsen hat es besser verdient. Sachsen braucht mit Sicherheit eine bessere Regierung. Sachsen wird am 30.08. eine bessere Regierung bekommen; da bin ich ganz zuversichtlich.
Der Titel Ihrer Regierungserklärung, Herr Ministerpräsident, lautet „Fünf Jahre Erfolg für Sachsen“. Als ich das hörte, habe ich mir gedacht: Nun gut, er spricht über die Zukunft. Die Vergangenheit kann er nicht gemeint haben.
Diese Regierungserklärung beinhaltet keinerlei aktuelle Mitteilungen, auf die der Landtag heute dringend angewiesen wäre;
sondern das ist einfach nur Wahlkampfbeweihräucherung, solch eine Art Griff nach der letzten Möglichkeit der öffentlichen Präsentation, nachdem die Wahlergebnisse für beide Parteien zur Europawahl wohl nicht ganz so gewesen sind, wie sie es sich erträumt hatten.
Eigentlich war nur die Erklärung des Ministerpräsidenten angekündigt. Als sich dann auch noch Herr Jurk in die Bütt warf – offensichtlich war er nervös geworden, dass nur der MP spricht –, habe ich mich gefragt: Welch traurige Vorstellung bieten Sie hier eigentlich? Wir sind in der Krise, und der Chef dieser Regierung und sein Stellvertreter preisen Hochglanzbroschüren an und schmeißen mit Förmchen – manchmal sogar in den parteiinternen Sandkasten, wenn ich das richtig verstehe, was ich hier beobachtet habe.
Herr Tillich hat hier stolz auf 600 Jahre Leipziger Universität, 300 Jahre Meißner Porzellan und 20 Jahre friedliche Revolution hingewiesen, also auf Errungenschaften, zu denen er selbst überhaupt nichts beigetragen hat.
Ansonsten haben wir hier relativ ideenlose Wohlfühlrhetorik bekommen. Sie, Herr Jurk, wenn Sie nun schon so mutig waren, hier an das Pult zu treten, hätten ja etwas daraus machen können. Darauf haben Sie verzichtet. Sie haben keinen Kontrapunkt zur Ideenlosigkeit des Ministerpräsidenten gesetzt. Sie haben keinen Politikwechsel beschrieben. Sie haben nur klargestellt, dass es Ihnen genügt hat, an der Regierung und diesem Ergebnis beteiligt gewesen zu sein.
Herr Jurk, Sie sagten – ich habe Ihnen sehr gut zugehört –, der Motor für die Entwicklung in dieser Legislaturperiode sei die SPD. Da bin auch ich stutzig geworden, Herr Kollege Zastrow.
Ich nehme erst einmal Ihr Bild vom Boot auf. Also, auch der Zuwachs eines Leichtmatrosen führt nicht unbedingt zu mehr Tiefgang im Bötchen.
Aber die SPD als Motor der Regierung zu beschreiben – da hat offensichtlich der Transmissionsriemen gefehlt und das Ding lief leer. Das würde auch erklären, warum so viel Qualm aus der Kühlerhaube quoll.
Denn die anhaltende Klopperei in der Koalition, die bereits seit einem halben Jahr wirklich intensivster Gegenstand vieler Stammtischwitze ist, schreit ja nun zum Himmel. Eine gute und produktive Arbeitsatmosphäre fühlt sich einfach anders an, meine Herren. Das ist so. Sie fühlen sich in dieser Koalition nicht wohl. Deswegen sind Sie auch nicht produktiv. Hätten Sie die uninspirierende Rede des Ministerpräsidenten auf sich beruhen lassen, wären Sie heute ein weiser Mann geblieben, Herr Jurk. Das ist so.
Aber so erscheinen Sie mir – zusammen mit dem Ministerpräsidenten – wie die beiden Alten aus der Muppet Show, die sich gegenseitig die Stichworte für sinnlose Kommentare geben.
Leider sitzen Sie nicht oben auf dem Balkon und stören nur ein wenig, sondern Sie stehen auf der Bühne und sollten eigentlich etwas voranbringen.
Herr Tillich bemüht sich zurzeit, den netten Onkel zu geben, dem man vertrauen müsse und der dann Sachsen schon irgendwie durch die Krise bringen würde. Er macht einen Zukunftskongress zur Selbstdarstellung auf Steuerzahlerkosten von 130 000 Euro, von dem keiner weiß, ob die dort gewonnenen Erkenntnisse dieser Regierungskoalition auch nach der Wahl noch gelten werden. Es gibt dann ein Strategiepapier „Wegweiser für unseren Freistaat“. Das CDU-Wahlprogramm heißt dann passend „Wissen, wo es lang geht“. Ein Schelm, der diese Ähnlichkeit nicht für einen Zufall hält!
Aber freilich steht im CDU-Programm nicht drin, wie man aus der Krise herauskommt. Es steht nur drin, dass man wisse, wie man herauskäme. Es tut mir leid, aber das würde ja Vertrauen voraussetzen.
Wenn ich mir das Image-Filmchen anschaue – Sie wissen schon, das ohne den Sicherheitsgurt –, dann sage ich mir: Das Ganze hat die Anmutung von Ad-hoc-Politik: Ich bin so klug, ich bin so gescheit, ich bin so stark; wenn ein Problem kommt, dann mache ich das sofort platt. Diese Ad-hoc-Politik ist der Zwilling der Basta-Politik von Herrn Schröder. Eigentlich habe ich so etwas satt, ehrlich gesagt!
Ich bestreite doch nicht, dass die Sachsen ein findiges Völkchen sind. Das ist gar keine Frage; das sind sie. Aber leider weiß ihr Ministerpräsident nicht, was zu tun ist,
sonst hätte er das heute darstellen können. Vor der Wahl wäre der angemessene Zeitpunkt gewesen. Danach ist es ein wenig müßig.
Für alle, die sich das Denken nicht abnehmen lassen wollen: Es wird klar, Herr Tillich und die CDU geben keine Antworten auf die drängenden Fragen. Ob aus Feigheit oder Unwissenheit, das kann ich nicht beurteilen; aber jedenfalls fehlen die Antworten. Es nützt nichts, eine Bilanz zu ziehen. Nun hätte Herr Tillich ja – das wäre auch in Ordnung gewesen – über das eine Jahr seiner Amtszeit als Regierungschef sprechen können. Wir hätten dann über ein Jahr philosophiert, in dem nichts Bedeutendes passiert ist. Oder er hat, wie er es getan hat, die Verantwortung übernommen über 600 Jahre, fünf Jahre, die ganze Legislatur und über die letzten 20 Jahre. Alles hat er irgendwie verantwortet.
Nehmen wir nur die letzten fünf Jahre, in denen der Freistaat immerhin eine Landesbank verloren hat. Sie wurde verzockt. Einem Finanzminister und einem Ministerpräsidenten hat dies das Amt gekostet. Erfolge sehen in meiner Wahrnehmung anders aus.
Das ist dieses Gefühl: Wir sind die Größten und alles wird gut. Ich habe schon einmal in der größten DDR dieser Welt gelebt. Verstehen Sie? Das macht mich absolut nicht mehr an. Diese Mentalität ist nicht zukunftsfähig, das sage ich Ihnen! Meiner Meinung nach ist das auch hart an der Grenze zum demokratisch Erlaubten. Wir werden es ja am Freitag erleben, wenn das Verfassungsgericht in Leipzig das Urteil zur Frage der Patronatserklärung spricht, die am Parlament vorbeigeschmuggelt worden ist. Wir werden sehen, ob das so geht oder nicht.
Aber wer unehrlich gegen sich und andere ist, wer sich davor drückt, unangenehme Wahrheiten der Vergangenheit oder der Gegenwart auszusprechen, den frage ich: Wie soll derjenige fähig sein, die unangenehmen Wahrheiten der Gegenwart und der Zukunft zu benennen und die anstehenden Probleme zu lösen? Wie soll das gehen? Wer nicht offen über die eigene Verantwortung in den letzten fünf Jahren und in den Jahren vor 1989 reden kann, wie soll er offen über die Zukunft reden und Hoffnungen wecken können? Das müssen Sie mir mal erklären!
Wenn konstatiert wird, dass es in Sachsen jetzt oft kleinbürgerlicher, hässlicher und aggressiver zugehe als früher oder als man gehofft hatte, dann liegt das vielleicht daran, dass wir keine inspirierende politische Führung in diesem Land haben, die Geist und Seele zu öffnen vermag. Das Land wurschtelt genauso vor sich hin wie die Regierung. Täglich wächst das Bedürfnis nach Haltung in der Bevölkerung. Die Kardinaltugenden von Cicero – Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung – erfahren völlig neue Wertschätzung. Dem werden sich irgendwann alle
Herr Jurk, Sie haben das noch getoppt. Im Mai hatten Sie die Möglichkeit, hier eine ordentliche Regierungserklärung abzugeben. Heute stehen Sie schon wieder hier. Morgen spricht Frau Stange. Dauernd gibt es hier Koreferate vom kleinen Koalitionspartner. Ich habe das Gefühl, dass immer jemand auf Pulthöhe springt und ins Mikro piepst: Hallo, Mama, siehst du mich?!