Protokoll der Sitzung vom 22.04.2005

Nehmen wir ein zweites Beispiel: Eine afghanische Frau, – –

Bitte zum Schluss kommen, Frau Dr. Ernst!

Ja. – die einen russischen Universitätsabschluss als Ärztin hat, darf diesen Beruf nicht ausüben. Warum eigentlich nicht? Es besteht Ärztemangel in diesem Land. Wir rufen, dass wir Ärzte brauchen, und sind nicht in der Lage, die Ressourcen, die es gibt, tatsächlich zu nutzen.

Frau Dr. Ernst, bitte zum Schluss kommen!

Meine Damen und Herren, ich komme zum Ende. – Die PDS-Fraktion wird unverbesserlich, stur und entschieden pragmatisch jeden noch so kleinen Schritt, der solche Verhältnisse abschafft, unterstützen, und davon wird uns niemand abbringen können. interjection: (Beifall bei der PDS)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Steinbach, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, mit einem Zitat zu beginnen. Detlef Fleischhauer, ein deutscher Theologe, sagte einmal: „Natürlich ist jede Diskriminierung Homosexueller zu verurteilen, aber in unserer Gesellschaft schlägt das Pendel derzeit dermaßen ins gegenteilige Extrem, dass sich wohl bald der erste Prominente als Hetero outen wird.“

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU und der NPD)

Diese Worte passen meiner Meinung nach wirklich gut zu dieser Debatte.

Um dem Zitat zu folgen: Es ist in Deutschland eine Panik ausgebrochen, die in der heutigen Zeit symptomatisch für die Politik zu sein scheint. Sehr verehrte Damen und Herren, gehen wir doch einmal gemeinsam durch den deutschen Gesetzesdschungel und schauen, welches Gesetz sich mit dem Thema Antidiskriminierung beschäftigt!

Da stehen an erster Stelle die Verfassung der Bundesrepublik und die Länderverfassung. Hier sind die Gleichheit vor dem Gesetz und der Schutz vor Diskriminierung insbesondere durch die Festschreibung der Grundrechte verankert. Auch das Strafrecht setzt Schranken. Mit dem Antidiskriminierungsgesetz werden jetzt zusätzliche Verbote in Bezug auf Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexuelle Identität verankert.

Ich habe manchmal das Gefühl, das heutige Deutschland wird von einigen noch im Mittelalter geortet, wo Graf

Koks mit seinen Untertanen machen konnte, was er wollte. Dies ist aber mitnichten der Fall, denn wir haben eine Verfassung und entsprechende Regelungen, die die Diskriminierung verbieten. Letztlich verstehe ich auch nicht, wozu das Gesetz führen soll. Das Einzige, wozu es führt, ist eine Klagewelle, die allein aus den verschärften Anforderungen des Antidiskriminierungsgesetzes resultiert. Sehr geehrte Damen und Herren! Mal weg von der juristischen Betrachtung, ganz praktisch gesehen und die Scheuklappen abgenommen bedeutet das Antidiskriminierungsgesetz einen schlimmen Eingriff in die unternehmerische Freiheit und die Vertragsfreiheit.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der NPD)

Im Übrigen sind dies auch Grundrechte, Herr Lichdi. Jeder, der in Zukunft Arbeitnehmer einstellt, Wohnungen vermietet oder Aufträge zu vergeben hat, muss neben der Qualifikation der Bewerber auf einen ausgewogenen Mix von Geschlecht, Religion oder sexueller Neigung achten. Ganz abgesehen davon, dass dieser Entwurf weit über die EU-Notwendigkeiten hinausgeht, wird hiermit den Unternehmern ein Gutmenschentum aufgezwungen, was an sich schon wieder den Tatbestand der Diskriminierung erfüllt.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der NPD)

Diese staatliche Bevormundung hatten wir hier schon einmal und konnten sie glücklicherweise 1989 überwinden. In dem Gesetzentwurf findet sich faktisch für jeden eine Schublade, sich als unterdrückte Minderheit auszugeben. Was wird die Folge sein? – Unternehmen werden sich dreimal überlegen, ob sie jemanden einstellen. Was weiß ich denn, ob mich ein abgelehnter Bewerber nicht verklagt, weil er sich als Glatzenträger diskriminiert fühlt.

(Heiterkeit bei der NPD)

Dieses Gesetz verhindert die Schaffung von Arbeitsplätzen, schafft Bürokratie, trägt dazu bei, dass weitere Unternehmen abwandern und andere Pleite gehen.

(Stefan Brangs, SPD: Ja, ja!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Mehr ist zu diesem Unsinn aus Brüssel und Berlin nicht zu sagen.

(Beifall bei der CDU und der NPD)

Wird von der Fraktion der SPD das Wort gewünscht? – Herr Bräunig, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die praktischen Argumente sind hier umfassend ausgetauscht worden. Deshalb möchte ich in der verbleibenden Zeit noch einige gesamtpolitische Aspekte zum Antidiskriminierungsgesetz beleuchten. Gleichbehandlung ist, glaube ich, nicht nur in der deutschen Sozialdemokratie eines der großen gesellschaftspolitischen Ziele. Mit dem Antidiskriminierungsgesetz kommen wir auf dem Weg zu umfassender Gleichbehandlung ein gutes Stück voran.

Was ist denn mit einer Antidiskriminierungskultur? – Wir haben in Deutschland keine Antidiskriminierungskultur – anders als in anderen Ländern, wie Großbritannien, den USA, den skandinavischen Ländern. Herr Wehner hatte Irland angesprochen. Dort ist es selbstverständlich, dass sich Betroffene gegen Diskriminierungen zur Wehr setzen. Dort ist es selbstverständlich, dass sich Staat und Wirtschaft verantwortlich zeigen, damit es nicht zu Diskriminierungen kommt.

(Beifall der Abg. Dr. Cornelia Ernst und Caren Lay, PDS)

Wir legen mit dem Antidiskriminierungsgesetz in Deutschland den Grundstein, dass sich auch hier eine Antidiskriminierungskultur entwickeln kann.

(Beifall bei der SPD und der PDS)

Wir helfen darüber hinaus, Vorurteile abzubauen, Vorurteile gegenüber Menschen, die von Teilen dieser Gesellschaft als fremd oder anders wahrgenommen werden, und oft, viel zu oft führen diese Vorurteile auch zu Gewalt gegenüber Fremden. Somit leistet das Gesetz auch einen Beitrag zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rechtsextremismus.

(Beifall bei der SPD, der PDS und den GRÜNEN)

Wir schärfen letztendlich auch den Blick der Gesellschaft für die alltäglichen Ungleichbehandlungen und Belästigungen, die oftmals auch unbeabsichtigt geschehen, weil diese Antidiskriminierungskultur in Deutschland noch fehlt.

Meine Damen und Herren, auf den Punkt gebracht: Die Gesellschaft kann von diesem Gesetz nur profitieren.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, der PDS und den GRÜNEN)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Herr Gansel, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da Frau Dr. Ernst meine Zwischenfrage nicht zugelassen hat, möchte ich noch eine Bemerkung an diesem Rednerpult loswerden. Meine Fraktion bedankt sich bei der PDS ausdrücklich für die Offenheit, mit der sie ihre Forderung vorgetragen hat, in einer Zeit, in der es offiziell 440 000 arbeitslose Sachsen gibt, weitere Arbeitserleichterungen und eine weitere Sozialprivilegierung von Ausländern zuzulassen. Dieses Bekenntnis nehmen die Menschen in diesem Land zur Kenntnis, und jetzt ist eindeutig klar geworden für alle, die es immer noch nicht gemerkt haben: Die PDS ist minderheitenfreundlich und deshalb mehrheitenfeindlich, und die PDS ist ausländerfreundlich und deshalb inländerfeindlich.

Danke für die Klarstellung.

(Beifall bei der NPD)

Wird von der Fraktion der FDP noch das Wort gewünscht? – Herr Dr. Martens.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu den Vorrednern möchte ich nur kurz Folgendes anmerken: Herr Steinbach, Sie haben das Gesetz abgelehnt, indem Sie für Ihre Fraktion den Eindruck erweckt haben, als wäre das Gesetz völlig unnötig und auch das Anliegen als solches sei eigentlich überzogen, man müsste es gar nicht verfolgen und es gebe so gut wie keine Diskriminierungen in Deutschland. Dem möchte ich widersprechen. Solange noch aus den Reihen der CDU oder der CSU an Dorfstammtischen Homosexualität als widernatürliche Unzucht bezeichnet wird, so wie man früher über nichteheliche Lebensgemeinschaften als „wilde Ehen“ oder sonstiges hergezogen ist, weiß ich nicht, ob die Union nicht ihren Blick etwas präziser auf die gesellschaftliche Wirklichkeit richten sollte. Es gibt weiterhin Diskriminierung, natürlich!

(Beifall bei der FDP, der PDS, der SPD und den GRÜNEN – Alexander Delle, NPD: Sie müssen das ja sagen!)

Ich weiß, in den Reihen der NPD haben Sie das Problem spätestens seit dem Röhm-Putsch nicht mehr.

(Widerspruch bei der NPD – Lachen und Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Auch Michael Kühnen ist, soweit ich weiß, am Heuschnupfen verstorben.

(Allgemeine Heiterkeit)

Was wir meinen, ist Folgendes: Wir brauchen eine Veränderung des Bewusstseins, meine Damen und Herren. Wir brauchen eine Kultur des Miteinanders, in der Diskriminierung und Vorurteile geächtet werden. Das ist unsere Grundüberzeugung als Liberale. Aber: Der Abbau von Diskriminierung lässt sich nicht per Gesetz verordnen. Auch das ist unsere feste Überzeugung.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Herr Lichdi, kurze Anmerkung zu Ihrer Frage, ob es im Gesetz einen Kontrahierungszwang gebe: ja. Sehen Sie im § 22 nach!

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

§ 22 Abs. 1 verlangt als Ausgleich die Beseitigung der Diskriminierung, und in Abs. 2 wird davon gesprochen, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Vertragsabschluss besteht. Das nennt man Kontrahierungszwang.

(Beifall bei der FDP)