Protokoll der Sitzung vom 07.09.2005

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS)

dass die Antragstellerin insoweit ihr Mäntelchen nach dem Winde hängt.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Zusammengefasst zur Rechtslage: Die Staatsanwaltschaft ist tätig geworden, so wie das Gesetz es vorsieht. Ohne das Plazet eines unabhängigen Gerichts wäre überhaupt nichts möglich gewesen. Die teilweise Ablehnung der Anträge der Staatsanwaltschaft in zwei Instanzen zeigt im Übrigen, dass die gerichtliche Kontrolle staatsanwaltschaftlichen Handelns funktioniert. Der Justizminister ist keine Superrevisionsinstanz; die Staatsanwaltschaft ist Herrin des Ermittlungsverfahrens und nicht der Justizminister.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das haben wir bei Paunsdorf gesehen!)

Ich finde es bedauerlich, dass die Pressefreiheit durch eine rechtmäßige Maßnahme tangiert werden musste in einem Einzelfall, der hoffentlich ein solcher bleiben und sich nicht wiederholen wird, sah und sehe dazu aber keine Alternative. Verständnis habe ich für das spontane Erschrecken der Presse über diese in Sachsen und – soweit mir erkennbar – bundesweit wohl erstmals praktisch gewordenen Ermittlungsinstrumente. Noch einmal: Dass dadurch der falsche Eindruck entstanden ist, allerdings auch herbeigeschrieben, herbeibeantragt wurde, hier sei die Pressefreiheit verletzt oder jedenfalls in Gefahr, bedauere ich. Und damit zur rechtspolitischen Dimension und zum Antrag der PDS, die Staatsregierung möge für eine Änderung der geltenden Rechtslage initiativ werden. Das jetzt geltende Recht ist auf der Basis eines Vorschlags der SPD-Justizministerin Hertha Däubler-Gmelin vom August 2001, also vor den Vorgängen vom 11. September, Anfang 2002 in Kraft getreten, mit den Stimmen von Rot-Grün angenommen. Es ist einmal verlängert worden und befristet bis Ende 2007, weil der Gesetzgeber nicht nur eine Evaluierung dieser sensiblen Vorschriften wünschte, sondern weil sich die damalige Justizministerin auf Anregung vieler Praktiker wie Wissenschaftler vorgenommen hatte, das oben genannte Spannungsverhältnis – Pressefreiheit und Strafverfolgung – insgesamt neu zu justieren. Sie hat nämlich – wie ich finde, nicht völlig zu Unrecht – festgestellt, dass dieses Spannungsverhältnis nicht stringent aufgelöst ist. Es ist nicht durchgängig stimmig, was Zeugnisverweigerungsrechte, verdeckte Ermittlungen und Rechte der Strafverfolgungsbehörden angeht. Diese Aufgabe der Neujustierung ist bisher von der noch amtierenden Bundesregierung nicht in Angriff genommen. Sie steht auf der rechtspolitischen Agenda. Innerhalb dieser anstehenden Diskussion wird sich die Sächsische Staatsregierung dafür einsetzen, dass das hohe Gut der Pressefreiheit auf der einen und das öffentliche Interesse an wirksamer Strafverfolgung auf der anderen Seite jeweils so zueinander ins Verhältnis gesetzt wer

den, dass der Eingriff in das jeweilige Rechtsgut so gering wie möglich ist. Diesen Grundsatz der praktischen Konkordanz – er entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – gilt es auch im Verhältnis zwischen Presse und Strafverfolgung zu verwirklichen. Die Lösung dieses Spannungsverhältnisses kann allerdings nicht darin bestehen, der Presse als der vierten Gewalt einen absoluten Vorrang einzuräumen – etwa vor dem Interesse des Staates an wirksamer Strafverfolgung.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Gunther Hatzsch, SPD)

Im Spannungsverhältnis zwischen Pressefreiheit und Strafverfolgung kommt keinem der beiden genannten Rechtsgüter von vornherein die höhere Bedeutung zu. Wenn die PDS in Ziffer 1 ihres Antrages einseitig der Presse den Vorrang einräumt und ihr auch die so genannten Früchte vom verbotenen Baum zubilligen will, dann will sie letztlich mehr als die Presse selbst. Verantwortungsbewusste Journalisten stellen ihre Arbeit

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

eben gerade nicht über alle anderen Rechtsgüter, sondern sehen sie als Teil der Arbeit in und an einer rechtsstaatlichen Gesellschaft an.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Bei jedem anderen darf es aber sein! – Weitere Zurufe)

Gerade die sächsischen Koalitionsparteien CDU und SPD bieten mit ihrer langen rechtsstaatlichen Tradition bei allen Unterschieden in den Einzelheiten

(Lachen bei der Linksfraktion.PDS)

die beste Gewähr dafür, dass der Ausgleich zwischen Pressefreiheit und Strafverfolgungskompetenzen auch bei künftigen Gesetzgebungsverfahren in rechtsstaatlicher Weise gelingen wird. Dazu, meine Damen und Herren, braucht diese Koalition nicht die Hilfe ausgerechnet der PDS.

(Beifall bei der CDU und teilweise bei der SPD – Prof. Dr. Peter Porsch, Links- fraktion.PDS: Das ist eine Sondersitzung des Parlaments, nicht der PDS!)

Und damit zu INES. Die Antragstellerin unterstellt in Ziffer 3 ihres Antrages, das Ermittlungsverfahren gegen einen INES-Staatsanwalt solle INESMitarbeiter einschüchtern, leite gar den Abbau von INES ein, weil INES offenbar den Mächtigen – wer immer das ist – unbequem werde; INES könne derzeit nicht unbeeinflusst arbeiten.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: So ist es! Genauso ist es!)

All dies ist falsch.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Genauso ist es!)

Wenn Sie, verehrte Damen und Herren der PDS und Ihr Rechtspolitischer Sprecher, Herr Abg. Bartl, tatsächlich glauben, sächsische Staatsan

wälte, die sächsische Justiz ließen sich von einem Justizminister einschüchtern,

(Lachen bei der Linksfraktion.PDS)

so haben Sie eine schlechte Meinung von den Richtern und Staatsanwälten, die dieses obrigkeitsstaatliche Denken lange überwunden haben.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Unabhängig davon, dass Ihre Anwürfe jeder Tatsachengrundlage entbehren und sich in durch nichts bewiesenen Vermutungen erschöpfen, sage ich Ihnen: Die sächsische Justiz ist selbstbewusst, rechtsstaatlich fest verankert und tut ihre Arbeit ohne Ansehen der Person.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das haben wir gemerkt!)

Wenn je ein Justizminister versuchen sollte, inhaltlich Einfluss zu nehmen oder einzuschüchtern, so würden sich die Betroffenen und ihre Berufsverbände, die sich glücklicherweise durchweg nicht durch Feigheit vor dem Feinde auszeichnen, gegebenenfalls auch über die Presse oder durch sie zu Wort melden.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS)

Hiervon habe ich bisher auch nur im Ansatz nichts bemerkt. Sie handeln hier, Herr Abg. Bartl, als Anwalt ohne Mandat; manche Juristen würden auch von einer aufgedrängten Bereicherung sprechen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD – Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das Parlament soll die Regierung kontrollieren! – Johannes Lichdi, GRÜNE, steht zu einer Zwischenfrage am Mikrofon.)

Fragen, bitte, später, ich bin gleich fertig. Offenbar zeigt die Reaktion, dass die Formulierung gesessen hat.

(Beifall bei der CDU)

Ich nehme die Gelegenheit gern zum Anlass, nochmals zu betonen, dass die Staatsregierung ohne Wenn und Aber zur Korruptionsbekämpfung und zu INES steht.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Zuruf von der Linksfraktion.PDS: Außer wenn es gegen CDU-Leute geht! – Zuruf von der CDU: Das ist eine Unverschämtheit! Das ist Quatsch!)

Die anstehende Feinjustierung nach rund einem Jahr erfolgreicher Arbeit ist nicht die Einleitung eines Abbaus, sondern im Gegenteil normale und pflichtgemäße Evaluation mit dem Ziel der Überprüfung und gegebenenfalls Verbesserung der Arbeitsfähigkeit. Das ist für die INES-Mitarbeiter und für Sie kein Grund zur Unruhe. Ich fasse zusammen: Die Staatsanwaltschaft setzt zu Recht alles daran, um eine undichte Stelle in oder in der Nähe der sächsischen Antikorruptionsabteilung zu schließen. Sie tut und tat dies nach meinen bisherigen Erkenntnissen allein mit rechts

staatlichen Mitteln, und genau das erwarte ich von der Staatsanwaltschaft. Ein ehemaliger Wirtschaftsminister wird im Freistaat Sachsen genauso behandelt wie jeder andere Bürger auch – wie der berühmte einfache Mann auf der Straße, wie ein prominenter Fußballmoderator, wie ein Gewerkschaftsfunktionär, aber auch wie ein Journalist, wie ein Staatsanwalt, ein VW-Manager –, nicht besser, aber eben auch nicht schlechter. Vor dem Gesetz sind alle gleich, auch im Freistaat Sachsen. Dafür stehen die sächsischen Staatsanwälte, dafür steht ganz besonders INES, dafür steht dieser Justizminister, und dafür steht diese Koalition – ebenso wie für eine unabhängige und kritische Presse. Darauf können sich die Sachsen verlassen. Danke schön.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir kommen nun zur Aussprache. Ich bitte, dass die Linksfraktion das Wort nimmt. Herr Bartl, bitte.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Klaus, entschuldige dich, dass du gewählt wurdest!)

– Das wird mir gleich wieder vorgeworfen werden. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatsminister, ich würde gern einen Komplex Erörterung der Rolle des Parlaments voranstellen –

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

einfach als geläuterter DDR-Unrechtsstaatler; mit ihm kann man reden –, wie das Verhältnis Parlament/Exekutive/Justiz wirklich ist.

(Staatsminister Tillich: Das steht Ihnen gar nicht zu! – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das ist das Allerletzte! – Starke Unruhe)

Und Ihnen würde ich einfach mal ein kleines Privatissimo geben, Herr Minister für Landwirtschaft, über das Ressort Verfassungsrecht, über die Rolle des Abgeordneten des Parlaments. Einfach mal nachlesen, bevor Sie sich hier reinsetzen! Die Schlichtheit Ihres Ansatzes schreit zum Himmel!

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Heinz Eggert, CDU: Wir sind hier nicht im Verhör!)

Herr Justizminister, es war im Januar dieses Jahres, als Sie sagten: „Korruption untergräbt das Vertrauen in die staatlichen Stellen, behindert den wirtschaftlichen Aufbau und muss mit allen Mitteln wirksam bekämpft werden. Mit INES haben wir dazu ein schlagkräftiges Instrument geschaffen, das bundesweit kaum seinesgleichen hat. Erfahrung und Spezialwissen in Recht, Verwaltung, Wirtschaft ist hier mit dem Ziel effektiver Strafverfolgung in idealer Weise gebündelt.“ – So in der Presseerklärung vom 6. Januar. Da haben Sie Recht, da gibt es keinen Dissens. Wir müssen nur den Bogen dessen, was wir heute erörtern, schon etwas komplexer ansetzen. Es geht nicht nur um

den 24. Mai und nicht nur um den Fall Schommer am 24. Mai. Korruption ist in Deutschland, ist in Sachsen längst zu einem Phänomen geworden, das zunehmend die soziale und demokratische Ordnung in unserer Gesellschaft gefährdet, indem sie Prinzipien der Gleichheit vor dem Gesetz, der Unparteilichkeit der Amtsführung und der öffentlichen Verwaltung sowie des fairen Wettbewerbs und der freien Wirtschaft verletzt und eine intransparente, auf Privilegien gegründete Wirtschaft fördert, auch eine intransparente, privilegiengeförderte Politik. Fast jede Woche kommt – auch leider unseren Freistaat betreffend – ein neuer Skandal ans Tageslicht, kursieren immer wieder neue Namen von Politikern, Wirtschaftsleuten, Managern, Fußballschiedsrichtern, TV-Moderatoren, Betriebsräten, Behördenleitern, die allzu empfänglich waren für wohlgemeinte Zuwendungen der verschiedensten Art. Ein fleißiges Geben und Nehmen herrscht, gerade immer mehr in der Politik, und alles läuft wie geschmiert. Als die PDS-Fraktion im November 2003 – aktuell veranlasst durch diese korruptiven Hintergründe im Umfeld der Abfallentsorgungsanlagen in Delitzsch und Lauta, wenn Sie sich erinnern – mit einem Antrag forderte, eine Landeskoordinierungsstel- le Korruptionsbekämpfung/Korruptionsprävention, LaKoSt Korruption genannt, einzurichten, die alle Behörden koordinieren sollte, übergreifend quasi, die bei der Vorbeugung und Bekämpfung von Korruption in Sachsen wirksam werden, und die dem Landtag regelmäßig über die so genannte Weiße-Kragen-Kriminalität im Freistaat Sachsen berichten sollte, konterte der damalige Justizminister und heutige Innenminister de Maizière, ziemlich clever. Die eigene CDU-Fraktion hat kraft ihrer inzwischen abhanden gekommenen parlamentarischen Mehrheit noch den Deckel auf jenes üble Fass der Amigo-Affäre um das Paunsdorf-Center bekommen und dem Landesväterchen Biedenkopf halbwegs das Fell gerettet. Kaum war es unseren Christdemokraten auch gelungen, ihren dreisten Fördermittelabruf zur Finanzierung CDU-naher Wahlkampfaktionen in der Landtagswahl 1999 von der Sachsenring AG zu zerreden, da ging Kollege de Maizière an die Sache ran wie Blücher, und nach dessen Regel „Angriff ist die beste Verteidigung!“ überraschte die Staatsregierung im Januar 2004 mit der Einrichtung der Integrierten Ermittlungseinheit INES als Kopfgeburt. Im Handumdrehen waren wir wieder das größte Sachsen, wo gibt, und unser Thomas verkündete: „Mit der Schaffung von INES zur zentralen Korruptionsbekämpfung setzt Sachsen bundesweit Maßstäbe.“

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

„Korruption ist kriminell. Wir wollen ein sauberes Sachsen ohne Filz und Schmiergeld. Das gewährleistet INES.“

(Zuruf von der Staatsregierung: Da hat er doch Recht!)