Protokoll der Sitzung vom 23.09.2005

Deshalb wissen Sie ganz genau, dass am 19.10.2005 die Frist abgelaufen ist. Wenn die Abgeordnetenanklage am 19.10.2005 nicht beim Verfassungsgerichtshof eingegangen ist, ist wieder die Verfristung, sprich ein „Stuhlurteil“, sicher. Sie wissen auch ganz genau, dass Sie nach dem Prozedere, das unsere Richtlinien jetzt vorschreiben, unter keiner Voraussetzung die Chance haben, bis zum 19.10. diese Klageschrift beim Verfassungsgerichtshof zu haben, weil das nämlich, wenn Sie heute so entscheiden, zunächst an den Immunitätsausschuss gehen muss. Dann muss der Immunitätsausschuss mit Ladungsfrist wieder Porsch einladen, muss ihn und seinen Anwalt anhören. Der muss die Möglichkeit haben, entsprechende Anträge zu Beweiserhebungen zu stellen. Es muss den Beweiserhebungen nachgegangen werden. Es muss danach eine Beschlussempfehlung des Immunitätsausschusses gemacht werden. Diese muss in den Landtag, sie muss entsprechend mit zwei Lesungen behandelt werden. Dann

brauchen Sie das Quorum und dergleichen mehr. Sie haben nie die Chance, das bis zum 19.10.2005 zu erreichen. Das wissen alle in diesem Haus, die versucht haben, das Gesetz zu lesen, die versucht haben, sich auf die Ebene der Rechtsgrundlagen zu bringen, über die Sie heute entscheiden.

Demzufolge ist das, was Sie machen, schon allein aus diesem Grund rechtswidrig. Denn in jedem Verfahren – – Da kann mir Herr Dr. Martens gern nochmals widersprechen. Herr Lichdi ist gleich hinausgegangen, er stellt gleich Strafanzeige wegen Geheimnisverrat. Ist mir überhaupt noch völlig – – Das wissen Sie doch ganz genau, Sie können doch, wenn Sie ein Verfahren führen, bei dem Sie genau wissen, dass das Verfahren bis zur Verjährung nicht zum Ende kommt, nicht warten, bis der Verjährungstag eintritt, sondern Sie dürfen das Verfahren dann nicht weiterführen. Da ist das Verfahrenshemmnis doch schon vorher da. Das wissen Sie doch, oder Sie haben keine Ahnung vom Strafrecht, Kollege Dr. Martens.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Wenn ich genau weiß, dass in einem Monat die Frist herum ist, wenn ich genau weiß, dass in einem Monat die absolute Verjährungsfrist herum ist, kann ich nicht weiter ermitteln.

(Dr. Jürgen Martens, FDP: Andere Ansicht des Bundesgerichtshofes!)

Herr Bartl, könnten Sie sich etwas kürzer fassen?

Ich denke, es gibt keine Begrenzung der Redezeit?

Wir hatten eine Richtzeit von 5 Minuten.

(Zurufe von der Linksfraktion.PDS: Das haben wir aber nicht gewusst!)

Ja, ich habe es nicht gesagt. – Aber es sind mittlerweile schon 10 Minuten.

Herr Präsident, ich bitte doch darum, dass mir die Redezeit vorher bekannt gegeben wird.

Ja, das ist richtig.

Das habe ich nicht gewusst. – Deshalb sage ich: Allein die Tatsache, dass Sie genau wissen, dass es nie zu einer rechtsförmlichen Erhebung der Abgeordnetenanklage wird kommen können und dass Sie es trotzdem hier vor der Öffentlichkeit durchziehen, ist Bestätigung dessen, was mein Kollege Hahn gesagt hat: Es geht einfach um einen politischen Akt. Es geht darum, dieses Thema solange es immer geht gegen die Linkspartei zu verwenden,

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Widerspruch bei der CDU)

um diese sozialistische Idee aus den Köpfen der Menschen herauszuprozessieren,

(Ach! bei der FDP)

natürlich! –, ihnen klar zu machen, dass all das, was diese Idee ist, gleichzusetzen ist mit Staatssicherheit, mit Vergehen, mit Verbrechen und allem Drum und Dran.

(Holger Zastrow, FDP: Das haben sie schon begriffen!)

Herr Zastrow! – Natürlich ist das das Hauptproblem! Selbstverständlich ist es das Hauptproblem!

(Holger Zastrow, FDP: Quatsch!)

Warum sagen wir nicht mit aller Ruhe und Gediegenheit in Anbetracht der Tatsache, dass es bereits vier Verwerfungen durch den Verfassungsgerichtshof gibt und dass es im Bewertungsausschuss – –

(Zuruf des Abg. Heinz Eggert, CDU)

Lassen Sie mich doch erst einmal zum Ende kommen. Sie sind doch kein Hellseher, Sie sind doch nur Pfarrer. – Warum ist nicht mit aller Ruhe und Gediegenheit im Bewertungsausschuss tatsächlich den Anträgen des Herrn Porsch nachgegangen und gesagt worden: Jawohl, wir prüfen, und zwar indem wir Menschen hören und nicht nur nachlesen, ob das, was er einredet, nämlich dass er unter einer Legende abgeschöpft worden ist, wahr ist. Ob Sie es hinterher glauben, ist gar nicht meine Frage.

Fakt ist: Wenn der Bewertungsausschuss – dies ist gestern auch dargelegt worden, ich muss es sehr wohl der Öffentlichkeit sagen dürfen, ich lasse gern die Schmach über mich ergehen – es für richtig hält, wenn der Anwalt von Prof. Porsch 2005 sagt: Wir bestreiten die Richtigkeit der Akten, Beweis, eidesstattliche Versicherung von vier Menschen, die sagen: Wir sind Porsch unter Legende begegnet und haben nicht abgeschöpft. Diesen Antrag haben die vier Menschen gestellt. Die vier Menschen hört jetzt der Ausschuss an und danach entscheiden wir.

(Zuruf des Abg. Heinz Eggert, CDU)

Der Ausschuss sagt: Nein, der Akte der Staatssicherheit ist zu glauben. Dann wissen Sie ganz genau, dass Sie damit zum Beispiel im Gegensatz zum Bundesverfassungsgericht, zum Bundesverwaltungsgericht handeln – was im Falle Kohl immer gesagt wurde: kein Urkundencharakter. Sie setzen sich damit in Widerspruch zu den Entscheidungen der Gerichte, die alle bisher gesagt haben: Das, was in der Akte steht, ist kein Beweis, trägt keinen Urkundencharakter. Wenn es Menschen gibt, die unter eidesstattlicher Versicherung sagen, es sei anders gewesen, ist durch deren Einvernahme aufzuklären, ob es anders war, und können dann erst verurteilt werden und dergleichen mehr.

Sie haben sich nur deshalb entschieden – dies sage ich auch – unter allen Sonderaufgaben – Abholung von der Kur, aus dem Urlaub und allem Drum und Dran –, die Beschlussempfehlung vorher noch zu machen, damit Sie

vor dem 18.09., vor dem Tag der Bundestagswahl, in der Präsidiumssitzung beantragen können, dass die Beschlussempfehlung auf die Tagesordnung der Landtagssitzung nach der Bundestagswahl kommt. Am selben Tag, an dem die Beschlussempfehlung beschlossen war, kommt die Indiskretion in die Presse, dass es um den Fall Porsch geht. Nur um die Frage ging es. Das war Ihr Timing. Am Tage der Eröffnung der Landtagswahl durch die damalige PDS in Leipzig kam die Veröffentlichung zu Porsch, exakt auf den Tag der Eröffnung in Leipzig. Hier wurde exakt zwei Tage vor der Bundestagswahl bekannt, dass das Problem der Abgeordnetenanklage von Porsch demnächst in der Beschlussempfehlung dran ist. Wer das bestreitet und die Zusammenhänge den Leuten aus dem Kopf reden will, hält die Wähler für beschränkte „Bild“Zeitung-Leser. Glauben Sie, dass die Leute so unwissend sind, dies abzunehmen? Der Wähler weiß doch, was hier passiert, was Sie wollen und was Sie bezwecken?

(Zuruf von der CDU)

Dies ist das Problem. Es ist wirklich unerträglich. Es ist eine schwer zu verdauende Frage, es ist mir völlig klar. Nein, nein – Sie bekommen es nicht billiger. Sie wissen ganz genau, Sie haben es bis hin zur Nichteinhaltung von Vorschriften getrieben, die Sie selbst beschlossen haben. Dazu sagen wir: Dies geht gar nicht per Beschluss, dies geht nur per Gesetz. Sie können in ein freies Mandat nur in einer Einheit von materiellrechtlich-gesetzlichen Regelungen und prozessrechtlich-gesetzlichen Regelungen eingreifen, was einfach nicht in Ihren Kopf hinein will. Wir haben es gestern versucht.

Es bleibt nichts übrig, als es einfach noch einmal in der Öffentlichkeit zu sagen: Es ist mitnichten so, dass letzten Endes entscheidend ist, was herauskommt an Ergebnissen, an Beweiswürdigung, egal, wie das Verfahren ist. Wer den Standpunkt hat, der muss auch Folter zulassen – sicher, wenn Sie davon ausgehen, es muss in das gesetzliche Verfahren eingegriffen werden.

Es ist gestern wieder gesagt worden: Das sind nur Winkeladvokatenredereien. „Winkeladvokatenredereien“ wurde mir gesagt, nachdem ich geäußert hatte: Sie haben laut Beschlussrichtlinie den Geschäftsgang, den Beratungsgang darzustellen. Sie haben laut Beschlussrichtlinie dies zu tun, Sie haben die Beweise zu hören. Darauf ist mir gesagt worden: Das sind nur Winkeladvokatenredereien.

Natürlich, entweder Sie begreifen es nicht oder Sie ignorieren es einfach. Ich unterstelle zu Ihren Gunsten das Letztere, dass Sie es einfach ignorieren. Es ist entscheidend in der Abgeordnetenanklage, dass sie in materiellrechtlicher und prozessrechtlicher Hinsicht in Ordnung sein muss, sonst fliegt sie Ihnen immer um die Ohren. Es ist diese Tatsache, dass Sie ohne Gnade und ohne Rücksicht einfach auf Tempo gesetzt haben und jetzt auf Tempo setzen, um Effekte in der Öffentlichkeit zu erhaschen, eine Abrechnung mit der Linkspartei haben wollen und dass Sie – ich sage es wie Kollege Hahn – auch kein

Problem haben, die SED ins Boot zu holen. Damit haben Sie überhaupt kein Problem.

Das ist mein Problem, zu dem ich sage, das solle man gut überlegen. Die Geschichte ist immer nach vorn offen und über das, was Sie machen, werden vielleicht andere Generationen auch Fragen stellen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wird von den Antragstellern das Wort gewünscht? – Die FDP, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auch wie in der gestrigen Sitzung auf das eingehen, was Kollege Bartl hier zu diesem Antrag vorgetragen hat, weil es nicht unwidersprochen bleiben kann.

Sie haben gesagt, Kollege Bartl, der Artikel 118 würde einzig dastehen und das freie Mandat beeinträchtigen. Er beeinträchtigt nicht das freie Mandat, sondern er gibt in einem sehr komplexen Verfahren die Möglichkeit, dem gerecht zu werden, was die Verfassungsväter aus ihrer Erfahrung aus der Zeit vor 1989 diesem Parlament mit in die Wiege legen wollten. Was weiterhin erforderlich ist – sich dessen zu vergewissern, was wirklich für ein Mandat notwendig ist –, diesen Ansprüchen muss man genügen im Hinblick auf die historische Erfahrung der Menschen hier in Sachsen. Artikel 118 ist insofern einmalig, er gibt eine rechtsförmliche Möglichkeit, über den Antrag zu sprechen, wie wir es heute hier tun.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, PDS)

Herr Bartl, mit Ihren Angriffen gegen Artikel 118 führen Sie noch einmal die Schlacht, die Sie 1991 verloren haben. Dies hilft uns nicht weiter. Sie sagen: Jeder kann sich ändern. Dies sei das Grundprinzip der Verjährung. – Richtig, dies setzt jedoch Einsicht voraus.

(Beifall bei der FDP, der CDU und den GRÜNEN – Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS, steht am Mikrofon.)

Sie sagen jetzt, das sei der reine Zeitablauf. Sie haben davon gesprochen – –

(Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS: Trauen Sie sich jetzt zu antworten?)

Sie sagen, Verjährung habe etwas damit zu tun, dass man jemandem zubilligen muss, dass er sich ändern kann. Das ist richtig. Aber ich sage: Sich ändern hat auch etwas mit Einsicht zu tun.

(Beifall bei der FDP, der CDU und den GRÜNEN)

Es sind hierbei die juristischen Möglichkeiten, mit denen ich mich befassen muss. Sie sagen, wir könnten das Verfahren nicht führen, weil es Sachverhalte gäbe, die bereits vor dem 19.10.2004 bekannt gewesen seien. Dazu lassen Sie mich eines klarstellen: Dem 4. Sächsischen Landtag konnte etwas erst bekannt werden, nachdem er gewählt wurde.

(Beifall bei der CDU)

Dem 4. Sächsischen Landtag kann vor dem 19.09.2004 überhaupt nichts bekannt geworden sein.

(Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS: 19.10.!)