Frau Deicke, die Staatsregierung wurde schon in der Vergangenheit und wird aktiv und ihren Anforderungen auch gerecht. Ich habe zuletzt während meines Besuches vor zwei Wochen in Brüssel mit Umweltkommissar Dimas und dem Kabinettschef von Kommissar Verheugen gesprochen und besonders auf die Betroffenheit unserer Chipindustrie hingewiesen. Der Ministerpräsident hat sich gleichzeitig mit einem Schreiben an Kommissar Dimas und an Kommissar Verheugen gewandt, Sie mögen die besondere Problematik der sächsischen Chipindustrie mit ins Auge fassen. Wir werden selbstverständlich im Bundesrat von unserer Stellungnahme Gebrauch machen, wie es uns das Verfahren vorgibt. Wir haben uns in der Vergangenheit – das kann man auch den Antworten zur Großen Anfrage entnehmen – darum bemüht, unseren Einfluss geltend zu machen.
Da die linken und rechten Oppositionsfraktionen entweder nicht bereit oder – Herr Porsch, Sie haben mehrfach betont – nicht in der Lage sind, heute in der Sache zu debattieren – Herr Gerstenberg hat auch gerade darauf hingewiesen; ich möchte zwischendurch nur bemerken, dass in anderen Bundesländern sehr wohl eine Debatte zur REACH-Verordnung stattfand –, will ich Sie mit meinem Beitrag nicht überfordern und gebe meine Rede zu Protokoll.
(Beifall bei der CDU und der SPD – Heiterkeit bei der Linksfraktion.PDS – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sie haben sie doch schon gehalten!)
Danke schön. – Wir kommen zum Schlusswort. Wer spricht für die Koalition? – Herr Abg. Heinz, CDU, für die Koalition.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, es war richtig, dass wir das Augenmerk des Hohen Hauses noch einmal auf diese Richtlinie gelegt haben. Wir sind damit auf einem guten Weg. Aber es gibt durchaus noch ein paar Dinge, welche weiter im Sinne unserer Unternehmen geregelt werden könnten. Ich denke dabei an vereinfachte Dokumentationsverfahren für Chemikalien, welche nur im Bereich von einer bis zehn Tonnen pro Jahr auf den Markt kommen. Auch in Bezug auf den Tierschutz muss versucht werden, diese Dinge mit weniger Tierversuchen zu regeln.
Des Weiteren haben wir nach wie vor den Widerspruch zwischen Stoffen, welche zwar in der EU zertifiziert werden müssen, während diese Auflagen, wenn die Stoffe von außerhalb des EU-Gebiets importiert werden, nicht gelten. Auch hier sind sinnvolle Regelungen noch anzumahnen.
Zu dem Streit um das „hohe Deutsch“: Hier muss in der Tat zugestanden werden, dass ein redaktioneller Fehler vorliegt. Es müsste also heißen: „risikobasierte“.
Es ist nach der Diskussion untergegangen, das umzuformulieren. Es ist in der Tat so, dass das mal passieren kann.
Ansonsten, Herr Lichdi, keine Symbolrhetorik, sondern ernsthafte Befassung, und das ist der Sache allemal dienlicher als die Katastrophenrhetorik, die Sie hier veranstalten.
Danke schön. – Wir kommen zur Abstimmung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich lasse jetzt über den Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD mit der Drucksachennummer 4/3406 abstimmen. Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenstimmen! – Die Stimmenthaltungen! – Bei einer Reihe von Stimmenthaltungen und einer größeren Anzahl von Gegenstimmen ist dieser Antrag angenommen worden und dieser Tagesordnungspunkt beendet.
Beim Studium des Langenscheidt findet man unter „reach“ ein Verb mit vielen Bedeutungen, was jedoch nicht Thematik des heutigen Tages ist. REACH steht für Registration, Evaluation und Authorisation of Chemicals und betrifft zirka 30 000 Stoffe, die in Mengen größer eine Tonne pro Jahr in der EU auf den Markt gebracht werden.
Mit der REACH-Verordnung sollen vor allem mehr als 40 bestehende Richtlinien und Verordnungen ersetzt und zusammengefasst sowie die Verantwortung für Tests und Risikoabschätzung bei Stoffen von den Behörden auf die Unternehmen verlagert werden. Die REACH-Verordnung betrifft nicht nur Hersteller von Stoffen und Zubereitungen, sondern auch die Importeure in die EU sowie alle nachgeschalteten Anwender.
Als positiv ist zu registrieren: 30 000 der derzeit in der EU vermarkteten Stoffe mit einem Herstellungsvolumen von größer eine Tonne pro Jahr werden einer Risikoanalyse unterzogen. So ist ein verbessertes Risikomanagement möglich und damit die Verbesserung des Umwelt- und Verbraucherschutzes.
Verbesserungsfähig ist die übermäßige Belastung insbesondere von KMU durch die im Rahmen der Registrierpflicht zu erhebenden Stoffdaten mit hohem finanziellem und personellem Aufwand sowie Regelungen zu Chemikalien in Produkten, die in die EU importiert werden, was zu Wettbewerbsnachteilen für die europäische Wirtschaft führen könnte.
Grundsätzlich sind eine derartige Bündelung des EURechts und die damit einhergehende Festschreibung von Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutzinteressen sehr zu begrüßen. Insbesondere ist REACH als ein integrierter Ansatz für die Kontrolle über Produktion, Import und Anwendung von Chemikalien in Europa gedacht. Dabei ist ein System geplant, welches Chemikalieninformationen beinhaltet und eine komplexe Informationsweitergabe an alle Chemikalienanwender bis hin zum Verbraucher sicherstellt.
1. Es stellt den Regulierungsmechanismus dar, der zum Tragen kommt, wenn REACH vollständig umgesetzt ist. Bedingung dafür ist, dass alle Chemikalien, die in Mengen von über einer Tonne pro Jahr produziert oder impor
tiert werden (gerechnet pro Anmelder), mit Sicherheitsdaten registriert werden. Dann wird es keine Schlupflöcher für Chemikalien mehr geben, für die keine ausreichenden Daten vorliegen.
2. Es beschreibt den abgestuften Prozess, nach dem der Informationsmangel über Chemikalien beseitigt wird – einschließlich einer elfjährigen Frist, innerhalb derer die Sicherheitsdaten der Chemikalien registriert sein müssen.
Schließlich soll dazu eine neue Chemikalien-Agentur gegründet werden, die für den Vollzug des gesamten Systems verantwortlich ist. Diese Agentur wird zudem verschiedene Komitees für die Vertreter der Mitgliedsstaaten beherbergen, die den Entscheidungsprozess, zum Beispiel in der Frage der Zulassung, vorantreiben sollen. Die Entscheidungen werden jedoch durch die Kommission erlassen, da nur sie die gesetzgeberische Kompetenz hat. Und die konkrete Umsetzung von REACH fällt in die Verantwortung der Mitgliedsstaaten.
Zu den Aufgaben der Agentur werden der Aufbau und die Pflege einer Datenbank gehören, in der die Daten zu allen registrierten Chemikalien zu finden sind. Alle nichtvertraulichen Informationen, wie zum Beispiel ein Kurzprofil über mögliche gefährliche Eigenschaften, die Kennzeichnungsverpflichtungen und jede Zulassung oder Beschränkung, gehören dazu und werden von dieser Datenbank aus jedermann zugänglich sein.
So weit, so gut. Leider ist es bei der Europäischen Union oftmals so, dass „gut gemeint“ nicht immer gleichbedeutend mit „gut gemacht“ ist. Allein der Umfang des Verordnungsentwurfes zeigt, dass hier eine Entwicklung stattfindet, die erneut ein Mehr an Bürokratie statt ein Mehr an Schutz bedeutet. Nicht zuletzt wurden im Rahmen der Anhörung im EU-Parlament zahlreiche Hinweise zur Änderung des Entwurfs gemacht und am Ende in der 1. Lesung im EU-Parlament über 1 000 Änderungsanträge beschlossen.
Nunmehr liegt die geänderte Fassung der REACHVerordnung im Ministerrat. Wie sich Inhalte und Werdegang weiter entwickeln, ist noch ungewiss. Deshalb sieht die CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages die in ihrem Antrag genannten Änderungen weiterhin als hoch aktuell an.
Die meisten unserer Vorschläge wurden in der 1. Lesung des EU-Parlaments aufgenommen. Andere, die wir als zwingende Voraussetzung dafür ansehen, dass REACH tatsächlich auch so funktioniert, wie es ursprünglich einmal gedacht war, müssen weiter diskutiert werden.
Wichtigstes Anliegen ist die Verhinderung von Wettbewerbsnachteilen, die Unternehmen in der EU durch diese Verordnung gegenüber ihren Konkurrenten im EUAusland haben.
Zum Beispiel ist in REACH nicht geregelt, wie mit Stoffen umzugehen ist, die innerhalb der EU registrierungspflichtig wären, aber in Importprodukten enthalten sind, welche aus dem außereuropäischen Raum stammen.
Weiterhin beschäftigt sich unser Antrag mit den Konsequenzen für KMU, die durch REACH enormen finanziellen Aufwendungen ausgesetzt werden. Gerade bei Stoffmengen zwischen einer und zehn Tonnen pro Jahr ist die Registrierung kaum mit der Rendite aufzurechnen.
Auch die Befristung der Registrierung bzw. Zulassung besonders gefährlicher Stoffe auf fünf Jahre – danach müsste jeweils ein neues, teures Registrierungsverfahren eingeleitet werden – ist unserer Meinung nach zu pauschal. Dieser absoluten Pauschalisierung sollten Einzelfallentscheidungen vorgezogen werden.
Und schließlich – der nach unserer Auffassung wichtigste Punkt – müssen die vorgesehenen Regelungen die bürokratische Belastung auf einem vertretbaren Niveau halten.
Abschließend lassen Sie mich bitte noch auf einen speziellen Punkt in unserem Antrag eingehen. Wir fordern in Punkt 9 die Aufnahme klarer Regelungen zur Vermeidung von Tierversuchen. Es sollte in diesem Zusammenhang auch darüber nachgedacht werden, ob eine verstärkte Förderung von tierversuchsfreien Testverfahren im Rahmen der EU-Chemikalienpolitik möglich ist. Der Einsatz und die Weiterentwicklung von Alternativmethoden muss nach unserer Auffassung in der neuen Chemikalienpolitik konkret festgeschrieben werden.
Die Einführung des REACH-Systems in der vorgelegten Fassung würde zu einer starken Zunahme von gesetzlich vorgeschriebenen Tierversuchen führen. Eine 2001 vom britischen Ministerium für Umwelt und Verkehr veröffentlichte Studie der Universität Leicester geht von über zwölf Millionen benötigten Tieren aus. Auch aufgrund dieser Ergebnisse der Studie wurde in den ursprünglichen Kommissionsvorschlag eine Reihe von Verbesserungen für den Tierschutz eingearbeitet. Doch die Bandbreite der zur Verfügung stehenden und anerkannten Ersatz- und Ergänzungsmethoden wird von dem Kommissionsentwurf nach wie vor nicht vollständig ausgenutzt.
Ich glaube, dass wir alle in diesem Hause uns dafür einsetzen sollten, dass hier tatsächlich etwas für den verfassungsrechtlich verankerten Tierschutz getan wird. REACH könnte somit einen Paradigmenwechsel im Bereich der Verwendung von Alternativmethoden zum Tierversuch einleiten. Tierversuche wären dann nicht wie bislang automatisch der letzte Ausschlag für die Risikobewertung eines Stoffes. Stattdessen wäre die Bewertung von Gefahrenpotenzialen aufgrund tierversuchsfreier Methoden prinzipiell möglich.
Das Kürzel REACH erregt seit nunmehr fast fünf Jahren die Gemüter. Für die einen ist REACH, die neue Chemikalienverordnung, zu lax; für die anderen ist sie ein bürokratisches Monstrum. Insofern bin ich den regierungstragenden Fraktionen dankbar, dass sie dieses Thema aufgreifen und damit zu dessen Versachlichung beitragen.
Fakt ist, dass REACH einer der größten umweltpolitischen Gesetzgebungsakte ist, den die EU je in Angriff genommen hat. Rund 30 000 Stoffe, die sich seit Jahrzehnten auf dem Markt befinden, sollen damit erstmals auf das Gefahrenpotenzial für Mensch und Umwelt durchforstet werden. Betroffen von der Chemikalienverordnung sind neben der chemischen Industrie auch alle nachgeschalteten Anwender, so zum Beispiel die Automobilindustrie, und die Mikroelektronik – für Sachsen, wie Sie wissen, sehr bedeutende Branchen.
Die Sächsische Staatsregierung ist sich daher ihrer besonderen Verantwortung sowohl für die Wirtschaft als auch für die Verbraucher bewusst.
Wohl kaum einer wird an der Notwendigkeit der Neuordnung der Chemikalienpolitik zweifeln. Das bisherige Chemikalienrecht ist auf zirka 40 Einzelvorschriften verteilt, zu kompliziert und zu bürokratisch. Das derzeitige System zur Aufarbeitung der Altstoffe ist unzureichend. Über 100 000 Chemikalien haben nie ein Zulassungsverfahren durchlaufen. Über die meisten dieser Stoffe liegen nur wenige oder gar keine Daten vor.
Unser Wissen über die Eigenschaften vieler Stoffe, über ihre Wirkung auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt ist oft unzureichend. Oftmals erkennt man erst nach Jahren ihre schädliche Wirkung. Ich denke dabei zum Beispiel an die gesundheitsschädigenden Folgen von PCP in Holzschutzmitteln, die Krebs erzeugenden Weichmacher in Kinderspielzeug und den Ozonabbau durch FCKW.
Einmal in die Umwelt und über die Nahrungskette in den tierischen und menschlichen Körper gelangt, dauert es oft Jahre oder Jahrzehnte, Folgeschäden zu beseitigen. Die Kosten für nachsorgende Maßnahmen im Gesundheits- und Umweltschutz gehen jährlich in die Milliarden.
Wir brauchen daher eine neue Stoffpolitik mit Regelungen, die einen wirksamen Schutz für Gesundheit und Umwelt bei Aufrechterhaltung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie gewährleisten.
Dabei ist es unverzichtbar, dass die Industrie mehr Verantwortung als bisher für ihre Produkte übernimmt – was in anderen Bereichen übrigens längst eine Selbstverständlichkeit ist. Ich begrüße es außerordentlich, dass die Industrie hierzu bereit ist.
Ich möchte in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt lassen, dass die deutsche chemische Industrie im Rahmen der Initiative „Responsible Care“ in den letzten Jahren bereits umfassende Daten erhoben hat und damit ihrer Eigenverantwortung zum Teil schon nachgekommen ist.