Protokoll der Sitzung vom 09.11.2005

Ich meine aber trotzdem, die CDU ist ungeachtet dessen der Auffassung, dass es sich bei der Debatte um Vaterlandsliebe um eine notwendige, längst überfällige Debatte handelt, die nicht nur in Sachsen, sondern in ganz Deutschland zu führen ist.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der NPD)

Ich will einmal sagen, dass auf den Gedanken schon andere gekommen sind. Darf ich daran erinnern, dass das Motto der SPD im Bundestagswahlkampf lautete „Vertrauen in Deutschland“. Immerhin läuft derzeit auch eine große Werbekampagne deutscher Medienunternehmen zum Thema „Du bist Deutschland“ – im Fernsehen, in den Kinos, in den Zeitungen und Zeitschriften und auf Großflächenplakaten. Wie ich in Erfahrung gebracht habe, beteiligt sich die „Deutsche Stimme“ daran nicht.

3. Dass Text und Melodie der Nationalhymne zum Allgemeingut jeder Nation gehören, ist wohl mehr als selbstverständlich. Sie zu kennen und bei passender Gelegen

heit zu singen ist guter Brauch. Dazu brauchen wir nicht die Belehrung der NPD.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Uwe Leichsenring, NPD: Aber Herrn Rößler brauchen wir!)

4. Wenn die NPD wirklich einen konstruktiven Beitrag zur Aufarbeitung deutscher Geschichte leisten will, dann soll sie den Menschen erklären, wie schändlich das Lied der Deutschen von den Nationalsozialisten umgedeutet und missbraucht worden ist, sodass es sich für alle Zeiten verbietet, die erste Strophe des Deutschlandliedes je wieder in den Mund zu nehmen.

(Beifall bei der CDU)

5. Sehr geehrter Herr Prof. Porsch, ich meine, anders verhält es sich mit der dritten Strophe, in der es um Einigkeit und Recht und Freiheit geht. Wenn Sie das nicht wollen, ist es Ihre Sache. Sie haben ja immer erklärt, Sie würden nicht mitsingen, weil Sie nicht singen könnten.

(Allgemeine Heiterkeit – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Ich singe jetzt mit!)

Nach dem Beitritt der neuen Länder zur Bundesrepublik Deutschland wurde sie, diese dritte Strophe, durch einen Briefwechsel des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker mit Bundeskanzler Helmut Kohl zur offiziellen Nationalhymne des vereinten Deutschlands erklärt.

6. Es ist nun – das geben wir zu – eine Initiative der sächsischen CDU, der deutschen Hymne die ihr zustehende Beachtung zu schenken und in den Schulen Kenntnisse darüber zu vermitteln, sofern wir damit nicht offene Türen einstoßen. Die NPD ist nach den ersten Pressemitteilungen als Trittbrettfahrer aufgesprungen – auch das lässt sich nicht verleugnen.

(Gelächter bei der NPD)

Allerdings können wir auf solche Hilfe verzichten.

(Beifall bei der CDU)

Übrigens brauchen wir den NPD-Antrag nicht, denn was wir angeregt haben, wird bereits umgesetzt. Der Kultusminister wird das dann in seinem Redebeitrag erläutern.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Danke schön. – Die Linksfraktion.PDS hat keinen Redner benannt. Hat sich das geändert? –

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Im Moment nicht!)

Im Moment nicht.

Die SPD-Fraktion ist jetzt durch Herrn Dr. Hähle vertreten worden. Die FDP-Fraktion; Herr Herbst, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erleben in

weiten Ansätzen eine äußerst skurrile Debatte, die nicht dazu beiträgt, das Bildungswesen in Sachsen zu verbessern.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion.PDS)

Mir ist jedenfalls in den letzten Monaten noch nicht zu Ohren gekommen – da haben wir hier im Plenum heftig über Bildungswesen und die Verbesserung von Bildungsqualität diskutiert –, dass irgendjemand bemängelt hätte, dass an sächsischen Schulen zu wenig Hymne gelehrt und gesungen würde. Das scheint nicht unbedingt ein vordringliches Problem der Eltern zu sein. Vielleicht sind das eher andere Leute, die sich an die CDU gewandt haben. Ich will auch in Richtung NPD ganz klar sagen: Was Sie hier versuchen – die CDU vorzuführen –, wird trotzdem nicht funktionieren, auch wenn Sie es immer wieder versuchen.

(Uwe Leichsenring, NPD: Aber wir haben gelacht! – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Das ist Ihnen überlassen.

Die FDP ist für einen aufgeklärten Patriotismus, und ich will klar sagen: Wir haben überhaupt nichts dagegen, dass die Hymne an Schulen behandelt wird, dass sie auch gesungen wird; sie ist schließlich ein nationales Symbol. Wir haben aber etwas dagegen, wenn Zwangssingen von Hymnen gerade in der Grundschule angeordnet wird.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion.PDS und vereinzelt bei der SPD)

Sie werden es mir nicht übel nehmen, denn ich darf das aufgrund meines Alters sagen: Mich erinnert das an etwas, und zwar an die DDR. Da hatten wir schöne Fahnenappelle, da standen wir dann so im Rechteck, und dort wurde kollektiv gesungen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Aber Sie durften die Hymne nicht singen!)

Nein, wir haben andere Lieder gesungen, aber nichtsdestotrotz.

Ich glaube nicht, dass wir in der heutigen Gesellschaft diese Art von Fahnenappellen wiederholen müssen.

(Beifall bei der FDP)

Es gibt sicher viele Wege, Patriotismus zu fördern, und ich sage ganz klar, man kann sich auch dazu bekennen, Patriot zu sein. Aber mir sind relativ wenige Länder auf der Welt bekannt – auch unter denjenigen, die den Patriotismus pflegen –, in denen das durch Verordnung, durch einen Parteitagsbeschluss oder einen Landtagsbeschluss herbeigesucht wurde.

(Zurufe der Abg. Frank Kupfer, CDU, und Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Wenn Sie sich hier so aufregen, dann kann ich nur sagen: Getroffene Hunde bellen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Karl Nolle, SPD)

Ich weiß nicht, ob in Ihrem Landtagsbüro beispielsweise die Deutschlandfahne oder das Wappen an der Wand hängt. Das ist in anderen Ländern, bei anderen Abgeordneten gang und gäbe. Wir können es gern einmal kontrollieren.

Im Übrigen erinnere ich mich daran: Wenn es darum ging, Schulen etwas vorzuschlagen, dann wurde gerade von Ihrer Fraktion in letzter Zeit immer gesagt, die FDP will denen hineinregieren; wir sind doch für Autonomie der Schulen, die sollen doch selbst entscheiden, wie sie damit umgehen. Warum wollen Sie jetzt den Schulen vorschreiben, dass die Hymne zwangsgesungen werden muss? Diese Notwendigkeit kann ich nicht erkennen.

Wir sind aber auch nicht der Meinung, dass wir die Notwendigkeit haben, unsere Hymne auszutauschen. Eine Hymne ist ein nationales Symbol. Man tauscht vielleicht seine Unterhosen, aber man tauscht mit Sicherheit nicht seine Hymne.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Thomas Colditz, CDU)

Was sind denn die nächsten Vorschläge? Dann überlegt man vielleicht, die Farben der Bundesflagge auszutauschen. Dann überlegt man vielleicht, den Bundesadler als Wappen zu ersetzen – vielleicht sind Hammer und Sichel besser –, also ich weiß es nicht.

(Heiterkeit bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Der Antrag und die Intention der NPD sind natürlich etwas anderes. Wenn man sich einmal betrachtet, wie beispielsweise mit der deutschen Hymne zu Zeiten des Dritten Reiches umgegangen wurde, dann stimmt eines: Die erste Strophe wurde missbraucht. Die dritte Strophe, die wir heute singen, wurde aus einem bestimmten Grund nicht gesungen: Der Text gefiel damals den Machthabern überhaupt nicht. Nur, zur Historie gehört eben auch, dass die Hymne eigentlich zu Zeiten des Dritten Reiches durch ein anderes Liedgut abgeschafft wurde, sie war ein Anhängsel. Was damals gesungen wurde, quasi als Ersatzhymne, das war das Horst-WesselLied. Sie mögen vielleicht, dass das an sächsischen Schulen gesungen wird – ich kann Ihnen nur sagen: Das wollen wir nicht!

(Uwe Leichsenring, NPD: Das steht aber in unserem Antrag nicht drin!)

Sie haben gesagt, das Hymnesingen ist die Minimalforderung der NPD – wahrscheinlich ist die Maximalforderung doch das Horst-Wessel-Lied.

(Lachen bei der NPD)

Ich kann nur sagen, meine Damen und Herren: Sie werden mit Ihrem Antrag hier scheitern, wir werden dem nicht zustimmen, und wir lassen uns von der NPD nicht vorschreiben, in welcher Art und Weise die Patriotismusdebatte in Deutschland und in Sachsen geführt wird.