Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir halten den Gesetzentwurf der FDP-Fraktion für wenig geeignet, aber auch nicht für verfassungswidrig. Die FDP möchte, wie Herr Dr. Martens soeben ausgeführt hat, die Anzahl der Unterstützungsunterschriften verringern und künftig davon absehen, dass sie bei der Gemeindeverwaltung geleistet werden können. Da die FDP das Verfahren schon jetzt, im Vorhinein, erleichtern möchte, kann man auf die Vermutung kommen, die FDP gehe davon aus, dass sie wieder aus dem Landtag ausscheidet. Sei es, wie es sei! Die NPD fordert lediglich die Streichung der Vorschrift, nach der die Unterstützungsunterschriften bei der Gemeindeverwaltung zu leisten sind.
Ich sage es gleich vorab: Beides findet nicht unsere Zustimmung. Die Zahl der laut § 6b des Kommunalwahlgesetzes zu erbringenden Unterstützungsunterschriften stimmt nunmehr mit der bislang für die Bürgermeisterwahl vorgesehenen Anzahl überein. Die neue Staffelung, die der Sächsische Landtag 2003 beschlossen hat, bewirkt eine Steigerung der Unterschriftenanzahl in größeren kreisangehörigen Gemeinden, dagegen eine Senkung in Kreisfreien Städten und Landkreisen. Die bisherigen Vorschriften sind harmonisiert und einander angepasst worden. Vor diesem Hintergrund macht es keinen Sinn, das 2003 harmonisierte Gesetz jetzt nach Gutdünken wieder zu ändern.
Nein, danke. Sie haben dann die Möglichkeit, in Ihren Ausführungen ausreichend auf meinen Wortbeitrag einzugehen. Von der Leistung von Unterstützungsunterschriften für die Gemeindewahl ist befreit: der Wahlvorschlag einer Partei, die im Sächsischen Landtag vertreten ist; der Wahlvorschlag einer Partei, die seit der letzten regelmäßigen Wahl im Gemeinderat vertreten war; der Wahlvorschlag einer Wählervereinigung, wenn er von der Mehrheit der für die Wählervereinigung Gewählten, die dem Gemeinderat zum Zeitpunkt der Anrechnung angehörten, unterschrieben ist. Wir wissen, dass Wählervereinigungen sehr inhomogen sind. Von daher ist dieses Verfahren durchaus gerechtfertigt.
Die gegenwärtige Rechtslage sichert die Stabilität des Wahlrechts im Freistaat Sachsen. Wir sehen keine durchschlagenden Gründe, dieses Recht nach nur zwei Jahren zu ändern. Dabei spielt auch der Grundsatz des Vertrauensschutzes, den der Gesetzgeber gegenüber der Bevölkerung zu beachten hat, eine Rolle. Erst sollten die Auswirkungen, die sich mittelund langfristig auf die kommunalen Bürgervertretungen ergeben, abgewartet werden.
Herr Dr. Martens, Sie haben im Ausschuss beispielhaft von einem Fall gesprochen, in dem nach dem Ziehen einer Nummer zweieinhalb Stunden gewartet werden musste, bis die Unterschrift geleistet werden konnte. Sie wollten mir mitteilen, wo genau sich das zugetragen hat, damit dieser Missstand abgestellt werden kann. Den Beweis sind Sie bis auf den heutigen Tag schuldig geblieben.
Wir unterscheiden uns auch noch in einer anderen Wahrnehmung. Sie haben ausgeführt, die Kommunen seien die Keimzelle des Staatsaufbaus. Wir sind der Meinung: Die Keimzelle eines jeden Gemeinwesens ist die Familie.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Uns liegen zwei Gesetzentwürfe vor, die rechtzeitig vor den nächsten Kommunalwahlen eingegangen sind. Zunächst zu Ihnen, Kollege Bandmann! So richtig scheinen Sie sich in Vorbereitung Ihrer Rede nicht sachkundig gemacht zu haben. Sie sprachen von Vertrauensschutz, weil gerade „eben“, nämlich im Jahre 2003, das Kommunalwahlgesetz geändert worden sei. Das ist korrekt. Ihnen müsste allerdings aufgefallen sein, dass der Sächsische Städte- und Gemeindetag vor wenigen Tagen, am 10. Juni, in einer Pressemitteilung darüber informiert hat, dass er ein komplexes Änderungspaket zum Kommunal
wahlrecht an die Staatsregierung – sicherlich auch an die Fraktionen – überweisen wird. Der SSG hat insgesamt 24 Vorschläge zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes unterbreitet.
Sie haben nicht 24 Vorschläge unterbreitet, sondern schlagen nur eine begrenzte Zahl von Änderungen vor. Ich bitte meine Fraktion, das Vorhaben der FDP, die bürokratischen Hürden für die Unterschriftensammlung zu senken und die Anzahl der zu erbringenden Unterschriften – hier erfolgt eine Staffelung nach Gemeindegrößen – zu verringern, wohlwollend zu behandeln. Wir halten das für vernünftig, weil wir ebenso wie die FDP glauben, dass es keinen Grund gibt, bei Kommunalwahlen andere Maßstäbe anzulegen als bei Bundestags- oder Landtagswahlen. Auch hinsichtlich der Bestätigung der Unterschriften sind keine anderen Maßstäbe anzulegen als im Volksgesetzgebungsverfahren, in dessen Rahmen die Unterstützerinnen und Unterstützer Unterschriften bekanntlich auch durch eine Straßensammlung beibringen können und mitnichten auf ein Amt gehen müssen.
Das Vorhaben ist also zu unterstützen. Gleichwohl hätten wir es als sinnvoll angesehen, wenn sich die FDPFraktion die Mühe gemacht hätte, ihren Gesetzentwurf mit der Meinung des Sächsischen Städte- und Gemeindetages, der bekanntlich über 500 Kommunen vertritt, abzugleichen.
Es gibt dort sehr viele weitere Probleme. Zum Beispiel müsste man über die Einteilung der kreisangehörigen Gemeinden in Wahlkreise sprechen. Sind die gegenwärtigen Regelungen tatsächlich sinnvoll, dass in den Kreisfreien Städten bis zu 100 000 Einwohner – Görlitz, Hoyerswerda, Zwickau und Plauen – mindestens sechs und höchstens zwölf und in den Kreisfreien Städten, die darüber liegen, also Chemnitz, Dresden und Leipzig, mindestens acht und höchstens 20 Wahlkreise zu bilden sind? Wir glauben als PDS-Fraktion, dass das viel zu kompliziert und auch ein schwieriges Organisationsproblem ist. Hier sollte über eine maßvolle Absenkung nachgedacht werden.
Es gibt letztlich – da erinnere ich an die vergangene Wahlperiode – den PDS-Vorschlag, das aktive Wahlalter auf 16 Jahre herabzusetzen, wie das in einigen Bundesländern bereits geschehen ist. Auch in Niedersachsen, in Brandenburg und in Berlin wird es jetzt diskutiert. Wir meinen, gerade in den Kommunen sollte den jungen Menschen ab 16 dieses Wahlrecht gestattet werden. Natürlich muss man dazu auch die Gemeindeordnung novellieren und auch möglicherweise eine Änderung in der sächsischen Landesverfassung vornehmen, um diese Absenkung des Wahlalters zu erreichen.
Als Letztes gestatten Sie mir die Bemerkung, dass es natürlich nach wie vor das ungelöste Problem der absoluten rechtlichen Gleichstellung der EU-Ausländer bezüglich aktivem und passivem Wahlrecht bei Kommunalwahlen gibt. Wir hatten in der 3. Wahlperiode schon sehr lange und sehr heiße Diskussionen über dieses Problem. Ich wundere mich ehrlich gesagt, dass die SPD dieses schwebende Problem nicht in den Koalitionsvertrag aufgenommen hat.
Kurz und gut, die PDS-Fraktion wird zu gegebener Zeit, das heißt sicherlich in der Mitte der Wahlperiode, alle diese sinnvollen Vorschläge zusammenfassen und ein
eigenes Gesetzgebungspaket zum Kommunalwahlrecht unterbreiten. Ich möchte meiner Fraktion empfehlen, zumindest die Vorschläge der FDP-Fraktion wohlwollend zu behandeln.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der FDP möchte die Anzahl der erforderlichen Unterschriften für einen Wahlantritt einer Partei bei Kommunalwahlen, die nicht im Sächsischen Landtag vertreten ist, herabsetzen. Die GRÜNEN-Fraktion unterstützt dieses Anliegen. Zwar mag es im Grundsatz vertretbar sein, den Wahlantritt an eine gewisse nachgewiesene Unterstützung der Bevölkerung zu binden, doch steht dem das demokratische Grundrecht der Wählerinnen und Wähler gegenüber, Parteien und Wählervereinigungen überhaupt wählen zu können. Zudem gibt es die Parteigründungsfreiheit nach Artikel 21 Grundgesetz. Die erste Aufgabe und das Ziel dieser Parteien ist aber, über den Wahlantritt in den Kommunalvertretungen und Parlamenten gewählt zu werden, um dort die politischen Ziele umzusetzen, die Zustimmung in der Bevölkerung gefunden haben. Daher ist im System der repräsentativen Demokratie jede Einschränkung des Wahlrechtes der Bürgerinnen und Bürger und jede Einschränkung des Wahlantrittes von Parteien und Wählervereinigungen eine Einschränkung des demokratischen Wahlrechts selbst. Jede Einschränkung der Wahlrechte ist damit eine Beschädigung der demokratischen Legitimation der jeweils getroffenen politischen Entscheidung. Einschränkungen sind daher äußerst restriktiv zu handhaben und nur durch unabweisbare Gründe zu rechtfertigen, wenn überhaupt. Verwaltungspraktische Erwägungen der Wahlabwicklung oder der Kostenersparnis können in nur sehr geringem Maße eine Einschränkung dieser demokratischen Wahlrechte rechtfertigen. Im Übrigen ist auch schon die bisherige Regelung durchaus ungereimt. Die bisherige Regelung erfordert etwa, dass in einem Landkreis mit sieben Wahlkreisen in jedem der sieben Wahlkreise der gleiche Anteil an Unterschriften zu leisten ist. Es nützt nämlich nichts, wenn schon in einem der sieben Wahlkreise alle für den gesamten Landkreis nachzuweisenden Stimmen vorgelegt werden können. Ein Wahlantritt ist trotzdem nicht möglich. Herr Bandmann, weil Sie davon gesprochen haben, wir sollten erst einmal die Auswirkungen testen: Genau das war der Fall von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Landkreis Stollberg. Dort hatten unsere Freundinnen und Freunde alle Unterschriften zusammengebracht, konnten aber trotzdem nur in einem Wahlkreis und nicht im gesamten Landkreis Stollberg antreten. Das führt aber auch etwa dazu – Herr Martens hat zu Recht darauf hingewiesen –, dass etwa eine Bürgerinitiative, die in einem Wahlkreis starke Unterstützung hat, dennoch im gesamten Landkreis nicht antreten darf. Lokal starke Gruppen
werden so im Interesse etablierter Parteien administrativ ausgebremst. Dies kann nicht im Sinne einer lebendigen Demokratie sein.
CDU, PDS, Herr Dr. Friedrich, und SPD haben erst im Jahr 2003 einvernehmlich die erforderliche Anzahl der Unterschriften hochgesetzt. Ich sage Ihnen ganz klar: Ich werde den Verdacht nicht los, dass dies durchaus geschah, um im Landtag damals nicht vertretenen Parteien zu schaden.
Die Fraktion der GRÜNEN unterstützt auch den zweiten Teil des Gesetzentwurfs der FDP. Bisher ist es so, dass die Unterschriften in der Gemeindeverwaltung oder im Landratsamt während der Bürostunden zu leisten sind. Dies ist eine weitere Hürde zur Wahrnehmung des Rechts auf Wahlantritt, denn den Unterstützern wird zugemutet, während der regelmäßigen Arbeitszeit zu kommen. Schließlich müssen sie angesichts der Größe der Landkreise auch lange Fahrten auf sich nehmen. Dies alles wirkt abschreckend und zementiert die bestehende Parteienlandschaft. Daher unterstützen wir den Vorschlag des Gesetzentwurfs, die Unterschriftenleistung auch am Stand auf der Straße und an der Haustür zu leisten. Die Erfahrungen in anderen Bundesländern zeigen durchaus, dass dadurch die Verwaltung nicht zusammenbricht. Wir werden daher dem Gesetzentwurf der FDP zustimmen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Viele Argumente sind jetzt ausgetauscht. Man sollte über den Gesetzentwurf der FDPFraktion zuerst abstimmen, da er der Entwurf ist, der weitergehende Änderungen anstrebt. Wenn dieser dann abgelehnt werden sollte, könnte man sich zumindest doch für die kleine Veränderung, die wir fordern, entscheiden. Meine Fraktion wird dem Entwurf der FDP auch zustimmen, obwohl wir der Meinung sind, dass da Ungereimtheiten mit diesen Unterstützungsunterschriften bestehen, eben aus dem Grund, weil in einer Ortschaft oder in einer kleinen Gemeinde eine wesentlich höhere Hürde besteht als in einer Großstadt mit Wahlkreisen. Aber wir wollen eine Vereinfachung des Zugangs zu den Kommunalwahlen und werden uns dem nicht verschließen.
Die Frage an die CDU-Fraktion: Herr Kollege Bandmann, wie wäre es denn, wenn man das Ganze andersherum betrachtet? Die Hürden sollten dann doch bitte für alle gleich sein. Wir könnten natürlich auch damit leben, dass auch die im Landtag vertretenen Parteien Unterstützungsunterschriften beibringen müssten. Auch das wäre eine Frage, die die Glaubwürdigkeit eines lokalen Wahlvorschlages bestätigen würde. Wenn ich beispielsweise zur Fraktion des Prof. Weiss schaue, dann würde ich behaupten, dort dürfte es der SPD in Sachsen relativ schwer fallen, flächendeckende Unterstützungsunter
schriften beizubringen, was im Moment durch die Privilegierung der im Landtag vertretenen Parteien nicht ins Gewicht fällt. Da sehe ich Ungerechtigkeiten. Diese Ungerechtigkeiten wollten wir mit dem von uns eingebrachten Gesetzentwurf etwas entschärfen, wenn wir diese schon nicht ganz beseitigen können. Ich möchte nochmals an die Zustimmung appellieren.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bandmann, es geht gar nicht so sehr um die FDP, wir sitzen jetzt im Landtag und ich denke, dass wir eine Zeit lang hier bleiben werden. Wir haben das letzte Mal bewiesen, als wir noch nicht im Landtag gesessen haben, dass wir ganz ordentliche Kommunalwahlergebnisse erzielen können. Sie wissen vielleicht – ich habe das schon einmal gesagt –, es gibt immerhin 588 liberale kommunale Mandatsträger und 33 Bürgermeister und ein paar Oberbürgermeister mehr als Sie. Ich will den Vorschlag nicht unterstützen, aber die Idee ist vielleicht nicht schlecht, wenn man nämlich Unterschriften sammeln muss, schweißt das zusammen. Man bekommt eine richtig starke Mannschaft, die Landtagswahlen auch positiv gestalten kann.
Eine Sache sei mir aber gestattet, Herr Bandmann. Für mich hat Ihre Argumentation doch eine ganze Menge so einer bisschen geringen Wertschätzung für die vielen unabhängigen Freien, die hier in Sachsen einen wichtigen Beitrag, vor allem vor Ort in den Kommunen, leisten und Politik machen. Vielleicht wissen Sie das nicht, aber es gibt in Sachsen immerhin 960 Wählervereinigungen, die immerhin zwei Landräte, 105 Bürgermeister, 3 055 Gemeinderäte und 160 Kreisräte stellen.
Da werde ich neidisch. Das sage ich so, denn wir haben deutlich weniger Sitze. Ich möchte behaupten, dass die meisten Parteien, die im Landtag vertreten sind, auch nicht auf so viele kommunale und wichtige Mandatsträger in diesem Land kommen. Wenn Sie wirklich wollen, dass wir in unserem Land mehr bürgerschaftliches Engagement haben, wenn Sie wollen, dass möglichst viele Leute vor Ort für ihre Gemeinde, für ihre Stadt ehrenamtlich eine Aufgabe übernehmen, dann müssen Sie unserem Gesetzentwurf zustimmen.
Das geht ganz schnell. Kollege Lichdi, Sie waren damals nicht im Landtag. Ich möchte nur in aller Deutlichkeit klarstellen, dass die PDS-Fraktion mitnichten die Anhebung der Unterstützungsunterschriften getragen hat, wie Sie möglicherweise irrtümlich unterstellt haben. Im Gegenteil – das können Sie gern in den entsprechenden Landtagsprotokollen
nachlesen – haben wir im Jahr 2003 ausdrücklich gegen die Novelle der kommunalwahlrechtlichen Vorschriften gestimmt. Wir haben im Jahr 2001 mit einem eigenen Gesetzentwurf – „Gesetzentwurf zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung“ – selbst Vorschläge gemacht, wie ein solcher besserer Minderheitenschutz gewährleistet werden kann. Man muss ganz klar sagen, dass insbesondere die freien Wählervereinigungen, weniger die etablierten Parteien, von dieser Regelung profitieren. Das wollte ich noch einmal ganz deutlich, auch im Interesse der Sachlichkeit, richtig stellen. Vielen Dank.
Ich schaue noch einmal in die Runde. Gibt es noch weiteren Redebedarf von den Fraktionen? – Wenn das nicht der Fall ist, frage ich die Staatsregierung. – Es gibt keinen Redebedarf mehr.