Protokoll der Sitzung vom 09.12.2005

Zwei Jahre in Folge, wie auch immer. Auch dieser Erfolg ist erzielt worden, auch diese Herausforderung ist bewältigt worden, Herr Dr. Hahn, und zwar vor allem von den Menschen vor Ort, die Vertrauen in die Politik der Staatsregierung gefasst haben. Der Ministerpräsident hat maßgeblich Sorge dafür getragen, dass das notwendige Geld herangeschafft worden ist. Das ist nun wahrlich nicht vom Himmel gefallen. Mit der Hilfe der gesamten Bundesrepublik und aus dem Ausland konnte das erreicht werden.

Aber ich will den Vorwurf bezüglich der Reform einmal aufspießen. Herr Dr. Friedrich, Sie sollten sehr vorsichtig sein, wenn Sie den Umgang mit Reformen und Veränderungen im Freistaat Sachsen nach der friedlichen Revolution aufgreifen. Wie sah denn die Reform der SED nach der Gründung der DDR aus? Es wurden zunächst die Länder im Osten Deutschlands aufgelöst. Es wurden zentrale Bezirksverwaltungen eingerichtet. Die Vertreter dieser Bezirksverwaltungen waren alle bewaffnet,

(Heiterkeit bei der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN)

und wenn die Entscheidungen nicht richtig liefen, wurde genau diese Karte gezogen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, im Moment nicht. – Wie sah denn die Veränderung aus, als das Volk am 17. Juni 1953 auf die Straße gegangen ist und Veränderungen und Reformen in der DDR eingefordert hat? Wie war denn damals Ihre Antwort als SED? – Ich denke, das sollte man, wenn Sie als Linksfraktion.PDS diesen Vorwurf erheben, noch einmal in Erinnerung rufen.

(Unruhe im Saal)

Aber zu unserer eigentlichen Veränderung! Es ist völlig unstrittig: Wir wollen, dass Verwaltungsabläufe vereinfacht werden. Die Schwierigkeit, die es allerdings im Moment gibt, ist, dass für die Medien, insbesondere für Fernsehmedien, dieser Komplex wenig greifbar darzustellen ist, – –

Meine Damen und Herren, darf ich um Aufmerksamkeit bitten!

– wenn Karten gezeigt werden. Wir sagen: Eine Veränderung von Landkreisen kommt zuallerletzt an die Reihe. Zunächst kommt die Verwaltungs- und Funktionalreform auf den Prüfstand. Darüber bin ich mir mit meinem Kollegen von der FDP völlig einig. Wir werden dies in einem ordentlichen, sachlichen Diskurs diskutieren, sodass die Menschen im

Lande davon keinen Nachteil, sondern letztlich einen Vorteil haben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Bandmann, wofür die CDU bei der Verwaltungs- und Funktionalreform nun wirklich konkret steht, dazu habe ich auch in Ihrem zweiten Beitrag nichts gehört. Sie haben offenbar keine klare Position, und das sollten Sie als Regierungsfraktion hier auch einräumen.

Meine Damen und Herren! Der neue Innenminister ist kaum eine Woche im Amt, und sein erstes großes Interview in den „DNN“ erscheint unter der Überschrift „Imageschaden ist schon da“. Ich weiß natürlich, Herr Buttolo, dass sich die Schlagzeile der „DNN“ nicht auf Sie persönlich bezog, sondern auf den Imageschaden durch die Krawalle in den Fußballstadien, auch bei uns in Sachsen, die in der Tat kritikwürdig sind. Dennoch gibt es zahlreiche gute oder viel mehr schlechte Gründe, die erwähnte Schlagzeile auf die von der Staatsregierung geplante Verwaltungs- und Funktionalreform zu übertragen.

Durch das Versagen der herrschenden Politik ist der Begriff der Reform für viele Menschen zunehmend zu einer Bedrohung geworden. Kollege Friedrich hat auf diesen Umstand hingewiesen. Statt einer Verbesserung des Bestehenden verbindet eine Mehrheit in der Bevölkerung damit Rückschritt, Kürzung und Verzicht auf eigentlich unverzichtbare Standards. Man braucht nicht darum herumzureden; Herr Bandmann hat es wieder versucht: Die bisherigen Gebietsreformen haben nicht die erhofften Effekte gebracht. Es ist und bleibt ein Krebsschaden, dass erst eine Kreisgebietsreform vorgenommen wurde, bevor die Gemeindestrukturen überhaupt geklärt waren, und viele derzeitige Kreiszuschnitte – das wissen Sie, Herr Bandmann – werden von den Bürgern bis heute nicht wirklich akzeptiert und angenommen.

Die Gemeindegebietsreform führte nicht nur zu eigenwilligen und häufig unpraktikablen Verwaltungsgemeinschaften, sondern auch zu deutlich weniger Bürgernähe, ohne dass die erhofften und versprochenen Einsparpotenziale auch nur annähernd erreicht wurden. Im Gegenteil: Bei fast allen Gemeinden, die heute einer Verwaltungsgemeinschaft angehören, sind die Kosten für die Umlage höher als die früheren Ausgaben für das eigene Personal; und der Protest der Betroffenen dagegen und die Skepsis bezüglich weiterer Gebietsreformen und Zwangsfusionen ist aus unserer Sicht mehr als verständlich. Wir als Linksfraktion wollen starke Landkreise, und wir halten die Regierungspräsidien für unnötig.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Dr. Fritz Hähle, CDU: Warum?)

Ich will ausdrücklich betonen: Wir brauchen eine grundlegende Verwaltungs- und Funktionalreform, an deren Ende – wenn unvermeidlich – auch eine Kreisgebietsreform stehen kann. Insofern finde ich es bedauerlich, dass in der öffentlichen Debatte vor allem über die künftigen Kreisstrukturen diskutiert wird.

Ich möchte deshalb das Augenmerk auf einen Bereich richten, der bislang eine eher untergeordnete Rolle gespielt hat. Ich meine die Verwaltungsstrukturen im Bereich der Bildungspolitik. Aus Sicht der Linksfraktion sind gerade hier Veränderungen längst überfällig. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Landkreise de jure über Schulnetzplanung und Schülerbeförderung entscheiden können, die tatsächliche Kompetenz in der Entscheidung jedoch bei der Staatsregierung bzw. den nachgeordneten Kultusbehörden liegt.

Dem Hohen Hause liegt ein Schulgesetzentwurf meiner Fraktion vor, in dem wir ganz konkrete Änderungen vorsehen. So halten wir die derzeitigen fünf Regionalschulämter für absolut entbehrlich

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und der FDP)

und könnten uns vorstellen, dass ein Teil der dort bislang angesiedelten Aufgaben auf die Landkreise übertragen wird. Andere Dinge könnten problemlos im Ministerium geklärt werden, sodass wir endlich auch im Schulbereich einen überschaubaren zweistufigen Verwaltungsaufbau hätten.

Die Regionalschulämter, meine Damen und Herren, haben in den vergangenen Jahren eine eher unrühmliche Rolle gespielt und verdienen es daher, abgeschafft zu werden. Im Übrigen muss dies nicht mit einer Kommunalisierung der Lehrerstellen einhergehen. Darüber werden wir heute noch an anderer Stelle diskutieren, aber das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

Der neue Innenminister hat diesbezüglich bereits auf einige Probleme hingewiesen. In seinem gestrigen Interview in den „DNN“ sagte er: „Sachsen hat einen harten Weg hinter sich. Der Tarifvertrag für die Lehrer läuft bis 2010. Den aber müssten wir dann“, also bei einer Kommunalisierung der Lehrer, „wieder aufkündigen, was töricht wäre.“ Herr Buttolo fügt hinzu: „Gerade haben wir Ruhe im Schulbereich, warum sollten wir es darauf anlegen, dass Lehrer und Polizisten gemeinsam als Demonstranten auf die Straße gehen?“

Sehr geehrter Herr Staatsminister! Statt die verschiedenen Berufsgruppen gegeneinander auszuspielen, sollten Sie vielleicht einmal darüber nachdenken, eine andere Politik zu machen, eine Politik, bei der die Leute nicht auf die Straße gehen müssen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und der FDP)

Bitte zum Schluss kommen!

Herr Präsident, letzter Satz.

Wir als stärkste Oppositionsfraktion werden Ihnen, Herr Innenminister, immer dann Unterstützung gewähren, wenn Sie vernünftige, sinnvolle Korrekturen vornehmen. Wenn Sie jedoch nur kürzen und streichen, um den maroden Staatshaushalt zu sanieren, werden Sie auch künftig auf unseren Widerstand treffen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort. Die zweite Runde ist nicht, wie die erste, zwingend. Ich hatte die FDP vergessen, und jetzt schiebe ich sie ein. Das entspricht der Geschäftsordnung, meine Damen und Herren.

– An die Regularien hier muss man sich auch erst einmal gewöhnen, bisher habe ich sie noch nicht so richtig begriffen. Vielleicht machen wir einmal einen Geschäftsordnungskurs.

(Heiterkeit bei der FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst an Herrn Dr. Müller: Wir sind es ja gewöhnt, dass Sie uns hier im Parlament die Zeit stehlen. Aber neuerdings – das wissen Sie ganz genau – stehlen Sie auch Anträge. Wir hätten das letzte Mal sehr wohl schon über das Thema reden können, es lag sehr lange schon ein entsprechender Antrag, nämlich genau unserer, vor. Weil Sie – noch für diesen kleinen Moment – die etwas größere Fraktion sind, dachten Sie sich: Wir blockieren einfach die Debatte und kopieren den FDPAntrag. Das haben wir das letzte Mal nicht mitgemacht. Ich danke den anderen Fraktionen in diesem Haus, dass sie mit einer kleineren Fraktion, nämlich unserer, Solidarität gezeigt haben. Danke.

(Beifall bei der FDP)

Ansonsten haben wir in der Debatte bereits gehört: Es ging von den bewaffneten Organen in der DDR über Hooligans

(Heiterkeit bei der FDP)

bis hin zu sonstetwas. Ich wusste überhaupt nicht, worüber man beim Thema Verwaltungs- und Kreisgebietsreform sprechen kann, aber eines habe ich doch festgestellt: Wir sind uns sehr einig darüber, dass wir sehr dringend eine Verwaltungsreform brauchen. Die Frage ist für uns als FDP natürlich, wie wir diese Reform angehen. Für uns gibt es dazu ganz klar zwei Ziele.

Das erste ist: Einen weiteren Zeitverzug darf es nicht geben. Wir müssen jetzt sofort zügig und schnell eine Verwaltungsstrukturreform durchführen; wir müssen sie mutig und konsequent anpacken. Herr Bandmann hat es bereits angesprochen, ich kann es nur unterstreichen und möchte es noch etwas untersetzen. Im Endeffekt ist es so: Wir haben in Sachsen – nicht nur durch die demografische Entwicklung und nicht nur dadurch, dass die Aufbauzeit der ersten Jahre, die inzwischen, denke ich, auch

ein Stück weit vorbei ist und in der ein höherer Bedarf vorhanden war – eine Situation, in der wir uns eine Verwaltungsstruktur leisten, die wir so – erstens – nicht mehr brauchen und – zweitens – auf Dauer auch nicht mehr bezahlen können.

(Beifall bei der FDP)

Wenn ich daran denke, dass wir immerhin ein Drittel unseres Staatshaushaltes für Personalausgaben und sächliche Verwaltungsausgaben aufwenden, halte ich dies für sehr problematisch. Noch problematischer wird es, wenn ich daran denke, dass wir von einem Euro, den wir Sachsen als Steuergeld erwirtschaften, insgesamt 68 Cent dafür ausgeben, unseren eigenen Apparat zu erhalten. Ich weiß nicht, was der normale Bürger darüber denkt. Ich selbst habe wenig Verständnis dafür, dass ich vor allem dafür Steuern zahle, dass wir uns übergeordnete Verwaltungsstrukturen erhalten. Das ist das falsche Signal an die Bevölkerung. Das ist das, was wir uns auf Dauer als Freistaat Sachsen nicht mehr leisten können!

(Beifall bei der FDP)

Wir haben uns in Sachsen in den letzten Jahren aus verschiedenen Gründen durch die Aufbauphase, für die wir sicher alle Verständnis haben, natürlich eine sehr üppige Verwaltungsstruktur geleistet – eine auf vielen Gebieten noch üppigere Verwaltungsstruktur, als wir sie in den alten Ländern haben. In den alten Ländern beträgt die Personalausstattung 37 Stellen pro 1 000 Einwohner, in Sachsen haben wir 46,5. Das ist zu viel, davon müssen wir wegkommen.

Wir müssen die Reform mutig anpacken. Wir müssen sie konsequent durchführen. Wir müssen eine Reform machen, die ein Haltbarkeitsdatum von 20 Jahren hat. Wir brauchen jetzt einen großen Wurf. Ich kann nur an die Staatsregierung, an unseren neuen Innenminister appellieren, den Mut zu haben, eine konsequente Reform durchzuführen. Dazu gehört für mich der Mut zu einem konsequent zweistufigen Verwaltungsaufbau, wie ihn zum Beispiel sieben andere Bundesländer in Deutschland bereits zu ihrem eigenen Vorteil Kosten sparend umgesetzt haben. Dazu gehört für mich der Mut, dass wir uns von den Regierungspräsidien verabschieden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion.PDS und des Abg. Uwe Leichsenring, NPD)

Lassen Sie es mich verdeutlichen: Wir haben in Sachsen drei Regierungspräsidien. Nordrhein-Westfalen als ein deutlich größeres Land mit über 17 Millionen Einwohnern – mehr, als die DDR je hatte – hat insgesamt fünf Bezirksregierungen. Fünf Bezirksregierungen für diese Einwohnerzahl heißt, dass ein Regierungspräsidium für 3,4 Millionen Einwohner zuständig ist. In Sachsen liegt die Quote für ein Regierungspräsidium bei 1,4 Millionen Einwohnern. Das ist ein Luxus, den wir uns auf Dauer nicht mehr leisten können.