Protokoll der Sitzung vom 24.01.2006

Diesen Verbesserungen stehen allerdings im konkreten Gesetzentwurf auch erhebliche Nachteile gegenüber, meine Damen und Herren. So werden die Daten, die hoheitlich vom Staat erhoben werden, auch weiterhin von den Melderegistern für Zwecke verwendet, die nicht hoheitlichen Ursprungs sind. Da haben wir erhebliche prinzipielle Bedenken, denn für uns Liberale ist klar, dass jeder Grundrechtseingriff, insbesondere im Bereich der Informationsfreiheit, engen Zweckbindungen unterliegt und einer besonderen Rechtfertigung bedarf.

Deswegen ist es für uns nicht akzeptabel, wenn Daten aus den Melderegistern im Wege der so genannten Gruppenauskunft von Dritten ohne nähere Begründung abgefragt und erfahren werden können, um anschließend für kommerzielle Zwecke – seien es Preisausschreiben oder Hundefutterwerbung – verwendet zu werden. Meine Damen und Herren, hier besteht ein Widerspruch. Wenn der Staat hoheitlich Daten erhebt, dann hat er sie auch nur für hoheitliche Zwecke zu verarbeiten. Eine Weitergabe an Private zu nicht hoheitlichen Zwecken soll grundsätzlich nur dann stattfinden, wenn der betroffene Bürger dem vorher zugestimmt hat. Eine Widerspruchslösung, wonach der Bürger die Auskunft ablehnen kann, entspricht diesem Prinzip nicht. In die weitere Beratung haben wir einen Änderungsentwurf eingebracht, mit dem dieser Fehler korrigiert werden soll.

Meine Damen und Herren! Zu dem Gesetzentwurf in der bisherigen Fassung werden wir uns der Stimme enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile der Fraktion der GRÜNEN das Wort. Herr Lichdi, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte die

Debatte nicht unnötig verlängern und deswegen nur zu zwei Punkten kurz sprechen.

Ich möchte ausdrücklich anerkennen, dass im Innenausschuss eine sachliche, offene und durchaus auch zeitintensive Diskussion stattgefunden hat, wie ich sie in dem einen Jahr meiner Mitgliedschaft im Landtag noch nicht erlebt habe. Ich möchte mich dafür ausdrücklich bedanken. Wenn die Linksfraktion.PDS jetzt per Pressemitteilung – und gerade auch wieder im Plenum – verkündet, dass sie einen Erfolg erzielt hat, dann mag es sein, dass die Linksfraktion.PDS die Anregung gegeben hat. Aber Kollege Brangs hatte auch Recht, es war bundesrechtlich vorgegeben. Aber egal! Jedenfalls glaube ich, dass wir alle dazu beigetragen haben, in einer offenen Diskussion zu besseren Ergebnissen als im Entwurf zu kommen.

Ich möchte für meine Fraktion zu einem zentralen Punkt sprechen, nämlich zu der Frage der Widerspruchslösung bzw. Einwilligungslösung. Kollege Martens hat das auch angesprochen. Ich meine, wir müssen hier sehr genau unterscheiden. Die Daten werden per staatlichen Eingriff für öffentliche Zwecke erhoben, zu Allgemeinwohlzwecken. Dies allein rechtfertigt den Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht. Dieser Eingriff ist im Ansatz nicht gerechtfertigt, wenn die Daten an Dritte weitergegeben werden. Genau da liegt der Pferdefuß dieses Gesetzentwurfes. Deswegen werden wir auch eine Anzahl von Änderungsanträgen – Ihnen liegen diese vor – zu dieser Frage stellen.

Es ist einfach nicht richtig – und ich glaube, es ist auch den Bürgerinnen und Bürgern nicht vermittelbar –, dass der Staat, im Zweifel zwangsweise durchsetzbar, Daten erhebt, die über irgendwelche anderen Kanäle bei Adressenhändlern, bei kommerziellen Nutzern, bei Parteien landen, und dass diese dann ihren Briefkasten von dem ganzen Zeug entmüllen dürfen, das sie nie bestellt haben und das sie auch nicht lesen wollen.

Ich möchte noch eine wichtige Unterscheidung treffen, weil Herr Bandmann diese Frage auch angesprochen hatte. Die Forderungen von Handwerkern oder von Privaten – Handwerker sind ja auch Private – zur privaten Rechtsverfolgung werden dadurch nicht berührt. Dafür ist es erforderlich, ein berechtigtes Interesse darzulegen. Das ist bei uns in § 32a bei der erweiterten Meldeauskunft durchaus zufrieden stellend geregelt. Das hat mit den Fragen der Einwilligungs- bzw. Widerspruchslösung nichts zu tun. Ich bitte, das sorgfältig zu unterscheiden. Wir werden dazu eine Reihe von Änderungsanträgen stellen, die ich nachher noch begründen werde.

Ich möchte aber jetzt schon sagen, dass wir den Änderungsantrag der Linksfraktion.PDS zur Streichung des § 30a unterstützen werden. Dazu ist schon genug gesagt worden. Nach der Änderung des Rundfunkstaatsvertrages, der es dem MDR erlaubt, als Adressenhändler aufzutreten, ist es nicht mehr vertretbar, ihm diese Daten zu überlassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann die Staatsregierung. Herr Staatsminister Buttolo, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Lassen Sie mich aus der Sicht der Staatsregierung die wesentlichen Vorteile dieser Melderechtsnovelle für unser Land noch einmal darstellen:

Oberstes Ziel dieser Gesetzesnovelle ist es, das Melderecht für die Menschen in unserem Land einfacher und bürgerfreundlicher zu machen. Wir reduzieren und vereinfachen die meldebehördlichen Verwaltungsverfahren, indem wir die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien in den Verwaltungsvollzug einführen. Wurden die Tätigkeiten in den Meldebehörden bislang weitestgehend auf Papierbasis erledigt, erfolgt dies künftig automatisiert.

Herr Dr. Friedrich, zunächst einmal zu Ihrem Vorwurf, die Staatsregierung sei zu spät mit dem Regierungsentwurf gekommen. Herr Dr. Friedrich, wir hatten lang und breit im Ausschuss dargelegt, dass bis Mitte des vergangenen Jahres noch Unklarheiten am Bundesgesetz bestanden und dass es eine ganze Reihe von Auslegungsdiskussionen mit dem Bund gegeben hat. Wir waren also nicht zu spät, sondern sind zu einem Zeitpunkt gekommen, als rechtliche Klarheit bestand.

Wie in den anderen Bundesländern wird die Abmeldung bei einem Wohnortwechsel weitestgehend nicht mehr vorgenommen. Für die Bewohner unseres Landes ist dies – im Klartext – ein Behördengang weniger. Ein vorausgefüllter Meldeschein soll bei der Anmeldung bereitgestellt werden. Das erspart Zeit und eliminiert Fehlerquellen.

Weiterhin besteht dann die Möglichkeit, eine einfache Melderegisterauskunft online über das Internet zu erhalten – ein komfortabler Bürgerservice. Die Meldebehörden können die Internetanmeldung für ihre Einwohner und den Internetabruf der eigenen Daten der Meldepflichtigen zulassen – ein ehrgeiziges Musterprojekt des E-Governments.

Der Paradigmenwechsel im Meldewesen wird mittelfristig zu hohen Einsparungen in den Meldebehörden führen. Das gibt den kommunalen Entscheidungsträgern wieder mehr Freiraum. Zu diesem Paradigmenwechsel zählt auch die durch das Bundesrecht vorgeschriebene bundesweite elektronische Rückmeldung, die zum 31. Dezember dieses Jahres in den Meldebehörden gewährleistet sein muss.

Diese Verpflichtung erfordert jedoch für die 323 sächsischen und bundesweit über 5 000 Meldebehörden die Errichtung und den Betrieb einer technischen Infrastruktur, die im Verwaltungsvollzug der Länder bisher ihresgleichen sucht. Diese anspruchsvolle Infrastruktur muss noch aufgebaut werden. Erst dieses Gesetz ermächtigt das Land, die technischen Voraussetzungen zu schaffen, damit

die Kommunen sicher und zuverlässig ab dem 1. Januar 2007 die Rückmeldungen durch elektronische Datenübermittlung vollziehen können.

Um eine Verzögerung im Meldewesen bundesweit zu vermeiden, muss Sachsen dieses Gesetz jetzt beschließen. Ich bitte Sie daher, dies heute zu tun, damit wir unseren Zeitplan für die Errichtung und den Test der Infrastruktur einhalten können.

Mit der Novelle haben wir jedoch nicht nur unsere Pflichten gegenüber dem Bund erfüllt. Wir schaffen mit dem Gesetz auch die Voraussetzungen für das Kommunale Kernmelderegister, das bei der informationstechnisch erfahrenen Sächsischen Anstalt für kommunale Datenverarbeitung errichtet und betrieben werden soll. Ein solches Register, bei dem der Datenschutz und die Datensicherheit nach dem Stand der Technik selbstverständlich zu gewährleisten sind und das vergleichbar in RheinlandPfalz, Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, dem Saarland, Mecklenburg-Vorpommern und in Thüringen besteht oder geplant ist, brauchen wir auch in Sachsen.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Das Kommunale Kernmelderegister, dessen Finanzierung unter den jetzigen Rahmenbedingungen gesichert ist, bietet zahlreiche Vorteile für Bürger, Wirtschaft und ressortübergreifend für die Verwaltung. Es stärkt unsere Position im föderalen Standortwettbewerb. Die regelmäßigen Datenübermittlungen an Behörden oder sonstige öffentliche Stellen des Bundes, für die schon bisher von den kommunalen Meldebehörden keine Gebühren erhoben wurden, werden in Zukunft über das Kommunale Kernmelderegister laufen. Das entlastet die bisher dafür zuständigen kommunalen Meldebehörden erheblich. Die regelmäßigen Datenübermittlungen an sächsische Behörden, Gerichte und die öffentlich bestellten Vermessungsingenieure werden auf dem Weg des automatisierten Abrufs über das Kommunale Kernmelderegister ausgeführt werden. Hier gilt das gleiche Entlastungsargument wie für die kommunalen Meldebehörden. Der dann mögliche Dialog der Landesbehörden mit nur einer einzigen zentralen Stelle anstatt bisher 323 Meldebehörden mit Schnittstellen zu 16 unterschiedlichen Einwohnermeldeverfahren eröffnet im Hinblick auf die reduzierte Anzahl der Kommunikationspartner die Möglichkeit zur automatisierten Auskunftserteilung und führt zu Einsparpotenzialen in der Landesverwaltung.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wir haben mit diesem Gesetz unsere Pflichten gegenüber dem Bund erfüllt. Wir haben die uns verbleibenden Spielräume für ein zukunftsweisendes Meldewesen für unsere Bürger offensiv genutzt. Ich bitte Sie daher, dem Gesetz zuzustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wird vom Sprecher des Ausschusses noch

das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir jetzt zu den Einzelberatungen. Entsprechend § 44 Abs. 5 Satz 3 der Geschäftsordnung schlage ich Ihnen vor, über den Gesetzentwurf artikelweise in der Fassung, wie sie der Ausschuss vorgeschlagen hat, zu beraten und abzustimmen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.

Wir kommen zu den Abstimmungen. Aufgerufen ist das Gesetz zur Änderung des Sächsischen Meldegesetzes und der Änderung des Gesetzes über die Errichtung der Sächsischen Anstalt für kommunale Datenverarbeitung. Dem liegt ein Gesetzentwurf der Staatsregierung zugrunde, Drucksache 4/2509. Wir stimmen auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Innenausschusses, Drucksache 4/3965 ab.

Wir stimmen über die Überschrift ab. Wer der Überschrift die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen ist das so beschlossen.

Wir stimmen ab über Artikel 1, Änderung des Sächsischen Meldegesetzes. Wir kommen zu Nr. 1. Es liegt ein Änderungsantrag der Linksfraktion.PDS vor, Drucksache 4/4099. Ich bitte um Einbringung. Herr Dr. Friedrich, bitte.

Es geht zwar um das Inhaltsverzeichnis. Ich darf aber auf ein Problem aufmerksam machen, das bereits in der Rede angesprochen wurde. Wir wollen verhindern, dass auch zukünftig die Meldedaten aus den Melderegistern an den MDR und die Gebühreneinzugszentrale GEZ übermittelt werden. Diese Änderung, die diesmal Bestand hatte, finden wir überfällig. Wir sind dafür, dass sie abgeschafft wird; weil bekanntlich der 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag dem MDR die Erlaubnis erteilt – Kollege Lichdi hat es bereits vor wenigen Minuten gesagt –, wie ein Privater Meldedaten zu verarbeiten. Wir finden es überzogen und unverhältnismäßig, dass der MDR aus doppelter Quelle diese Daten für Abgleiche bekommt, und wir denken, dass diese Parallelnutzung unzulässig ist. Wir berufen uns dabei insbesondere auf die Empfehlungen des 12. Tätigkeitsberichtes des Sächsischen Datenschutzbeauftragten, der hier im Landtag zur Diskussion gestanden hat. Wir meinen, dass gerade angesichts der Tatsache, dass in der sächsischen Landesverfassung das Recht auf informationelle Selbstbestimmung – ein Grundrecht – besonders ausgeprägt ist, der Landtag der Empfehlung des Datenschutzbeauftragten – der Streichung dieser Übermittlungserlaubnis – folgen sollte.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wird dazu das Wort gewünscht? – Herr Bandmann, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag der Linksfraktion.PDS ist mehr als durchsichtig. Man könnte ihn eigentlich unter

die Überschrift stellen: Der Ehrliche ist der Dumme. Die PDS versucht zum wiederholten Male, dem Bürger, der gebührentreu seinen Pflichten nachkommt, letztlich die Lasten derer aufzuerlegen, die durch Tricks und Manipulationen versuchen, sich auf Kosten der Allgemeinheit gesundzustoßen.

(Zuruf der Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Links- fraktion.PDS, und Johannes Lichdi, GRÜNE)

Das steckt im Kern hinter diesem Änderungsantrag. Ich denke, genau wegen der Transparenz und der Gebührengerechtigkeit ist es notwendig, dass der Staat seinen hoheitlichen Bereich so verwaltet, dass er die berechtigten Interessen, die insbesondere die Gebühreneinzugszentrale für den öffentlichen Rundfunk hat, wahrt und dass die Möglichkeiten für einen zentralen, schnellen Datenausgleich bestehen. Herr Porsch, mit Daten haben Sie ja offensichtlich besondere Erfahrungen. Deswegen ist Ihr Zwischenruf gekommen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Woher wissen Sie das?)

Dazu haben Sie sicher eine Menge – auch in diesem Hohen Hause – beizutragen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Sie sind sicherlich nicht derjenige, der der Kronzeuge genau für diese Frage ist. Wir sind der Meinung, dieser Antrag muss abgelehnt werden.

Wird weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann bringe ich die Drucksache 4/4099, Änderungsantrag der Linksfraktion.PDS, Nr. 1, zur Abstimmung. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist diese Änderung mehrheitlich abgelehnt.

Ich lasse abstimmen über Nr. 1, Artikel 1, Änderung des Sächsischen Meldegesetzes. Wer der Nr. 1 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen ist die Nr. 1 im Artikel 1 mehrheitlich bestätigt.

Zu den Nrn. 2 bis 7a und 8 bis 16 liegen keine Änderungsanträge vor. Ich lasse über diese Nummern in der Gesamtheit abstimmen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer großen Anzahl von Stimmenthaltungen ist dem zugestimmt.

Wir kommen zu Nr. 17, Artikel 1. Hier liegt ebenfalls ein Änderungsantrag vor, diesmal von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 4/4102. Ich bitte um Einbringung. Herr Lichdi, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie angekündigt, geht es um die grundsätzliche Einführung der Einwilligungslösung anstelle der Widerspruchslösung. Wir wollen