Protokoll der Sitzung vom 25.06.2009

spreche, betrifft dies vor allem auch Ihren Landkreis Oberlausitz-Niederschlesien.

Abschließend noch ein Wort zu den Zugangsbeschränkungen, die für Hartz-IV-Empfänger und sogenannte EinEuro-Jobber gelten. Natürlich erachten wir als NPD in erster Linie das Elternhaus als Mittelpunkt des kindlichen Daseins. Ich habe in der Großen Anfrage leider nicht lesen können, wie die Diskriminierung selbsterziehender Eltern beendet werden könnte. Eine echte Wahlfreiheit sieht in unseren Augen jedenfalls anders aus. Andererseits wird es in der freien Entscheidung der Eltern liegen, ihre Kinder in eine Kindertagesstätte zu bringen, auch wenn sie Hartz IV beziehen. Es darf auch keinerlei Zugangsbeschränkungen für Kinder von Eltern geben, die sich in Umschulung oder Ausbildung befinden. Das liegt zwar in den Händen der kreisfreien Städte und Landkreise, aber die Realität zeigt, dass es dringenden Handlungsbedarf gibt. Hierzu zählen die Zugangsbeschränkungen von viereinhalb Stunden bei der vorgenannten Gruppe. Sie sollten sich einmal mit den Sachsen unterhalten, die gerade eine Umschulung oder Ausbildung absolvieren.

Insgesamt jedenfalls, meine Damen und Herren, brachte die Große Anfrage nur wenig neue Erkenntnisse, auch schon durch die vielen Drucksachen, die im Vorfeld gekommen sind. An der Situation der Erzieherinnen wird sich jedenfalls dadurch kaum etwas ändern. Dem Entschließungsantrag werden wir nicht zustimmen. Wir werden uns enthalten.

Danke sehr.

(Beifall bei der NPD)

Danke. – Für die Fraktion der GRÜNEN spricht nun Frau Herrmann.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kindertageseinrichtungen sind Bildungsorte. Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass das unter uns nach der Diskussion in dieser Legislaturperiode Konsens ist – bis ich das Wahlprogramm der CDU gelesen habe. Darin ist in erster Linie von Betreuungseinrichtungen die Rede. Deshalb meine ich, man muss die Forderung hier immer wieder aufmachen, dass Kindertageseinrichtungen Bildungsorte sind und als solche auch entwickelt werden müssen. Deshalb fordern wir, dass die Kindertageseinrichtungen für alle Kinder offenstehen. Sie benötigen gut ausgebildetes Fachpersonal und die entsprechenden Rahmenbedingungen.

(Alexander Krauß, CDU: Da haben Sie etwas ganz Wichtiges gesagt!)

Von der Situation in Sachsen können wir uns ein Bild machen, wenn wir die Große Anfrage der FDP lesen. Auf den ersten Blick steht Sachsen bei dem Ausbau der Betreuungsplätze ganz gut da. Die durchschnittliche Besuchsquote der Ein- bis Dreijährigen in den Kindertageseinrichtungen liegt bei fast 50 %, also ein ganzes Stück über den vom Bund vorgegebenen Zielvorgaben für 2013. Aber im Vergleich mit den anderen neuen Bundes

ländern steht Sachsen nicht mehr so gut da. Im „Länderreport frühkindliche Bildungssysteme 2008“ der Bertelsmann Stiftung reicht es für Sachsen bei der Betreuung der unter 3-Jährigen nur für den letzten Platz. Das bedeutet, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Kitas in Sachsen nicht allen Kindern offenstehen. Oder anders gesagt: Die Plätze reichen nicht.

Dazu kommt, dass auch die Wachstumsraten für KitaPlätze bei den unter Dreijährigen eher gering sind. Der Bereich, welcher rasant wächst und allzu gern vergessen wird, ist die Kindertagespflege. Allein in Leipzig stieg die Anzahl der Plätze von 2007 auf 2008 von 1 007 auf 1 264. Das entspricht immerhin einem Viertel der Betreuungsplätze für die unter Dreijährigen in Leipzig. Aber bisher, liebe Kolleginnen und Kollegen, vernachlässigt die Staatsregierung die Kindertagespflege sträflich. Das ist bei dem Umfang der Plätze wirklich nicht mehr zu verantworten.

Noch etwas wird deutlich: Es gibt in Sachsen ein großes Gefälle in puncto Bildungsangebote. Es haben eben nicht alle Kinder die gleichen Chancen, einen Platz zu bekommen. Hoyerswerda mit einer Besuchsquote von 81 % bei den Ein- bis Dreijährigen ist die absolute Ausnahme. In Annaberg oder Stollberg besuchen gerade einmal 32 % bzw. reichlich 39 % die Einrichtung.

Sicher werden Sie sagen, dass der Bedarf nicht in allen Regionen gleich sei. Das stimmt auch. Aber dieses Gefälle hat wohl eher etwas mit dem tatsächlichen Angebot an Betreuungsplätzen zu tun. Und dann können wir nicht behaupten, dass die Bildungschancen von Kindern in allen Regionen in Sachsen gleich seien. Die Zahlen sprechen dagegen.

Nun zum pädagogischen Fachpersonal in Sachsen. Bereits vor etwas mehr als einem Jahr diskutierten wir hier zum Thema „Bedarf an pädagogischen Fachkräften in sächsischen Kindertageseinrichtungen“. Schon damals forderten wir GRÜNEN ein Konzept. Wir brauchen doch jetzt die Investitionen in die Ausbildung an Fachschulen und an Hochschulen. Jetzt! Schauen wir auf die Zahlen der Großen Anfrage, stellen wir fest, dass die Anzahl der Absolventen an sächsischen Fachschulen zur Erzieherausbildung weiterhin zu wünschen übrig lässt. Deutliche Steigerungen gibt es nur in den Fachschulen in Zwickau und Wildenfels. An allen anderen Standorten sehen wir nur minimale Zuwächse, wenn nicht sogar Rückgänge zu verzeichnen sind. Auch hier hat der Länderreport „Frühkindliche Bildungssysteme 2008“ auf einen in Sachsen – und hier zitiere ich – „auffällig niedrigen Anteil der im Praktikum bzw. in der Ausbildung befindlichen Beschäftigten“ hingewiesen.

Die Frage bleibt also: Wo sollen die gut ausgebildeten Erzieherinnen und Erzieher herkommen? Wir freuen uns über steigende Geburtenzahlen. Wir sehen, dass immer mehr Eltern Elterngeld beziehen. Aber dass diese Kinder auch einmal in die Kita kommen, scheint bei uns noch nicht angekommen zu sein.

Wie soll der vorhandene Platzbedarf denn ausgeglichen werden? Wir wissen um den hohen Altersdurchschnitt der Erzieherinnen in den Kindertageseinrichtungen. In den Zahlen hier finden wir es schwarz auf weiß. Die größte Gruppe bei der Altersstruktur der Erzieherinnen und Erzieher sind die 50- bis 55-Jährigen. 4 429 Erzieher und Erzieherinnen sind hier zum Stichtag 15. März 2008 erfasst worden.

Kommen Sie, Frau Dr. Schwarz, mir dann nicht mit genau diesem Gegenargument beim Streit um einen niedrigeren Betreuungsschlüssel! Immerhin hat ihn Ministerpräsident Tillich in seiner Regierungserklärung gestern für den nächsten Doppelhaushalt schon einmal ins Auge gefasst – wenn denn den Wählern diese vage Aussicht reicht. Jedenfalls müssen wir erst einmal Erzieherinnen und Erzieher ausbilden, ehe wir sie in unseren Kitas einsetzen können.

Die wird uns wirklich kein Bundesland schenken. Im Gegenteil, wenn wir nicht die Rahmenbedingungen verbessern, werden die Erzieherinnen und Erzieher abwandern. Denken Sie an die Situation bei Lehrern und Ärzten, dann wissen Sie, was uns da erwartet. Nur wer ein attraktives Berufsbild schafft – und dazu gehören auch eine faire Entlohnung und gute Arbeitsbedingungen –, der wird das entsprechende Personal bekommen. Ihren Forderungen haben die Streikenden gestern vor dem Landtag Nachdruck verliehen.

Wie wichtig ist Ihnen denn frühkindliche Bildung wirklich, wenn Fachpersonal und Pädagogen für dieses Alter Mangelware sind? Bei den Kindern bis zu drei Jahren sind sie kaum zu finden. Bitte erklären Sie uns das doch einmal. Es kann nicht sein, dass gut ausgebildetes Fachpersonal erst im Hortbereich zu finden ist.

Da sind wir schon wieder bei den Rahmenbedingungen. Warum erscheint der Bereich der frühkindlichen Bildung wohl so wenig attraktiv für Fachpersonal? Auch diese Frage hätten Ihnen die Kolleginnen und Kollegen gestern vor dem Landtag beantworten können. „Allen Kindern gleiche Bildungschancen“ – das ist das Credo, das alle Fraktionen vertreten. „Allen Kindern gleiche Bildungschancen“ heißt aber auch, die Eltern in ihrer Entscheidung, welche Einrichtung und welche Betreuungsform sie für ihr Kind wählen, zu unterstützen und ihnen keine Steine in den Weg zu legen. Von einer echten Wunsch- und Wahlfreiheit sind wir in Sachsen noch weit entfernt. Wenn in Dresden zum Beispiel die durchschnittliche Wartezeit auf einen Krippenplatz ein Jahr beträgt, sind Eltern unter Umständen für jeden Betreuungsplatz dankbar, ganz egal welcher Qualität.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, um Investitionen kommen also weder das Land noch die Kommunen herum. Wir GRÜNEN sagen: Gerade am Anfang ist gute Bildung wichtig. Dies muss sich bei dem entsprechenden Personal, bei den Rahmenbedingungen für Kindertageseinrichtungen und natürlich auch in der Kindertagespflege niederschlagen. Nur dort, wo Eltern für ihre Kinder

eine echte Auswahl an Betreuungsplätzen haben, kann sich auch ein qualitativ hohes Angebot durchsetzen.

Bildung und insbesondere die frühkindliche Bildung dürfen keine Sparbüchse sein – leider wird vor allem die Kindertagespflege in einigen Städten als solche verwendet –, sondern frühkindliche Bildung muss als das gesehen werden, was sie ist: eine Investition in die Zukunft, und zwar eine, die sich lohnt. Sie lohnt sich für die Kinder, für die Eltern, für die Kommunen und auch für das Land.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Frau Schütz, möchten Sie im Rahmen der allgemeinen Redezeit noch einmal sprechen? – Bitte.

(Wegen einer Fußverletzung geht Kristin Schütz, FDP, mithilfe von Unterarmstützen langsam in Richtung Rednerpult.)

Wo ist Ihr Kavalier?

(Staatsminister Prof. Dr. Roland Wöller tritt auf Kristin Schütz, FDP, zu und begleitet sie zum Rednerpult.)

Jawohl, es gibt noch den Kavalier!

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Staatsminister.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit so einer persönlichen Betroffenheit merkt man erst einmal, woran es überall hängen kann. Und wenn wir beim Bereich Kita sind, kann ich auch aus der persönlichen Betroffenheit als Mutter immer wieder dazu sprechen.

Ich freue mich zunächst einmal, dass wir Redner uns in der Wahrnehmung der Fakten einig sind. Dass die Interpretation dann unterschiedlich ausfällt, sei so hingenommen. Aber ich wundere mich natürlich schon, Frau Dr. Schwarz: Die Koalition ist aufgehoben, Sie hätten heute einfach einmal sagen können, wofür Sie eigentlich stehen, und sich nicht so sehr von den Bedingungen der CDU einschüchtern lassen sollen.

(Zuruf der Abg. Dr. Gisela Schwarz, SPD)

Ich weiß doch auch, was bei Ihnen geschrieben steht. Ich habe natürlich zur Kenntnis genommen, dass Sie sich für diese Debatte zu unserer Großen Anfrage bedanken.

Wenn Sie in der Interpretation davon sprechen, dass die Eltern der unter Dreijährigen überwiegend ihr Kind lieber zu Hause betreuen lassen wollen,

(Stefan Brangs, SPD: Der unter Einjährigen!)

der unter Einjährigen –, dann darf ich Ihnen auch sagen, dass bei den unter Dreijährigen zum Beispiel bei uns in

Görlitz nur 24 % betreut werden, und das nicht etwa deshalb, weil bei uns die Eltern nicht unbedingt arbeiten gehen wollen, sondern deshalb, weil einfach diese Krippenplätze nicht zur Verfügung stehen. Das ist, glaube ich, das ganz große Problem.

Wenn Sie hier auf die Zugangskriterien eingegangen sind und darauf, dass die FDP da nicht hart genug widersprochen hätte, darf ich nur sagen, dass sich die CDU gestern noch rühmte, dass sie alle zehn Landräte stelle. Ich denke, hier wäre die eigentliche Kritik angebracht. Wer etwas ändern möchte, sollte das tatsächlich auch von der Spitze aus tun.

(Zuruf der Abg. Dr. Gisela Schwarz, SPD)

Dass sich die Zahl der Kinder in Tagespflege leicht erhöht hat, ist wahrscheinlich auch darauf zurückzuführen, dass der Bedarf in den Kindertageseinrichtungen sonst nicht gedeckt werden kann, weil nämlich zum Beispiel – ich habe das angesprochen – in der Gastronomie oder auch für Verkäuferinnen die Arbeitszeiten anders gelagert sind, als wir es hier im Plenum kennen. Glauben Sie mir, ein Kind nimmt auch den Montag und den Dienstag als Wochenende, wenn man ihm sagt, dass das die beiden Tage sind, die es mit der Mama, mit dem Papa oder gegebenenfalls mit beiden Eltern verbringen kann.

Frau Schütz, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön.

Frau Dr. Schwarz, bitte.

Frau Kollegin Schütz, wissen Sie, warum manche Kommunen die Kindertagespflege nicht in den Bedarfsplan aufnehmen? Das ist ja die Voraussetzung. Wissen Sie das?

Nein, sagen Sie es mir?

Das ist ungewöhnlich, dass jemand seine Frage selbst beantwortet. Aber bitte.

Weil in der jeweiligen Kommune ausreichend freie Krippenplätze zur Verfügung stehen und die Kommunen es sich nicht leisten können, beides zu finanzieren.

Dann darf ich Ihnen doch noch einmal darauf antworten. Ich weiß auch, wie das von den einzelnen Jugendamtsleitern selbstständig eingeschätzt wird, ob genügend Plätze da sind oder nicht. Ich weiß aus eigenem Berufserleben, wie das gemacht wird.