Das stimmt, Herr Lehmann, sie sind eine Provokation, eine Provokation zum Beispiel für alle diejenigen, die in den letzten Jahren keine Verwaltungs- und Funktionalreform umgesetzt haben. Sie sind eine Provokation für diejenigen, die immer nur über Stellenabbaukonzepte, aber nicht über Personalkonzepte reden. Sie sind eine Provokation für diejenigen, die immer mehr Förderprogramme auslagern, ohne dass in den Ministerien Personal eingespart wird. Sie sind eine Provokation gerade für diejenigen in den Ministerien, die zunehmend auf teure Gutachten und Sachverständige zurückgreifen und deshalb die Annahme nähren, nach 15 Jahren habe der Sach- und Fachverstand in den Verwaltungen nicht zu-, sondern abgenommen, was uns teuer zu stehen kommt.
Sie sind eine Provokation vor allem für diejenigen, die skrupellos die Zukunft der Jugend der Haushaltskonsolidierung öffnen. Unsere Anträge sind eine Provokation für jene, die gegen den Widerstand der Universitäten – Herr Ministerpräsident, das wissen Sie doch genau! – den Hochschulvertrag durchgesetzt haben und heute davon sprechen, das sei ein wesentliches Gestaltungselement.
Aus unseren Änderungsanträgen, meine Damen und Herren, können Sie die Größe der Aufgabe erkennen, die vor uns steht. Ja, Herr Ministerpräsident, eröffnen wir doch den Horizont bis 2020 und dann wird eines klar: An einer Alternative zum bisherigen und zum vorliegenden Entwurf der Koalition führt kein Weg vorbei.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur Generaldebatte über die Politik der Staatsregierung, die üblicherweise im Rahmen der Haushaltsdiskussion zum Einzelplan 02 – Staatskanzlei – geführt wird, geht es in der Tat nicht nur um nackte Zahlen und Wirtschaftsdaten, es kann aber auch nicht um Vernebelung und Verdrehung der Tatsachen und Zusammenhänge von Ökonomie und Sozialpolitik gehen, wie das mein Vorredner eben zelebriert hat.
Ich denke, es ist wichtig, dass wir uns vielmehr der Grundlagen versichern sollten, die uns die vom Ministerpräsidenten dargelegten landespolitischen Erfolge ermöglicht haben und auf die wir beim weiteren Aufbau unseres Landes setzen können. Auf solche Beiträge, wie sie eben der Vorsitzende der PDS-Fraktion vorgetragen hat, können wir nicht setzen,
sondern es sind die im Grundgesetz und in der Sächsischen Verfassung und von der staatlichen Ordnung garantieren Grundrechte und Regeln für das Zusammenleben und die Mitwirkung des Volkes an der Gestaltung des Gemeinwesens. Es geht um die Grundwerte Freiheit, Menschenrechte, Demokratie, Solidarität und Gerechtigkeit. Wo diese Werte gelten, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat das nachgewiesenermaßen positive Aus
wirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung und den Wohlstand eines Landes. Das ist die Ursache dafür, dass wir heute immer noch davon sprechen müssen, dass wir Aufholbedarf haben. Wir hatten zunächst Aufholbedarf beim Durchsetzen dieser Werte und Grundrechte
Wir sollten aus gegebenem Anlass an die Zeiten und Verhältnisse erinnern, als die Grundwerte mit Füßen getreten wurden.
Nun brauchen Sie nicht schon aufzujaulen, ich will erst einmal weiter zurückblicken. Es ist 60 Jahre her, dass eine der verbrecherischsten Diktaturen unter Leichenbergen, Trümmern und Asche in Schuld und Schande versunken ist. Diesem Zwangsregime noch irgendetwas Gutes abgewinnen zu wollen oder Teile der Ideologie der braunen Machthaber gar als brauchbare Rezepte zur Bewältigung gegenwärtiger Probleme anzupreisen, müsste sich eigentlich von selbst verbieten. Leider ist dem nicht so. Leider haben sich beinahe 10 % der Wähler zur Landtagswahl 2004 verführen lassen von sozialpopulistischen Parolen und Kraftausdrücken.
Marianne Birthler, Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, äußerte sich in einem am 16. April veröffentlichten Interview mit der „Freien Presse“ in treffender Weise zu der immer gleichen Strategie von Volksverführung. Sie sagte: „Viele Diktaturen versichern sich der so genannten kleinen Leute, indem sie ihnen Aufwertung und soziale Sicherheit versprechen und zum Teil auch verwirklichen. Die Rechnung kommt dann später. Auch Hitler war nicht nur Ideologe und charismatische Führergestalt, sondern hat sich mit dieser Strategie der Politik für die kleinen Leute der Loyalität breiter Bevölkerungskreise versichert.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das zeigt: Was sich gut anhört und zunächst gut aussieht, muss nicht immer gut sein, auch nicht, wenn es von manchen, die sich nicht der Mühe unterziehen, den Dingen auf den Grund zu gehen, vielleicht sogar gut gemeint ist.
Der Politikwissenschaftler Prof. Werner Patzelt äußerte sich am 10. April 2005 im „Focus“ folgendermaßen: „Man kann sagen, die NPD erntet von dem, was die PDS gesät hat.“
Er führt weiter aus: „Ungefähr ein Drittel der ostdeutschen Wähler ist davon überzeugt, dass unser politisches, wirtschaftliches und soziales System nichts taugt, dass es ungerecht ist.“
Jetzt wieder Patzelt: „Dieses Potenzial spricht neben der PDS nun auch die NPD ganz gezielt an. Ostdeutsche Wähler sind sehr ungebunden, aber der staatsgläubige, globalisierungsfeindliche Wählertypus mit sehr egalitären Gerechtigkeitsvorstellungen muss nicht automatisch PDS
Man könnte meinen, er hätte vor dem Verfassen seines Beitrags im „Focus“ die Rede meines Vorredners gehört. Herr Porsch, Sie können offensichtlich keinen mehr überraschen. – Patzelt vertritt übrigens unter den Politikwissenschaftlern und Extremismusforschern keine Einzelmeinung.
Dass die CDU unter anderem deshalb nicht mit fliegenden Fahnen in eine antifaschistische Einheitsfront unter maßgeblicher Beteiligung der PDS einschwenken wird, will ich an dieser Stelle ein für alle Mal für meine Fraktion erklären.
Das ändert aber nichts an unserer klaren Haltung gegen neonazistische Parteien und an unserer selbstverständlichen Verpflichtung, gemeinsam mit Demokraten in anderen Parteien zusammenzuwirken, um Rechtsextremisten, aber auch Linksextremisten und fanatischen Islamisten den Nährboden zu entziehen. Die Demokratie muss wehrhaft sein. Damit ist nicht nur der mitunter notwendige Einsatz des staatlichen Gewaltmonopols gemeint. Wehrhafte Demokratie muss sich bereits im Kampf um die Köpfe und Herzen als erfolgreich erweisen. Wachsamkeit ist die erste Bürgerpflicht. Dazu gehören das Nachdenken und das Wachhalten der Erinnerung.
In diesem Jahr werden wir uns nicht nur an das Ende des Zweiten Weltkrieges vor 60 Jahren erinnern, sondern auch an das Ende der DDR vor 15 Jahren. Da ist es manchmal gut und heilsam, sich an die Verhältnisse vor 15 Jahren zu erinnern, an den Zustand der Städte und Gemeinden, der Betriebe und staatlichen Einrichtungen, der Behinderten– und Altenheime,
der Straßen und des Fahrzeugparks, der Natur und Umwelt, der Freiheit des Geistes und des Glaubens, der Möglichkeit echter demokratischer Mitwirkungen und ungeschönter Informationen über die Presse und die Medien. Wollte ich alles aufzählen, reichte meine Redezeit nicht.
Ich will noch einmal klarstellen: Zum Einzelplan 02 gibt es eine allgemeine Aussprache zur Politik im Freistaat Sachsen
und zu den Grundlagen, auf denen wir diese Politik betreiben. Uns unterscheidet: Sie haben alternative Haushaltskonzepte vorgetragen und ich nenne Ihnen jetzt die Grundlagen, auf denen wir Haushalte beschließen und exekutieren werden.
Ich will darauf hinweisen, dass sich der Vergleich mit dem Zustand von heute und damals durchaus immer wieder einmal lohnt und dass man denen nicht glauben soll, die uns die Rezepte ihres gescheiterten Experimen
tes von damals als die hervorragenden alternativen Möglichkeiten und alternativen Haushalte von heute verkaufen wollen.
Die Mär von der totalen Gleichheit und absoluten Sicherheit, die zu nahezu paradiesischen Zuständen führen könnte, ist leicht widerlegbar, denn nirgendwo auf der Welt ist es nur ansatzweise gelungen, dass ein von wenigen Avantgardisten verordnetes Glück von der Mehrheit der Menschen auch als solches empfunden wird. Auf Dauer lässt sich niemand zu seinem Glück zwingen, nicht einmal oder erst recht nicht, wenn er durch Mauer oder Stacheldraht auf der Insel der Glückseligen zu bleiben verdonnert wird.
Ich denke und räume hier durchaus ein, dass selbst die PDS Abstand genommen hat von solchen Modellen, wenngleich es in ihr noch eine breite Strömung gibt, die der DDR verhaftet ist.
Ich werde es Ihnen gleich sagen: aus Ihrem Programm. Nach wie vor gehört es zu den unveräußerlichen Inhalten der PDS, dass es sich bei der Gründung der DDR um eine legitime, weil antifaschistische Alternative gehandelt habe.
Betont wird, dass der Aufbau der besseren Gesellschaftsordnung keiner Entschuldigung bedürfe – Parteiprogramm der PDS 2003, Seite 35 und folgende.
Internationaler und nationaler Sozialismus führen gleichermaßen in die Irre, ohne dass ich sie damit gleichsetzen will.