Protokoll der Sitzung vom 21.09.2005

ist aufgerufen. Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache zu führen. Es spricht daher nur die Einreicherin, die FDP-Fraktion. Herr Dr. Martens, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unser Gesetzentwurf hat den gleichen Anlass wie der vorher vorgestellte Gesetzentwurf der GRÜNEN: das Verfassungsgerichtsurteil vom 3. März 2004 zur Frage der Zulässigkeit des Großen

Lauschangriffs im Bereich der Strafverfolgung und der sich daraus ergebenden Konsequenzen für das Polizeirecht. Allerdings machen wir nicht den Vorschlag eines generellen Gesetzes, mit dem diese Urteile sowohl im Bereich des Verfassungsschutzes als auch im Bereich des Polizeirechtes umgesetzt werden sollen; denn wir halten es für wenig sachdienlich – es sind verschiedene Sachbereiche davon betroffen –, und es geht uns um die Klarheit des Gesetzentwurfs selbst in der Sache: Es geht um die Bekämpfung schwerer Straftaten im Bereich des Polizei

rechts, die präventive Bekämpfung mit dem Einsatz besonderer Mittel zur Erhebung von Daten. Das heißt, es geht um den Lauschangriff, den Großen Lauschangriff unter Verwendung von Mikrofonen in Wohnräumen, bei denen wir bereits anfänglich Bedenken hatten wegen der Schwere des Eingriffs, insbesondere in den vom Bundesverfassungsgericht festgestellten und auch so konstituierten Kernbereich der privaten Lebensführung.

Die bisherigen Regelungen im Polizeigesetz in Sachsen sind, wenn man die Maßstäbe des Urteils und die Maßstäbe des Verfassungsgerichtes anlegt, unzulässig. Das Verfassungsgericht hat sich in seinem Urteil vom 03.03.2004 konkret mit dem strafrechtlichen Lauschangriff befasst. Allerdings – dies ist auch einleuchtend – müssen diese Regelungen erst recht dann gelten, wenn es um präventive Bekämpfung von Straftaten geht. Was im Strafrecht gilt, muss erst recht im Polizeirecht Anwendung finden. Dazu wollen wir mit unserem Gesetzentwurf klare Voraussetzungen schaffen, und zwar hinsichtlich der Eingriffsvoraussetzungen. Wann dürfen diese besonderen Mittel zur Anwendung kommen, wenn nicht bei schweren Straftaten, die in unserem Gesetzentwurf im Einzelnen aufgeführt werden?

Es gibt auch klare Regelungen, wie weit diese Eingriffe gehen können. Das heißt: Welche Regelungen sind notwendig, um den Kernbereich privater Lebensführung zu schützen? Dies sehen wir ebenfalls vor. Es geht in der Tat darum, dass bereits der Eingriff durch das Aufnehmen von Äußerungen im Kernbereich privater Lebensführung verhindert wird, nicht erst das Aufnehmen auf Band und hinterher das Heraussuchen durch einen Beamten oder einen Richter, um festzustellen: Ist der Kernbereich betroffen oder nicht? – So das Bundesverfassungsgericht.

Bereits das Mitlaufenlassen des Tonbandes, der Eingriff zur Erhebung dieser Daten, stellt eine Verletzung des Grundrechtes dar. Dies wird nicht mehr beseitigt, indem hinterher ein Richter feststellt, ob es unzulässig gewesen sein könnte oder nicht. Zu Recht wird man fragen: Welchen Wert hat denn der Große Lauschangriff noch, wenn man immer dann abschalten muss, wenn es eigentlich interessant wird oder wenn der private Kernbereich

getroffen wird? In der Tat: Diese Praktikabilitätserwägungen machen den Großen Lauschangriff zum gefährlich erscheinenden Werkzeug, aber faktisch zum zahnlosen Tiger, der keinerlei Relevanz hat.

Deswegen sagen wir: Sind wir so ehrlich, geben wir zu, dass dieser Staat auch im Polizeirecht nicht alles machen kann. Er sollte auch nicht so tun, als könne er alles machen, sondern in dem Fall – das ist unsere Grundposition – sollte man ehrlich sein und diese Regelungen schlicht abschaffen, weil sie auch in der praktischen Arbeit keinen Sinn machen. Gleichwohl machen wir mit diesem Gesetzentwurf den Versuch, das politisch Machbare vorzunehmen, um den Aufforderungen des Verfassungsgerichtes gerecht zu werden. Ich habe es eben gesagt: Aus unserer Sicht rechtsstaatlich einwandfrei wäre die Abschaffung dieses Großen Lauschangriffs im Bereich des Polizeirechts.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Freistaates Sachsen ebenfalls an den Innenausschuss – federführend – und an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss – mitberatend – zu überweisen. Wer dem Vorschlag der Überweisung an diese Ausschüsse zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gibt es Gegenstimmen? – Das kann ich nicht erkennen. Stimmenthaltungen? – Eine Stimmenthaltung. Damit ist die Überweisung an die beiden Ausschüsse beschlossen worden und der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle unterbreche ich die Sitzung. Wir treffen uns nach der Mittagspause um 13:50 Uhr wieder hier im Saal zur Beratung des Tagesordnungspunktes 5.

(Unterbrechung von 12:50 Uhr bis 13:53 Uhr)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie nach der Mittagspause. Wir fahren mit der Tagesordnung fort und kommen zu

Tagesordnungspunkt 5

Scheitern der Stiftung „Wald für Sachsen“ bei der Sanierung des ehemaligen Truppenübungsplatzes (TÜP) Königsbrück

Drucksache 4/0706, Große Anfrage der Linksfraktion.PDS, und die Antwort der Staatsregierung

Rückführung der ehemaligen Truppenübungsplätze Königsbrück und Zeithain sowie der hierzu ausgereichten Mittel von der Stiftung „Wald für Sachsen“ an den Freistaat

Drucksache 4/2862, Antrag der Linksfraktion.PDS

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Ich erteile zunächst der Einreicherin, Linksfraktion.PDS, das Wort. Danach folgen CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Frau Abg. Kagelmann, bitte.

(Heinz Eggert, CDU: Wo sind denn die „Truppen“? Auf dem Übungsplatz? – Heiterkeit bei der CDU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als ich die Antwort der Staatsregierung auf diese Große Anfrage unserer Linksfraktion im April 2005 in den Händen hielt und las, war ich einigermaßen erstaunt: Das muss die hohe Schule eines Finanzministers sein, so wenig Aussage gleichmäßig auf so viele Fragen zu verteilen.

(Heinz Eggert, CDU: Auf so viel Papier!)

Und auf so viel Papier.

Dennoch – keine Aussage ist auch eine Aussage. Die Antworten auf unsere Große Anfrage werfen ein bezeichnendes Licht auf die Sächsische Staatsregierung. Sie will das Buch über den Fehltritt ihres heutigen Ministerpräsidenten und damaligen Finanzministers schließen; gemeint ist der Vertrag über den Verkauf der Liegenschaften der beiden Truppenübungsplätze an die Stiftung „Wald für Sachsen“ vom 14. April 1997.

Die Antwort der Staatsregierung manifestiert den Stillstand, wenn nicht gar den Rückschritt in der Entwicklung der Stiftung „Wald für Sachsen“. Die Linksfraktion.PDS bleibt deshalb bei ihrer Feststellung: Die Stiftung ist bei der Sanierung des ehemaligen Truppenübungsplatzes Königsbrück leider gescheitert. An dieser Tatsache ändert auch nichts, dass die Staatsregierung dieser Ansicht in ihrer Antwort entgegentritt. Heute, am 21. September 2005, zeigt sich das nur noch deutlicher als vor sieben Monaten.

Seit Juni 2004, das heißt seit 15 Monaten, basteln Sie, meine Herren von der Staatsregierung, an einer Reform der Stiftung „Wald für Sachsen“. Was ist seitdem aus Ihrem Anliegen geworden, die Liegenschaftsverwaltung für die Truppenübungsplätze Königsbrück und Zeithain

und die Aktivitäten der Stiftung zur Waldmehrung im Freistaat möglichst zu optimieren?

Ich zitiere aus der Antwort auf die Frage 1, Abschnitt I: „Nach Auffassung der Staatsregierung bestehen berechtigte Aussichten zu einer Reform, da sowohl die Staatsregierung als auch die Stiftung eine Reform anstreben.“

(Heinz Eggert, CDU: Hört sich doch gut an!)

Prima! Wenn dazu eine intensive Abstimmung aller beteiligten Stellen stattfindet, wie es in der Antwort auf die Frage in Abschnitt V heißt, dann müsste es doch möglich sein, dass die Staatsregierung endlich entscheidet, was sie will: Will sie die ehemaligen Truppenübungsplätze zurücknehmen oder soll die Stiftung diese behalten?

Deshalb begehren wir in unserem Antrag, dass die Staatsregierung den Zeitablauf und die Verantwortlichkeiten für die von der Stiftung angebotene Rückübertragung der Liegenschaften der ehemaligen Truppenübungsplätze Königsbrück und Zeithain an den Freistaat eindeutig festsetzen möge.

Ich meine, das sind wir auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stiftung schuldig, die sich um Königsbrück und Zeithain kümmern. An deren Arbeit lag es am wenigsten, dass die Stiftung in den letzten Jahren ins Trudeln kam. Sie sind die Betroffenen und nicht die Verursacher der gegenwärtigen Situation.

Das Kuratorium der Stiftung war seit langem überfordert. Deshalb wunderten wir uns beispielsweise, dass das Umweltministerium jahrelang auf die Entsendung eines Vertreters in das Kuratorium verzichtet hatte, und fragten nach den Gründen. Die Antwort auf diese Frage 6 lautet – ich zitiere –: „Das SMUL hat auf die Entsendung eines Vertreters in das Kuratorium nicht verzichtet.“ Doch, noch am 21. Januar 2005 war auf der Internetseite unter Organe der Stiftung beim SMUL kein Vertreter vermerkt. Erst auf unsere Große Anfrage hin wurde Herr Prof. Braun, der Leiter der Forstabteilung im SMUL, in das Kuratorium der Stiftung geschickt. Dagegen steht bei einem der Gründungsstifter, der Landesbank Sachsen Girozentrale, heute noch das bekannte Kürzel N. N.

Was brachte nun die Große Anfrage Bezeichnendes zu Tage? Von der Gesamtfläche von zirka 8 600 Hektar wurden bis April 2005 erst 81,5 Hektar, das ist 1 % der Fläche, tiefgründig von Kampfmitteln befreit und 390 Hektar oder 4,3 % oberflächlich abgesucht. Ein Ende der Beräumung der Kampfmittel ist nicht vorhersehbar. Da schreibt Herr Dr. Metz in seiner Antwort auf die Frage 5, Abschnitt II – ich zitiere –: „Die Beseitigung von Kampfmitteln verlief nicht schleppend.“

Sieben Jahre nach dem Kauf ist die Stiftung erst auf zirka 85 % der Fläche des Truppenübungsplatzes Königsbrück als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. „Die Durchführung des Zuordnungsverfahrens sowie die katastermäßige Fortschreibung nehmen bzw. nahmen trotz Nutzung des Teilvollzugs eine längere Zeit bei den zuständigen Behörden in Anspruch“, heißt es in der Antwort der Staatsregierung auf Frage 2, Abschnitt III. – Gut zu wissen: Nicht die Stiftung ist an dem Dilemma schuld, sondern die Staatsregierung hat diesen Zustand zu verantworten.

Die Drückjagden wurden auf Initiative der zuständigen Mitarbeiter der Stiftung unter jagdpraktischen Gesichtspunkten organisiert und durchgeführt. Wünsche aus dem Bereich der Staatsregierung, eine für Diplomaten, Wirtschaftsvertreter und ranghohe Vertreter der Staatsregierung anziehende und preisgünstige Jagd vorzuhalten, wurden der Stiftung nicht vorgetragen. Auf die Frage, an welche Staatsministerien offizielle Einladungen zu den Jagden ergangen sind, erhielten wir die Antwort: „Einladungen sind lediglich an das SMUL ergangen. Vertreter der Naturschutz- und der Jagdbehörden nahmen im Rahmen ihrer fachlichen Aufsichtsfunktion an den Drückjagden teil.“ So!

An dieser Stelle möchte ich gerne aus einem Beitrag „Halali im Reservat“ von Frank Tausch in der „Sächsischen Zeitung“ vom 16. September 2004 zitieren: „Der Termin zur herbstlichen Jagd auf der Königsbrücker Heide war in manchem Kalender von Ministerialbeamten, Diplomaten und Wirtschaftsvertretern besonders dick angestrichen,

(Heinz Lehmann, CDU: Diplomaten, ja!)

nicht nur, weil man weitestgehend unter sich blieb, auch weil die Großzügigkeit des Gastgebers Seltenheitswert besaß. Mit einem Obolus von fünf Euro war man dabei und kam dafür womöglich in den Genuss einer stattlichen Trophäe, deren Erwerb anderswo schon einmal einige 100 oder 1 000 Euro kosten kann.“ Sollte sich Frank Tausch geirrt haben? – Das glaube ich nicht.

Mal für mal toben Dutzende von Treibern mit Meuten von Hunden durch das Totalreservat des Naturschutzgebietes. Was die einen dürfen, ist anderen noch längst nicht erlaubt. Auf unsere letzte Frage, wann mit der Genehmigung des öffentlichen Zugangs zur Königshöhe im Naturschutzgebiet Königsbrücker Heide zu rechnen sei, erhielten wir die lakonische Antwort: „Es ist offen, ob und, wenn ja, wann mit der Genehmigung zu rechnen ist.“

Noch im gleichen Monat, also im April, lehnte das Regierungspräsidium Dresden diesen Antrag des Geschäftsführers der Stiftung, Herrn Werner, ab. Dass wir eine falsche Antwort bekamen, nehme ich Herrn Dr. Metz übel. Der eigentliche Skandal aber ist, dass in den staatlichen Behörden mit zweierlei Maß gemessen wird: Jagdliches Toben im Totalreservat darf sein, ein Naturlehrpfad von der B 97 bis zur Königshöhe, dem die Besucher strikt folgen müssen, hingegen nicht.

Zusammenfassend möchte ich feststellen: Nach Auffassung der Linksfraktion.PDS muss schnellstens eine Entscheidung über die Zukunft der beiden Truppenübungsplätze Königsbrück und Zeithain getroffen werden.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die Klärung der Frage, wem diese Liegenschaften gehören sollen, duldet keinen Aufschub mehr.

Danke schön.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Für die CDUFraktion spricht Herr Prof. Bolick.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn die PDS eine Sache zum Thema der politischen Diskussion macht, bedeutet das noch lange nicht, dass an der Sache etwas dran ist oder dass damit in irgendeiner Weise eine Verbesserung verbunden wäre.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sie haben es nicht erkannt!)