Herr Dr. Martens, sind Sie mit mir der Auffassung, dass die Sätze – darin haben Sie Recht – natürlich nicht alles regeln können, aber doch zumindest Zeichen setzen können, in welche Richtung die Gesellschaft gehen soll, und dies möglicherweise mit diesem Gesetz sinnvoll gestaltet ist?
Ich gebe Ihnen Recht, dass der Gesetzgeber versuchen sollte, gesellschaftliche Realitäten zu verändern. Mit Gesetzen in dieser Weise – mit Schadensersatzforderungen, Kontrahierungsforderungen und Ähnlichem – wird er es leider nicht erreichen, Frau Kollegin Ernst. So viel zu diesem Antrag. Danke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Niemand hier im Hause – zumindest niemand in der Regierung und niemand in den Koalitionsfraktionen – will jemanden diskriminieren. Das ist wohl selbstverständlich.
Dass wir Diskriminierung ablehnen und bekämpfen, wo immer es möglich ist, ist auch selbstverständlich. Die Frage ist nur: Wie?
Das sind zwei elementare Säulen unseres Rechtssystems. Nun will ich gern eingestehen, dass die eine oder andere Gruppe im zivilrechtlichen Bereich eine Verbesserung ihrer Rechtsposition braucht. Das realisieren wir auch, zum Beispiel durch Beweislastregeln.
Die Frage, die ich mir stelle, ist, wie ich die verschiedenen Diskriminierungen gegeneinander abgrenze. Es kann doch nicht sein, dass man willkürlich nur bestimmte Diskriminierungen in ein Gesetz hineinschreibt, sondern man muss sich doch fragen: Warum werden andere Diskriminierungen geduldet, die es genauso gibt? Zum Beispiel sind, wenn eine Wohnung vermietet wird, die Chancen für einen Single, ein kinderloses Ehepaar bzw. ein kinderloses Paar größer, die Wohnung zu bekommen, als für jemand mit mehreren Kindern.
Ich halte es jedoch für falsch, nun eine Aufzählung aller möglichen Gruppen, die einer Diskriminierung unterliegen könnten, in ein Gesetz zu schreiben, weil dann im Grunde genommen die gesamte Gesellschaft in eine Summe von Minderheitsgruppen zerfällt und die Gleichheit vor dem Gesetz damit nicht mehr gewährleistet ist.
Das ist das Problem, vor dem wir stehen. Dort muss abgewogen werden, und meine Position, über die man ja diskutieren kann, ist nicht: Ich will Diskriminierung haben, sondern: Diese Form von Gesetzgebung führt
letztlich nicht zu dem gewollten Ergebnis und ist ein Beitrag zu mehr Bürokratie und nicht zu mehr Gerechtigkeit.
Aber man mag darin unterschiedlicher Meinung sein. Die Staatsregierung wird bei der Frage, wie sie abstimmen wird, sehr sorgfältig prüfen müssen, ob das, was aus dem Bundestag herauskommt, den Kriterien, die wir uns selbst durch den Koalitionsvertrag gegeben haben, in denen zum Beispiel steht, dass wir nicht über EURichtlinien hinausgehen wollen, entspricht. Dann wird man sehen, wie sich Sachsen positioniert. Ein Großteil der Diskussionen, die hierüber von Teilen des Hauses geführt worden ist, wird diesem Prüfungsanliegen jedoch überhaupt nicht gerecht. Hier wird etwas diskutiert, das mit dieser Gesetzgebung überhaupt nichts zu tun hat.
Frau Kollegin Ernst, die Frage, ob jemand, der in Russland das Examen in Medizin gemacht hat, hier zugelassen wird, ist keine Frage der Diskriminierung, sondern eine Frage der Äquivalenz der Abschlüsse.
Das Problem, ob ein Asylbewerber Arbeit bekommt oder nicht, ist doch kein Problem der Diskriminierung, sondern eine Frage, wie wir die staatsbürgerlichen Rechte und die Rechte der einheimischen Bevölkerung abgrenzen. Jeder, der mit einer Aufenthaltsgenehmigung – vor allem aus einem EU-Land – in dieses Land kommt, hat die Möglichkeit der Arbeit. Ich sage ganz deutlich, auch im Hinblick auf die Situation an der Grenze, dass es richtig war, dass die Bundesregierung in den EU-Beitrittsverträgen zum Beispiel eine Übergangsregelung für die Arbeitnehmer aus osteuropäischen Ländern getroffen hat. Auch das wäre, wenn ich so argumentieren würde wie Sie, Frau Ernst, eine Diskriminierung, und jeder sieht, dass das offensichtlich so nicht richtig sein kann.
Deshalb, Frau Ernst: Wenn Sie schon über Diskriminierung im Rechtssinne reden, dann bitte ich um eine etwas präzisere Beschreibung der Sachlage. Dann kann man auch richtig diskutieren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Ministerpräsident hat soeben die schlimmen Worte, die ich kritisiert habe, nicht wiederholt und – was ich interessant finde – auch das Abstimmungsverhalten im Bundesrat offen gelassen. Das führt mich doch gleich zu dem dringlichen Appell an die sozialdemokratische Fraktion, hier dafür zu sorgen, dass keine Ablehnung erfolgt.
Herr Ministerpräsident, trotz Ihrer jetzt etwas abgewogeneren Stellungnahme möchte ich Ihnen Folgendes vorhalten: Wenn Sie schreiben – das ist eine ungeheuerliche Anschuldigung –, dass Rot-Grün das gesellschaftliche Klima vergiftet, eine Moraltyrannei betreibt und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft gefährdet,
dann sage ich Ihnen, dass das keine Form des Umgangs ist, die wir unter demokratischen Parteien pflegen sollten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich kann die Aufregung, die es um das Antidiskriminierungsgesetz in diesem Hohen Hause und auch außerhalb in den vergangenen Wochen gegeben hat, nicht verstehen. Das Einzige, was an dem Gesetz auszusetzen ist, wäre die Tatsache, dass es erst jetzt kommt, denn schließlich ist die Umsetzung zweier der zur Debatte stehenden EU-Richtlinien längst überfällig. interjection: (Beifall des Abg. Enrico Bräunig, SPD)
Damit würde Deutschland übrigens auch endlich an die Rechtsentwicklung anderer europäischer Länder anschließen. Auch das ist längst überfällig.
Ich habe durchaus registriert, Herr Ministerpräsident, dass Sie Ihren Tonfall im Vergleich zur Presseerklärung etwas abgemildert haben. Nichtsdestotrotz können mich Ihre Ausführungen inhaltlich nicht überzeugen. Ich wüsste zum Beispiel gern, wie Sie zu dem Vorwurf kommen, dass das Antidiskriminierungsgesetz zu einer Benachteiligung der Normalität führt. Warum werden denn allein erziehende Frauen, wie Sie behaupten, benachteiligt? Nur weil man Behinderte, Lesben oder Schwule nicht mehr diskriminieren darf? Das soll mir mal jemand erklären.
Ihnen ist wohl auch entfallen, dass das Antidiskriminierungsgesetz explizit vor der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, aufgrund von Schwangerschaft und Entbindung schützen soll?
Anstatt also diese absurde Behauptung aufzustellen, Herr Milbradt, wäre es vielleicht besser gewesen, sich für ein neues familienpolitisches Leitbild der CDU einzusetzen, denn das orientiert sich nach wie vor nicht an der Gleichstellung der Lebensweisen, sondern immer noch an der altbackenen Hausfrauenehe.
Was hindert Sie denn daran, Politik für allein erziehende Frauen zu machen? Nichts hindert Sie daran. Aber wir müssen Sie hier immer wieder darauf aufmerksam machen.