Protokoll der Sitzung vom 22.04.2005

Meine Vorredner haben zu Recht darauf verwiesen: Dies ist eine Beweislastverteilung, die nicht nur im Arbeitsrecht für Frauen, sondern auch in anderen Rechtsgebieten seit Jahrzehnten üblich ist.

Herr Milbradt greift ganz tief in die Grundsatzkiste. Ich frage mich: Was hat Sie eigentlich zu diesem General

angriff getrieben, Herr Ministerpräsident? Ich denke, neben Ihrem marktradikalen Grundansatz, den Sie auch in der Haushaltsdebatte noch einmal sehr prononciert herausgestellt haben, ist es im Kern Ihre Autoritätskrise innerhalb der CDU.

Das Thema Familienpolitik gehört zu den wenigen emotional einigenden Themen innerhalb der CDU und ihrer Fraktion. Dagegen kämpfen aufgeklärte Mitglieder Ihrer Partei immer noch um die Anerkennung von Schwulen und Lesben. Nichts liegt daher für Sie näher, als beide auf dem Rücken von Schwulen und Lesben gegeneinander auszuspielen, wie Sie es hier getan haben.

Bitte zum Schluss kommen.

Sie haben sich zu dem schlimmen Satz hinreißen lassen: „Ich frage mich, warum man einen Homosexuellen vor Diskriminierung schützt,“ – also gibt es diese Diskriminierung auch in Ihren Augen – „nicht aber eine allein erziehende Mutter.“ Dies nenne ich wirklich perfide, zwei schutzbedürftige Gruppen gegeneinander auszuspielen. Leisten Sie nicht dem Eindruck der Schwulen- und Lesbenfeindlichkeit Vorschub!

(Beifall bei den GRÜNEN und der PDS)

Herr Lichdi, bitte zum Schluss kommen!

Bedienen Sie nicht uralte Vorurteile, mit denen Sie in Ihrer Partei leider immer noch mit Beifall rechnen können! Im Übrigen: Glauben Sie bitte nicht, mit dieser spaltenden Strategie in den Städten wieder mehr Wählerstimmen gewinnen zu können. Wenn Sie so weitermachen, Herr Milbradt, dann wird Ihnen dieses Leipziger NeunKomma-irgendetwas-Gefühl noch ein längerer emotionaler Begleiter sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der PDS)

Ich erteile der PDS das Wort; Frau Dr. Ernst, bitte.

(Zurufe – Allgemeine Unruhe)

Meine Damen und Herren! Ich bitte jetzt um Aufmerksamkeit für die Rednerin.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man der CDU-Fraktion so zuhört – von der NPD will ich gar nicht reden –, könnte man glauben, es ginge um den Untergang der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

(Zurufe von der CDU)

Mitnichten, meine Damen und Herren von der CDU!

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Worum es geht, ist die Umsetzung von Verfassungsund EU-Recht; um nicht mehr und nicht weniger. Und dafür werden Sie doch wohl sein, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der PDS)

Natürlich, Herr Schowtka, da gebe ich Ihnen irgendwie Recht, ich kann das gewissermaßen nachvollziehen: Solche Gesetze erschüttern Ihr etwas verklemmtes und provinzielles Weltbild zutiefst.

(Beifall bei der PDS und den GRÜNEN)

Ich kann auch Ihre Verunsicherung verstehen. Aber die grundsätzliche Frage, die ganz simple Frage ist doch die: Wollen wir die gleiche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben tatsächlich und nicht nur symbolisch irgendwie auf dem Papier?

(Zuruf des Abg. Peter Schowtka, CDU)

Und zwar ohne Ansehen der sozialen Herkunft, ohne Ansehen, welcher ethnischer Herkunft man ist, ohne Ansehen der Behinderung, des Alters, des Geschlechts, der Religionen, oder wollen wir das nicht? Das ist doch die Frage. – Wir, die PDS, wollen es.

Meine Damen und Herren! Wir begrüßen deshalb ein Antidiskriminierungsgesetz für Deutschland ausdrücklich, und zwar weil es einen wichtigen Schritt unternimmt, Menschen trotz ihrer Unterschiedlichkeit gleichen Zugang zur Bildung, zum Arbeitsmarkt, zur Beschäftigung, zu Dienstleistungen und Gütern zu gewähren. Das, Herr Ministerpräsident Milbradt, hat mit der Freiheit des Einzelnen tatsächlich zu tun und nicht mit Moraltyrannei. Freiheit ist doch keine Kategorie der Moral, sondern stellt ganz klar die Frage, inwieweit Menschen in die Lage versetzt werden, ihr Leben selbstbestimmt in die Hand zu nehmen. Darum geht es doch.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Meine Damen und Herren! Für die PDS gehören Freiheit und Gleichheit zusammen. Das will ich ganz klar sagen.

(Beifall bei der PDS – Zurufe des Abg. Andreas Grapatin, CDU – Weitere Zurufe von der CDU)

Es gibt keine Freiheit – Moment, Herr Grapatin! – für den Einzelnen, solange es nicht auch gleiche Zugangschancen in der Gesellschaft gibt. Aber diese gleichen Zugangschancen – und das ist doch richtig, Herr Innenminister – verlangen eine unterschiedliche Berücksichtigung, weil die Menschen unterschiedlich sind. Wenn wir das nicht machen, wenn wir Gleichmacherei betreiben – und das hat mit Gleichheit nichts zu tun –,

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

dann freilich bleibt Ungleichheit in diesem Land zementiert. Das wollen wir nicht.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren! Das Moraltyrannei zu nennen zeugt schon von einer gnadenlosen Ignoranz und

Arroganz gegenüber dem wirklichen Leben. Zum wirklichen Leben gehört zum Beispiel, dass hier lebende Nichtdeutsche de facto unter Arbeitsverbot stehen.

(Zuruf des Abg. Alexander Delle, NPD)

Eine Bevorrechtungsklausel im Arbeitsrecht besagt doch, dass ich mich, völlig unabhängig von der Leistung, von der Qualifikation, von der Eignung des Einzelnen, wenn ich ein nichtdeutscher Ausländer bin und auch aus keinem EU-Ausland komme, also so genannter Drittstaatenangehöriger bin, faktisch nur unter bestimmten Voraussetzungen überhaupt bewerben kann.

(Uwe Leichsenring, NPD: Was ist ein nichtdeutscher Ausländer?)

Ich kann mich auf eine Arbeitsstelle erst bewerben, wenn sich darauf kein Deutscher oder EU-Ausländer bewirbt, und es gibt eine zeitliche Befristung, die ich abwarten muss.

(Jürgen Gansel, NPD, steht am Mikrofon.)

Das trifft sogar zu.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. Sie können das dann alles sagen und ich gehe davon aus, Sie werden es tun; ich gehe davon aus. Das trifft sogar zu, wenn ich mich als Ausländer um einen Job bewerbe, wie zum Beispiel hier in Sachsen geschehen, wenn indische Köche für ein indisches Restaurant gesucht werden. Auch da muss ich das alles tun, auch da muss ich das alles abwarten. Was für ein Irrsinn und was für eine Diskriminierung von Ausländern im Arbeitsrecht! Wenn Sie den gleichen Personen dann sagen, sie würden faktisch dem Sozialstaat nur faul auf der Tasche liegen, dann ist das doch eine Verhöhnung ersten Ranges.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren! Wenn dann noch hinzukommt, dass die Förderung ausländischer Jugendlicher nach AFG faktisch nur dann möglich ist, wenn deren Eltern sozialversicherungspflichtige Arbeitszeiten nachweisen können, dann erinnert das schon an Sippenhaftung. Ich kann das nicht anders bezeichnen.

(Jürgen Gansel, NPD: Kümmern Sie sich doch mal um die Sachsen!)

Zwei Beispiele will ich Ihnen nennen:

Eine junge kurdische Frau, Asylbewerberin, die hier aufgewachsen ist und gute Schulabschlüsse hat, hat zwei Jahre um eine Lehrstelle gekämpft – zwei Jahre! –, bis sie schließlich einen Beruf im Gesundheitswesen erlernen durfte. Dann hat sie sich beworben und man hätte sie auch gern genommen. Das ist nicht passiert, weil sie Drittstaatenangehörige ist.

(Jürgen Gansel, NPD, steht am Mikrofon.)

Jetzt arbeitet diese junge Frau als Putzfrau. Ist es das, was wir wollen? Ist das die Zukunft, von der wir in dieser Gesellschaft träumen? Das, glaube ich, kann es nicht sein.

Nehmen wir ein zweites Beispiel: Eine afghanische Frau, – –