Meine Damen und Herren, die Statistik der Schulpartnerschaften weist auf eine weitere wirklich Zustände erhellende Tatsache hin. Es gibt eine handfeste Asymmetrie bei Schulpartnerschaften zwischen polnischen und westdeutschen bzw. ostdeutschen Schulen. Was die DeutschPolnische Gesellschaft vor Jahren auf einer Konferenz in Görlitz feststellte, hat sich sogar noch verfestigt: Je weiter
weg sich die Einrichtung von der Neiße befindet, will heißen, je mehr sie sich im Altbundesgebiet befindet, desto häufiger sind Partnerschaften vorhanden. Das, meine Damen und Herren, ist wohl eine doppelte Asymmetrie, eine statistische und eine politische.
Wie ist es mit dem sächsischen Beitrag zur deutschpolnischen Zusammenarbeit im Schulwesen bestellt und wie ist dies zu werten, wenn im Collegium Polonicum in Słubice auf einer Tagung zum Thema „Zur Konzeption der Nachbarschaftssprachen in Grenzregionen“ von 145 Teilnehmern nur eine einzige Teilnehmerin aus Sachsen kam?
Meine Damen und Herren, die Grundeinstellung stimmt nicht, aber auch die rechtlichen und organisatorischen Rahmen sind zu eng, was irgendwie mit dem Erstgenannten zusammenhängt. Ich darf einen Zeitungsbericht zitieren. „Bis vor zwei Jahren konnte man an der genannten Schule die Nachbarsprache erlernen. Dann wurde die Lehrerin an eine andere Schule abgeordnet.“ Fazit: So kann man seitens der Obrigkeit die zarte Pflanze Sprache zertreten. Doch nun weiter im Text der Meldung: „Um die Sprache als Neigungskurs anbieten zu können, sollten sich mindestens zwölf Schüler eines Schuljahrgangs dafür entscheiden.“ Fazit: Wenn Schulpolitik auf statistische Größen ausgerichtet und nicht primär auf Lernziele orientiert ist, bleibt auch der Sprachunterricht auf der Strecke.
Da ich mich häufig im polnischen und tschechischen Sprachraum bewege, kann ich auf der anderen Seite der Grenze große Unterschiede zu Sachsen ausmachen. Auch wenn oft geklagt wird – in Polen stärker als in Tschechien –, dass das Interesse an Deutsch vor allem zugunsten von Englisch unter der dortigen Schülerschaft abnehme, so bleibt doch der für Sachsen beschämende Fakt, dass in Polen rund 2,2 Millionen junge Leute die deutsche Sprache lernen. In unserer Nachbar-Woiwodschaft Dolny Ślask – Sachsen nach Größe und Bevölkerungszahl in der Tendenz vergleichbar – sind es etwa 300 000, während in Sachsen bestenfalls 800 Schülerinnen und Schüler Polnisch lernen.
Meine Damen und Herren, Sachsen braucht eine Umorientierung. Ansonsten wird es bei allen Versuchen, Schüler von hier mit Schülern aus Polen in vielfältigen Begegnungen zusammenzubringen, kläglich ausgehen. Wie ein Schulleiter einer sächsischen Schule in Grenznähe sagte, sei bei einem Schüleraustausch die „Sprachbarriere erheblich“. So wichtig auch der Sprachunterricht in der Schule sein mag – sprachlich so recht zum Zuge kommen die Kinder, wenn sie bereits in Kindertagesstätten mit der Nachbarsprache bekannt werden. Das sorbische Modell der Witaj-Kindergärten könnte durchaus auch auf Nachbarsprachen-Kindergärten angewandt werden – schöpferisch, versteht sich, und mit Erfolg.
Wenn Ministerpräsident Milbradt unlängst davon sprach, dass Kunst und Kultur Türöffner für Kontakte zu anderen Völkern sind, dann mag ich dem nur zustimmen, allerdings mit dem Zusatz: Nirgendwo sind kulturelle Kontak
te so wichtig wie unter Kindern und Jugendlichen. Die jungen Leute sind noch eher kulturell zu prägen, will vor allem heißen: zu begeistern. Etwas eigenartig ist es deshalb, dass bei den Fragen des Antrags von CDU- und SPD-Koalition der kulturelle Aspekt der Zusammenarbeit nicht expressis verbis angesprochen wurde. Ich will hoffen, dass dies nur ein Lapsus war.
Meine Damen und Herren, von Bundespräsident Horst Köhler stammt der Satz: „Ich empfinde die Tatsache, dass so viele junge Polen Deutsch lernen, auch als eine Verpflichtung.“ Das sollte auch für uns im Sächsischen Landtag gelten.
Wird weiter von den Fraktionen das Wort gewünscht? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Herr Staatsminister, bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte mich ausdrücklich bei der CDU- und bei der SPD-Fraktion für diesen Antrag bedanken. Ich finde es gut, dass er die Möglichkeit gibt, hier im Hohen Haus das Thema „Deutsch-Polnisches Jahr“ einmal vorzubringen.
Dass der Antrag provoziert hat, dass sowohl von Ihnen, Herr Kosel, als auch von Ihnen, Frau Schüßler, das Thema ein bisschen zu sehr ideologisch vermengt wurde, müssen wir in Kauf nehmen. Ich will mich deshalb auch auf den Bericht konzentrieren und auf das, was sowohl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als auch die FDP gesagt haben. Darüber kann man sich immer unterhalten: dass zu wenig Geld da ist, dass zu wenig Stellen da sind, dass man irgendwo etwas besser machen kann. Ich denke, darüber kann man reden.
So kam es, dass Sie auf diese Weise – aber das will ich sehr anerkennen – auf das Internetangebot des Ministeriums gestoßen sind.
Also zu meinem Bericht. Die Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Polen reicht weit in die Geschichte zurück und war doch zugleich wiederholt schwer beschädigt und zerstört. 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und zum 15. Jahrestag des Deutsch-Polnischen Nachbarschaftsvertrages ist die Freundschaft zwischen unseren beiden Völkern nun wieder lebendiger geworden.
Das Deutsch-Polnische Jahr – das wurde erwähnt – von Mai 2005 bis Mai 2006 soll die Vielfalt bestehender Kontakte in das öffentliche Bewusstsein rücken. Zugleich gibt das Deutsch-Polnische Jahr Impulse, diese Beziehungen weiterzuentwickeln und zu vertiefen. Wissen über den
Nachbarn hilft, Vorurteile abzubauen, und unterstützt die Verständigung. Das Deutsch-Polnische Jahr spricht auch deshalb gerade die jüngere Generation an. So gestalten wir gemeinsam die Zukunft Europas und bauen Brücken zwischen den Regionen.
Verständigung meint natürlich auch das direkte Gespräch zwischen den Menschen. Es ist deshalb ein ermutigendes Signal, wenn gegenwärtig schon 100 sächsische Schulen über partnerschaftliche Kontakte zu polnischen Bildungseinrichtungen verfügen. Die Zahl dieser Verbindungen ist in den letzten fünf Jahren stetig gewachsen – trotz dramatisch rückläufiger Schülerzahlen und damit auch Schulzahlen insgesamt. Das sollte man nicht unberücksichtigt lassen.
In einer Rangfolge der Länder, mit denen unsere Schulen kooperieren, stehen sächsisch-polnische Partnerschaften in Sachsen immerhin inzwischen auf Platz zwei. Auf Platz eins liegen übrigens sächsisch-tschechische Schulpartnerschaften.
Gerade zur Unterstützung sächsischer Schulen bei der Entwicklung und Pflege solcher Kontakte nutzt Sachsen das Deutsch-Polnische Jahr für vielfältige Impulse. So haben wir auf dem sächsischen Bildungsserver eine Plattform mit Anregungen und Angeboten eingerichtet. Neben Wünschen für Schülerpartnerschaften aus unserer Nachbarregion Niederschlesien sowie Hinweisen auf Veranstaltungen und Ausschreibungen finden Schulen dort auch ein breit gefächertes Fortbildungsangebot.
Im April nehmen deutsche und polnische Lehrkräfte an der Sächsischen Akademie für Lehrerfortbildung am Symposium „Sachsen und Niederschlesien“ teil. Neben der weiteren Ausprägung interkultureller Kompetenzen werden dort grenzüberschreitende Kooperationen im Mittelpunkt stehen.
Sächsisch-polnische Bildungsprojekte haben inzwischen eine beachtliche inhaltliche Vielfalt erreicht. Sie sind die Basis für bislang acht Vorhaben im Rahmen der EU-Gemeinschaftsinitiative INTERREG III A. Zwei davon möchte ich hier stellvertretend kurz vorstellen.
Weil das Wissen über die Geschichte der gemeinsamen Grenzregion von großer Bedeutung für das bessere Verständnis zwischen Polen und Deutschen ist, unterstützt das Kultusministerium das Regionalschulamt Bautzen bei der Entwicklung entsprechender Ergänzungsmaterialien für den Unterricht. Diese werden im Rahmen des von INTERREG entwickelten Vorhabens „Geschichte verstehen – Zukunft gestalten“ von Wissenschaftlern aus Deutschland und Polen sowie Lehrern und Schülern erarbeitet. Das Vorhaben wird im Oktober 2007 abgeschlossen werden.
Bereits seit Januar 2005 arbeitet das Projekt TRINA. Das heißt „Trinationale Heimat im Europa der Regionen“. Im Schulnetzwerk von Gymnasien des Niederschlesischen Oberlausitzkreises, der polnischen Woiwodschaft Niederschlesien und der tschechischen Bezirke Liberec und Ústí nad Labem stellen einzelne Schulprojekte die Ausei
nandersetzung mit der Euroregion in den Mittelpunkt. Dabei macht die gemeinsame Arbeit den Schülerinnen und Schülern sowie den Pädagogen ihre eigene Identität bewusst und schärft zugleich den Blick für das Gemeinsame. So kann Zusammengehörigkeitsgefühl wachsen. Das Projekt läuft noch bis zum Ende dieses Jahres und wird von Hochschulen länderübergreifend wissenschaftlich begleitet.
Mit der Erklärung über die Zusammenarbeit im Schulwesen liegt ein wichtiges Ergebnis des Deutsch-Polnischen Jahres bereits vor. Sie wird den weiteren Ausbau des nachbarsprachlichen Unterrichts voranbringen. Diese Erklärung werde ich im Frühjahr dieses Jahres gemeinsam mit dem Vizemarschall unterzeichnen.
Teil dieser Zusammenarbeit könnte beispielsweise die Unterstützung der deutsch-polnischen Grundschule in Breslau sein. Bereits in diesem Schuljahr arbeitet dort ein deutscher Grundschullehrer, der durch die Zentralstelle für Auslandsschulwesen in Köln vermittelt wurde. Durch eine in Breslau tätige sächsische LandesprogrammLehrkraft könnte mit einem Teildeputat der Ausbau dieser Grundschule zu einem deutsch-polnischen Gymnasium unterstützt werden. Hierfür ist allerdings die Anerkennung des polnischen Schulabschlusses durch Deutschland entscheidend und diese liegt in der Zuständigkeit der Kultusministerkonferenz.
Zunächst muss dazu aber auch die Position des Marschallamtes eingeholt werden. Es wurde hier angeführt – und das stimmt wohl –: Nicht nur bei uns in Sachsen gibt es so manche bürokratische Hürde zu nehmen, sondern auch im Nachbarland ist es nicht gerade leichter.
Eine wichtige Grundlage jeder Verständigung bilden immer Sprachkenntnisse. Auch in diesem Bereich sind wir insgesamt nicht schlecht vorangekommen. Trotz rückläufiger Schülerzahlen – auch das muss hier wieder beachtet werden – hat sich innerhalb von vier Jahren die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die sich für Polnisch als Fremdsprache entschieden hat, nahezu verdoppelt. Sie liegt in diesem Schuljahr jetzt 1 187. Also, Herr Kosel, Sie müssten Ihre Zahl ein wenig anpassen. Allein im Vergleich zum Vorjahr ist das ein erfreulicher Zuwachs von immerhin 477 Schülern. Der Bedarf an Polnischunterricht wächst also,
anzupassen und zu korrigieren, insbesondere wenn sie so gut ist und sich so gut entwickelt. Würden Sie dann bitte auch diese neue Zahl an die Vertreter der polnischen Seite weitermelden? Die letzte Zahl, die der Freistaat nach Polen gemeldet hat, was die Polnischlerner im Freistaat betrifft, war akkurat die von mir genannte: 800.
Ja, Herr Abg. Kosel, das werde ich tun. Mir ist selbstverständlich auch bekannt, was Sie in Ihre Rede eingebaut hatten. Mir sind auch die kritischen Bemerkungen bekannt. Ich will mich aber von der positiven Seite her bemühen, die Situation zu verbessern.
Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass es nicht ganz redlich ist, wenn uns vorgehalten wird, dass eben an polnischen Schulen über 50 % der Schüler Deutsch lernen. Es ist nicht ganz redlich, das damit in Verbindung zu bringen, wie – sagen wir einmal – unsere freundschaftliche Absicht ist.
Es ist nun einmal so, dass junge Leute ihre Motivation, Sprachen zu lernen, auch daraus ableiten, wo sie ihre berufliche Chance sehen. Ich war kürzlich zu einem Besuch in Breslau. Ich möchte an dieser Stelle Herrn Abg. Grapatin – das kann ich hier mit einbauen – ausdrücklich danken, der dort über viele Kontakte verfügt. Davon konnte ich mich auch an einer Schule überzeugen. Ich habe nämlich die Schüler an der Schule gefragt, warum sie denn Deutsch lernen. Die Antwort war prompt: Weil wir uns auf dem deutschen Arbeitsmarkt durchaus zukünftig Chancen ausrechnen.
Bevor Sie von der NPD-Seite jetzt weiter klatschen, hören Sie sich erst den zweiten Teil meiner Bemerkungen an.
Dass bisher in Sachsen so wenige Polnisch lernen, hat etwas damit zu tun, dass wir noch nicht so weit sind oder unsere jungen Leute nicht so weit sind, weil sie aus meiner Sicht zu viel nach Westen schauen. Es ist durchaus etwas dran, wenn man sagt: Chancen auf dem Arbeitsmarkt liegen in Zukunft durchaus im Osten.
Es werden sowohl Facharbeiter als auch studierte Leute, die Polnisch können, in Sachsen zukünftig für so manche Firma außerordentlich interessant sein. Das heißt, wer Polnisch lernt, wird seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Ich möchte genau daran arbeiten, dass wir aus einer solchen Sichtweise heraus ganz einfach die Nachfrage in Sachsen verbessern; denn es ist natürlich immer eine Aufgabe des Staates, für ein Angebot zu sorgen. Aber oftmals haben wir an Schulen ein Angebot eingerichtet, und wenn es dann keine Nachfrage gibt, kann es unter Umständen auch dazu kommen, dass man einen Lehrer abordnen muss.
Aber ich möchte noch darauf eingehen, dass wir auch in der Ausbildung an den Universitäten etwas verbessern
können. Ich meine, dass wir den Bedarf, der – wenn auch in kleinen Schritten – mittlerweile entsteht, langfristig sichern müssen. Deshalb werden im Rahmen der berufsbegleitenden Lehrerweiterbildungen an der Universität Leipzig 13 Teilnehmer voraussichtlich bis zum Schuljahr 2007/2008 eine unbefristete Lehrerlaubnis für Polnisch erwerben. Ab dem Wintersemester 2006/2007 wird zudem an der Universität Leipzig Polnisch als grundständiges Lehramt wählbar sein. Daneben können Pädagogen in der Grenzregion seit Dezember 2005 die Sprachkompetenz für den Einsatz in Arbeitsgemeinschaften und Neigungskursen im Rahmen des INTERREG-Projektes Lehrnetzwerk erwerben. Auch dies gehört zu den deutschpolnischen Bildungsprojekten.
Die wachsende Anzahl von Lehrkräften mit einer Lehrbefähigung ist eine gute Grundlage dafür, dass die Impulse des Deutsch-Polnischen Jahres über das Jahr 2006 hinaus wirken und sich die Zusammenarbeit unserer beiden Völker weiterhin als lebendige und dynamische Partnerschaft gestaltet.