Protokoll der Sitzung vom 09.12.2005

Wir reden im Plenum oft über mehr Freiheit der Schulen, über Schulautonomie. Doch eine echte Autonomie, ich glaube, das ist den Meisten klar, wird es in Zukunft nicht

geben, wenn wir nicht auch die Personalzuständigkeit für die Lehrer neu regeln.

(Beifall bei der FDP)

Heute Vormittag haben wir sehr leidenschaftlich über die Verwaltungsreform debattiert, über das, was wir uns in diesem Land in Zukunft noch leisten wollen und leisten können. Diskutiert wurde auch über die Existenzberechtigung von Mittelbehörden. Das sind auch Regionalschulämter mit derzeit 588 Beschäftigten und Kosten von 30 Millionen Euro. Ich frage mich, ob wir die Behörden in dieser Dimension auf Dauer brauchen. Unsere Schulen leiden bereits heute unter vielen Mitspielern in der Bildungspolitik. Da mischt sich der Bund ein – Stichwort Ganztagsschulprogramm –, die Kultusministerkonferenz, das Land, der Kreis, die Gemeinde. Um im Terminus von Herrn Mannsfeld zu bleiben: Vom „Produkt aus einer Hand“ sind wir sehr weit entfernt. Es ist eher ein Produkt aus fünf Händen.

Es gibt einen Zusammenhang zwischen Schulklima und Unterrichtsqualität und der Möglichkeit, auf das eigene Personal Einfluss zu nehmen. Da kann man nach Skandinavien schauen, aber auch gar nicht so weit, nämlich in Sachsen nach den Privatschulen. Es ist doch völlig klar, dass Motivation, Identifikation mit einer Schule und auch der Zusammenhalt im Team dann größer sind, wenn man sich sein Team aussuchen kann. Im Vergleich ist es für kein Unternehmen, für keinen Verein, auch nicht für die Fraktion, auch nicht für das Ministerium vorstellbar, dass die Mitarbeiter einfach von außen zugeteilt würden. Das wäre vielleicht interessant, Herr Flath.

(Beifall bei der FDP)

Nein, ich suche mir als Fraktion die Mitarbeiter auch lieber selbst aus, anstelle sie mir von der CDU zuteilen zu lassen.

(Heiterkeit bei der FDP)

Deswegen läuft es ja auch etwas besser bei uns.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Interessant finde ich übrigens in dem Zusammenhang, dass auch die kommunale Ebene – für die es ja keine einfache Aufgabe ist, das will ich klar sagen – bereit ist, Verantwortung für die Lehrer zu übernehmen. Die Reaktion des Landkreistages hat das eindeutig gezeigt. Es gibt die Bereitschaft, genau daran zu denken.

Klar ist für uns auch, dass eine solche Reform nicht kurzfristig über das Knie gebrochen werden kann. Die Rahmenbedingungen für eine Kommunalisierung müssen stimmen. Ich sage nur als Stichwort: finanzielle Ausstattung. Auch die rechtlichen Fragen, die Fragen der Tarifhoheit müssen geklärt werden. Diese Veränderung wird es nur gemeinsam mit den Lehrern und nicht gegen sie geben können.

Ich bin daher sehr enttäuscht, dass die Staatsregierung auf unseren Antrag gerade einmal mit elf müden Zeilen geantwortet hat. Aus unserer Sicht ist das völlig unzureichend und auch ein Stück weit unangemessen. Deshalb haben wir einen Berichtsantrag und einen Auftrag zur Prüfung im Rahmen der Verwaltungsreform gestellt. Das ist die aktuelle Entwicklung.

Ich möchte Sie bitten, unserem Antrag zuzustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

Wer möchte von der CDU-Fraktion dazu sprechen? – Herr Abg. Rohwer.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass sich der Sächsische Landtag mit dem Gedanken einer Kommunalisierung des Lehrerpersonals beschäftigt. Denkverbote, so sieht es meine Fraktion, soll es in dieser Sache nicht geben.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: In keiner Sache!)

Genau, in keiner Sache, richtig; also auch in dieser Sache nicht.

(Beifall des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Da die Zeit schon fortgeschritten ist, würde ich mir wünschen, dass wir eine Möglichkeit finden, vielleicht in einer der nächsten regulären Schulausschusssitzungen sachlich sowie frisch und munter über dieses Thema zu diskutieren.

(Sven Morlok, FDP: Wir sind noch frisch!)

Nun gut – wollen wir trotzdem in das Thema ein bisschen tiefer einsteigen. Es ist gerade angesprochen worden: Die jüngsten Pressemeldungen haben gezeigt, dass sich auch der Sächsische Landkreistag in diesem Sinne ausgesprochen hat. Im Zusammenhang mit der bevorstehenden Verwaltungs- und Funktionalreform soll die Schulverwaltung nach Auffassung von Herrn Schramm wieder auf Landkreise und Kreisfreie Städte übertragen werden.

Der Umstand, dass die Unterhaltung der Gebäude sowie die Schulnetzplanung in der Hand der Kommunen liegen, die Personalangelegenheiten jedoch Sache der fünf Regionalschulämter sind, scheint für die Kommunalpolitiker Grund für anhaltenden Unmut zu sein. Wenn also die Beratung der Verwaltungsreform und der künftigen Eckpfeiler der Verwaltungsstrukturen im Sächsischen Landtag unmittelbar bevorsteht, ist gegen die Diskussion eines Modellversuchs für mehr Eigenverantwortung der Schulen hier und jetzt erst einmal nichts einzuwenden.

Denn Eigenverantwortlichkeit der Schulen soll es bei einer solchen Diskussion entsprechend dem Koalitionsvertrag geben, in dem ausdrücklich von „mehr pädagogischer Freiheit und mehr personellem Spielraum“ die Rede ist. Das ist nachvollziehbar.

Zu bedenken bleiben aber bei einer solchen Diskussion vor allem die Interessen der Lehrer. Es wird nicht so einfach sein, die Tarifsituation, die wir jetzt haben, die Anstellungssituation, auf einen anderen Anstellungsträger zu übertragen.

Auch wenn wir diese Debatte jetzt weiterführen werden, möchte ich daran erinnern, dass wir erst im Sommer dieses Jahres zähe Tarifverhandlungen abgeschlossen haben. Deshalb sollten wir als Landtag nicht leichtfertig neue Dinge diskutieren. Diese Teilzeitvereinbarungen mit den Lehrern an Gymnasien und Mittelschulen sind ein mühsam abgerungener Kompromiss, zu dem beide Partner jetzt auch stehen sollten. Dieser Tarifvertrag gilt bis 2010. Für die nächsten fünf Jahre werden sich also die äußeren Beschäftigungsbedingungen für die sächsischen Lehrer stabilisieren. Dass sich die Wogen glätten mögen, ist ein verständlicher Wunsch auch meiner Fraktion.

Die Erfahrungen anderer Bundesländer zeigen, dass man bezüglich der Fragen umfassender personeller Kompetenz der Schulen sensibel vorgehen sollte. Seit vier Jahren gibt es in Nordrhein-Westfalen das Modellprojekt „Selbstständige Schule“. 278 Schulen in 19 nordrhein-westfälischen Regionen sind an der gemeinsamen Initiative von Bertelsmann-Stiftung und dem dortigen Schulministerium beteiligt.

Gabriele Behler – sie war die zuständige Ministerin zu Beginn des Projektes – sah sich am Anfang einer gehörigen Skepsis der Lehrer gegenüber der neu gewonnenen Freiheit der Schulen ausgesetzt. Erst die konkreten Erfahrungen brachten dann auch positive Resonanz.

„Die Ergebnisse beim ersten Versuch waren ermutigend. Der Unterricht wurde besser. Die Zufriedenheit der Lehrer

stieg, ebenso ihr Teambewusstsein.“ – so Behler über die neue Selbstständigkeit der Projektschulen.

Die Vorteile der Personalkompetenz der einzelnen Schulen liegen auf der Hand. Erst der Schule, die sich ihre Mitarbeiter selbst aussuchen kann, ist es möglich, über längere Zeit ein eigenes Profil an spezifischem pädagogischem Ansatz zu entwickeln.

Es gibt natürlich auch ein höheres Maß an Selbstreflexion. Genau das ist wichtig für die Tätigkeit des Lehrers und für die Qualität des Unterrichts. Dabei geht es nicht um Kontrolle oder einen starken Wettbewerb unter den Kollegen, sondern um die Entwicklungsmöglichkeiten des Lehrers im Laufe seiner Berufstätigkeit und um die Chance, das in Zusatzqualifikation erworbene Wissen in der täglichen Arbeit anwenden zu können.

Dieses zu vermitteln ist meines Erachtens der Dreh- und Angelpunkt. Dem Argwohn, die Übertragung der Personalkompetenzen an die Kommunen könne einem allgemeinen Sparzwang geschuldet sein, muss beizeiten entgegengetreten werden.

Mögliche Nachteile, Defizite der Eigenverantwortung von Schulen oder Kommunen sind nicht minder sichtbar auf den ersten Blick. Es steht beispielsweise die Frage, wie zwischen den Kommunen der Bedarf kommuniziert wird, wenn in der Gemeinde A Fachlehrer fehlen, die sich in der Gemeinde M um eine Anstellung bewerben. Wie wird dies dann transportiert? Wie kann der Informationsfluss organisiert werden?

Eine weit reichende Kompetenz der Schulen für Personalentscheidungen gibt es zum Beispiel auch in den Niederlanden. Hier müssen die Schulen an landesweit durchgeführten Abschlussprüfungen teilnehmen. Die Schulen müssen arbeitsrechtliche Bestimmungen bei der Einstellung ihres Personals berücksichtigen und eine staatliche Inspektion akzeptieren.

Für die Bildungslandschaft in den Niederlanden ist jedoch – und das wird jetzt wenig überraschen – etwas ganz anderes charakteristisch als für die sächsische. Gingen um 1900 in den Niederlanden 70 % der Schüler auf öffentliche Schulen, so geht heute etwa derselbe Prozentsatz der Schüler auf private Schulen. Wie für die Auswertung von „Pisa“ gilt auch hier: Die Besonderheiten der Region und ihre Traditionen sind zu berücksichtigen.

Eine Erkenntnis nach vier Jahren Laufzeit des Modells „Selbstständige Schule“ in NRW ist: Selbstständige Schulen brauchen starke Regionen und die Bereitschaft einer Unterstützung in den Kommunen. Dies wirkt sich wiederum positiv auf die jeweilige Region und auf deren Weiterentwicklung aus.

Es bleibt also zu ergründen, inwieweit die regionalen Bedingungen eine weit reichende Kompetenz der Schulen für Personalentscheidungen ermöglichen und wie diese zu gestalten sind. Auf keinen Fall wollen wir unsere gute Pisa-Platzierung einbüßen.

Sicherlich ist „Pisa“ nicht das Maß aller Dinge. Kritik am Umgang mit den Ergebnissen dieser Studie wird ja allerorten laut. Der allgemeine Anspruch, nicht hinter die einmal erreichten Ergebnisse zurückzufallen, sollte aber beibehalten werden.

Ich plädiere daher – auch im Namen meiner Fraktion – für eine sorgfältige und behutsame Auswahl möglicher Modellschulen und für eine gründliche Vorbereitung in dem strukturpolitisch festgeschriebenen Zeitrahmen. Um dies zu realisieren, wird sich meine Fraktion zunächst noch intensiver mit der Thematik beschäftigen und daher dem FDP-Antrag nicht zustimmen, sondern nach intensiver Recherche und Überlegung, sozusagen nach Abschluss unseres Meinungsbildungsprozesses, in einem eigenen Antrag das Thema erneut aufgreifen.

Nun zum Schluss noch eine ernst gemeinte Frage an die FDP: Herr Zastrow, Sie sind ja nicht nur Unternehmer und Inhaber einer Werbeagentur, sondern auch Landesvorsitzender der FDP Sachsen. Vor dem Hintergrund der heutigen Meldung über eine zweite Anklageerhebung gegen den FDP-Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Dresden möchte ich Sie fragen, ob Sie wirklich wollen,

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Zum Thema!)

dass dieser Herr der neue Personalchef vieler redlich und engagiert arbeitender Lehrerinnen und Lehrer wird.

(Zuruf des Abg. Tino Günther, FDP)

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort. Herr Dr. Hahn.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Richtig logisch war das alles nicht, was Sie hier dargestellt haben, Herr Kollege Rohwer.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)