Protokoll der Sitzung vom 08.12.2005

Aber auch der Entwurf für ein sächsisches Öffentlichkeitsgesetz unter Artikel 2 überzeugt mich nicht. Das Gesetz ist auch in der Form des Änderungsantrages mit seinen zahlreichen Ausnahmetatbeständen und dem

Informationsregister ein bürokratisches Monstrum par excellence. Ein Anspruch auf einen allgemeinen Informationszugang bewirkt zudem einen immensen Verwaltungsaufwand.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Selbstverständlich, Herr Lichdi.

Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, dass im Land Brandenburg auf verfassungsrechtlicher Ebene ein Informationszugangsrecht normiert ist? Würden Sie mir in der Einschätzung zustimmen – wie auch vom brandenburgischen Datenschutzbeauftragten im Frühjahr dieses Jahres zur Kenntnis gegeben worden ist –, dass dadurch die Verwaltung im Land Brandenburg keineswegs zum Erliegen gekommen ist?

Nach meiner Kenntnis existiert die Verwaltung auch im Land Brandenburg weiter. Das bedeutet aber nicht, dass es zwingend erforderlich ist, die Verfassung zu ändern für etwas, das man auch einfachgesetzlich machen könnte. Für eine Verfassungsänderung sehe ich keine Notwendigkeit.

Aber dann können Sie ein Gesetz machen.

Noch einmal, bitte. War das eine weitere Frage?

Es war nur eine Bemerkung.

Eine Bemerkung – wunderbar!

Noch einmal: Ein Anspruch auf allgemeinen Informationszugang bewirkt einen immensen Verwaltungsaufwand. Dieser steht – nach meiner Überzeugung – kaum im Verhältnis zum behaupteten Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen. Ein solcher Nutzen ist im Übrigen – daran möchte ich noch einmal erinnern – nicht durch Fakten belegt. Dieser ungerechtfertigte Verwaltungsaufwand trägt außerdem dazu bei, die Kosten für die öffentliche Hand in die Höhe zu treiben. Darauf haben unsere Spitzenverbände deutlich hingewiesen. Lassen Sie mich daran erinnern: Das amerikanische Justizministerium beziffert die durch den Freedom of Information Act der USA entstandenen gesamtwirtschaftlichen Kosten auf 323 Millionen US-Dollar – ich wiederhole: 323 Millionen US-Dollar – pro Jahr.

Herr Dr. Friedrich, ich glaube, der Fleischskandal wäre durch diesen Gesetzentwurf nicht zu verhindern gewesen, obwohl ich es mir gewünscht hätte. Herr Lichdi, wenn Sie von der Misshandlung des Bürgers durch die Verwaltung gesprochen haben: Ich weiß nicht, ob ich es richtig

verstanden habe, aber grundsätzlich kann man davon im Freistaat Sachsen nicht reden.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Enrico Bräunig, SPD)

Meine Damen und Herren! Es gibt wahrlich wichtigere Dinge, die uns im Freistaat Sachsen am Herzen liegen und für die wir die Groschen der Steuerzahler ausgeben sollten.

(Beifall bei der CDU)

Der zweifelhafte allgemeine Informationsanspruch dient im Übrigen nur den Interessen einzelner Gruppen, aber nicht dem Ganzen. „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.“ Dieses konkrete Gesetz ist für mich nicht notwendig.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Damit ist zunächst die allgemeine Aussprache beendet. Bevor wir in die Einzelabstimmung gehen und zur Beschlussfassung kommen, frage ich den Berichterstatter des Ausschusses, Herrn Bräunig, ob er noch einmal das Wort wünscht. – Nein.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf das Gesetz über die Öffentlichkeit der Verwaltung und die Freiheit des Zugangs zu Informationen sowie zur Anpassung datenschutzrechtlicher Bestimmungen in Sachsen, Drucksache 4/0466, einen Gesetzentwurf der Linksfraktion.PDS. Dazu gibt es einen Änderungsantrag in der Drucksache 4/3694 als Neufassung des Gesetzes. Ich frage die Fraktion, ob sie eine explizite Einbringung wünscht. – Herr Abg. Hahn, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Bartl hat im Prinzip zu dem Änderungsantrag schon gesprochen. Ich möchte nur noch einmal betonen – das ist mir wichtig vor der Abstimmung –, dass in diesen Änderungsantrag alle substanziellen Bedenken, die in der Anhörung und im Ausschuss geäußert wurden, eingearbeitet worden sind, sodass es jetzt überhaupt niemanden geben dürfte, der das Gesetz aus rechtlichen Gründen ablehnt. Wenn man es wie der Minister generell nicht will, muss man es nicht annehmen. Einem Gesetz, das man aber eigentlich wollen sollte, kann man zustimmen, da die Bedenken, die ursprünglich erhoben worden sind, ausgeräumt wurden. Wir haben uns als lernfähig erwiesen und nicht auf dem ursprünglichen Gesetzentwurf bestanden, Herr Lehmann. Aus dem Grunde sollte das Gesetz auch in der geänderten Form – in Form des Änderungsantrages – die Zustimmung des Plenums finden.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Am Mikrofon 2 sehe ich Herrn Bräunig, SPD-Fraktion.

Ich möchte noch einmal erklären, dass ich unmissverständlich dargelegt habe, welche Position meine Fraktion vertritt. Wir wollen Informationsfreiheit. Unser Koalitionspartner ist im Moment nicht dazu bereit zu verhandeln.

(Uwe Leichsenring, NPD: Hört, hört!)

Wie ich sagte, schließen wir uns den Erklärungen, die Herr Schiemann für die CDU-Fraktion dargelegt hat, an. Dies betraf Kritikpunkte zu Detailfragen dieses Gesetzentwurfs und nicht das Grundanliegen des Gesetzes.

Danke schön.

Am Mikrofon 5 steht Herr Schiemann, CDU-Fraktion. – Er kommt nach vorn.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, ich habe unmissverständlich dargelegt, warum die Koalitionsfraktionen dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Kollege Bräunig hat es noch einmal aus seiner Sicht bestätigt. Wir haben uns auch in der Diskussion im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss sehr umfangreich dem Gesetzentwurf gewidmet, auch Ihrem Anliegen haben wir uns gewidmet. Sie haben uns nicht überzeugt. Um es klar und deutlich zu sagen: Ich habe auch im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss für die CDU-Fraktion, damals auch für die Koalitionsfraktion, deutlich gemacht: Sie haben uns mit Ihrem Gesetzentwurf nicht überzeugt.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich noch einmal klar sagen: Diese Mär, die hier immer vorgetragen wird, dass die in Skandinavien geltenden Informationsfreiheitsgesetze die Probleme in diesen Ländern gelöst haben, trifft einfach nicht zu.

(Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS, und Johannes Lichdi, GRÜNE, stehen am Mikrofon.)

Sie müssen sich Folgendes vorstellen: Herr Dr. Martens, Sie sind ja viel besser in der Lage, Informationen darüber zu erhalten – –

(Unruhe im Saal)

Herr Schiemann, es gibt den Wunsch nach Zwischenfragen. Gestatten Sie Zwischenfragen?

Nein, keine Zwischenfragen, Frau Präsidentin! – Ich möchte noch eines sagen: Die skandinavischen Länder sind diejenigen Staaten, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg in einer Vielzahl von Fällen verurteilt werden, weil die Informationsfreiheit in diesen Ländern eben doch nicht so umfassend gewährt wird. Genau das ist der Punkt.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS)

Sie können sich doch nicht hier hinstellen und Ihr Gesetz anpreisen und damit letztendlich von den tatsächlichen Problemen ablenken.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Herr Abg. Bartl, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Schiemann, das ist eine ganz einfache Erklärung. Die skandinavischen Länder respektive deren Bürger haben begriffen, dass sie wirklich im Verhältnis zum Staat auf gleicher Augenhöhe verhandeln können. Wenn dann jemand die Gesetze dort nicht einhält, wendet man sich, nachdem man die Instanzen durch hat, ganz automatisch an den Europäischen Gerichtshof. Das ist völlig okay. Das enthalten Sie unseren Bürgern vor. Sie wissen überhaupt nicht, dass Sie aus dieser Vormundschaft und Konstellation – damit meine ich auch unsere eigenen Verfehlungen zu DDR-Zeiten – nach europäischem Standard heraus sein sollten und müssten. Genau daraus resultiert es.

Noch einmal: Der Antrag ist von meinem Kollegen eingebracht worden. Kollege Schiemann, ich bitte nur um eines: Wenn wir einen Gesetzentwurf einbringen, wenn der Gesetzentwurf in der Expertenanhörung angehört wird und wenn dann die Experten – dafür haben wir sie – mit externem Sachverstand sagen, das sei bedenklich, das sei angreifbar, das sei in der Auslegung ambivalent usw., und danach setzt sich die einbringende Fraktion hin und ändert das, was beanstandet wurde, dann kann man sich nicht hier hinstellen und eine Rede halten, die sich auf den Ausgangsgesetzentwurf bezieht und den Änderungsgesetzentwurf überhaupt nicht in Bezug nimmt.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Das ist derart unlauter! Sie haben eine Rede gehalten, die Sie hätten halten können, wenn wir noch denselben Gesetzentwurf gehabt hätten. Wir haben aber alle Änderungen, die im Prinzip das aufgreifen mussten, was die Experten gesagt haben, eingearbeitet. Da können Sie nicht sagen, wir hätten hier und da noch Verfassungswidrigkeit drin. Entweder haben Sie den Änderungsantrag nicht gelesen oder Sie haben die Materie nicht erfasst und die Experten letzten Endes nicht verstanden.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Marko Schiemann, CDU: Sie haben nicht zugehört!)

Herr Lichdi, GRÜNE-Fraktion.

Herr Schiemann, Sie haben soeben gefragt: Was nützt es in Skandinavien? Vielleicht ein Punkt: Ich habe vorhin die Frage von Transparency International und dem Antikorruptionsregister angesprochen. Meines Wissens befindet sich Finnland nicht nur bei

„Pisa“ auf Platz 1, sondern auch beim Antikorruptionsregister sind sie sehr fortschrittlich. Vielleicht hat es etwas damit zu tun. Vielleicht denken Sie einmal darüber nach.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)