Protokoll der Sitzung vom 25.06.2009

Frau Lay, was Sie richtig angesprochen haben, ist, dass die Neuverschuldung dazu führt, dass das unsere Kinder bezahlen müssen. Nur habe ich noch so ein wenig im Ohr, was Kollege Hahn, Ihr Fraktionsvorsitzender, gestern gesagt hat: Da hat er kräftig gegen die Schuldenbremse gewettert, weil wir als Union gesagt haben, es kann nicht sein, dass wir ständig – auf Bundesebene – nur Schulden, Schulden, Schulden machen. Dabei könnten Sie sich einmal ein wenig mit Ihrem Kollegen abstimmen und ihn darauf hinweisen, dass uns die Verschuldungspolitik nicht weiterbringt. Es ist ja eines der Grundprinzipien der Linken, auf Staatsverschuldung zu setzen und zu schauen, wie man sie hochtreiben kann, weil Sie nämlich nicht bereit sind, darüber nachzudenken, Einnahmen und Ausgaben in Gleichklang zu bringen, was eigentlich Ihre Aufgabe ist, was die Aufgabe eines jeden Parlamentes ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einen oder zwei Sätze zum letzten Bundesparteitag der Linkspartei sagen, insbesondere zur Rede von Herrn Lafontaine, die ja doch in dem Punkt sehr bezeichnend

war – leider hat sich das in den Medien nicht ganz so niedergeschlagen –, über den ich sprechen möchte. Ich hatte so den Eindruck, dass die Linkspartei des Herrn Lafontaine die Krise nutzen möchte, um die Demokratie auszuhöhlen.

(Empörung der Abg. Dr. Monika Runge und Klaus Tischendorf, Linksfraktion)

Lafontaine sagte am Samstag: Die repräsentative Demokratie ist nicht im Interesse der Mehrheit der Menschen. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Er forderte dann statt Wahlen politische Streiks. Das war eine seiner Antworten, die er gebracht hat. Ich bin dem Deutschen Gewerkschaftsbund sehr dankbar, dass er auf diese verquere Logik hingewiesen und gesagt hat, es müsse doch klar sein, wenn es um Streik geht, dann fordern Arbeitnehmer etwas von ihren Arbeitgebern ein; aber das Streikrecht dürfe nicht für politische Forderungen missbraucht werden. Denn klar ist, was die Mehrheit über Wahlen festlegt, indem sie ein Parlament wählt; und wenn dieses Parlament Entscheidungen trifft, dann hat das auch die Minderheit zu akzeptieren. Das ist das Grundprinzip von Demokratie, und das ist etwas, was Sie als Linke nicht anerkennen wollen.

Man kann dagegen sein, das ist keine Frage. Aber man hat das zu akzeptieren, und dabei fällt dann der Generalstreik flach. Insofern bin ich dankbar, dass der Deutsche Gewerkschaftsbund diese Ansicht vertritt, die wir auch vertreten; und wir werden es Ihnen nicht durchgehen lassen, wenn Sie glauben, Sie können über diesen Weg der Krise dazu kommen, unsere Demokratie auszuhöhlen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Martin Dulig, SPD)

Möchte von den nachfolgenden Fraktionen SPD, NPD noch jemand sprechen? – Die SPD hat noch zwei Minuten. Die Fraktion GRÜNE?

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, Frau Runge, Ihr Gezeter hat gezeigt, wie sehr das gesessen hat, was ich hier gesagt habe. Wahrheit tut weh, auch Ihnen. Die Welt ist komplexer geworden, ich bleibe dabei; und Ihr Bild vom fetten Kapitalisten mit der Zigarre, die er pafft, und dem abgemagerten Malocher, der zwölf Stunden am Tag in der Grube sitzt, das ist vorbei. Das war im 19. und im 20. Jahrhundert. Das ist vorbei, meine Damen und Herren, ein völlig veralteter Blickwinkel.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Die Erkenntnis des Jahres 2008 ist doch gewesen: Es gibt eine Realwirtschaft. Da hat ja die ganze Nation erst mal geschluckt, als sie feststellte, dass einige Aspekte des Wachstums und der Verteilung nicht auf realer Wirtschaft basierten, sondern ganz offensichtlich nur auf Pump und dem Zukunftsvertrauen, dass wir irgendwann einmal so

toll produzieren, dass wir all die Schulden zurückbezahlen können. Das heißt, wir haben auf Pump produziert, auf Pump gelebt. Das ist nun einmal die Tatsache; und die Realwirtschaft, finde ich, ist dazu geeignet, uns auch weiter an den Realitäten neu zu messen, und zwar jede einzelne Partei, die in Sachsen den Anspruch hat, eine seriöse Politik zu betreiben.

Seit mindestens zwei Jahrzehnten – das ist nun offenkundig – ist das Wachstum, das wir hatten, nur aufgrund gestiegener privater und öffentlicher Verschuldung möglich gewesen. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! Die Rechtfertigung dafür war unter anderem immer – Herr Dr. Pellmann, bevor Sie explodieren –: positive Effekte für den Arbeitsmarkt. Dieses Argument kommt immer aus der Ecke hier drüben, das ist immer das Argument zum Beispiel der Linken, zu sagen: Wenn es Arbeitsplätze bringt, dann ist es natürlich gut.

Aber so einfach ist die Welt nicht mehr. Es sind die zwei Seiten derselben Medaille, ich bleibe dabei; und es wäre jetzt wichtig, zu einer sozial- und wirtschaftspolitischen Neuorientierung zu kommen, und dabei geht es in der Politik um Kreativität. Das ist natürlich so.

(Empörung der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Sonst haben wir in den nächsten Jahren nur schrilles Lagergebrüll, wie ich es gerade höre, zu erwarten, statt vernünftiger Politik in der Krise. Den Vermögenden einen angemessenen Beitrag abzuknöpfen ist völlig unumstritten. Das sehe ich genauso, das ist überhaupt kein Problem. Aber Sie können nicht rechnen. Es reicht nicht, und wenn Sie den Fehler im System nicht angehen, dann bringt Ihnen das nur eine Atempause, und danach passieren dieselben Fehler wieder.

Nun stellen wir das einmal gegeneinander, damit Sie auch wissen, wovon ich spreche. Sie haben vollmundig gefordert: 500 Euro Hartz IV oder wahlweise Abschaffung, 10 Euro Mindestlohn – da haben Sie wahrscheinlich einen Dart-Pfeil genommen und mal geguckt, wohin Sie ungefähr kommen –, die Rente mit 67 zurückschrauben und der Generalstreik. Das sind so grob die Forderungen.

Die GRÜNEN haben ein Progressivmodell für niedrige Einkommen vorgeschlagen. Das heißt, diejenigen, die niedrige Einkommen haben, bezahlen weniger Beiträge in die Sozialversicherungen, auch der Arbeitgeber. Das macht diese Arbeitskräfte günstiger und gibt ihnen selbst mehr Nettolohn – ein vernünftiger Vorschlag, wie ich finde. Wir haben die Kindergrundsicherung vorgeschlagen, damit Einkommensverluste der Eltern nicht auf die Kinder durchschlagen. Wir haben vorgeschlagen, den Mindestlohn mit einer Mindestlohnkommission zu begleiten, damit man keinen Darts-Pfeil schießen oder mal schnell im Internet googeln muss, was die SPD gefordert hat, um noch eins draufzulegen, sondern in Ruhe in der Kommission besprechen kann, was ein vernünftiger Mindestlohn sein könnte.

Das ist der Unterschied zwischen Systemkosmetik und Systemkritik bzw. Systemwechsel. Sie sind Systemkosmetiker, obwohl Sie schrill das Gegenteil behaupten. Sie sind eigentlich Gehilfe und Profiteur dieser verfehlten Wirtschafts- und Sozialpolitik, und das ganz ohne VIII. Parteitag der SED, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen! Wir denken, das 21. Jahrhundert muss anders laufen. Es sollte darauf hinauslaufen, dass wir uns darum bemühen, die Arbeitsplätze und das Wachstum zu unterstützen, mit dem wir ohne permanente Staatsverschuldung auf die Beine kommen. Außerdem müssen wir jetzt dringend die Probleme im Umweltbereich und beim Klimawandel einpreisen; denn wenn wir das später tun, wird es unbezahlbar.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Die Linksfraktion ist noch einmal an der Reihe; Herr Dr. Pellmann.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal: Im Unterschied zu manchem anderen Tag war es doch eine sehr aufgeregte Debatte am Nachmittag. Es ist doch erst einmal schön, dass man sich nicht nur gegenseitig seine Manuskripte vorliest, sondern zur Sache kommt. Frau Hermenau, Sie haben sich hier besonders ins Zeug gelegt, auch das sind wir von Ihnen gewöhnt,

(Zurufe der Abg. Antje Hermenau und Johannes Lichdi, GRÜNE)

und das schätze ich an Ihnen, dass Sie für Ihre Sache streiten. Nur, Ihre Sache haben Sie nicht definiert, das ist das Problem.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Das habe ich gerade gemacht!)

Sie haben mit einem schwungvollen Holzhammer auf die Linken draufgedroschen, weil Sie meinten, dass wir das, was Sie in den letzten Jahren mit zuwege gebracht haben, vergessen hätten. Dass wir überhaupt über einen Mindestlohn reden müssen, dass wir über Hartz IV – was wirklich weg muss – reden müssen, Frau Hermenau, das werde ich Ihnen nicht ersparen. Dafür sind Sie mitverantwortlich, ob Sie das wollen oder nicht.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Sie stellen sich hin und versuchen, das eine gegen das andere aufzuwiegen. Sie meinen, wir merken nicht, dass Sie selbst keine Vorschläge haben.

(Beifall der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion)

Ich werde Ihnen sagen, warum das so ist – das ist Ihr ganzer Ärger im Wahlkampf –: Sie werden eigentlich gar nicht gebraucht, weder so richtig in der Opposition noch in der Regierung, obwohl Sie sich vielleicht anbiedern. Das ist Ihre gesamte Aufgeregtheit, die Sie hier zur Schau stellen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Frau Herrmann, Sie haben schon Hartz IV abgeschworen, insofern sind Sie auf dem Weg der Besserung. Sie müssen sich doch gar nicht so echauffieren. Vielleicht sind Sie bereit, mit mir gemeinsam zur Kenntnis zu nehmen – Sie hatten über den Arbeitsmarkt gesprochen –, dass es, ob wir das wollen oder nicht – – Die OECD hat erst letztlich in Studien darauf hingewiesen, dass wir eine Arbeitslosigkeit in gewaltiger Dimension erleben werden. Das sollten wir den Wählerinnen und Wählern heute sagen, anstatt uns darüber zu freuen und große Sterne in den Himmel zu malen, dass die Menschen plötzlich angeblich mehr konsumieren. Warum konsumieren sie denn mehr? Ich sage Ihnen warum, weil sie nämlich kein Vertrauen mehr zum Sparen haben. Deswegen kaufen sie lieber etwas, als ihr Geld in einem System anzulegen, das nicht sicher ist. Das ist doch der Grund.

Noch eine Anmerkung, weil auch das zu den sozialen Auswirkungen gehört und heute wieder eine große Rolle, insbesondere bei Herrn Krauß von der CDU, gespielt hat, und zwar zur Generationsgerechtigkeit bzw. Generationsungerechtigkeit.

Ich sage Ihnen Folgendes: Natürlich gönne ich den Rentnerinnen und Rentnern die geringfügige Steigerung. Sie haben schließlich vorher 10 bis 12 % Rentenverlust in Kauf nehmen müssen. Aber ich sage im Unterschied zu anderen, die das als großes Geschenk abfeiern: Wir werden in den nächsten Jahren eine Nullrunde nach der anderen erleben.

Wer glaubt, dass wir nicht auf eine gewaltige Inflation zusteuern, der irrt. Wir wissen natürlich, wer im Endeffekt – das zeigt die Geschichte – die Zeche für die Inflation bezahlen wird. Die anderen, die wir gern zur Kasse bitten wollen, werden es nicht tun. Das ist völlig klar. Selbst wenn sich ihr Vermögen etwas reduziert, werden sie noch lange nicht zum Sozialamt gehen müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben mit diesen 500 Euro Regelsatz eine Forderung aufgestellt, die armutsfest wäre, einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung. Wir bleiben bei unserem Grundsatz, dass Hartz IV weg muss, weil es gescheitert ist. Aber was nützt uns diese reine Lehre? Wir müssen, bis wir dort angekommen sind und es auch der Letzte bei der CDU eingesehen hat – die GRÜNEN sind schon auf dem Weg dahin – es doch wenigstens versuchen, die Dinge so zu regeln, dass die Menschen nicht immer weiter in Armut geraten. Das ist doch der Ansatz.

(Beifall der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion)

Das Gleiche gilt für die 10 Euro Mindestlohn. Es ist ausgerechnet worden. Frau Hermenau, Sie sind im Saal sowieso die beste Rechnerin, rechnen Sie es nach. Dann werden Sie darauf kommen, dass langfristig nur ein Mindestlohn von 10 Euro in einer 35-Stunden-Woche ein Einkommen über der Armutsgrenze garantiert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin überrascht und gleichzeitig stolz darauf: Herr Krauß verfolgt den Parteitag der Linken. Herr Krauß, da können Sie noch etwas lernen. Das ist nicht schlecht. Aber dann hätten Sie auch lesen müssen, dass wir diese Forderungen in einem längeren Prozess durchsetzen wollen. Wenn es uns gelingt, zunächst nur 7,50 Euro gemeinsam mit der SPD, den Gewerkschaften und von mir aus seit heute auch mit den GRÜNEN durchzusetzen – –

(Stefan Brangs, SPD: Wer hat denn 10 Euro beschlossen?)

Lesen ist die erste Bürgerpflicht! – Dort steht, dass wir es in einem längeren Prozess durchsetzen wollen. Ein längerer Prozess heißt, es kann darin auch Stufen geben. Wenn wir uns gemeinsam für eine erste Stufe entscheiden, dient es den Menschen, und es ist besser als nichts. Mittelfristig wollen wir selbstverständlich die 10 Euro Mindestlohn anstreben.

Bitte kommen Sie zum Schluss.

Ich weiß, Sie werden demnächst auch bei uns sein. Anders geht es gar nicht.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die SPD-Fraktion ergreift noch einmal das Wort.

Bei zwei Minuten Redezeit muss ich es zumindest versuchen. Ich teile die Auffassung der Kollegin Hermenau, dass es hier scheinbar um einen permanenten Wettbewerb um die besseren Forderungen zwischen der Linken und der SPD gibt. Ich habe dazu bereits etwas gesagt.

Wenn man sich dazu das Programm der Linken anschaut: Sie fordern 100 Milliarden Euro für mindestens drei Jahre im Bereich Infrastruktur, Sie wollen 500 000 neue Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst schaffen, Sie wollen einen Zukunftsfonds von 100 Milliarden Euro auflegen, Sie wollen einen Mindestlohn von 10 Euro haben,

(Beifall bei der Linksfraktion)

Sie wollen eine Mindestrente von 800 Euro etc. pp. Ich habe dazu bereits etwas gesagt. Es fehlt im Prinzip nur noch der Goldbarren, das Pony oder von mir aus auch das große Pferd. Aber – deshalb stehe ich auch noch einmal hier – Sparen ist kein Selbstzweck, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zuruf der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion)