Die sublime Unterstellung, die in dem Antrag selbst liegt, die Demokratie sei vielleicht anfällig für Rechtsextremismus oder Neofaschismus, weise ich zurück. Die Demokratie kann sich dessen erwehren, sie muss es nur versuchen. Unsere Verfassung formuliert die wehrhafte Demokratie. Es kommt aber hier darauf an, dass wir uns dessen ständig besinnen
Deswegen brauchen wir dieses Staatsziel nicht. Wir sind Demokraten genug. Wir sind uns unserer selbst bewusst
und wir wissen, was die Verfassung uns für Möglichkeiten gibt, diese freiheitlich-demokratische Ordnung zu bewahren.
(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN wird die vorgeschlagene Antifa-Klausel ablehnen. Wir haben uns diese Entscheidung nach kontroverser Diskussion in der Fraktion nicht leicht gemacht. Wir sind aber gegen diese Klausel, weil sie nichts bringt, falsche Hoffnungen weckt, zu tief in den von staatlichem Einfluss freizuhaltenden Meinungsbildungsprozess des Volkes eingreift und ein Tor zur staatlichen Meinungskontrolle eröffnet.
Gerade weil wir diese Klausel ablehnen, möchte ich klarstellen, worin wir uns mit den Antragstellern wohl einig sind. Ich möchte den Neonazis der NPD-Fraktion auch nicht das Schauspiel der Selbstzerfleischung der demokratischen Fraktionen bieten.
Erstens. Der Neonationalsozialismus, wie er von einer Fraktion im Landtag vertreten wird, ist eine zutiefst widerliche, ja unmoralische Gesinnung, mit der es keinen Kompromiss geben kann. Herr Apfel, wenn Sie jetzt von einer Chimäre des Faschismus sprechen, der überhaupt nicht vorhanden sei, dann darf ich Sie an Ihren Chefideologen, Herrn Gansel, der jetzt nicht anwesend ist, erinnern, der sich explizit auf die faschistischen Vordenker Deutschlands, der so genannten konservativen Revolution der zwanziger Jahre, und auch auf die weiteren Vordenker des Nazismus beruft.
Zweitens. Rechtsextremismus und Antisemitismus in Sachsen werden nicht allein durch Sie von der NPDFraktion vertreten, sondern auch durch Strömungen in der Bevölkerung, wie die Skinheads und die Kameradschaftsszene der so genannten freien Kräfte zeigen.
Drittens. Alle gesellschaftlichen Gruppen und Parteien sind aufgerufen, den Rechtsextremismus und den Rassismus in Parlament und Gesellschaft zurückzudrängen und die Menschen durch Lösen der Probleme für die demokratischen Werte der Freiheit und Gleichheit aller Menschen zu gewinnen. Da müssen wir uns alle selbstkritisch an die eigene Nase fassen.
Die Frage, die hier aber zur Debatte steht, ist die, ob uns die vorgeschlagene Verfassungsänderung in dieser Auseinandersetzung hilft.
Ich sage Ihnen: Das Grundgesetz und die Sächsische Verfassung sind keine netten Vorlagen für Sonntagsreden, sondern verbindliche Rechtsdokumente, die die Verfassungswirklichkeit prägen sollten. Daher ist zu prüfen, ob die vorgeschlagene Antifa-Klausel neue Handlungsmöglichkeiten schafft.
Eigentlich will die Linksfraktion.PDS die Äußerung rechtsextremistischer, rassistischer und antisemitischer Meinungen und Demonstrationen verbieten, auch wenn sie das nicht klar sagt. Nach dem Wortlaut der vorgeschlagenen Klausel möchte sie den Staat und die Bürgerinnen und Bürger verpflichten, rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Betätigung sowie die Wiederbelebung nationalsozialistischen Gedankenguts nicht zuzulassen. Was heißt denn hier „Nichtzulassung“?
Als Jurist ärgere ich mich schon über die schwammige, rechtsunbestimmte, unklare Formulierung, aber es kommt noch schlimmer. Ihre Begründung zum Entwurf ist verräterisch. Die Klausel soll nämlich – Zitat – „der Tatsache Rechnung tragen“, dass in Sachsen rechtsextremistische und antisemitische Kräfte – Zitat – „provokant und organisiert in Erscheinung treten“.
Ich muss Ihnen offen gestehen, dass mich das Beklagen eines provokanten und organisierten In-ErscheinungTretens an Zeiten erinnert, die länger als 16 Jahre zurückliegen. Warum soll denn eine öffentliche Äußerung von Meinungen – und seien sie noch so „provokant und organisiert“ vorgetragen – staatlichen Handlungsbedarf auslösen? Was meinen Sie damit? Soll der Staat verpflichtet werden, fremdenfeindliche Betätigung zu verbieten? Soweit diese Betätigung Straftaten sind, ist sie jetzt schon verboten. Soweit sie die Opfer des Nationalsozialismus verhöhnt, ist sie nach § 130 StGB zu verfolgen.
Will die Linksfraktion.PDS mit der Antifa-Klausel Neonazi-Demonstrationen verbieten? Dies ist wohl auch die Erwartung des GdP-Vorsitzenden Kubitz, der sich in der
Anhörung für die Klausel ausgesprochen hatte. In der Begründung heißt es, die Verpflichtung aller im Land gehe in gewisser Weise über ein reines Staatsziel hinaus. Dann kommen sie aber in Konflikt mit den Grundrechten, die im Kern schließlich Abwehrrechte sind. Darauf haben die verschiedenen Verfassungsrechtler zu Recht hingewiesen. Sie haben auch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Klausel nicht als Meinungsinhaltsverbot verstanden werden kann, weil das nämlich gegen Artikel 5 und Artikel 8 verstoßen würde.
Daher muss ganz klar gesagt werden: Eine Nichtzulassungspflicht wird ein Verbot der Demonstrationen von Nazis, Antisemiten und Rassisten um Nullkommanichts erleichtern. Herr Worch wird seine halbjährlichen Spielchen in Leipzig auch unter dem Schirm der AntifaKlausel weiter betreiben können. Ich sage Ihnen: Sie von der Linksfraktion.PDS versprechen hier viel mehr, als Sie halten können.
Dies hat die Linksfraktion.PDS jetzt offensichtlich eingesehen und möchte nun statt eines Extraartikels 12a die Klausel in Artikel 7 unterbringen. Sie beruft sich dabei auf Dr. Maslaton. Die Klausel, sagt er, sei als „Programmsatz“ verfassungsrechtlich gerechtfertigt. – Die Antragsteller wollen eine „klare Pflichtenlage im Sinne eines Staatsziels“ schaffen. Die Linksfraktion.PDS führt in der Begründung aus, die Nichtzulassung dürfe sich – Zitat – „nicht allein in Abwehrhaltungen erschöpfen“. Es gehe vordergründig um mehr soziale Gerechtigkeit, Solidarität, Lebensbejahung usw.
Diese Ziele mögen ja richtig sein. Die Grenzen einer verfassungsrechtlichen Wortauslegung sind aber um Kilometer überschritten, wenn dies aus einem Staatsziel der Nichtzulassung nationalsozialistischer Wiederbetätigung abgeleitet werden soll. Hier verlieren Sie sich, liebe Vertreter der Linksfraktion.PDS, in einem allseitigen Wünsch-dir-was-Paket und ich sage Ihnen: Sie bewegen sich im luftleeren Raum einer beliebigen Verfassungssymbolik.
Aber machen wir es doch einmal ganz konkret! Könnten etwa zivilgesellschaftliche Initiativen, die jetzt über das Landesprogramm „Für Weltoffenheit und Toleranz“ gefördert werden, aus der Antifa-Klausel einen Förderanspruch herleiten? Nein, gerade nicht. Sie könnten es mitnichten! Auch hier versprechen Sie mehr, als Sie halten können.
„Auch wenn die Klausel außer einem Appell nichts bringt, so schadet sie vielleicht auch nicht“, mögen Sie sagen. Aber auch das ist nicht der Fall. Demokratische Gesinnung kann weder verordnet noch mit staatlichen Zwangsmitteln durchgesetzt werden. In der demokratischen Ordnung des Grundgesetzes vollzieht sich die Meinungsbildung von unten nach oben und nicht umgekehrt. Daher hat der Staat die Meinungsbildung des
Volkes nicht im Sinne einer bestimmten Meinung zu steuern oder beeinflussen zu wollen. Dies gilt selbst, auch wenn es schwer fällt, für die abscheulichsten und widerlichsten Meinungen wie den Nationalsozialismus und den Antisemitismus. Ich denke, wir sollten es als demokratische Fraktionen nicht diesem Wolf im Schafspelz, der nach seiner Rede hier richtig schwitzen muss, überlassen, diesen demokratischen Grundansatz vorzutragen.
Es wird oft gesagt: „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“. – Ich sage Ihnen: Dies ist eine politische Parole, die ich teile. Sie kann aber weder verrechtlicht werden, noch sollte man sie verrechtlichen. Eine Antifa-Klausel würde die gesellschaftliche Auseinandersetzung auf rechtliche Auslegungsfragen verlagern, was denn rechtsextremistisch, rassistisch oder antisemitisch sei. Der Staat sollte sich aber keine WischiwaschiErmächtigungen zur Einschränkung von Meinungen unter dem Etikett „Rechtsextremismus“ verschaffen wollen. Der Weg zur Unfreiheit ist mit guten Vorsätzen gepflastert.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Lichdi, ich erwidere jetzt nichts auf Ihre Worte; weil ich dem Parlament und der Öffentlichkeit ersparen möchte, was Sie auch als ein Problem gesehen haben: dass wir uns zwischen den anderen fünf Fraktionen bei diesem Thema gegenseitig Vorwürfe machen, zerspleißen, angreifen, und die sechste Fraktion, die das Parlament nur benutzt, um Demokratie in diesem Land zu zerstören, sich freut.
Das, was Sie dargelegt haben, Kollege Lichdi, ist die Reflexion des Bildes der Zerrissenheit Ihrer Partei, wie es sich auch in Berlin darstellt.
Wenn man so viel Böswilligkeit anwenden muss, um einen Gesetzentwurf zu diffamieren, hat man Not. Dies akzeptiere ich. Kollege Schiemann, unser Problem ist Folgendes: Ich bin der Auffassung und meine, es auch so im Verfassungs- und Rechtsausschuss und nicht anders zum Ausdruck gebracht zu haben. Wenn ich dabei in der Formulierung missverstanden worden bin, tut es mir Leid. Ich denke, die Frage zu beantworten, kommen wir nicht herum. Dies wird sich nachher in der Abstimmung äußern.
Eine Verfassung ist keineswegs dafür da – auch wenn es sich Kollege Schimpff zeitlebens und 100 Jahre darüber
hinaus so gewünscht hätte –, dass sie nie geändert wird. Demzufolge wäre der Bundesgesetzgeber der blanke Dilettant. Das Grundgesetz ist seit 1949 über 60, 70 Mal geändert worden. Es ist nicht so, dass der Bundesgesetzgeber nicht Änderungen in das Grundgesetz aus rein politischen Erwägungen aufgenommen hat. Was ist denn die Änderung des Artikels 13 gewesen, Großer Lauschangriff usw.?
Artikel 16, Ausländerrecht usw. – immer die Reflexion auf politische Verhältnisse in der Gesellschaft, immer die Frage, wie ich denn zu den vermeintlich herangereiften Fragen in der Verfassung, im obersten Gesetz dieses Landes, dieser Rechtsgemeinschaft, eine Antwort finde. Ob es immer die glücklichste war wie zum Artikel 16, darüber gab es immer Streit. Ebenso wird es Streit geben, ob unsere Staatszielbestimmung eine glückliche und berechtigte Frage ist. Aber von vornherein zu sagen, man könne die Verfassung nicht ändern, nur weil politische Entscheidungen herangereift sind, ist natürlich absurd, Kollege Schiemann.
Zumindest konnte man die Worte wirklich so verstehen, als Sie sagten: Wegen der politischen Konstellation kann man die Verfassung nicht ändern.