Protokoll der Sitzung vom 07.12.2005

Etwas anderes muss dahinter stecken. Ich zitiere wiederum aus Ihrem Antrag: „Die Zukunftsfähigkeit von Volk und Staat ist in Gefahr.“

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hört, hört!)

Ja, da sind wieder die irrationalen Ängste nach dem Motto: „Die Deutschen sterben aus!“ Deshalb ist in Ihrem Antrag ja auch dauernd von der deutschen Mutter die Rede. Mütter ausländischer Herkunft, die in Deutschland leben, sollen ja von Ihren vermeintlichen Wohltaten nicht profitieren.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Uwe Leichenring, NPD: Die erhalten eine Fahrkarte! – Beifall bei der NPD)

Dabei hätten Sie in der Enquete-Kommission auch lernen müssen, dass, um dem Bevölkerungsrückgang zu begegnen, auch eine offene Zuwanderungspolitik ein adäquates Mittel wäre.

Der entscheidende Fehler Ihres Antrages ist freilich das reaktionäre Frauen- und Familienbild, das dahinter steht. Hätten Sie, wie gesagt, in der Enquete-Kommission besser zugehört, wüssten Sie, dass es nicht einfach zu wenig Geld ist, was junge Menschen davon abhält, Kinder in die Welt zu setzen. Wenn man überhaupt irgendeinen Grund in einer komplexen und komplizierten Welt ausmachen kann, dann sind es unsichere Zukunftsaussichten und die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Wir wissen ja, dass Weltoffenheit nicht gerade zur Stärke der NPD-Fraktion gehört, aber geschadet hätte es nicht, einmal den Blick über den Tellerrand zu wagen. Dann hätten Sie festgestellt, dass diejenigen europäischen Länder eine höhere Geburtenrate haben, die eine moderne Familienpolitik für Frauen und für Männer machen und nicht diesen reaktionären Kram anbieten. Genau deshalb ist auch nicht die NPD-Gebärprämie, sondern ein Elterngeld eine gute Idee. Das haben wir als Linkspartei.PDS im Wahlkampf gefordert. Auch die meisten anderen demokratischen Parteien haben es gefordert und es soll jetzt sogar unter einer CDU-geführten großen Koalition eingeführt werden. Es entspricht der modernen Welt, Familienförderung an dem Leitbild der Erwerbstätigkeit von Frauen zu orientieren.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Über die konkrete Ausgestaltung muss man natürlich streiten. Aber es geht im Kern darum, dass junge Frauen auch als Mütter eine berufliche Perspektive haben wollen. Sie wollen ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können.

Sie wollen etwas komplett anderes. Sie wollen Frauen von der Erwerbstätigkeit ausschließen. Sie wollen Alimentierung und Unmündigkeit. Sie wollen das Heimchen am Herd fördern.

(Widerspruch bei der NPD)

So steht es in Ihrem Antrag. Wen glauben Sie eigentlich mit Ihren reaktionären Vorschlägen hinter dem Ofen vorzulocken? Junge Frauen sind doch keine Gebärmaschinen, die man mit einer Prämie locken und dann simpel zum Funktionieren bringen kann. Davon abgesehen, geht Ihr Antrag an wichtigen Zielgruppen vorbei. Es sind eben nicht nur sozial schwache Familien, in denen wenige Kinder geboren werden. Es sind die überdurchschnittlich gebildeten Frauen, es sind viele Akademikerinnen darunter, die Sie mit Ihrem Müttergehalt von 1 000 Euro tatsächlich nicht dazu bringen, dass sie ihren Job an den Nagel hängen und das Heimchen am Herd spielen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ob es das geeignete Mittel ist, um Kinderarmut zu bekämpfen, das sei nun wirklich dahingestellt. Vielleicht denken Sie besser über die Einführung einer Kindergrundsicherung nach.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, den GRÜNEN und vereinzelt bei der FDP)

Was diese Frauen brauchen, meine Damen und Herren, ist nicht Ihre völkische Politik des Mutterkreuzes, sondern einen Job und die Möglichkeit, ohne große finanzielle Einbußen und ohne einen Karriereknick befürchten zu müssen, schnell wieder einsteigen zu können. Deswegen brauchen wir eine Lohnersatzleistung im Sinne eines Elterngeldes, genügend Krippenplätze und auch Arbeitsplätze mit flexiblen Arbeitszeiten. Davon gibt es viel zu wenige.

Herzlichen Dank. Gestatten Sie mir zuletzt noch eine Bemerkung als kinderlose Frau im so genannten gebärfähigen Alter. Ich gehöre ja gewissermaßen zur Zielgruppe Ihres Antrages. (Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Möchte die SPDFraktion sprechen? – Gut, die Rede vorhin war für die Koalition. Ich frage die FDP-Fraktion. – Kein Bedarf. Ich frage die Fraktion der GRÜNEN. – Auch kein Bedarf. Gibt es weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Herr Abg. Leichsenring, bitte.

(Uwe Leichsenring, NPD: Nein!)

Dann müssen Sie uns gleich erklären, für wen Sie hier eigentlich Politik machen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wir haben auch zu wenig potenzielle Väter mit einem modernen Rollenverständnis, die bereit sind, zu gleichen Teilen Erziehungsverantwortung zu tragen. Die NPD ist dafür nicht das einzige, aber ein besonders finsteres Beispiel.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Es muss nicht sein!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Meine Vorrednerin hat sich gefreut, dass die Koalition ein Elterngeld einführen möchte, was Sie wahrscheinlich auch noch für gerecht hält, wenn 67 % des letzten Nettoverdienstes zugrunde gelegt werden. So wird das Kind des Diplomingenieurs besser vom Staat alimentiert als vielleicht das Kind eines Facharbeiters. Das findet die Linksfraktion.PDS neuerdings gerecht. Das ist sehr interessant.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren, auch wir sind selbstverständlich für eine gute Familienpolitik. Nur was heißt das? Als Politiker müssen wir die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass vorhandene Kinderwünsche realisiert werden können. Dann wäre es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Kinder, die in Freiheit und Selbstbestimmung entstanden sind, gut leben können. (Caren Lay, Linksfraktion.PDS, steht am Mikrofon.)

Frau Lay, darf ich Sie kurz einmal unterbrechen. Ich fordere die Herren auf der Tribüne auf, diese Gesten bitte zu unterlassen. Ansonsten muss ich Sie des Saales verweisen.

Sie wollten mich noch nach der Zielgruppe fragen. Das sind sicherlich deutsche Frauen. Von Vorteil wäre es noch, wenn sie heterosexuell wären, ansonsten wäre der Kinderwunsch schwerlich durchzusetzen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Herr Leichsenring, das geht jetzt zu weit. Ich bitte Sie sich jetzt zu mäßigen. Frau Lay, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Unsere Aufgabe als Politiker ist es, dafür zu sorgen, dass Kinder gut leben können, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft. Hier gibt es sicherlich noch eine ganze Menge zu tun in Sachsen. Dazu stehen die Vorschläge der NPD-Fraktion noch aus.

Nein, da bedarf es keiner Mäßigung.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Lay?

Mit Freude. Aber eines sage ich ganz deutlich: Es kann nicht unsere Aufgabe als Politiker sein, durch ein falsches Anreizsystem dafür zu sorgen, dass Kinder zur Welt kommen, die eigentlich gar nicht gewollt sind. Ihnen geht es aber genau darum. Sie wollen keine gute Familienpolitik. Was sie wollen, ist „Bevölkerungspolitik“. Sie scheuen diesen Begriff nicht, auch wenn er, vielleicht auch gerade weil er in nationalsozialistischer Tradition steht. Sie wollen nicht die Politik an den Bedürfnissen der Menschen ausrichten. Sie wollen die Menschen manipulieren, anpassen und zurechtbiegen, damit sie Ihren fragwürdigen politischen Zielen entsprechen. Das ist kein Lapsus, den man dadurch erklären kann, dass Sie in der Enquete-Kommission nicht richtig zugehört haben. Das ist der faschistische Kern Ihres Denkens und auch der faschistische Kern Ihres Antrages.

Bitte.

Herr Abg. Leichsenring, ich habe zwei Fragen. Erstens: Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass ich gesagt habe, über die konkrete Ausgestaltung eines Elterngeldes muss noch gestritten werden, und dass es mit einer Kindergrundsicherung kombiniert werden muss? Zweitens: Ist Ihnen bekannt, dass die derzeitigen familienpolitischen Regelungen, vor allem diejenigen, die über das Steuerrecht funktionieren, in erheblichem Maße besser verdienende Familien deutlich stärker entlasten als sozial schwache Familien? Ist Ihnen diese Ungerechtigkeit im bestehenden Familienfördersystem bekannt? Warum sind Sie in Ihrem Antrag überhaupt nicht darauf eingegangen?

Meine Damen und Herren der demokratischen Fraktionen! Tun Sie den bereits existierenden und zukünftigen Kindern und Eltern in Sachsen einen Gefallen und lehnen Sie diesen Antrag ab.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die von Ihnen angesprochenen Dinge sind mir in der Tat bekannt, nur wollen wir mit unserem Antrag erst einmal auf die Grundproblematik

hinweisen. Die ist nun einmal die niedrige Geburtenrate. Da kommen Sie mir manchmal vor – entschuldigen Sie – wie auf der Titanic. Das Schiff hängt schon so schief mit dem Heck im Wasser und Sie streiten sich, ob Sie das Geländer noch einmal grün oder rot streichen wollen.

(Beifall bei der NPD)

Wir müssen grundlegend das Steuer herumlegen. Das ist das Problem.

Zu Frau Pfeiffer möchte ich noch sagen, Ihre Rede hat sich nicht sehr über das Niveau Ihrer Zwischenrufe gehoben. Wenn Sie die CDU-Bevölkerungspolitik der letzten 15 Jahre anpreisen, dann schauen Sie sich die Statistik der Bevölkerungsentwicklung an. Sie liegt noch unter dem Durchschnitt der so genannten neuen Bundesländer. Ich weiß nicht, wo Sie Positives an Ihrer Bevölkerungspolitik erkennen können.

Zum Thema Müttergehalt haben wir erwartet, dass es hier einen Aufschrei der so genannten Demokraten gibt. Wir sind uns da einig mit der Jungen Sozialen Union, auf deren Internetseite Sie einmal schauen sollten. Da steht einiges drin. Auch in Bayern wird Ähnliches geplant. Die nehmen durchaus auch das Wort Müttergehalt in den Mund. Insofern sollten wir uns hier mit so etwas nicht weiter belasten und uns nicht gegenseitig vorwerfen, irgendwelche Mutterkreuzreden zu halten. Das ist wieder so weit hergeholt, aber nicht untypisch für Sie.

Die BRD, die Republik der Kinderlosen, ist seit drei Jahrzehnten Opfer einer demografischen Implosion selbstmörderischer Art. Selbst die eingesetzte Bevölkerungskommission hat das bestätigt. Sie haben die Zahlen für 2020 zur Kenntnis genommen, denke ich, auch die Zahlen, die für 2050 zu erwarten sind. Wer das keine Katastrophe nennt, der ist mit Blindheit geschlagen. Weil es an Kindern fehlt, ist das Land unausweichlich zu einer langsamen Agonie auf allen Ebenen verdammt, auf wirtschaftlicher, politischer und kultureller Ebene.

(Zuruf von der CDU)

Sie hätten vorhin die Gelegenheit gehabt, Ihre Vorstellungen hier einmal darzulegen. Sie können ja sagen, unsere Vorstellungen vom Müttergehalt seien unsinnig, unmöglich oder schlecht formuliert. Aber Sie hätten die Gelegenheit nutzen können, Ihre Vorstellungen darzulegen, wie Sie die demografische Katastrophe tatsächlich abwenden wollen. Aber die FDP hat keine Meinung, die GRÜNEN haben keine Meinung und auch die anderen haben außer Hetze hier nicht viel von sich gegeben.

In Ihrer Gleichgültigkeit, Ignoranz und Unwilligkeit, über dieses zentrale Problem überhaupt nachzudenken – das ist es nämlich, wenn man behauptet, das wäre gar keine Katastrophe und man könne das irgendwie anders regeln –, täuschen Sie nicht nur sich selbst über die Zukunft unseres Landes hinweg; vielmehr täuschen Sie auch den Rest des Landes. Auch wenn man weiterhin krampfhaft versucht, das Problem kleinzureden, indem man die sich abzeichnende Bevölkerungskatastrophe wortreich als

demografischen Wandel umschreibt, der darüber hinaus sogar noch Chancen biete – das ist allgemeiner Sprachgebrauch –, wird man nicht um die Erkenntnis herumkommen, dass das Grundübel die niedrige Geburtenrate ist.

In einem Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“ äußerte sich der führende Bevölkerungswissenschaftler Herwig Birg am 5. Oktober 2005 wie folgt: „In Ostdeutschland“ –er meint sicherlich Mitteldeutschland, aber gut –