Protokoll der Sitzung vom 19.04.2005

Es gilt aber auch, dass es eine Alternative dazu gibt. Die PDS-Fraktion hat Wort gehalten und einen alternativen Haushaltsansatz vorgelegt, der es gestatten würde, Sachsen sozial zu gestalten, und der dafür die zugegebenermaßen geringen Spielräume nutzt, die uns die Finanzlage des Freistaates lässt.

(Volker Bandmann, CDU: Das war eine Fata Morgana, die Sie uns vorgelegt haben!)

Herr Bandmann,

(Volker Bandmann, CDU: Das haben wir nachgewiesen!)

wo Sie sind, da ist Wüste. Da gibt es eine Fata Morgana. Aber wo wir sind, da ist das Leben und da blüht und gedeiht es.

(Beifall bei der PDS – Uwe Leichsenring, NPD: Sie haben es wohl mit Oase verwechselt?!)

Denn nicht die klamme Kasse ist das Entscheidende, sondern das, was man politisch will und wie man es mit den vorhandenen Mitteln und Möglichkeiten umsetzt. Und darin unterscheiden wir uns, die PDS-Fraktion, erheblich von der Koalition. Das stimmt und bleibt das Entscheidende in der weiteren Auseinandersetzung um den Haushalt.

Erfreulicherweise spricht der Ministerpräsident – anders als heute – immer wieder auch neoliberalen Klartext. Bei der 1. Lesung konnte ich seine Äußerung im Kreis der Bremer Kaufleute und Kapitäne beim Schaffermahl zitieren. Jetzt liegt sein Sechs-Punkte-Programm mit dem Titel „Deutschland auf die Beine helfen“ vor. Das ist Klartext und taugt durchaus als erklärender Kommentar für die jetzt auf unseren Tischen liegende und von der Koalitionsmehrheit durchgesetzte Beschlussempfehlung zum Haushalt.

Bekanntlich ist der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert. Es ist schon erstaunlich, wie Georg Milbradts sechs gute Vorsätze zu sechs harten Pflastersteinen auf dem Weg ins neoliberale Feuer werden.

Der Ministerpräsident will Bürokratie abbauen. Gut so! Aber bei ihm heißt das, erreichte Standards im Umweltschutz und im Verbraucherschutz zugunsten der Profitmaximierung deutlich einzuschränken.

(Beifall bei der PDS und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE – Staatsminister Dr. Thomas de Maizière: Wie ist das bei Ihnen?)

Das sage ich noch. Da brauchen Sie keine Angst zu haben, das haben wir schon oft gesagt.

Der Ministerpräsident will ideologische Gängelung beenden. Gut so! Aber er lehnt deshalb den von der Bundesregierung vorgelegten Vorschlag zu einem Antidiskriminierungsgesetz ab; was heißt, die besondere Ausbeutung

von Frauen, Minderheiten, Menschen mit Behinderungen, Ausländerinnen und Ausländern nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern wieder auszubauen.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS – Zuruf von der CDU: Völliger Quatsch!)

Der Ministerpräsident will Investitionen in Arbeit statt in Maschinen fördern. Gut so! Aber er meint damit die Aushöhlung des Tarifrechts und das Abwälzen der Sozialkosten auf die Verbraucherinnen und Verbraucher, was wiederum die Schwächsten am stärksten treffen würde.

(Zuruf von der PDS: Genau!)

Die vom Ministerpräsidenten geforderte Unternehmensbesteuerung will noch einmal Geschenke an die großen Konzerne verteilen, ohne dass Gegenleistungen für den Arbeitsmarkt zu erwarten wären, da ja auch die erste radikale Absenkung der Körperschaftsteuer ohne Effekte bei der Schaffung von Arbeitsplätzen blieb, sondern im Gegenteil den Abbau offensichtlich noch beförderte, weil dadurch Geld für Investitionen in Rationalisierungsmittel frei wurde.

(Dr. André Hahn, PDS: Sagt auch Müntefering!)

Sagt auch Müntefering; zu dem kommen wir auch noch.

Des Ministerpräsidenten Wunsch ist ein solider Haushalt als Ausdruck der Generationengerechtigkeit. Gut so! Aber mir – und nicht nur mir – jagt dieser Wunsch Angst ein, wenn man sieht, wie in Sachsen gerade auf Kosten der Bildung und Ausbildung gespart wird.

Schließlich will der Ministerpräsident ein innovationsfreudiges Umfeld schaffen. Hervorragend! Aber bei seinem Eifer für Elitenförderung, bei seinem Werben für Studiengebühren werden seine Tränen über das Versagen von Bildungschancen für unsere Kinder Krokodilstränen. Es verkehrt sich somit der fromme Wunsch in das faktische Gegenteil, er verkehrt sich in das Verschütten von Innovationspotenzialen.

(Beifall bei der PDS)

Das sind die wirklichen Leitlinien sächsischer Haushaltspolitik und nicht die schönen Märchen, die wir heute gehört haben. Sächsische Haushaltspolitik und sächsische Politik überhaupt, wie sie jetzt betrieben wird, will die Gestaltung der Gesellschaft vollständig der Wirtschaft überantworten und Politik zu deren Magd machen. Es sind Leitlinien eines Extremismus der Mitte, die den Sinn für soziale Balance verloren hat.

(Heinz Lehmann, CDU: Extremismus der Mitte?)

Jetzt hat er es endlich bemerkt, der Herr Lehmann.

(Der Redner lacht.)

Sehen Sie, das kommt vom Extremismus. Da ist man so weit weg, dass es erst spät ankommt.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Ein Extremismus der Mitte, die den Sinn für soziale Balance verloren hat und die Zukunft einzig über Wachstumszahlen bei Produktion und Gewinn definiert. Da werden Menschen und ihre Zukunft einseitig zu Kostenfaktoren und es entsteht eine soziale Kälte, die kaum noch zu ertragen ist.

Die geplanten Kürzungen in der öffentlichen sozialen Daseinsfürsorge sind ein beredtes Beispiel dafür. Es sind Kürzungen auf dem Gebiet der Gesundheitsprävention und auf dem Pflegesektor, beim Landeswohlfahrtsverband – die Bahnhofsmissionen wird es nicht mehr geben –, bei den öffentlichen Krankenhäusern, beim bürgerschaftlichen Engagement, beim Unterhaltsvorschuss usw. usf. – Herr Lehmann wird schon etwas skeptischer. Der Extremismus kommt ihm langsam zum Bewusstsein.

Außerdem präsentiert der jetzt zur Verabschiedung vorgelegte Haushaltsentwurf eine ganze Reihe von arbeitsmarktpolitischen Grausamkeiten, wie zum Beispiel den Abbau von 3 000 Lehrerstellen oder den drohenden Abbau von Stellen bei der Polizei.

Mit dem geplanten Umwidmen der ESF-Mittel und der Weigerung, wenigstens den verbleibenden Rest auch für Arbeitslosengeld-II-Empfänger zur Verfügung zu stellen, zieht sich Sachsen komplett aus der aktiven Arbeitsmarktpolitik zurück. Und das unter der Hoheit eines SPD-Ministers.

(Staatsminister Thomas Jurk: Quatsch!)

Na ja, ich denke, wir sollten fundierter darüber diskutieren, Herr Jurk, als einfach zu sagen: Ist Quatsch! Ich denke, das wäre auch diesem Haus angemessener.

(Beifall bei der PDS – Staatsminister Thomas Jurk: Fangen Sie doch damit an!)

Es ist doch aberwitzig, dass angesichts der Rekordzahlen auf dem Arbeitsmarkt der Haushaltsentwurf die angespannte Lage weiter verschärft statt entlastet. Angesichts von über 440 000 Arbeitslosen kann Sachsen nicht auf öffentlich geförderte Beschäftigung verzichten. Da sage ich: Die PDS teilt durchaus die Kritik, dass nicht jede arbeitsmarktpolitische Maßnahme per se richtig ist. Wir wissen, nicht selten dienen sie dazu, Arbeitslose aus der Statistik zu schummeln. Allerdings ist es bei über 20 % Arbeitslosigkeit illusorisch, allein die Integration in den ersten Arbeitsmarkt als Kriterium für den Erfolg einer Maßnahme zu werten.

Wir werden 440 000 Arbeitslose nicht in den ersten Arbeitsmarkt integrieren können. Deshalb kommen wir um öffentlich geförderte Beschäftigung nicht herum und deshalb wollen wir dafür 25 Millionen Euro jährlich bereitstellen, damit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung unterstützt werden kann. Das stärkt im Übrigen die Kaufkraft und damit auch wieder die Wirtschaft. Die PDS will in Arbeit investieren, die Koalition investiert in Abwanderung. Leichte Kosmetik, meine Damen und Herren, die übrigens im Haushaltsvollzug schnell zur verschmierten Schminke werden kann, ist deshalb bei diesem Doppelhaushalt eindeutig zu wenig.

Nein, meine Damen und Herren, es ist ein anderer Ansatz nötig. Gerade in Zeiten eingeschränkter Finanzkraft

brauchen wir andere Schwerpunktsetzungen, um Zukunft zu sichern. Niemand in den Koalitionsfraktionen hatte jedoch den Mut, ausreichend dagegenzuhalten. Warum auch, ist doch Georg Milbradt mit seinen sechs Punkten nicht weit ab von Kanzler Schröder beim so genannten Jobgipfel. Zur Steuersenkung für die großen Kapitalgesellschaften gab es klare Aussagen, zur Verantwortung der Unternehmer für die Schaffung von Arbeitsplätzen wurden drei Tage später halbherzige Appelle nachgeliefert. Herr Müntefering aber, der angeblich den Klassenkampf wieder entdeckt hat, ist jetzt schon Prügelknabe der Nation. Dabei hat er nur besonders wild gewordenen Spitzenmanagern mit Ablassentzug für den Einzug in den sozialdemokratischen Himmel gedroht.

(Beifall bei der PDS)

Lustlos wurden deshalb auch seitens der Koalition die Haushaltsdebatten in den Fachausschüssen geführt. Es war zuvor schon alles beschlossene Sache, die bereits am 23.03. in einer gemeinsamen Presseerklärung der Koalitionäre der Öffentlichkeit zur Kenntnis gegeben worden war. Die Änderungsanträge der Opposition waren da nur mehr lästig und wurden fast allesamt mit Mehrheit abgeschmettert. Die kleinen Zugeständnisse an FDP und Bündnisgrüne ändern daran nichts.

Im Grunde war es wie in den Legislaturperioden zuvor, nur die SPD war uns abhanden gekommen.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort für die Koalition führte ausschließlich die CDU. Die Opposition bestand in den Fachausschüssen übrigens ausschließlich aus PDS, FDP und Bündnisgrünen. Die NPD, die einen so vollmundigen sozialpolitischen Wahlkampf geführt und sich selbst schon in der 1. Sitzung des neu gewählten Landtages zur einzigen Oppositionsfraktion ernannt hatte,

(Zuruf von der NPD: Sind wir auch!)

hat sich aus den fachpolitischen Debatten vollständig herausgehalten. Sie hat damit bewiesen, dass sie völlig unfähig ist, sich des Haushalts unter fachpolitischen Gesichtspunkten anzunehmen. Es wurde wiederum deutlich: Wer dieser Partei seine Stimme gegeben hat, hat sie verschenkt.

(Beifall bei der PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Das Antragsgetue im Haushalts- und Finanzausschuss ging doch über die formale Einbringung der Änderungsanträge nicht hinaus. Im Grunde hat die NPD-Fraktion damit auch den Anspruch verwirkt, hier im Plenum noch mit Änderungsanträgen daherzukommen. Diese Fraktion kann keine Haushaltsdebatte führen, sie kann sie höchstens missbrauchen – für geistlose Anträge rassistischen, fremdenfeindlichen und dumpfvölkischen Ursprungs.

(Beifall bei der PDS, der SPD und den GRÜNEN – Dr. Johannes Müller, NPD, steht am Mikrofon.)