Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! 907 Touristenbusse wurden vom 1. bis 4. Advent letzten Jahres allein in der Stadt Annaberg-Buchholz gezählt. Meine Damen und Herren, diese Zahl macht deutlich, dass die wirtschaftliche Grundlage des Erzgebirges zu ganz wesentlichen Teilen auf dem Image als Weihnachtsland beruht. Touristen aus ganz Deutschland, ja aus der ganzen Welt finden gerade im Dezember in Scharen den Weg dorthin. Darüber freuen wir uns. Das Erzgebirge im Advent ist Sachsens Botschafter in aller Welt und wir wollen, dass dies auch so bleibt.
Händler und Werberinge scheuen zusammen mit den Städten und Gemeinden weder finanziellen Aufwand noch Mühe, das Erzgebirge herauszuputzen und den Besuchern vielfältige Veranstaltungen zu bieten. Im Gegenzug haben einige Städte während der letzten 15 Jahre tatsächlich erlaubt, dass an den Nachmittagen der Adventssonntage Innenstadtläden geöffnet haben. In Annaberg-Buchholz beispielsweise gibt es diese Praxis, wie ich mir habe sagen lassen, bereits seit 1924, sodass man mit Fug und Recht von einer stolzen Tradition sprechen kann. Auch das Modegeschäft am Markt oder der Uhrmacher, kurz: Läden, die nicht nur traditionelle erzgebirgische Volkskunst verkaufen, hatten die Möglichkeit, die Versorgung der vielen Weihnachtslandbesucher auch am Sonntag mit zu sichern – eine pragmatische Lösung, wie ich finde, angesichts der enormen Aufwendungen, aber auch Belastungen, die diese Händler seit Jahren tragen.
Jetzt heißt es aber, Gerichtsentscheidungen, die im Zusammenhang mit den Ausnahmen vom Ladenschluss bei der Flut ergangen sind, ließen die bisherige Praxis nicht mehr zu. Ausnahmen dürften nicht mehr wie bisher auf § 23 des Ladenschlussgesetzes gestützt werden. Schon im letzten Jahr wurden deshalb Bußgeldbescheide gegen Händler verhängt, die trotz Verbot an Sonntagnachmittagen geöffnet hatten.
Wenn nicht bald etwas passiert, werden wir in drei Monaten dasselbe erfahren, nur mit der Steigerung, dass im Wiederholungsfalle die Bußgelder vielleicht höher ausfallen oder die Läden geschlossen werden müssten mit Folgen, die richtig wehtun.
Wir wollen, dass die Innenstadtläden insbesondere im Erzgebirge im Rahmen traditioneller Weihnachtsmärkte, wie jahrelang in der Vergangenheit praktiziert, auch künftig geöffnet haben dürfen.
Wir wollen keine Ausweitung der Ladenöffnung an Sonntagen, aber auch keine Einschränkung. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir mit dem heutigen Landtagsbeschluss über den Antrag, den die Koalitionsfraktionen eingebracht haben, diesen politischen Willen unmissverständlich dokumentieren. Lösungen sind immer dann am ehesten zu finden, wenn alle Beteiligten im Ziel einig sind und gemeinsam an der Umsetzung arbeiten.
Wir bitten die Staatsregierung, den zuständigen Landkreisen und Städten Hilfestellungen zu geben, wenn es darum geht, wie wir diesen politischen Willen am besten durchsetzen können. Darüber, wie und auf welcher Rechtsgrundlage das im Einzelnen geschehen sollte, sollten sich die Fachleute Gedanken machen. Die Staatsregierung weist zu Recht auf die Schwierigkeiten mit der bisher angezogenen Ausnahmeregelung nach dem berühmten § 23 des Ladenschlussgesetzes hin.
Es mag sein, dass wir hier in Sachsen aufgrund der jüngsten Urteile eine besondere Situation haben. Dennoch muss ein Blick über unseren Horizont erlaubt sein. Die Küstenländer Schleswig-Holstein und MecklenburgVorpommern stützen ihre Regelungen für den Sonntagsverkauf in Badeorten seit Jahren auf genau diese Ausnahmevorschrift. Auch in Bayern greift man bei außergewöhnlichen Festen, wie zum Beispiel der Landshuter Hochzeit, auf diese Vorschrift zurück.
Vielleicht sollte man sich doch noch einmal über Ländergrenzen hinweg miteinander verständigen und prüfen, ob sich nicht doch ein Ausweg findet. Und wenn letztlich doch nur die Sonderregelung nach § 10 einschlägig wäre, die besagt, dass in Kur-, Ausflugs-, Erholungs- und Wallfahrtsorten an Sonn- und Feiertagen zumindest der Verkauf eines eingeschränkten Warenkorbes zulässig ist, ist es ganz wichtig, dass die zuständigen Behörden, also
die Landratsämter, welche die Entscheidung treffen müssen, durch den heutigen Beschluss ermutigt werden, bei Ermessensentscheidungen auch unseren politischen Willen zu berücksichtigen.
Wir als CDU stehen für den Erhalt von Arbeitsplätzen gerade auch im Einzelhandel, genauso wie wir eine weitere ungehemmte Ladenöffnung an Sonntagen ablehnen.
Letztlich sind die beiden oben genannten Ansätze aber nur Stückwerk und bieten uns auf Dauer keine Rechtssicherheit. Deswegen unterstützen wir die Haltung der Staatsregierung, die Zuständigkeit zur Regelung der Ladenöffnungszeiten vom Bund auf die Landesebene zu verlagern.
Nur dann haben wir es im Freistaat Sachsen selbst in der Hand, auf die spezifischen regionalen Bedürfnisse, sei es im Erzgebirge oder anderswo in Sachsen, angemessen zu reagieren. Nur, wir brauchen jetzt Lösungen und nicht irgendwann, wenn der Bundesrat einmal entscheidet.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben, nachdem wir uns in den letzten Monaten schon mit Videotheken und Waschstraßen beschäftigen durften, erneut einen Antrag vorliegen, der sich um das Ladenschlussgesetz dreht. Allerdings – und das ist mir wichtig – müssen wir hierbei beachten, dass es zwei unterschiedliche Intentionen bei den Anträgen – einmal dem der Koalition und einmal dem der FDPFraktion – gibt.
Zum einen ist es der Antrag der Koalition, der den verständlichen Wünschen der Händler im Erzgebirge Rechnung tragen will, der im Rahmen der bestehenden geltenden Regelungen des bundesweit gültigen Ladenschlussgesetzes zu Ausnahmeregelungen kommen kann, die es den Händlern gerade für die Weihnachtszeit ermöglichen, in einer wirtschaftlich schwachen Region, dann aber auch durch den Tourismus gefördert, Umsätze zu erzielen. Denn ich glaube, dass neben dem Umsatz die Weihnachtszeit im Erzgebirge eine enorme kulturelle Bedeutung hat. Genau so ist unser Antrag zu verstehen.
Insofern ist es aus unserer Sicht folgerichtig, dass wir die Staatsregierung und damit das SMWA auffordern, im
Rahmen dieser gesetzlichen Möglichkeiten jede Form der Hilfestellung zu realisieren, damit vor Ort und auch für die Händler das gewünschte Ergebnis eintritt.
Aber auf der anderen Seite – auch das überrascht sicherlich die Kollegen der FDP-Fraktion nicht – geht es wieder nach der alten Manier der FDP darum, neben dem Thema Waschanlagen, neben dem Thema Videotheken grundsätzlich die Frage der Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten und vor allem die Übertragung der Regelungskompetenz zu untersetzen, sie mit einer – Zitat – „maximalen Ausschöpfung und dem Wegfall des Sonntagsschutzes“ zu erreichen. Genau diesen Forderungen werden wir als Koalition unsere Zustimmung nicht erteilen.
Erstens ist der Ladenschluss sinnvollerweise nach wie vor eine Regelung des Bundes, die dazu beitragen soll, dass wir in Deutschland keinen Flickenteppich mit unterschiedlichen Landesregelungen bekommen, die aus Sicht der Unternehmen nicht wettbewerbsfördernd sein können. Ich glaube, dass gerade dieses Bundesgesetz zum einen den Schutzmechanismus für Arbeitnehmer beinhaltet – das ist richtig –, aber auch – und darüber sollten Sie nachdenken – den Schutz vor Wettbewerb,
dass bei allen Händlern und all denen, die diesen Wettbewerb unterhalb gesetzlicher Grenzen und als unlauteren Wettbewerb vollziehen, ein Gesetz greift, das diese Schutzmechanismen mit sich bringt.
Die Sonn- und Feiertage – das muss ich Ihnen auch noch einmal mit auf den Weg geben, das habe ich Ihnen aber bereits bei der Debatte zu den anderen beiden Themen vor zwei Monaten gesagt – haben nun einmal einen besonders verfassungsrechtlich geschützten Charakter und ich glaube auch, dass das gut so ist.
Insofern kann ich an dieser Stelle meinen Kollegen Petzold nur unterstützen und mich wiederholen: Mit dem Rahmen, den das Bundesgesetz vorgibt, gibt es genügend Ausnahmemöglichkeiten. Da sind in der Tat die Landräte, da sind die Oberbürgermeister gefordert, Flagge zu zeigen, und sie können nicht darauf warten, dass ihnen irgendjemand diese Entscheidung abnimmt.
Zweitens – auch das ist ein Punkt, auf den ich eingehen möchte: Ich will, nachdem Sie, Herr Günther, mit wissenschaftlichen Zahlen Ihren Vortrag zu untermauern versucht haben, zurückschauen darauf, was die Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten in den letzten Jahren wirklich gebracht hat. Wenn Sie sich einmal eine Vorlage des Ifo ansehen – nun kann man sicherlich nicht sagen, dass das Ifo der besonders gewerkschaftsnahe Flügel sei –: Das Ifo hat im Jahr 1999 gemeinsam mit der Sozialforschungsstelle eine Untersuchung zu der Frage durchgeführt, was sich nach der dreijährigen Praxis seit 1996
verändert hat, als das Ladenschlussgesetz schon einmal novelliert worden ist – im Übrigen auf Antrag der FDP. Damals gab es Bundestagsdebatten, in denen Vertreter der FDP davon gesprochen haben, dass es sinnvoll und notwendig sei, 1996 das Gesetz zu ändern, weil – auch da zitiere ich aus Protokollen – man davon ausgeht, „dass dadurch rund 50 000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden und von einem Umsatzplus von 20 Milliarden DM auszugehen ist“.
Weder das eine noch das andere ist nach den Untersuchungen des Ifo eingetreten. Mich überrascht das nicht. Aber was eingetreten ist, ist – und das hat das Ifo festgehalten –, dass es in diesem Zeitraum eine Ausweitung von Discountern gegeben hat, dass es eine Ausweitung von Handelsketten und im Gegenzug einen Rückgang von kleinen und mittelständischen Betrieben und damit auch einen Abbau von Arbeitsplätzen gegeben hat.
Mitte 2003 – auch das möchte ich Ihnen gern in Ihr Stammbuch schreiben – kam es erneut zu einer Ausdehnung der Öffnungszeiten im Rahmen des Ladenschlussgesetzes, indem man dann die Montags- bis Samstagsausdehnung auf 20 Uhr per Gesetz beschlossen hat. Das heißt, man kann jetzt, um das Ganze noch einmal in Zahlen zu fassen, an 86 Stunden in der Woche verkaufen und kaufen. 86 Stunden in der Woche kann man kaufen und verkaufen!
Bei diesem Vorhaben – das überrascht Sie wahrscheinlich wiederum nicht – gab es die gleichen Argumente: Es würde den Umsatz steigern, es würde die Sicherung der Beschäftigung bringen und der Einzelhandel würde damit aus einer schwierigen Phase gerettet.
Wir müssen wieder feststellen, dass diese Prognosen nicht eingetreten sind. Jetzt zitiere ich den Sächsischen Einzelhandelsverband und nicht die Gewerkschaft ver.di, die Sie anscheinend hier im Haus zu Ihrem Feindbild erklärt haben. Der Sächsische Einzelhandelsverband spricht davon, dass im Zeitraum von 2003 bis 2005 die Zahl der Vollzeitbeschäftigten von 100 000 auf 80 000 gesunken ist, gleichzeitig die Verkaufsfläche pro Beschäftigten zugenommen und eine deutliche Abnahme der Zahl sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze stattgefunden hat. Diese wurden durch so genannte Minijobs ersetzt. Insofern ist davon auszugehen, dass gerade für kleine und mittelständische Unternehmen eine Ausweitung der Ladenöffnungszeiten nicht sinnvoll ist und eben nicht zur Arbeitsplatzsicherheit beiträgt.