Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird das 1994 in Kraft getretene Heilberufekammergesetz erstmals geändert. Bei dieser Änderung geht es in erster Linie um die Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Recht. Darüber hinaus hat sich nach zehn Jahren praktischer Erfahrungen an einigen Stellen Novellierungsbedarf herausgestellt. Die Änderung des Heilberufekammergesetzes betrifft nicht die breite Bevölkerung. Es ist ein Spezialgesetz für die verkammerten Heilberufe. Deshalb sind die Änderungen mit den Heilberufekammern einvernehmlich abgestimmt worden.
Erstens. Mit dem Gesetz soll das Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen unzureichender Umsetzung der EURichtlinie 93/16 EWG über die spezifische Ausbildung in der Allgemeinmedizin beendet werden. Dazu folgende kurze Erläuterung: Bislang erhalten in Deutschland Staatsangehörige aus anderen EU-Mitgliedstaaten mit einem Diplom über eine dreijährige spezifische Ausbildung in der Allgemeinmedizin die Bezeichnung Praktischer Arzt oder Praktische Ärztin.
Bei einer Weiterbildung in der Allgemeinmedizin von gegenwärtig fünf Jahren nach deutschem Recht wird dagegen die Weiterbildungsbezeichnung Facharzt oder Fachärztin für Allgemeinmedizin vergeben. Die EUKommission sieht darin eine Benachteiligung von EUStaatsangehörigen. Das EU-Recht fordert nämlich eine einheitliche mindestens dreijährige Weiterbildung in der Allgemeinmedizin mit einer einheitlichen Bezeichnung.
Das Nebeneinander der dreijährigen allgemeinmedizinischen Weiterbildung nach EU-Recht und der in Deutschland üblichen fünfjährigen Weiterbildung nach der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer wird für unzulässig erachtet. Mit der Neufassung des § 29 wird nunmehr dieser Dualismus beendet und den EUrechtlichen Vorgaben entsprochen.
Zweitens. Das Gesetz dient der Umsetzung der EURichtlinie 2001/19 EE, mit der die sektoralen Richtlinien zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise geändert worden sind. Künftig sind bei der Anerkennung von Diplomen auch Berufserfahrungen und Zusatzausbildungen angemessen zu berücksichtigen. Die EUKommission hat in dieser Sache bereits Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen verspäteter Umsetzung der Richtlinie erhoben. Dabei geht es jedoch nicht nur um akademische Heilberufe, sondern auch um weitere Berufe, die einer besonderen Zulassung bedürfen, wie zum Beispiel Architekten und Lehrer.
Drittens. Im neuen § 5a wird die Tätigkeit der nach Landesrecht zu bildenden Ethik-Kommission auf eine gesetzliche Grundlage gestellt, und zwar nach dem Arzneimittelgesetz, dem Medizinproduktegesetz, dem Transfusionsgesetz, der Strahlenschutzverordnung und der Röntgenverordnung. Für den universitären Bereich wird die Aufgabe den bei den medizinischen Fakultäten gebildeten Ethik-Kommissionen zugewiesen. Im Übrigen wird die Aufgabe der Ethik-Kommission der Sächsischen Landesärztekammer übertragen.
Viertens. Das bisherige in § 16 Abs.4 Heilberufekammergesetz normierte Verbot, eine ärztliche, zahnärztliche oder tierärztliche Praxis in der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts zu führen, wird aufgehoben. Dadurch haben Praxen gleiche Entwicklungschancen wie die medizinischen Versorgungszentren. Dafür wurden Regelungen aufgenommen, die auch bei Ausübung des Heilberufes in der Form einer juristischen Person des Privatrechts gewährleisten, dass die Ausübung der Heilkunde eine eigenverantwortliche, unabhängige und nichtgewerbliche Tätigkeit bleibt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Gesetzgebungsvorhaben ist sehr dringend. Die eingereichte Klage der EU-Kommission wegen verspäteter Umsetzung und das Vertragsverletzungsverfahren wegen unzureichender Umsetzung der Richtlinie 93 16 EWG erfordern unverzügliches Handeln des Gesetzgebers.
Wir konnten das Heilberufekammergesetz nicht schon früher novellieren, weil die Bundesärztekammer während des Vertragsverletzungsverfahrens zur spezifischen Ausbildung in der Allgemeinmedizin eine neue Weiterbildungsordnung mit einer neuen Bezeichnung für Allgemeinmediziner beschlossen hatte. Deshalb mussten gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung und mit der Bundesärztekammer zuerst die Kompatibilität dieser neuen Weiterbildungsordnung mit dem EU-Recht und die Auswirkungen auf das laufende Vertragsverletzungsverfahren geklärt werden. Dieser Prozess war sehr zeitaufwändig, aber letztlich erfolgreich. Das Ergebnis ist in den neu gefassten § 29 eingeflossen. Jetzt sind wir rechtlich auf der sicheren Seite.
Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur Änderung des Sächsischen Heilberufekammergesetzes und des Heilberufezuständigkeitsgesetzes an den Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Familie, Frauen und Jugend – federführend – und an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss; an den Ausschuss für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien; an den Haushalts- und Finanzausschuss und an den Ausschuss für Schule und Sport zu überweisen. Wer dem Vorschlag der Überweisung an diese Ausschüsse zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das kann ich nicht erkennen. Damit ist die Überweisung einmütig beschlossen worden und der Tagesordnungspunkt kann beendet werden.
1. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Umsetzung verfassungsrechtlicher Vorgaben zur akustischen Wohnraumüberwachung
Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es spricht daher nur die Einreicherin, die Fraktion der GRÜNEN. Herr Abg. Lichdi, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte anwesende Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ich habe leider einen Hexenschuss, deswegen sieht es etwas seltsam aus.
Der Sächsische Verfassungsgerichtshof hat mit seiner Entscheidung vom 21. Juli 2005 der CDU-Regierung mal wieder eine kräftige Ohrfeige versetzt. Die obersten sächsischen Richter erklärten die Zuständigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz zur Beobachtung der so genannten organisierten Kriminalität für verfassungswidrig.
Auf Ihren Antrag hin; vielen Dank. – Weiterhin erklären sie die Regelung des Großen Lauschangriffs, also das Abhören von Wohnungen durch Wanzen oder Richtmikrofone, für verfassungswidrig. Der Verfassungsgerichtshof hat dem Landtag eine Frist bis zum 30.06.2006 gesetzt, um verfassungskonforme Zustände herzustellen. Der Landtag sollte sich aber nicht so lange Zeit lassen; denn der Schutz der Wohnung, des Kernbereichs privater Lebensgestaltung, das Grundrecht auf unbeobachtete Kommunikation sowie das Recht, in Ruhe gelassen zu werden – wie es das Gericht formuliert –, gebieten es, schnell zu handeln.
Meine Fraktion legt daher heute einen umfangreichen Gesetzentwurf zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes und des Polizeigesetzes vor, um schnell verfassungskonforme Zustände herzustellen.
Zunächst zur Zuständigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz für die Beobachtung der organisierten Kriminalität. Das Urteil des Verfassungsgerichtshofes gründet sich auf Artikel 83 der Sächsischen Verfassung von 1992. Dieser regelt ausdrücklich – und durchaus abweichend von anderen Bundesländern –, dass der Freistaat – Zitat – „keinen Geheimdienst mit polizeilichen Befugnissen unterhält“.
Dieses Trennungsprinzip des Artikels 83 gebietet nicht nur eine organisatorische Trennung zwischen Polizei und dem Geheimdienst, genannt Verfassungsschutz, sondern eine Trennung polizeilicher und geheimdienstlicher Aufgaben.
Erstens historisch-politisch. Artikel 83 soll verhindern, dass ein Geheimdienst entsteht, der – wie die Stasi – mit nachrichtlichen Mitteln – Zitat – “in weite Bereiche der Gesellschaft eingreifen kann“. Diesem Erbe aus der Revolution 1989 fühlt sich meine Fraktion weiterhin verpflichtet. Wir sind daher sehr froh, dass der Verfassungsgerichtshof Artikel 83 nicht zur leeren Worthülse verkommen lässt, sondern ihn für die Verfassungswirklichkeit anwendet. Nach dem Motto „Wehret den Anfängen!“ setzt er der Ausdehnung der Aufgaben des Verfassungsschutzes eine klare Grenze.
Zweitens stützt sich der Verfassungsgerichtshof auf ein rechtsstaatliches Argument. Da der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel durch den Geheimdienst letztlich immer dann schon zulässig sei, wenn – Zitat – „nach geheimdienstlichen Erfahrungen eine Entwicklung möglich erscheint, die zur Beeinträchtigung von Verfassungsgütern führen kann“, ist der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, wie etwa eines Lausch- oder Spähangriffs, gerade nicht durch besondere – Zitat – „rechtsstaatlich ausgeformte Handlungsschwellen begrenzt“.
In einfachem, unjuristischem Deutsch bedeutet das: Da keine weiteren Hürden für die Anwendung nachrichten
dienstlicher Mittel bestehen, kann der Verfassungsschutz im Grunde tun und lassen, was er will. Der Verfassungsgerichtshof schließt daraus, dass der Aufgabenbereich des Verfassungsschutzes möglichst eng gefasst bleiben muss. Das Gericht schließt daher aus der Weite der Befugnisse des Landesamtes die Notwendigkeit einer Einschränkung des Verfassungsschutzes, oder: Weil der Verfassungsschutz fast alles machen kann, darf er nur wenige Aufgaben haben. Der Verfassungsschutz ist daher auf seinen hergebrachten Aufgabenbereich zu beschränken, und zu diesem hergebrachten Aufgabenbereich gehört die Beobachtung der OK eben gerade nicht. Dies ist die eindeutige Aussage des Verfassungsgerichtshofes,
und wenn der Herr Innenminister de Maizière – er ruft es schon dazwischen; vielen Dank! – schon am 21. Juli in einer Pressemitteilung der Öffentlichkeit mitteilt, dass er beabsichtigt, an dieser Zuständigkeit festzuhalten, dann mag er sich möglicherweise auf eine juristischtheoretische Konstruktion berufen. In der Sache hat er allerdings keinen Hinterhalt; denn, wie auch schon beispielsweise der Experte des Bundeskriminalamtes Herr Ratzel in der Anhörung im November 2002 zum Ausdruck gebracht hat, es ist nicht gerade das Bestreben der so genannten organisierten Kriminalität, den Staat anzugreifen. Es ist also ein rein theoretisches Konstrukt. Ich bin wirklich gespannt, wie Sie das, wenn Sie Ihren Gesetzentwurf endlich vorlegen, tatsächlich begründen wollen.
Nun zum zweiten großen Thema unseres Gesetzentwurfes, dem Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Das großartige Urteil des Bundesverfassungsgrichts vom 3. März 2004 lässt sich wie folgt zusammenfassen: Es gibt einen Kernbereich privater Lebensgestaltung, in den der Staat in keinem Fall eingreifen kann – und das ist die Pointe –, auch nicht zur Verfolgung schwerer Straftaten. Das höchste deutsche Gericht zieht damit endlich eine Grenze gegen die sich seit 15 Jahren immer weiter verschärfende Tendenz zur Unterwerfung der Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger unter staatliche Interessen. Es ist zu beachten: Das Urteil ist zwar zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung bei einem Lauschangriff zu Strafverfolgungszwecken ergangen, da der Schutz des Kernbereichs aber in Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz, also der Menschenwürde, gründet, gelten die Aussagen auch für polizeiliche Lauschangriffe zur Gefahrenabwehr, für die Telefonüberwachung wie überhaupt für jeden Kernbereichseingriff. Daher regeln wir nicht nur den Lauschangriff im Verfassungsschutzgesetz neu, sondern auch im Polizeigesetz. Im Polizeigesetz dehnen wir darüber hinaus den Schutz durch eine Neuregelung des § 39 Abs. 2 auch auf den Einsatz so genannter besonderer Mittel aus.
Das Bundesverfassungsgericht belässt es aber nicht bei der materiell-rechtlichen Aussage, dass der Kernbereich geschützt ist. Es verlangt auch verfahrensrechtliche Vorkehrungen zur Verhütung eines Eingriffs in den
Kernbereich privater Lebensgestaltung. Wir nehmen diese Forderung auf und erweitern sie. Wir binden die Eingriffsbefugnis an einen Straftatenkatalog, der die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts umsetzt, dass ein Lauschangriff nur zur Abwehr von Straftaten erlaubt ist, die in der Höchststrafe mit mehr als fünf Jahren bedroht sind.
Die Rechtslage ist völlig anders. – Ihre unqualifizierten Äußerungen von der Seite bitte ich Sie zu unterlassen, Herr de Maizière. Sie haben gar nicht gehört, was er gesagt hat. Das möchte ich hier nicht wiederholen.
Die Anordnung muss durch eine Gerichtskammer und nicht mehr nur durch einen Einzelrichter ergehen. Die Anordnung ist auf einen Monat zu befristen. Wir regeln ausdrückliche Mindestinhalte der gerichtlichen Anordnung. Dies ist einer der vielen Unterschiede in der Qualität zum Entwurf der FDP, der gleich vorgestellt werden soll. Das Gericht ist laufend über den Verlauf der Abhörung zu unterrichten.
Angesichts der fortgeschrittenen Zeit möchte ich nur auf wenige Punkte hinweisen. Im Gegensatz zu der Neuregelung der Strafprozessordnung verlangen wir eine so genannte Echtzeitüberwachung. Wir gestatten es nicht mehr, dass die Gespräche aufgezeichnet werden und später ein Beamter die Gespräche abhört und dann feststellt, ob vielleicht ein Kernbereichseingriff vorliegt oder nicht. Wir halten dies mit dem präventiv notwendigen Schutz des Kernbereiches für nicht vereinbar. Besonderen Wert legen wir auf die nachträgliche Benachrichtigung der Betroffenen eines Lauschangriffes. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass jeder von einem Lauschangriff Betroffene das Recht hat, wenigstens nachträglich informiert zu werden. Dieses Recht gründet im Recht auf effektiven Rechtsschutz nach Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz sowie im Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13 Grundgesetz.
Leider ist die nachträgliche Benachrichtigung keinesfalls der Normalfall. So hat eine rechtstatsächliche Studie des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht festgestellt, dass in 36 % der untersuchten Akten eine Benachrichtigung unterblieben ist. Diesen Zustand wollen wir nicht weiter hinnehmen. Wir fassen daher die Ausnahmegründe für eine Nichtbenachrichtigung wesentlich enger als die Reform der StPO. Eine Ausnahme soll nur noch möglich sein, wenn bei Benachrichtigung Leib, Leben oder Freiheit einer Person gefährdet oder die mit abgehörte Person nur mit unzumutbar aufwändigen Ermittlungen zu ermitteln wäre.
Unser Gesetzentwurf regelt noch weitere Dinge wie etwa die so genannten bemannten Wanzen oder die Übermittlung von Erkenntnissen aus Lauschangriffen von anderen Behörden. Dies kann ich hier leider nicht weiter ausführen. Ich hoffe aber, Herr Staatsminister, und ich hoffe dies auch gegenüber den Koalitionsfraktionen, dass es in den Ausschüssen anders als sonst einmal zu einer echten inhaltlichen Diskussion über unseren Gesetzentwurf kommt. Dazu wäre es hilfreich, wenn die Koalition ihren angekündigten Gesetzentwurf möglichst bald vorlegen würde.
Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur Umsetzung verfassungsrechtlicher Vorgaben zur akustischen Wohnraumüberwachung an den Innenausschuss – federführend – und an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss zu überweisen. Wer dem Vorschlag der Überweisung an diese Ausschüsse zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? – Kann ich nicht erkennen. Stimmenthaltungen? – Eine Stimmenthaltung. Damit ist die Überweisung an diese Ausschüsse beschlossen und dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.
ist aufgerufen. Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache zu führen. Es spricht daher nur die Einreicherin, die FDP-Fraktion. Herr Dr. Martens, bitte.